»Es werde Stadt!« so der leicht pathetische Ausruf und Titel des Films von Dominik Graf und Martin Farkas. Die Stadt, die da werden soll, ist Marl im nördlichen Ruhrgebiet. Marl steht für Kohle, Chemie – und den Grimme-Preis. Und an Marl lässt sich die Geschichte des Ruhrgebiets sehr schön illustrieren: die Städtebauambitionen in den 1960er Jahren (als es mit der Kohleförderung schon schwieriger wurde, wenn auch eher unbemerkt), die viel gerühmte »insel« wie dort die Volkshochschule hieß. Es galt, wie es einmal heißt, Menschen zu »erziehen«. Und wenn es durch Bauwerke geschah (so sahen sie auch aus). Die offene, »radikal innovative« »Sharoun-Schule«, die, so ein Lehrer, erst in der Zeit als es die Gesamtschule gab, angenommen wurde. Was immer das bedeutet.
Graf und Farkas zeigen Aufstieg und Niedergang des Ruhegebiets anhand der Stadt Marl und, allegorisch, parallel zur Entwicklung des Fernsehens. Die üblichen Klagen bei den befragten Bürgern: In Marl gebe es nichts, wo man abends hingehen kann. Der Niedergang des Fernsehens, wie ihn Graf und Farkas verstehen, symbolisiert sich am verrottenden Hallenbad Marls. Man braucht nur wenig an den Aussagen der Bürger über ihre Stadt ändern: Da gibt es nichts, was man abends einschalten kann.
Zum Dreh- und Angelpunkt des Films wird die Grimme-Preis-Verleihung von 1989. Da schien die Welt noch in Ordnung. Die Honoratioren aus Politik und Medien und geben sich die Ehre. Man feierte sich. Günter Rohrbach wird gezeigt, der für einen Moment ein kritisches Wort in seine Dankesrede einbaut. Es ging um Filmproduktion, Fernsehspiel und vor allem ums Geld. Betretene Gesichter. Mahnende Worte, aber alles sehr indirekt. Nur kurz. Und folgenlos.
Emphatisch feiert der Film das Fernsehen, wie es früher war – ohne die in diesen Fällen gängigen nostalgischen Protagonisten vorzuführen. Kein Kulenkampff, kein Frankenfeld, kein Rosenthal, kein Fernsehballett, kein »Stahlnetz«. Nein, es geht ums Fernsehspiel, den Fernsehfilm, es geht den beiden Regisseuren um »Popularität und Avantgarde« und dies »gleichzeitig« und nicht das eine zur Primetime und das andere um Mitternacht. Es geht um Experimentierfreude. Ernsthaft werden die Logos des »Kleinen Fernsehspiels« und der Reihe »Der phantastische Filme« aus den 70ern gezeigt und dem heutigen Logo gegenüber gestellt. Kann man machen. In etwa so als vergleiche man den VW-Käfer von 1966 mit einem beliebigen deutschen Mittelklassemodell heute. In der Eile der einhundertfünf Minuten Film sagte man leider nicht, wann der »phantastische Film« im ZDF so gezeigt wurde. Ich kann mich nur an Ausstrahlungen ab 22.30 Uhr, meist später, erinnern. Und man sagt auch nicht, was da so lief: das, was man heute Mainstream-Kino nennt, »King Kong« beispielsweise. Das war wirklich nicht schlecht – aber Avantgarde?
