Wie­der­be­le­bungs­ver­such an ei­ner Lei­che

Wie führt man sich als neu­er Feuil­le­ton-Chef ei­gent­lich in ei­ne Re­dak­ti­on ein? Wel­che Ak­zen­te setzt man? Was ist pro­gram­ma­tisch zu er­war­ten? Schwie­rig. Ri­chard Käm­mer­lings, von der F.A.Z. kom­mend seit 1. Ok­to­ber Chef des Feuil­le­tons lei­ten­der Kul­tur­re­dak­teur bei der »Welt«, ver­sucht es erst gar nicht mit Ori­gi­na­li­tät. Er be­lebt ei­ne Lei­che, die man ei­gent­lich vor ei­ni­gen Jah­re recht ger­ne zu Gra­be ge­tra­gen glaub­te. Käm­mer­lings darf jetzt end­lich dar­über schrei­ben. Er will den »gro­ßen deut­schen Ro­man«. Wo­bei dies nicht ganz stimmt. Da­mit je­der so­fort weiß, wo die Vor­bil­der zu su­chen sind, wird das Ver­miss­te so­fort an­gli­fi­ziert: »Wo bleibt die Gre­at Ger­man No­vel?« Wow. Was für ein Mut!

Na­tür­lich ist Jo­na­than Fran­zen das ak­tu­el­les Vor­bild. Käm­mer­lings sucht nach ei­nem Äqui­va­lent, wel­ches ei­nem Ame­ri­ka­ner den Deut­schen er­klärt. Da­bei geht er still­schwei­gend von zwei Prä­mis­sen aus: Zu­nächst glaubt er, Fran­zens Buch »er­klä­re« dem tum­ben Deut­schen die ame­ri­ka­ni­sche See­le. Und zum an­de­ren glaubt er, Li­te­ra­tur als Re­fe­renz für ei­ne En­ti­tät oder Na­ti­on her­an­zie­hen zu kön­nen.

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Be­trof­fen­heits­gym­na­stik

Da ist es al­so wie­der: Die­ses Ent­set­zen der li­te­ra­ri­schen Welt, dass sich ih­nen et­was an­de­res zeigt, als sie es in ih­rer Vil­la Kun­ter­bunt für mög­lich ge­hal­ten hät­te. Der Schrift­stel­ler Os­kar Pa­sti­or war von 1961 bis 1968 Mit­ar­bei­ter des ru­mä­ni­schen Ge­heim­dien­stes Se­cu­ri­ta­te. Noch weiss nie­mand ge­nau, was er dort ge­tan hat. Es steht aber zu be­fürch­ten, dass die­se so­ge­nann­te Auf­ar­bei­tung noch hun­der­ten von Bäu­men das Le­ben ko­sten wird. Kei­ne Nu­an­ce wird nicht aus­ge­brei­tet wer­den. Schon jetzt be­kun­den al­le ih­re »Be­trof­fen­heit«. Wer das nicht bei Drei pflicht­schul­digst ab­ge­lie­fert hat, droht Ame­lie-Fried-mä­ssig boy­kot­tiert zu wer­den (wo­bei das ja eher Eh­re als Pein ist). Be­son­ders »be­trof­fen« ist na­tür­lich Her­ta No­bel­preis­trä­ge­rin Mül­ler, die mit Pa­sti­or an ih­rem Buch »Atem­schau­kel« bis zu des­sen Tod ge­ar­bei­tet hat­te. Da war der Se­cu­ri­ta­te-Dienst schon mehr als 40 Jah­re vor­bei.

Pa­sti­or war 1968 im We­sten ge­blie­ben. Als rei­che dies nicht. Als ge­nü­ge die­ses selbst­ge­wähl­te Exil nicht als Be­leg für die Ver­zweif­lung. Als wür­de die­se von Pa­sti­or ver­mut­lich aus Scham ver­schwie­ge­ne Mit­ar­beit ir­gend­et­was fun­da­men­tal än­dern.

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»Ein reg­sam lau­es Trei­ben«

Zu­ge­ge­ben, die­ser Satz ist arg pro­vo­ka­tiv:

Der Li­te­ra­tur­be­trieb hat das li­te­ra­ri­sche Le­ben ge­ra­de­zu ver­nich­tet.

