Jo­sef Wink­ler: Laß dich heim­gei­gen, Va­ter, oder Den Tod ins Herz mir schrei­be

Josef Winkler: Laß dich heimgeigen, Vater, oder Den Tod ins Herz mir schreibe
Jo­sef Wink­ler: Laß dich heim­gei­gen, Va­ter, oder Den Tod ins Herz mir schrei­be

Man glaubt es kaum, aber vor fast 40 Jah­ren be­trat der Kärnt­ner Schrift­stel­ler Jo­sef Wink­ler mit sei­nem wuch­tig-ex­pres­si­ven »Menschenkind«-Roman erst­ma­lig die li­te­ra­ri­sche Büh­ne. In ra­scher Fol­ge er­schie­nen »Der Acker­mann aus Kärn­ten« und »Mut­ter­spra­che« – die »Ackermann«-Trilogie war ge­schaf­fen. Der »Acker­mann« ist des Ich-Er­zäh­lers Va­ter, aber es war na­tür­lich im­mer auch ein Syn­onym für ei­ne bäu­er­li­che Welt, ka­tho­lisch ge­prägt, für ei­ne ge­wis­se Form von Rück­stän­dig­keit ste­hend. Der Er­zäh­ler in die­sen Ro­ma­nen schuf Satz­mäander um Satz­mä­an­der, be­herrsch­te die Kunst der Re­pe­ti­ti­on, über­ließ (li­te­ra­risch) rein gar nichts dem Zu­fall und ver­stand es den Le­ser gleich­zei­tig in Mit­leid, Wut, Ekel und Fas­zi­na­ti­on zu ver­set­zen.

Selbst in ge­hö­ri­ger Ent­fer­nung von Ka­me­ring, je­nem omi­nö­sen Kind­heits­dorf, das mehr ist als nur ein Ort, son­dern für ei­ne Men­ta­li­tät steht, fand der Ich-Er­zäh­ler nir­gend­wo Ru­he oder viel­leicht so­gar Welt­ver­trau­en – we­der in Ita­li­en (hier ent­stan­den zwei Mei­ster­wer­ke) oder Me­xi­ko noch in In­di­en bei der fast my­stisch-kon­tem­pla­ti­ven Be­ob­ach­tung der Be­stat­tungs­ri­ten. Über­all wird er von sei­nem »Ver­fol­gungs­wahn« ein­ge­holt.

Bei al­lem Fu­ror und der spür­ba­ren exi­sten­ti­el­len Not­wen­dig­keit des Prot­ago­ni­sten, sich sei­nen Kind­heits­de­for­ma­tio­nen schrei­bend zu ex­or­zie­ren kann ein ge­nau­es Stu­di­um vor al­lem der im Kärnt­ner Mi­lieu an­ge­sie­del­ten Bü­cher nicht ver­heh­len, dass hier bis­wei­len ei­ne lust­vol­le Selbst­vik­ti­mi­sie­rung in­sze­niert wird.

Wei­ter­le­sen ...