Zwischenzeitlich schwelgt der Film mit seinen Zeit- und Augenzeugen ein bisschen wie Großeltern von der guten alten Zeit erzählen. Tenor: Alles war mal besser. Der Bruch kam, so erzählt Günter Rohrbach im Rückblick, als die »Schwarzwaldklinik« im ZDF begann – und auch noch eine hohe Quote holte. Von nun an ging’s bergab. Das hatte ich eigentlich schon vorher verstanden. Das Privatfernsehen sei schuld gewesen, so heißt es unisono. Ja, es war politisch gewollt und sollte dem linksliberalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk Paroli bieten. In Wahrheit sei es nicht progressiv, sondern restaurativ gewesen, so sagt einer. Selbst »Tutti-frutti« sei nur eine Wiederaufnahme der deutschen Softpornos der 60er gewesen. Vorher konnte man sehen, wie Ingrid Steeger einen Grimme-Preis Preis für Regisseur Pfleghar und »Klimbim« entgegennahm. War das nicht mindestens auch so etwas in der Nachfolge des deutschen Soft-Porno? Und was war am Beat-Club nochmal so progressiv?
So einfach machen es sich Graf und Farkas. Sie sind fest entschlossen, sich die Sicht durch die rosarote Brille der Vergangenheit nicht von der Realität trüben zu lassen. Ich glaube es ist Graf, der nach einer Replik eines Befragten sagte: »Dankeschön, darauf wollte ich hinaus«. Schön, wenn man sich so einig ist. Darf ich dann vielleicht inzwischen ein bisschen nach den Ursachen suchen gehen? Obwohl: Sie zeigen sich auch ansatzweise im Film. Da bauen zwei Praktikanten einer Filmschule in der »insel« ein Holzregal auf. Sie werden gefragt, welche Sender sie schauen: Pro7; DMAX. Das war’s auch fast schon. Und die öffentlich-rechtlichen? »Langweilig« sagen beide. Und warum? Nein, diese Frage unterblieb. Das, was man hören wollte, war ja im Kasten.
Man müsse ein Programm für die 60jährigen machen sagt Katja Herzog, eine Filmproduzentin. Sie ist 38 und müsse ihren Eltern Geschichten erzählen statt Geschichten zu machen, die sie und ihre Generation interessieren. Witzig ist nur, dass alle Protagonisten, die im Sinne von Graf und Farkas in diesem Film antworten, fast alle weit jenseits der 60 sind. Und wer zwingt Herzog eigentlich dazu? Wo steht das geschrieben? Wo bleibt ihr Mut? Warum ist ein gutes Programm eine Sache des Alters? Fragen, die nicht gestellt wurden. Nein, es geht in diesem Film nicht um Lösungen, um Analytik. Es geht um Gefühle. Dagegen ist naturgemäß schwer zu argumentieren.
Das »BRD-Eventfernsehen«
Die »zwanghafte Selbstlegitimierung« der öffentlich-rechtlichen sei die Ursache für »Simplifikationen des BRD-Eventfernsehens«. Das sind die Thesen, die Graf und Farkas loswerden wollten. Kurz gesagt (für die beiden Regalbauer): Es ist die Quote. Andreas Schreitmüller weist richtigerweise darauf hin, dass die Fernsehkritiker die Einschaltquote einer Sendung immer auch als Referenz heranziehen. Es sind zumeist die gleichen, die auf die Quote als Kriterium schimpfen. Die Quote erlaubt Vergleiche, die zwar streng genommen keine sind, aber sich wunderbar interpretieren und verwenden lassen. Und die Quote entlastet die Kritik von einer ästhetischen Auseinandersetzung mit der Sendung, die womöglich anstrengend und kompliziert ist. Hat die Kritik beschlossen Moderator oder Sendung (oder beide) hochzujubeln oder, später dann, runter zu schreiben, werden die ermittelten Zahlen so lange hin und hergewendet, bis sie zur jeweiligen Stoßrichtung passen. Die Verächter der öffentlich-rechtlichen Medien (sie sitzen in hoher Anzahl in den Redaktionen der Zeitungsverlage) ziehen die Quote als Legitimationskriterium immer wieder heran. Passen sich Sender und Redakteure dem vermeintlichen Quotendruck an, wird die niedrigere Qualität dann wieder kritisiert.1 Die Aussage, dass es sich um eine reine Selbstlegitimierung handelt, ist einfach falsch.
