Erich Loest: Lö­wen­stadt

Erich Loest: Löwenstadt
Erich Loest: Lö­wen­stadt

»Lö­wen­stadt« ist Erich Loests Über­ar­bei­tung und vor al­lem Fort­schrei­bung sei­nes 1984 ver­öf­fent­lich­ten Ro­mans »Völ­ker­schlacht­denk­mal«. Am 6. Ju­li 1982 wird Fre­di Lin­den in ei­ne Stas­ik­laps­müh­le bei Leip­zig ein­ge­lie­fert. Lin­den, ge­lern­ter Spreng­mei­ster (Mei­ster­li­ches Spren­gen hat Sanf­tes an sich), von sei­nem Be­ruf seit Jah­ren be­reits sus­pen­diert und zu­letzt Pfört­ner am Denk­mal wird ver­däch­tigt, dass Völ­ker­schlacht­denk­mal spren­gen zu wol­len, in ei­nem (ge­heim­nis­vol­len) Flucht­stol­len von Män­nern in gel­ben Over­alls ge­stellt und fest­ge­nom­men (und er be­haup­tet hart­näckig, kurz vor­her ei­nen Raum mit Schalt­ta­feln ent­deckt zu ha­ben).

Das Völ­ker­schlacht­denk­mal, von Lin­dens Va­ter Fe­lix mit er­baut und ex­akt in Fre­dis Ge­burts­jahr fer­tig­ge­stellt und ein­ge­weiht, wird Dreh- und Treff­punkt in den Er­zäh­lun­gen des Be­schul­dig­ten; man be­kommt den Ein­druck, er ken­ne je­den der sechs­und­zwan­zig­tau­send­fünf­hun­dert Gra­nit­werk­stücke, je­den Ge­heim­weg und je­den Stol­len in die­sem La­by­rinth – ober- wie un­ter­ir­disch (was ihn nicht un­ver­däch­ti­ger macht).

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Ro­ger de Weck und Frank Schirr­ma­cher

An­re­gen­des und in­for­ma­ti­ves Ge­spräch über Qua­li­täts­jour­na­lis­mus, neue Me­di­en, das deut­sche Feuil­le­ton, freie Mit­ar­bei­ter, Reich-Ra­­nicki und Nig­ge­mei­er und das Recht des Le­sers von be­stimm­ten Tri­via­li­tä­ten nicht be­lä­stigt zu wer­den. De Weck fragt spöt­tisch und streng und zwingt Schirr­ma­cher ge­le­gent­lich in die De­fen­si­ve.

Hans Her­bert von Ar­nim: Volks­par­tei­en oh­ne Volk

Hans Herbert von Arnim: Volksparteien ohne Volk
Hans Her­bert von Ar­nim: Volks­par­tei­en oh­ne Volk

»Das Ver­sa­gen der Po­li­tik« will Hans Her­bert von Ar­nim in sei­nem Buch »Volks­par­tei­en oh­ne Volk« – ja, was? – auf­li­sten, ent­wickeln, ent­hül­len? Aber au­ßer ein paar Be­mer­kun­gen über die Subventions­politik zur an­son­sten eher als Ba­sti­on des frei­en Mark­tes auftreten­den Eu­ro­päi­schen Uni­on und ei­ner zweit­klas­si­gen Politiker­schelte hin­sicht­lich ih­rer Ver­säum­nis­se was die ak­tu­el­le Finanz­krise an­geht, er­fährt man über ein po­ten­ti­el­les Politik­versagen kaum et­was.

Denn so weit kommt von Ar­nim ein­fach zu sel­ten, weil er nur zwei gro­ße The­men hat: Par­tei­en- und Po­li­ti­ker­fi­nan­zie­rung und das Wahl­recht, wel­ches, so die The­se, den Volks­wil­len nicht nur nicht aus­drückt, son­dern igno­riert. Auch wenn ei­nem die­se Themen­be­schränkung als Grün­de für ei­ne im­mer wei­ter be­haup­te­te Politikver­drossenheit ein biss­chen ein­di­men­sio­nal er­schei­nen – war­um nicht neue Argum­ente le­sen, die dann viel­leicht je­ne Un­ter­su­chun­gen re­la­ti­vie­ren, die in man­geln­der Kon­si­stenz der Po­li­tik (bei­spiels­wei­se durch all­zu an­bie­dern­de Aus­rich­tung der Pro­gram­ma­tik an je­weils ak­tu­el­le Um­fra­ge­trends) als Haupt­grund für ei­ne sich breit­ma­chen­de Po­li­tik­mü­dig­keit aus­ma­chen?