Esther Kin­sky: Hain

Esther Kinsky: Hain
Esther Kin­sky: Hain

»Ge­län­de­ro­man« nennt Esther Kin­sky ih­ren neu­en Ro­man »Hain«. Und na­tür­lich horcht der Kin­sky-Le­ser auf: Wird es so et­was wie »Am Fluß« vor drei Jah­ren, als ei­ne Ich-Er­zäh­le­rin ih­ren Auf­ent­halt in der Lon­do­ner Pe­ri­phe­rie nicht nur er­zähl­te, son­dern in die­se Land­schaft ein­tauch­te, ja ein­sank. Da­bei han­del­te es sich nicht um im land­läufigen Sinn schö­ne, son­dern eher das, was man »Un-Or­te« nen­nen könn­te. Or­te, die häss­lich und eben doch auf ei­ne be­son­de­re Wei­se fast idyl­lisch sind, weil das wahr­neh­men­de Er­zäh­len sie tran­szen­diert. Un­ter­legt wur­den die­se Evo­ka­tio­nen mit Er­in­ne­run­gen an die Kind­heit. Bei­des fin­det man auch in »Hain«. Aber­mals quar­tiert sich die Ich-Er­zäh­le­rin in ei­ne pe­ri­phe­re Land­schaft ein. Dies­mal ist es die klei­ne Ge­mein­de Ole­va­no Ro­ma­no in Ita­li­en, öst­lich von Rom, ein, wie es heißt, »leb­lo­ses Dorf«. Sie be­wohnt ein Haus »auf ei­ner An­hö­he«. »M.«, der Le­bens­part­ner der Er­zäh­le­rin, ist zwei Mo­na­te und ein Tag zu­vor be­er­digt wor­den. »M.« ist Mar­tin Cham­bers, der im Ok­to­ber 2014 starb. Kin­sky-Le­ser ken­nen das Krim-Ta­ge­buch der bei­den, wel­ches Kin­sky al­lei­ne be­en­den muss­te.

Es ist al­so An­fang 2015. Die Er­zäh­le­rin (die ich trotz der fast er­drücken­den Über­einstimmungen nicht Esther Kin­sky nen­nen möch­te) be­ginnt zu er­zäh­len, von ih­rer Um­ge­bung, dem Fried­hof, auf den sie freie Sicht hat, dem Markt­platz, den ein­sa­men afri­ka­ni­schen Händ­lern, der Metz­ge­rei. Ei­ne Gleich­för­mig­keit, ein Einswer­den mit der Land­schaft mag sich zu­nächst nicht ein­stel­len: »Je­den Mor­gen war mir, als müss­te ich al­les neu ler­nen.« Das be­ginnt mit dem Was­ser­ko­chen und setzt sich im Se­hen fort. Über die suk­zes­si­ve to­po­gra­phi­sche Ein­ver­nah­me wird das Le­ben neu kon­sti­tu­iert: »Ich schau­te auf das Dorf und auf die Ebe­ne, die sich bis hin zu der Ket­te schlum­mern­der Vul­kan­ber­ge er­streck­te, hin­ter de­nen ich mir die Kü­ste dach­te, ob­wohl ich wuss­te, dass sie wei­ter ent­fernt war. Die Aus­deh­nung der Ebe­ne war ei­ne op­ti­sche Täu­schung, denn ich hat­te selbst er­lebt, dass vor Val­mon­to­ne ein klei­ner Hü­gel­rücken la, doch sah ich die­ses fla­che Ge­län­der, in dem zwi­schen Ge­höl­zen und Hai­nen klei­ne Dör­fer und Ge­höf­te, Werk­stät­ten und Su­per­märk­te und ei­ne der Oli­ven­baum­krank­heit we­gen der­zeit ge­schlos­se­ne Öl­müh­le la­gen, ger­ne als ein zu­sam­men­hän­gen­des Becken an, ei­ne Art ehe­ma­li­gen See, des­sen Was­ser sich wer­weiß­wann und wer­weiß­wo­hin da­von­ge­macht hat­te…«

Wei­ter­le­sen ...

Fi­bel statt Bi­bel

Be­mer­kun­gen über ei­nen Kri­ti­ker

Kurt Tucholsky: Literaturkritik
Kurt Tu­chol­sky: Li­te­ra­tur­kri­tik
Über Hans Fal­la­das »Bau­ern, Bon­zen und Bom­ben« schreibt der Re­zen­sent 1931 un­ter an­de­rem:

»Die Tech­nik ist sim­pel; es ist der bra­ve, gu­te, al­te Na­tu­ra­lis­mus, das Dich­te­ri­sche ist schwach, aber der Ver­fas­ser prä­ten­diert auch gar nicht, ein gro­ßes Dicht­werk ge­ge­ben zu ha­ben. […] Nein, ein gro­ßes Kunst­werk ist das nicht. Aber es ist echt…es ist so un­heim­lich echt, daß es ei­nem graut.«

