FDR

»Das ame­ri­ka­ni­sche Au­ßen­mi­ni­ste­ri­um ver­kün­de­te, man be­fürch­te, dass eu­ro­päi­sche Im­mi­gran­ten dem Land ge­fähr­lich wer­den könn­ten. Es war der 17. Ju­ni 1941. Falls sie An­ge­hö­ri­ge zu­rück­ge­las­sen hät­ten, mut­maß­te das Sta­te De­part­ment, könn­ten die Na­zis sie zwin­gen, Ame­ri­ka aus­zu­spio­nie­ren, in­dem sie ih­ren Fa­mi­li­en Fol­ter an­droh­ten. Die Ver­einigten Staa­ten wür­den da­her kei­ne Vi­sa mehr an Flücht­lin­ge aus­ge­ben, die Familien­angehörige ...

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Die Kü­ste der Frei­heit

1

Wer reist heu­te noch mit dem Schiff? Nie­mand. Ein paar Neu­rei­che, die nach dem Lu­xus ver­gan­ge­ner Zei­ten ha­schen. Ei­ne Hand­voll Tech­ni­ker, die die Au­to­ma­tik der Frach­ter über­wa­chen. Scha­ren von Ha­be­nicht­sen, die auf ro­sti­gen Käh­nen die Fe­stung Eu­ro­pa be­stür­men (ei­ne Fe­stung, die sa­gen­haf­te Reich­tü­mer birgt).

2

Das Jahr 1989 ver­brach­te ich in Si­zi­li­en. Es war das Jahr, in dem die Mau­er fiel. Je­der weiß, was ge­meint ist: die Mau­er, die Ber­lin in zwei Tei­le teil­te; und die nicht fiel, son­dern über­rannt, igno­riert, zer­stört wur­de. Ei­nes Mor­gens im No­vem­ber nahm ich in Tra­pa­ni den Bus nach Eri­ce. Die­ses Dorf liegt hoch über dem Meer, die hin­füh­ren­de Stra­ße macht Ser­pen­ti­nen und Spitz­keh­ren. Au­ßer mir wa­ren nur zwei Fahr­gä­ste im Bus, die mit dem Chauf­feur be­kannt wa­ren. Wäh­rend er das Fahr­zeug mit der üb­li­chen traumwand­lerischen Si­cher­heit die Ab­grün­de ent­lang lenk­te, blick­te der Chauf­feur in den Rück­spiegel, um die Ge­sich­ter der Ge­sprächs­part­ner im Au­gen­win­kel zu be­hal­ten. Er er­zähl­te von den Bil­dern in den Fern­seh­nach­rich­ten am Vor­abend. Er schien sehr zu­frie­den zu sein. Die Leu­te, be­rich­te­te er, hat­ten auf der Mau­er ge­tanzt. Das hat­te ihm ge­fal­len. Es war ein wun­der­ba­res Schau­spiel ge­we­sen. Die bei­den Fahr­gä­ste, al­te, ver­dorr­te Män­ner, nick­ten. Sie hat­ten das Schau­spiel ver­säumt. Ich selbst schau­te wäh­rend der Fahrt auf die Mu­ster der Mee­res­flä­che tief un­ter uns; die wei­ßen Recht­ecke der Salz­ber­ge vor der Kü­ste; die dunk­len Höcker der In­seln wei­ter drau­ßen. Ich dach­te: Was geht mich das an, Ber­lin. Ich dach­te: Was soll die­se Hy­ste­rie. Spä­ter, abends, sah ich in Eri­ce ei­nen der bei­den Fahr­gä­ste still vor sei­ner Haus­tür sit­zen.

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