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Wer reist heute noch mit dem Schiff? Niemand. Ein paar Neureiche, die nach dem Luxus vergangener Zeiten haschen. Eine Handvoll Techniker, die die Automatik der Frachter überwachen. Scharen von Habenichtsen, die auf rostigen Kähnen die Festung Europa bestürmen (eine Festung, die sagenhafte Reichtümer birgt).
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Das Jahr 1989 verbrachte ich in Sizilien. Es war das Jahr, in dem die Mauer fiel. Jeder weiß, was gemeint ist: die Mauer, die Berlin in zwei Teile teilte; und die nicht fiel, sondern überrannt, ignoriert, zerstört wurde. Eines Morgens im November nahm ich in Trapani den Bus nach Erice. Dieses Dorf liegt hoch über dem Meer, die hinführende Straße macht Serpentinen und Spitzkehren. Außer mir waren nur zwei Fahrgäste im Bus, die mit dem Chauffeur bekannt waren. Während er das Fahrzeug mit der üblichen traumwandlerischen Sicherheit die Abgründe entlang lenkte, blickte der Chauffeur in den Rückspiegel, um die Gesichter der Gesprächspartner im Augenwinkel zu behalten. Er erzählte von den Bildern in den Fernsehnachrichten am Vorabend. Er schien sehr zufrieden zu sein. Die Leute, berichtete er, hatten auf der Mauer getanzt. Das hatte ihm gefallen. Es war ein wunderbares Schauspiel gewesen. Die beiden Fahrgäste, alte, verdorrte Männer, nickten. Sie hatten das Schauspiel versäumt. Ich selbst schaute während der Fahrt auf die Muster der Meeresfläche tief unter uns; die weißen Rechtecke der Salzberge vor der Küste; die dunklen Höcker der Inseln weiter draußen. Ich dachte: Was geht mich das an, Berlin. Ich dachte: Was soll diese Hysterie. Später, abends, sah ich in Erice einen der beiden Fahrgäste still vor seiner Haustür sitzen.
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