Und 1927 über Ar­nold Zweig und Li­on Feucht­wan­ger:

»Wie groß der Kunst­wil­le bei Au­toren die­ser Gat­tung ist, steht da­hin – ih­re hand­werk­li­che An­stän­dig­keit ist un­be­streit­bar.«

Man könn­te auch noch Zi­ta­te zu Erich Ma­ria Re­mar­que und Ernst Tol­ler brin­gen, die in die glei­che Ker­be schla­gen: Li­te­ra­risch – na­ja. Aber der Te­nor – so gut, so tref­fend, so wich­tig. 1928 ver­sucht der Re­zen­sent sich in ei­ne (nicht ganz über­zeu­gen­de) Ver­tei­di­gung der (po­li­tisch ge­färb­ten) »Ge­brauchs-Ly­rik« zu Gun­sten der »Ten­denz­kunst«. Egon Er­win Kisch ist ihm in sei­nen Re­por­ta­gen zu neu­tral; er ver­misst et­was dar­in. Bei Grosz’ Bil­dern preist er, dass die­ser nicht nur la­che, son­dern auch has­se.

Wer hat so ge­schrie­ben? Wer wür­de heu­te noch ei­ne Li­te­ra­tur­kri­tik schrei­ben, die der­art Au­tor, Werk und Ab­sicht trennt, dass der na­tio­na­li­sti­sche Dich­ter Hans Grimm trotz sei­ner furcht­ba­ren Bü­cher, die na­tur­ge­mäß ver­ris­sen wer­den, als »an­stän­di­ger Mann« be­zeich­net wird? (Mit heu­te ver­ges­se­nen Fi­gu­ren wie Her­mann Key­ser­ling und Ru­dolf Her­zog geht er ins süf­fi­sant-hart Ge­richt, aber es blei­ben eher harm­lo­se Schlecht­schrei­ber. Aber in­stink­tiv er­kennt er in Ar­nolt Bron­nen ei­nen »von al­len gu­ten Gei­stern ver­las­se­nen Pa­trio­ten­clown«.) Wer plä­dier­te »die Din­ge rein nach der Idee un­ter Aus­schal­tung ih­rer mensch­li­chen Trä­ger zu be­ur­tei­len«?

Wei­ter­le­sen ...

Ar­no Dah­mer: Manch­mal ei­ne Stun­de, da bist Du.

Arno Dahmer: Manchmal eine Stunde, da bist Du.
Ar­no Dah­mer:
Manch­mal ei­ne Stun­de, da bist Du.

Wenn es tat­säch­lich ei­ne Art un­ge­schrie­be­nes Ge­setz sein soll Bü­cher von Ver­la­gen bei de­nen man sel­ber pu­bli­ziert nicht be­spre­chen, re­zen­sie­ren oder emp­fehlen zu dür­fen, dann wä­ren un­zäh­li­ge Tex­te nie ge­schrie­ben und vie­le Dis­kus­sio­nen nie ge­führt wor­den. So man­che Run­de im Li­te­ra­ri­schen Quar­tett oder Li­te­ra­tur­club wä­re aus­ge­fal­len und vie­le Rezen­sionen hät­ten nur mit ei­ner vor­weg­ge­nom­me­nen oder nach­träg­li­chen »Klar­stel­lung« er­schei­nen kön­nen. Denn ir­gend­wie ist ir­gend­wann je­der Schrei­ber von Kri­ti­ken mit dem ein oder an­de­ren Ver­lag ver- oder auch, sel­te­ner, ent­bun­den. Da­bei sind sol­che für je­der­mann sicht­ba­ren Zei­chen ei­gent­lich harm­los; der obi­ge Im­pe­ra­tiv er­scheint im Lich­te all des­sen, was man an Klün­ge­lei­en (der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te) nach­träg­lich er­fah­ren hat, ge­ra­de­zu lä­cher­lich. Der wirk­li­che Filz bleibt auch heu­te zu­ver­läs­sig im Dun­keln, die wah­ren Seil­schaf­ten zei­gen sich nicht auf Face­book.