Und Heinz Plesch­in­ski re­la­ti­viert ihn auch so­fort wie­der: Schul­di­ge sind schwer­lich zu be­nen­nen. Doch selbst der Li­te­ra­tur­be­trieb ist nur ein win­zi­ges Seg­ment im all­ge­mei­nen Trend zur Ver­fla­chung. Wer Buch­in­hal­te re­fe­riert, ern­tet ein Gäh­nen – nie­mand will mehr ru­hig zu­hö­ren – al­lein die Ver­kaufs­zah­len hal­ten in Atem und fun­gie­ren als Qua­li­täts­sie­gel. Der Kampf um den Ab­satz be­stimmt al­les. Lek­to­ren und Ver­le­ger win­ken ab und das Ver­triebs­per­so­nal senkt den Dau­men, wenn ih­nen ein sper­ri­ges Ma­nu­skript un­ter die Au­gen ge­rät.

So weit, so be­kannt, möch­te man mei­nen. Aber die wei­te­re Lek­tü­re des Ar­ti­kels in der »Welt« (un­ter dem mar­tia­lisch-trot­zi­gen Ti­tel »Wir müs­sen wei­ter ins Ge­fecht«) ist den­noch emp­feh­lens­wert und hebt sich von der all­ge­mei­nen Li­te­ra­tur­kri­tik-Me­lan­cho­lie, wel­ches im Mo­ment die Feuil­le­tons durch­zieht (kein Wun­der: die al­ten Män­ner tre­ten ab und die Neu­en se­hen ih­re Erb­hö­fe vor sich hin mo­dernd), wohl­tu­end ab.

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Die Un­fä­hig­keit, zu goog­len

Der Vor­wurf des Pla­gi­ats ist der schlimm­ste, den man ei­nem Schrift­stel­ler ma­chen kann. Da­her soll­te man mit sol­chen Be­schul­di­gun­gen vor­sich­tig um­ge­hen. Pla­gi­ats­ge­schich­ten ha­ben meist nicht nur Ent­hül­lungs­cha­rak­ter. Die schlech­ten Ent­hül­lun­gen de­nun­zie­ren auch im­mer gleich mit. Es gibt zahl­rei­che Bei­spie­le für Kam­pa­gnen, die ge­le­gent­lich durch­aus die In­ten­ti­on hat­ten, Schrift­stel­ler auch öko­no­misch zu ver­nich­ten.

Die De­fi­ni­ti­on von dem, was man »Pla­gi­at« nennt, ist recht klar. Ne­ben der recht­li­chen Er­klä­rung, gibt es auch ei­ne ethi­sche. Bei­de In­ter­pre­ta­tio­nen ma­chen es so schwie­rig fest­zu­stel­len, ob et­was Pla­gi­at ist, ein Mo­tiv ver­wandt wur­de oder ob es ei­ne Ver­än­de­rung oder Wei­ter­ent­wick­lung ei­nes Mo­ti­ves ist.

Deef Pir­ma­sens hat in sei­nem Web­log »die ge­fühls­kon­ser­ve« He­le­ne He­ge­manns Best­sel­ler »Axolotl Road­kill« mit dem Buch »Stro­bo« des Blog­gers »Ai­ren« ver­gli­chen und ver­blüf­fen­de Par­al­le­len fest­ge­stellt, die er aus­führ­lich do­ku­men­tiert.

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Pro­vinz­kri­ti­ker

Ver­spä­te­te Be­mer­kun­gen zu ei­ner Pseu­do­kri­tik über Ste­phan Tho­mes Buch »Grenz­gang«

Ste­phan Thome hat ei­nen Feh­ler ge­macht. Er hat­te sich in der Ku­lis­se sei­nes Hei­mat­or­tes Bie­den­kopf für die Li­te­ra­tur­bei­la­ge der »Zeit« (Ok­to­ber 2009) fo­to­gra­fie­ren las­sen (die Bil­der sind nicht on­line). Ei­ne Bild­un­ter­schrift lau­tet: »Ste­phan Thome lebt zwar ge­ra­de in Tai­wan, geht hier aber im hei­mat­li­chen Bie­den­kopf für uns in die Hocke.« Je­der, der auch nur ei­nen Fun­ken Ge­fühl für Spra­che hat, er­kennt die ver­bor­ge­nen In­vek­ti­ven. Zu­sammen mit der Re­zen­si­on von Iris Ra­disch er­gibt dies ei­ne schwung­vol­le De­nun­zia­ti­on des Ro­mans »Grenz­gang«.