Aber diese Problematik streift der Film nur ganz am Rande. Für Graf und Farkas ist vermutlich alleine schon die Beschäftigung mit den Quoten und deren Ermittlung Teufelszeug. Das Fernsehprogramm müsse zur Not vor den Zuschauern geschützt werden, heißt es einmal als rhetorische Frage nur leicht verkleidet. Da wirken dann die hehren Appelle an Demokratie und Aufklärung nur noch lächerlich. Schlimm, dass man diese Diskrepanz nicht einmal zu merken scheint. Stattdessen darf Iris Berben von ihrem heldenhaften Einsatz berichten, wie sie es verhindert hat, dass Rosa-Roth-Folgen im Sommer gedreht werden. Man drehte nur von November bis Januar; aus »dramaturgischen« Gründen. Aha. Vermutlich führt dieser Heroismus zu einem nächsten Grimme-Preis. Bitte unbedingt vormerken.
Die GfK kommt mit einem Filmchen aus den 80ern vor. Wie die Quoten jetzt ermittelt und welche heterogenen Gruppen einfach zusammengefasst werden – kein Wort hierzu. Wieso den Zuschauer mit derlei belasten. Stattdessen Sohrab S. Saless, der 1980 einen vierstündigen Film abgeliefert hatte, der dann auch so gesendet wurde. Damals hatte man noch »Mut« bei der ARD. Ja, das stimmt. Aber damals gab es auch niemand, der am nächsten Tag in der Gruppe der 14–49 jährigen einen Marktanteil von 3% feststellte. Und es gab keinen Kritiker, der dem Sender ein Programm für Minoritäten vorwarf.
Da ist ja diese Angst vor dem einen Wort, welches im Film nicht gesagt wird. Nahezu alle Teilnehmer dieses Films fürchten sich davor, aber niemand sagt es explizit. Es ist die Angst vor dem Wort elitär. Es ist ein Vorwurf, der ein Massenmedium ins Mark trifft. Es muss balancieren zwischen trivial und elitär; im Zweifel entscheidet man sich immer für das Triviale. Aber: War es jemals wirklich anders? Ja, es gab die Experimente zur Primetime, aber die Fernsehspiele liefen dann doch meist später am Abend. Vorher gab es die Show, das Quiz, das Ratespiel. Das politische Magazin, das anspruchsvolle Fernsehspiel, die Theaterinszenierung – sie kam immer spät abends. Und das zu Zeiten als es noch keine Aufzeichnungsgeräte für den Zuschauer gab.
Wo einst das Fernsehspiel die soziologischen Befindlichkeiten der Gesellschaft aufzeigte und spiegelte, tritt heute der Krimi, der dies »übernimmt«. Wer will kann 24 Stunden am Tag Krimis schauen. Er hat den unschätzbaren Vorteil auch noch einen Plot anzubieten, über den die pädagogische Inbrunst weiter gepflegt und ausgebreitet werden könnte und oft genug auch wird. Bei der Lösung des Kriminalfalles stellt sich dann auch noch das wohlige Gefühl einer Reinigung ein. So schlägt man vermeintlich gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Dominik Graf wüsste, wovon er redet. Aber auch diese Untersuchung unterbleibt.
Und so steckt in Frank Lübberdings Abgesang auf »Wetten, dass« mehr substanzielle Analyse auf die sich inzwischen veränderte Welt und deren Auswirkungen auf das Fernsehen als im gesamten Film: »Es war das Genre dieser Generation, die noch das erlebt hatte, was Soziologen als die Mittelschichtsgesellschaft der Nachkriegszeit charakterisierten. Deren Kriterium war Homogenität mit weitgehend identischer Sozialisation.»2 Diese Homogenität und damit die Möglichkeit, mit qualitativ hochwertigen Programmen wenigstens noch einen Teil des Publikums zu erreichen, ist verschwunden. Die Gründe sind vielfältiger Natur und nicht vom Fernsehen verursacht. Dies kann nur reagieren, nicht mehr agieren. Und wenn es pädagogisch daherkäme, würde es nicht mehr akzeptiert.