Da­her se­he ich es nicht als Pro­blem mich über Ar­no Dah­mers Er­zähl­band »Manch­mal ei­ne Stun­de, da bist Du«, der im Mi­ra­bi­lis Ver­lag er­schie­nen ist, zu äu­ßern. Wenn es mich da­zu drängt so ist das (wie es ei­gent­lich im­mer sein soll­te) ein Be­dürf­nis. Und na­tür­lich gibt es ei­ni­ges Kri­ti­sches zu den Er­zäh­lun­gen zu sa­gen. Denn ne­ben der aus­führ­lich zu lo­ben­den Kunst Dah­mers gibt es durch­aus Är­ger­li­ches.

Wei­ter­le­sen ...

John Wil­liams: Nichts als die Nacht

John Williams: Nichts als die Nacht
John Wil­liams: Nichts als die Nacht

Vor vier Jah­ren ge­lang mit der Neu­über­set­zung von John Wil­liams’ 1965 erst­mals pu­bli­zier­tem Ro­man »Stoner« im deut­schen Feuil­le­ton et­was sehr Sel­te­nes: Von der Hoch­kri­tik bis in den Bou­le­vard hin­ein gab es nur Lo­bes­hym­nen. »Stoner« bot auf al­len Ebe­nen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­po­ten­ti­al, ins­be­son­de­re für den Intel­lektuellen, der Zeit sei­nes Le­bens in der Uni­ver­si­tät (oder eben in Re­dak­ti­ons­stu­ben) sei­ner in­tel­lek­tu­el­len In­te­gri­tät treu ge­blie­ben war. Das Le­ben des Uni­ver­si­täts­do­zen­ten Stoner war ge­prägt aus der Dis­kre­panz der Lei­den­schaft des In­tel­lek­tu­el­len für sei­ne Ar­beit und dem rea­len Le­ben. Im Ge­gen­satz zum deut­schen Faust blieb sich Stoner treu. Sein Schei­tern (Ver­lust der Freun­de, un­glück­li­che Ehe, al­ko­hol­kran­ke Toch­ter, aus­blei­ben­der aka­de­mi­scher Ruhm nebst Uni­ver­si­täts­in­tri­ge) wur­de als Le­bens­tra­gik emp­fun­den, die tap­fer aus­ge­hal­ten wur­de. Die spä­te Flucht in die Lie­be ei­ner Stu­den­tin ist nicht der schlüpf­ri­ge drit­te Früh­ling ei­nes al­tern­den Man­nes, son­dern Aus­druck ei­ner Sehn­sucht. Der Er­folg die­ses Bu­ches, das 2006 in den USA nach mehr als 40 Jah­ren wie­der­ent­deckt wur­de und dann in der deut­schen Über­set­zung von Bern­hard Rob­ben auch hier re­üs­sier­te, liegt in der be­hut­sa­men wie un­pa­the­ti­schen Spra­che, die es dem Le­ser er­mög­lich­te, nicht un­ter sei­nem Ni­veau Mit­leid und Em­pa­thie zu emp­fin­den. Die Ster­be­sze­ne des auf­rech­ten Exi­sten­tia­li­sten Stoner ist ei­ne der rüh­rend­sten der Li­te­ra­tur, wo­bei es Wil­liams’ Ver­dienst es, ge­ra­de hier kei­nen süß­li­chen, me­lo­dra­ma­ti­schen Kitsch zu ver­brei­ten.

Der Ver­lag legt nun mit »Nichts als die Nacht«, John Wil­liams er­ster Er­zäh­lung aus dem Jahr 1948, nach. Der Au­tor war 26 als die­ses Buch ver­öf­fent­licht wur­de und soll es vier Jah­re zu­vor schon ge­schrie­ben ha­ben. Die deut­sche Gat­tungs­be­zeich­nung ist »No­vel­le«, was dis­ku­ta­bel wä­re, aber ei­gent­lich un­wich­tig ist. Si­mon Strauß kommt in sei­nem Nach­wort auf die hin­läng­lich be­kann­te Ge­schich­te über Wil­liams’ Ab­schuss im Indo­chinakrieg zu spre­chen, den die­ser nur mit Glück über­leb­te. Es wä­re ein leich­tes die­se au­to­bio­gra­phi­schen Er­leb­nis­se auf den Text an­zu­wen­den, aber es ist eben auch je­ne Kü­chen­psy­cho­lo­gie, vor der man sich hü­ten soll­te.