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Zur Ent­ba­na­li­sie­rung des Bach­mann­prei­ses

Das Jahr 2009 er­in­ner­te stark an 2006, als Kat­rin Pa­s­sig in ei­nem ex­trem schwa­chen Jahr­gang re­üs­sier­te (was in ei­ner be­lei­dig­ten At­ti­tü­de um­ge­hend da­zu führ­te, dass man No­vi­zen nicht mehr zu­ließ, son­dern auf ei­ner Pu­bli­ka­ti­on be­stand). 2007 gab dann ein biss­chen mehr her, aber im ver­gan­ge­nen Jahr rausch­te das Ni­veau aber­mals nach un­ten (zu­mal man wirk­lich gu­te Bei­trä­ge auch noch aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den ver­riss).

2009 ist nun mit fast neu­er Ju­ry aber­mals ein Tief­punkt er­reicht. Man fragt sich schon, wer ei­ne Mei­ke Feß­mann als Ju­ro­rin aus­er­ko­ren hat. Na­tür­lich: Die For­mal­qua­li­fi­ka­ti­on stimmt und Frau Feß­mann sag­te ja auch wie ei­ne bra­ve Mu­ster­schü­le­rin ihr an­ge­lern­tes und an­ge­le­se­nes Wis­sen auf. Ir­gend­wann teil­te sie dann nur noch mit, ob ihr et­was ge­fal­len ha­be oder nicht. Das füllt sie auch voll­stän­dig aus.

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»In der Zeit der Lin­den­blü­te« – Jo­sef Wink­lers Zorn auf Kla­gen­furt

Heu­te ha­ben die Le­sun­gen zum In­ge­borg-Bach­mann-Wett­be­werb 2009 be­gon­nen und 3sat ist live aus Kla­gen­furt da­bei. In der Pau­se dis­ku­tiert man über das Ur­he­ber­recht. Das hat zwar nichts mit dem Bach­mann­preis zu tun, aber er­regt die Ge­mü­ter.

Kein Wort über Jo­sef Wink­lers gest­ri­ge Re­de, die in­zwi­schen auch die Ge­mü­ter er­re­gen dürf­te. Auf der Web­sei­te von »Kul­tur­zeit« fin­det sich al­ler­dings hier­zu bis jetzt nichts.

Da­bei ist Wink­lers Fu­ror bei­ßend:

Die­se Stadt Kla­gen­furt, die sich seit über 30 Jah­ren, jähr­lich im Ju­ni, in der Zeit der Lin­den­blü­te, als deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur­haupt­stadt fei­ern lässt, ist wohl die ein­zi­ge Stadt Mit­tel­eu­ro­pas mit 100 000 Ein­woh­nern, in der es kei­ne ei­ge­ne Stadt­bi­blio­thek gibt, in ei­nem Land, in dem der da­ma­li­ge, in­zwi­schen ein­ge­äscher­te Lan­des­haupt­mann ge­mein­sam mit dem röm.-kath. Par­tei­vor­sit­zen­den der so­ge­nann­ten christ­lich-so­zia­len Volks­par­tei – der vor ei­nem Jahr ei­nen schwe­ren Ver­kehrs­un­fall über­lebt und nach sei­ner Ge­ne­sung im Freun­des­kreis de­muts­voll er­zählt hat, dass ihm, um sei­ne Wor­te zu ge­brau­chen, die »Lour­des-Mit­zi« beim Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat -, die­ser Kärnt­ner ÖVP-Vor­sit­zen­de und der ehe­ma­li­ge Kärnt­ner Lan­des­haupt­mann, der sich mit sei­ner Asche aus dem Staub ge­macht hat, ha­ben im ver­gan­ge­nen Jahr beim Ver­kauf der Kärnt­ner Hy­po-Bank ei­nem Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter für sei­ne zwei­mo­na­ti­ge münd­li­che Be­ra­tung ein Ho­no­rar in Hö­he von sechs Mil­lio­nen Eu­ro in räu­be­ri­scher Ma­nier aus Lan­des­ver­mö­gen zu­ge­schanzt. Und höchst ap­pe­tit­li­cher­wei­se ist die­ser Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter auch noch der per­sön­li­che Steu­er­be­ra­ter des Kärnt­ner ÖVP-Po­li­ti­kers, dem him­mel- und gott­sei­dank die Lour­des-Mit­zi bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat. Ge­grüßt seiest du, Ma­ria, Kö­ni­gin der Gü­te, Öl­baum der Barm­her­zig­keit, durch wel­chen uns die Arz­nei des Le­bens zu­kommt!