In der Geschichte der fiktiven Fernsehansagerin Inger Stoltz, die am Ende ein bisschen angeklebt und durch die Fiktionalisierung unpassend wirkt, zeigt sich aber Dilemma des Anspruchs von Graf und Farkas: Was die Ansagerin dort vor den jeweiligen Filmen oder Fernsehspielen vorlas (und womöglich von »richtigen« Ansagerinnen damals gesprochen wurde) würden die beiden Regalbauer, die irgendwann selber Filme machen möchten, gar nicht mehr verstehen. Das Ende des Fernsehens, welches Graf und Farkas beklagen, spiegelt ja auch das Ende einer Bildungs- und Wissensgesellschaft, die sich ihre Kenntnisse praktisch nur noch bei der Wikipedia holt (zweimal macht man es im Film ja selber; das ersetzt Recherche).
In den 60er und 70er Jahren standen die Leute noch in Schlangen vor der Volkshochschule. Wissen war ein Grundbedürfnis der Gesellschaft. In diese Zeit fällt auch der Wunsch über die Zeit des Nationalsozialismus mehr zu erfahren als dies von den meist schweigsamen Eltern und Verwandten geschah. Einer der Schwerpunkte beim Grimme-Preis waren die Fernsehbeiträge, die sich mit der NS-Zeit auseinandersetzten. Das »Antifaschistische« sei »konstitutiv« für den Grimme-Preis gewesen. Aber nur so, wie man es für richtig hielt. Daher hat dann auch Guido Knopp nie einem Grimme-Preis bekommen. Wissen war einst ein Wert an sich. Heute ist es nur noch Mittel zum Zweck; es dient bestenfalls dazu bei Jauch eine Million Euro zu gewinnen. Und man beklagt sich über einer Frage, deren Geschichtshorizont sie mangels eigenen Erlebens nicht glauben überblicken zu können.
Günter Gaus’ Filmzitat von 1989, das Fernsehen habe die Aufklärung beendet ist womöglich in doppelter Hinsicht richtig. Zum einen als Befund des Zustands einer Gesellschaft, die der Aufklärung im Gaus’schen Sinn scheinbar nicht mehr bedurfte, sie, um es salopp zu sagen, nicht mehr sehen und hören wollte. Zum anderen dahingehend, dass im Fernsehen diejenigen das Kommando übernahmen, die das Projekt »Aufklärung« für beendet erklärten, weil sie – fälschlicherweise? – glaubten, alle seien hinreichend aufgeklärt und man könne sich nun entspannt dem Vergnügen widmen. Irgendwann konnte Gaus nur noch in der Nische bei Alexander Kluges DCTP seine Gesprächssendung »Zur Person« fortsetzen – mit Fragen, die Neugier statt Sensationslust zeigten und Antworten statt den Eklat suchten. Es spricht übrigens Bände für die Tendenz dieses Films, dass Alexander Kluge nur in einem kurzen Ausschnitt seiner Dankesrede zum Grimme-Preis von 2010 zu Wort kommt; die Erwähnung seines Unternehmens, seiner Nische aber unterbleibt.
Eine Theorie kursiert in diesem Film, die auch von einem Teilnehmer artikuliert wird. Es heißt dort, der Niedergang des Fernsehens habe mit dem Zusammenbruch des Antagonismus des Kalten Krieges zu tun. Das westliche System brauche seit November 1989 keine Argumentation für sich mehr. Dies habe auch Auswirkungen auf die Kunst, die eigentlich bedeutungslos geworden wäre; das westliche System brauche keine Argumentationen mehr für sich. Man habe »gewonnen«. Jeder der Sätze wird sanft mit einem kleinen akustischen Ton untermalt. Das ist ein derart hanebüchener Unsinn, dass es fast schon komisch wirkt.