Wei­ter­le­sen ...

Ar­min Stingl: Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen

Armin Stingl: Eine Schachtel voll Sachen
Ar­min Stingl:
Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen

Auf dem Co­ver sieht man die lee­re Schach­tel. Im Buch ist sie ge­füllt. Ein Dach­bo­den­fund? Ein Ge­heim­ge­fäß? Bald wird klar: Der In­halt hat kei­nen pe­ku­niä­ren Wert. Hier ist nichts zu er­lö­sen. Ei­ne al­te Son­nen­bril­le, ei­ne Haar­locke, ein de­fek­ter Krug, ei­ne Steck­na­del­do­se. Eben »Ei­ne Schach­tel voll Sa­chen«, die Ar­min Stingl zu sei­ner »klei­nen Pro­sa« in­spi­riert.

Ein sehr lie­be­voll ge­stal­te­tes Buch. Far­bi­ge Ab­bil­dun­gen. Sehr gro­ße Schrift, so dass die ein oder an­de­re Prosa­miniatur tat­säch­lich ei­ne gan­ze Sei­te be­an­sprucht, aber meist ist es we­ni­ger. Klei­ne Im­pe­ra­ti­ve an sich sel­ber ge­rich­tet (»Still, Idi­ot!«). Wahr­neh­mun­gen, die man der­art noch nicht ge­le­sen hat. Das schwar­ze Ge­sicht ei­nes Do­mi­no­steins zum Bei­spiel. Oder ei­ne Spie­ge­lung auf der Bril­le. Skur­ri­les, wie der Ma­ler, der sei­ne Stilleben (!) un­mit­tel­bar nach Fer­tig­stel­lung fo­to­gra­fiert und die Ge­mäl­de da­nach ver­nich­tet. Über­haupt die Ma­lai­se des Kunst­schaf­fens. Dann phan­tas­tisch-traum­haf­te As­so­zia­tio­nen wie der Fluß, in den man hin­ein­fällt, der aber im Sand ver­läuft. Al­bern­hei­ten wie der »gro­ße Scha­ben­kon­greß« mit et­wa »sie­ben Mil­li­ar­den Gä­sten« in »Poel­zigs ex­pres­sio­ni­sti­scher Oper«. Oder ein Ly­rik­se­mi­nar »im Pilz­gar­ten ei­ner Blatt­schnei­der­amei­sen­ko­lo­nie«. Und ernst­haft-me­lan­cho­li­sches. Et­wa über den to­ten Gott über den »wir, die wir selbst nicht trau­ern kön­nen, weil wir ihn nicht kann­ten«. Oder ei­ne Mi­nia­tur über Freun­de. Ir­gend­wann er­kennt man: Die far­bi­gen Ver­sa­li­en ha­ben ei­ne Be­deu­tung. Je dunk­ler, je ern­ster viel­leicht? Aber kei­ne Sor­ge: Es ist kein fin­ste­rer Ernst, eher ei­ner der den Le­ser auf­schau­en lässt, das Buch für ei­nen Au­gen­blick zur Sei­te le­gend (nur kein Esels­ohr!) und nach­den­kend.

Wei­ter­le­sen ...

