Wenn Politiker Wirtschaftsbegriffe übernehmen, sollte man hellhörig werden. Nicht selten werden politisch-gesellschaftliche Entwicklungen ökonomisiert. Dabei kommt in der Regel nichts Gutes heraus – weder ästhetisch noch politisch.
Exemplarisch kann man das am Wort »Wettbewerb« sehen. Dieser Begriff ist in den letzten Jahren zum Fetisch geworden. Fast immer, wenn eine Differenz in politischen Gesprächen nicht wegverhandelt werden kann, kommen die Volksvertreter auf die nebulöse Formulierung, dass jetzt eben der »Wettbewerb« entscheide.
Manchmal vermag ein Wort tatsächlich sehr viel zu sagen. Beispielsweise über eine Gesellschaft und deren Sorgen.
In Deutschland wurde heute das »Wort des Jahres 2007« von der »Gesellschaft für deutsche Sprache« bekanntgegeben (ermittelt?): Klimakatastrophe.
ich könnte schwören, einige Nachrichtenquellen hätten »Klimawandel« genannt, aber ich täusche mich vermutlich. Dieses Wort ist wohl zu neutral, zu wenig effekthascherisch. Für Deutschland muss es immer auch ein bisschen deutlicher sein. Da passt Klimakatastrophe genau. Es bezeichnet nicht nur die augenblickliche Stimmung zu diesem Thema im medialen Zirkus, sondern ist auch gleichzeitig wertend; keinen Widerspruch duldend.
In der aktuellen Ausgabe der »Zeit« ist ein Aufsatz des italienischen Philosophen Paolo Flores d’Arcais auf Jürgen Habermas’ Aufsatzsammlung »Zwischen Naturalismus und Religion« mit dem wuchtigen Titel »Elf Thesen zu Habermas« erschienen.
Weniger die Kritik als der Zeitpunkt überrascht. Schliesslich ist Habermas’ Buch vor mehr als zwei Jahren erschienen. Die von Flores d’Arcais vorgebrachten Vorwürfe, Habermas würde die Moderne zu Gunsten einer verstärkten Religiosität opfern sind auch nicht neu. Warum also jetzt? Es dürfte kaum anzunehmen sein, dass der Autor bisher keine Zeit hatte, das Buch zu lesen. Vielmehr erscheint die Gelegenheit in Anbetracht des derzeit publizistisch vehement vorgebrachten »neuen Atheismus« günstig. Das Thema ist en vogue, die Bastionen der Religionen werden sturmreif geschossen und warum nicht quasi als Nebeneffekt gleich einen führenden Repräsentanten der europäischen Linken attackieren.
Zunächst einmal: Was für ein erfrischender Beitrag! In der »Welt« schreibt der Schriftsteller Rolf Schneider einen Appell, ja fast eine Philippika, gegen das, was seit ungefähr zwanzig Jahren grosse Teile des deutschsprachigen Theaters in Geiselhaft genommen hat: Das sogenannte »Regietheater«, also jene Form der Inszenierung, in der Regisseure ihre privaten Neurosen auf die Bühne stellten, unter bevorzugter Benutzung von Texten, die sich einer solchen Interpretation widersetzten, weswegen man dieselben zerschlagen muss.
In der Tat. Depenheuers Buch fordert den Leser in mehrfacher Hinsicht heraus. Zunächst einmal, in dem es dezidiert Fragen stellt, die abseits von idyllisierenden Staats- und Verfassungsvorstellungen legitim und in Anbetracht aktueller Welt- und Bedrohungslagen durchaus berechtigt sind. Desweiteren, weil Depenheuers Antworten – die gelegentlich bis in die Polemik gehen (hierüber wird noch zu reden sein) – für den heutigen, im Grundgesetz der Bundesrepublik gut beschützt aufgewachsenen Wohlstandsbürger (der von ihm zu gegebener Zeit mit den Vokabeln saturiert und hedonistisch charakterisiert wird) arg provokativ anmuten.
Christopher Hitchens: Der Herr ist kein Hirte
In dem Film »Modern Times« (»Moderne Zeiten«) von 1936 muss der Arbeiter Charlie (gespielt von Charlie Chaplin) mit zwei Schraubenschlüsseln laufend Schrauben anziehen. Charlie verinnerlicht diese immergleichen Fliessbandbewegungen so stark, dass er irgendwann diese auch an den Brustwarzen, Nasen oder Hinterteilen seiner Kollegen, an irgendwelchen Knöpfen, an Hydranten – und schliesslich auch an vorbeiflanierenden Frauen wie der Sekretärin des Chefs und einer korpulenten Dame auf der Strasse ausüben möchte. Charlie sieht überall nur noch Schrauben. Alles muss von ihm festgeschraubt werden. Er steht vor dem Wahnsinn; die Monotonie seiner Arbeit hat seine Sinne vorübergehend deformiert.
Arbeitsverhältnisse wie 1936 gibt es kaum noch. Dennoch kann es auch heute noch passieren, dass eine einseitige Ausrichtung einer Tätigkeit zu der Ausblendung dessen, was man vielleicht ‘vollständige Wahrnehmung’ nennen könnte, führen kann. Ich habe Grund zu der Annahme, dass dies bei dem Journalisten Christopher Hitchens der Fall ist. Hitchens’ selektive Wahrnehmung dokumentiert sein Buch Der Herr ist kein Hirte.
In »Gestern unterwegs« setzte sich die Entwicklung aus den Journalen von Peter Handke fort, die sich schon bei seinem vorletzten Journal »Am Felsfenster, morgens« abzeichnete. Während die tagebuchähnliche Journale davor durchaus auch aphoristisches enthielten, teilweise ein bisschen jungenhaft daherkamen, zeigen sich in der von Handke vorgenommenen Auswahl insbesondere bei »Gestern unterwegs« neben den Reise‑, nein, besser: Geh-Impressionen auch die Fingerübungen zu später entstehenden Büchern. Das ist bei einem Dichter sicherlich nicht ungewöhnlich, setzt jedoch beim Leser eine gewisse Auseinandersetzung mit dem Werk voraus, ohne die solche Verweise (auf zukünftige Literatur) sicherlich nur halb so interessant sein mögen.
So kann man sich überrascht zeigen, dass Handkes (bisher weitgehend unverstandenes Buch) »Der Bildverlust« (2002 erschienen) durchaus bereits in den »Aufzeichnungen November 1987 bis Juli 1990« (so der Untertitel des Buches) Form annahm und mehr als nur ein vages Projekt gewesen sein muss (freilich betont Handke im kurzen Vorwort [Lieber Leser!], dass einiges bereits in dem 1994 erschienenen Buch »Mein Jahr in der Niemandsbucht« aufgenommen wurde). Natürlich fallen in die Zeit Handkes »Versuche« (die sich an zahlreichen Stellen abzeichnen), der Erzähl- und Novellenband »Noch einmal für Thukydides« und sein Theaterstück »Das Spiel vom Fragen«.
Um die in den letzten Tagen horrend ansteigenden Spam-Kommentare wenigstens teilweise zu unterbinden, ist es ab sofort (leider) erst einmal nur noch möglich, als angemeldeter User zu kommentieren. Ich möchte an meine Kommentatoren (wie beispielsweise en-passant, Peter und Mirja) appellieren, sich anzumelden (tut auch nicht weh), um dann kommentieren zu können. Ich möchte aufgrund dieses ...