Wenn Rod Steward vor einem Hinterhof a capella ein Liedchen singt und dies als einer der »berührendsten Momente des deutschen Fernsehens« apostrophiert wird, muss man schon lachen. Wenn dies Ernst gemeint sein sollte, steckt darin eine ziemlich deftige Portion Arroganz denjenigen gegenüber, die neuerdings per Gesetz bezahlen müssen – ob sie die Angebote annehmen oder nicht. Der Zauber sei verschwunden, heißt es. Stimmt wohl. Aber man bei allem Lamento der Wahrheit die Ehre geben: Die Lagerfeuersituation entstand fast nie in den so vehement verfochtenen künstlerischen und/oder avantgardistischen Programmelementen. Das ist eine Legende, den Graf und Farkas starrsinnig kultivieren. Sie idealisieren das Fernsehen nicht wie es war, sondern wie es hätte sein können. Und sie wollen ein Fernsehen, wie es Fernsehschaffende wollen. Das Publikum brauchen sie nur als Zahler.
Das Spielchen ähnelt dem der Buslinie von A nach B in einem ländlichen Ort. Weil die Leute immer mehr Autos haben, wird zuerst die Taktfrequenz eingeschränkt, weil immer weniger Leute den Bus nehmen. Das führt dazu, dass immer mehr Leute das Auto nehmen, was wiederum zu weiteren Einschränkungen im Fahrplan der Buslinie führt. Am Ende wird die Buslinie eingestellt. Wer war nun schuld? Die Leute, die lieber mit dem Auto gefahren sind? Oder das Busunternehmen, das auf die ständig sinkenden Fahrgastzahlen reagiert hat? ↩
Im Film von Graf und Farkas wird einmal für das Wort 'homogen' eine Erklärung eingeblendet. Für das Wort 'preziös' wenige Minuten später nicht. ↩
Lassen Sie mich vorweg deutlichst meinen Respekt für Ihren beeindruckende Analyse- und Denkarbeit bekunden. Den Film »Es werde Stadt« habe ich gesehen und kann daher Ihren Ausführungen bestens folgen.
Mich beschäftigt nun ein wenig, weshalb Sie die Bedeutung der »Quote« an das Gegensatzpaar trivial/elitär binden, ohne den Geldwert von Werbezeiten zu erwähnen. Denn gerade in diesem Punkt stehen öffentlich-rechtliche Anstalten in direktem wirtschaftlichen Wettbewerb mit den privatrechtlichen Sendern. In besagtem Film ist das, falls mich die Erinnerung nicht täuscht, dezent verschwiegen worden – wie vieles andere, worauf Sie sehr nachvollziehbar hinweisen.
Ohne damit ein völlig anderes Thema vom Zaun brechen zu wollen, möchte ich auf die (vielleicht nicht gerade nächstliegende) Möglichkeit aufmerksam machen, die allgemeine gesetzliche Gebührenpflicht als Entlastung vom Wettbewerbsdruck hinsichtlich der Werbeeinnahmen zu verstehen. Im Film wurden die »Privaten« erwähnt, dessen bin ich mir sicher. Zusammengenommen entstünde daraus ein gänzlich neuer Schuh: Aus dem besprochenen Film leuchtete plötzlich bemüht kaschierte Propagandaabsicht hervor.
Sie haben Recht – ich habe die Werbung und die Werbeeinnahmen der öffentlich-rechtlichen gar nicht erwähnt. Das dezente Verschweigen im Film finde ich – auch dank Ihres Kommentars – nachträglich umso interessanter.