Die letz­te Buch­be­spre­chung (und Buch­be­spre­chungs­be­spre­chung) mei­nes Le­bens

In­zwi­schen ge­le­sen (im Shink­an­sen): Die Kie­fern­in­seln. Mit leich­ter Hand hin­ge­wor­fe­ner Kai­ser­schmar­ren. Vul­go Auf­ent­halts­sti­pen­dia­ten­pro­sa. Zum Ro­man aufgepäppel­ter, für sich ge­nom­men be­schei­de­ner – ei­ne Zier! – Kurz­rei­se­be­richt (»mit dem Shink­an­sen auf Matsuo Bas­hos Spu­ren«, oho!). Ja­pan­kli­schees, Oberflächenbild­chen, auch (be­wußt?) Fal­sches. Küh­le Iro­nie un­ter den Ach­seln. Sel­t­b­st­­mord-Spiel­chen. Im Ernst­fall ist al­les ein Traum, oder Tag­traum. Fröh­li­ches Fi­­gur-Kon­­stru­ie­­ren und ...

Wei­ter­le­sen ...

Ri­chard Ford: Zwi­schen ih­nen

Richard Ford: Zwischen ihnen
Ri­chard Ford: Zwi­schen ih­nen

Wenn Schrift­stel­ler in ein ge­wis­ses Al­ter ge­kom­men sind wer­den ih­re Er­zäh­lun­gen über ih­re Kind­heit und Ju­gend und ins­be­son­de­re über ih­re Vä­ter meist groß­mü­tig, mil­de und zu­wei­len gar ele­gisch. Viel­leicht weil man plötz­lich an sich sel­ber – halb er­schrocken und al­so mehr als man sich das lan­ge zu­ge­stan­den hat – Ei­gen­schaf­ten des Va­ters be­merkt hat. Zu­letzt konn­te man das bei Bo­tho Strauß be­ob­ach­ten, der in »Her­kunft« sei­nem Va­ter trotz al­ler Un­zu­läng­lich­kei­ten ein epi­sches Denk­mal setz­te. Die Aus­nah­men gibt es auch, et­wa wenn es sich um Eman­zi­pa­ti­ons­be­we­gun­gen des Au­tors so­wohl von den schein­bar über­mäch­ti­gen El­tern als auch von der als be­drückend emp­fun­de­nen Ge­sell­schaft han­delt, wie et­wa Pe­ter Weiss’ »Ab­schied von den El­tern« oder Jo­sef Wink­lers un­ab­läs­si­ges Be­fra­gen des Acker­manns von Kärn­ten – dann je­doch ent­ste­hen die Va­ter­wer­ke un­mit­tel­bar.

Ri­chard Ford be­stä­tigt die­se The­se mit sei­nem Buch »Zwi­schen ih­nen«. Im eng­li­schen folgt nach »Bet­ween them« noch ei­ne Er­gän­zung: »Re­mem­be­ring My Par­ents«. Die Er­in­ne­run­gen an die El­tern be­treibt Ford in die­sem Buch in zwei Er­zäh­lun­gen. Zu­nächst wird in »Weg« vom Va­ter er­zählt. Der zwei­te Teil ist mit »Mei­ne Mut­ter in me­mo­ri­am« be­ti­telt. Im Nach­wort er­läu­tert Ford, dass er die Mut­ter­er­zäh­lung un­mit­tel­bar nach ih­rem Tod 1981 ge­schrie­ben ha­be (sind nicht auch vie­le an­de­re Mut­ter­er­zäh­lun­gen un­mit­tel­bar nach de­ren Tod ver­fasst wor­den?), den Va­ter­text je­doch erst 50 Jah­re nach des­sen Tod 1960 be­gon­nen hat. Ford be­grün­det schlüs­sig, war­um den­noch die Er­in­ne­run­gen an den Va­ter an den Be­ginn des Bu­ches ge­stellt sind. Das Le­ben des Va­ters reich­te ei­ner­seits wei­ter in die Ver­gan­gen­heit hin­ein und an­de­rer­seits über­leb­te sei­ne Mut­ter ih­ren Ehe­mann um 21 Jah­re. So­mit ent­steht durch die­se Rei­hen­fol­ge ei­ne spe­zi­fi­sche Form von Chro­no­lo­gie.

Wei­ter­le­sen ...