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Zur Ent­ba­na­li­sie­rung des Bach­mann­prei­ses

Das Jahr 2009 er­in­ner­te stark an 2006, als Kat­rin Pa­s­sig in ei­nem ex­trem schwa­chen Jahr­gang re­üs­sier­te (was in ei­ner be­lei­dig­ten At­ti­tü­de um­ge­hend da­zu führ­te, dass man No­vi­zen nicht mehr zu­ließ, son­dern auf ei­ner Pu­bli­ka­ti­on be­stand). 2007 gab dann ein biss­chen mehr her, aber im ver­gan­ge­nen Jahr rausch­te das Ni­veau aber­mals nach un­ten (zu­mal man wirk­lich gu­te Bei­trä­ge auch noch aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den ver­riss).

2009 ist nun mit fast neu­er Ju­ry aber­mals ein Tief­punkt er­reicht. Man fragt sich schon, wer ei­ne Mei­ke Feß­mann als Ju­ro­rin aus­er­ko­ren hat. Na­tür­lich: Die For­mal­qua­li­fi­ka­ti­on stimmt und Frau Feß­mann sag­te ja auch wie ei­ne bra­ve Mu­ster­schü­le­rin ihr an­ge­lern­tes und an­ge­le­se­nes Wis­sen auf. Ir­gend­wann teil­te sie dann nur noch mit, ob ihr et­was ge­fal­len ha­be oder nicht. Das füllt sie auch voll­stän­dig aus.

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»Wir­bel­sturm in der Tee­tas­se« oder: Was die F.A.Z. nicht mehr on­line stellt

Der Ger­ma­nist Alan Kee­le stell­te neu­lich fest: Wal­ter Kem­pow­ski hat­te aus per­sön­li­chen Grün­den in den Jah­ren 1947/48 Kon­takt mit dem ame­r­ka­ni­schen Ge­heim­dienst CIC. (s. auch »Ent­hül­lungs­geil«) Kee­le be­ton­te, dass dies kei­ne sen­sa­tio­nel­le Ent­hül­lung sei, son­dern nichts mehr als ei­ne Fuß­no­te, wenn auch ei­ne in­ter­es­san­te. Der F.A.Z.-Redakteur Edo Re­ents mach­te dar­aus ei­ne Sen­sa­ti­on mit dem ef­fekt­ha­sche­ri­schen Ti­tel »Wal­ter Kem­pow­ski war doch ein Spi­on«.

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Ent­hül­lungs­geil

Edo Re­ents hat viel Schnaps ge­trun­ken und mit ei­nem Pro­fes­sor ei­ne gar tol­le Ent­hül­lung prä­sent: Wal­ter Kem­pow­ski war ein Spi­on! Ei­ne »Bom­be« er­kennt der of­fen­bar nicht ganz trink­fe­ste Re­dak­teur da und »spek­ta­ku­lär« schallt es aus den Feuil­le­ton-Stu­ben (ins­besondere der FAZ), die in aus­glei­chen­der Ge­rech­tig­keit jetzt end­lich auch ein­mal ei­nen Nicht-Alt­lin­ken de­kon­stru­ie­ren möch­te. So ganz neu sei das al­les nicht sagt dann der Pro­fes­sor im sin­ni­ger­wei­se lan­ge ins Be­zahl­ar­chiv ge­steck­ten Bei­trag, der sich beim ge­nauen Le­sen schon als Rohr­kre­pie­rer er­weist (Ge­spräch mit Alan Kee­le [»Das geht ja aus den Ro­ma­nen selbst her­vor«]).

Der Nach­klapp von heu­te will die tau­meln­de Mücke noch ein biss­chen auf­pep­pen und be­haup­tet noch ein­mal trot­zig ei­ne Ba­na­li­tät: Wal­ter Kem­pow­ski hat in sei­nen Ro­ma­nen nicht im­mer die Wahr­heit ge­schrie­ben!

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