Obwohl die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland beschränkt ist (nur bis 20 Uhr, sonntags gar nicht; ausgenommen ist allerdings das nervige »Sponsoring«), ist sie scheinbar ein unverzichtbarer Einnahmefaktor. Irgendwo kursierte einmal der Wert von 500 Mio. Euro, was bei einem Gebührenaufkommen von rd. 9 Milliarden Euro (bezogen auf Deutschland) etwa 6% ausmachen würde. Scheinbar ist dieser Betrag wohl nicht einzusparen, was ich einfach mal bestreiten möchte. Was fehlt, ist der Wille.
Werbung trägt m. E. zusätzlich zur Legitimationskrise des Rundfunkbeitrags bei. Ich vertrete ja die These, dass man eigentlich genug Geld hat und es nur falsch verwendet. Insofern müsste man locker auf die Werbeeinnahmen verzichten können. Ich halte sie auch für kontraproduktiv. Würden sie wegfallen, hätte man mindestens ein Distinktionsmerkmal gewonnen. Stattdessen rafft man nur das Geld zusammen, um teure Sportrechte aufzukaufen. Das wäre aber der Job der Privaten.
Vielen Dank für die umsichtige Filmkritik. Ich glaube, das Filmchen ist eigentlich ganz gut gelungen, wenn es solche Reflexion auslöst. Das Kompliment geht natürlich in der Hauptsache an Sie, Gregor.
Wunderbar, Günter Gaus! Das Fernsehen habe die Aufklärung beendet. Und das Ende des kalten Krieges habe zeitgleich das Fernsehen beendet. Ist sicher etwas dran, denn der Antagonismus der Regime hat die Nationen zusammen gehalten. Gemeinsamkeiten wachsen in der Gefahr. Damit ist endlich Hölderlin erklärt: Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch...
Das Rettende wird heute wie der Teufel an die Wand gemalt.
Psychologisch kann ich das verstehen, es war ja nur eine »gedungene Nation«. Heute käme sie aus erster Hand, also: Böse, Böse, Finger weg!
Das Medium ist seinen Fans offenbar treu geblieben, bald macht man Fernsehen für die 80-Jährigen. Scheint’s, stapelt sich die Geschichte wie aufgetürmte Eisschollen.
Wenn dann die 80jährigen gestorben sind, stirbt das Fernsehen auch. Deal?
ad #4
– - Deal!
Vielen Dank für Ihre profunde Analyse des Films. Ich habe ihn nun auch selbst gesehen, und ich muss sagen: Ich war entsetzt. Wenn es um das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen wirklich so schlecht steht, dann kann man mit Graf und Farkas wirklich nicht im Geringsten erkennen, wie sich das in absehbarer Zeit ändern könnte. Stattdessen Vergangenheitsseligkeit. Und da spricht man im Zusammenhang mit dem Privatfernsehen noch von restaurativen politischen Absichten!
Einerseits wird über ein Übermaß an politischer Einflussnahme geklagt, andererseits aber findet man scheinbar selbst nichts dabei, sich derselben Politik insoweit auszuliefern, als dass man sich über gesetzlich verordnete Rundfunkbeiträge großzügig subventionieren lässt. Dass man sich dann gegenüber den unfreiwilligen Gebührenzahlern, die das angebotene Programm womöglich gar nicht ansehen, auch noch rechtfertigen muss, ist natürlich eine Zumutung. Und, besonderes bezeichnend, die auch von Ihnen bemerkte Passage, in denen ein Zusammenhang von künstlerischem Anspruch im Fernsehen und dem Ende des Kalten Krieges hergestellt wird. Die Mär geht folgendermaßen: Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts verschwand das Bedürfnis, sich im Fernsehen die Überlegenheit und Richtigkeit des eigenen Systems vorzuführen, und plötzlich stand die Kunst ohne Aufgabe dar. Wenn damit das Selbstverständnis deutscher Fernsehschaffender adäquat charakterisiert sein sollte, muss man sich über den Niedergang deutscher Fernsehunterhaltung wirklich nicht mehr wundern.