Durch die Diskussionen um die Besetzung der Fernsehrunden vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wurde wiederholt die Forderung laut, die rechtspopulistisch agi(ti)erende AfD trotz aller Bedenken zuzulassen, um sie und ihre Ideologie zu entzaubern. Dabei wurde kaum berücksichtigt, dass eine Diskussionssendung, in der mehrere Parteien ihre Wahlprogramme in populärer Form und diskursiv vorstellen, ein solcher »Entlarvungsdiskurs« nicht praktikabel ist, weil die Konzentration auf ein Wahlprogramm nicht der Zweck der Sendung sein kann.
In den politischen Talkshowformaten der öffentlich-rechtlichen Sender wird der »Entlarvungsdiskurs« zuweilen durchaus versucht. Der Prototyp der »Entlarvungs«-Talkshow fand allerdings im deutschen Privatfernsehen am 5. Februar 2000 in der ntv-Sendung »Talk in Berlin« statt. Erich Böhme (ehemaliger »Spiegel«-Chefredakteur) hatte dort den Vorsitzenden der österreichischen FPÖ, Jörg Haider, zu Gast.1 Haider war zum damaligen Zeitpunkt Landeshauptmann (Ministerpräsident) von Kärnten. Im Bund wurde Österreich in einer sogenannten schwarz-blauen Koalition aus ÖVP und FPÖ regiert. Formal war Haider an dieser Regierung nicht beteiligt. Tatsächlich war er aber damals auf dem Höhepunkt seiner Macht und dürfte maßgeblich die Strippen bei den Koalitionsverhandlungen gezogen haben.
Die schwarz-blaue Regierung in Österreich rief internationale Proteste hervor. Die FPÖ war unter Haiders Vorsitz von einer liberal-konservativen in eine rechtsextreme Partei verwandelt worden. Einzelne Aussagen von FPÖ-Politikern und auch von Haider selber riefen Skandale hervor.
Eine Sendung mit Haider – zumal im deutschen Fernsehen – war ein Coup. Öffentlich-rechtliche Anstalten hatten es vorher abgelehnt, Haider »ein Forum« zu bieten. Die Redaktion der Sendung bei n‑tv beließ es jedoch nicht bei einem Dialog, sondern wählte das übliche Format mit mehreren Personen. Als weitere Gäste wurden eingeladen: Freimut Duve (SPD), Michael Glos (CSU) und Ralf Giordano, Publizist. Hierin kann man den ersten Fehler festmachen.
Wenige Tage nach der Sendung, am 28. Februar, trat Haider als FPÖ-Vorsitzender zurück. ↩