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Mar­tin van Cre­veld: Ge­sich­ter des Krie­ges

Martin van Creveld: Gesichter des Krieges
Mar­tin van Cre­veld: Ge­sich­ter des Krie­ges

Die Fra­ge, die zur Zeit nicht nur Mi­li­tärs be­schäf­tigt, wird zum Kri­stal­li­sa­ti­ons­punkt im Buch des is­rae­li­schen Mi­li­tär­hi­sto­ri­kers Mar­tin van Cre­veld »Die Ge­sich­ter des Krie­ges«: Gibt es ei­nen Aus­weg, oder sind re­gu­lä­re, staat­li­che Ar­meen zu­künf­tig zur Ohn­macht ge­gen­über klei­nen, häu­fig schlecht or­ga­ni­sier­ten Grup­pen von Ter­ro­ri­sten ver­dammt? In Be­zug auf die der­zeit ein­zig ver­blie­be­ne Su­per­macht USA und de­ren ak­tu­el­ler Kriegs­füh­rung im Irak stellt sich die Fra­ge poin­tier­ter: Was, wenn nicht ein­mal ei­ne der­art hoch­ge­rü­ste­te Mi­li­tär­macht ge­gen Ter­ro­ri­sten und Gue­ril­las re­üs­sie­ren kann?

Will man die Ge­gen­wart ver­ste­hen, so stu­die­re man die Ver­gan­gen­heit sagt sich van Cre­veld und ana­ly­siert die Krie­ge des 20. Jahr­hun­derts und da­mit den »Wan­del be­waff­ne­ter Kon­flik­te von 1900 bis heu­te« (so der Un­ter­ti­tel). Das Un­ge­wohn­te da­bei ist, dass nicht nur, wie im Vor­wort er­läu­tert, die mi­li­tä­ri­schen Ope­ra­tio­nen selbst…der zen­tra­le Strang der Fra­ge­stel­lung blei­ben, son­dern (ins­be­son­de­re was die Be­hand­lung des Zwei­ten Welt­kriegs an­geht) die po­li­ti­schen und so­zia­len Im­pli­ka­tio­nen fast im­mer aus­ge­blen­det wer­den. Die­ses spe­zi­ell für den deut­schen Le­ser un­ge­wohn­te Ver­fah­ren wur­de wohl ei­ner­seits ge­wählt, weil an­son­sten der Rah­men der Un­ter­su­chung ge­sprengt wor­den wä­re, an­de­rer­seits setzt van Cre­veld schlicht­weg ein ge­wis­ses hi­sto­ri­sches Ba­sis­wis­sen vor­aus.

So wird der Le­ser zu­nächst in die Welt des be­gin­nen­den 20. Jahr­hun­derts mit sei­nen acht Groß­mäch­ten (in­klu­si­ve Ita­li­en), da­von fünf in Eu­ro­pa (wenn man Russ­land nicht hin­zu­rech­net; nur zwei Groß­mäch­te wa­ren au­ßer­halb des »al­ten« Kon­ti­nents: die USA und Ja­pan) ver­setzt. Da­bei wird deut­lich, dass der Ein­fluss der Po­li­tik auf das Mi­li­tär da­mals nur sehr ein­ge­schränkt war. Van Cre­veld spricht wohl oh­ne Über­trei­bung von Par­al­lel­wel­ten, die in der Pra­xis kaum Be­rüh­rungs­punk­te mit­ein­an­der hat­ten. Ober­kom­man­die­ren­de und Ge­ne­ral­stä­be wa­ren hin­sicht­lich ih­rer Ent­schei­dun­gen voll­kom­men aut­ark; die Mit­tel­ge­wäh­rung ge­schah oh­ne Auf­la­gen oder Kon­trol­le. Über die Aus­stat­tung ih­rer Ar­mee ent­schie­den sie weit­ge­hend al­lei­ne. Im Ver­lauf der Er­sten Welt­krie­ges (aber auch in den letz­ten Jah­ren Na­zi­deutsch­lands) soll­te sich die­se »Ar­beits­tei­lung« als schwer­wie­gen­der Feh­ler er­wei­sen, denn erst ein­mal »aus­ge­bro­chen« wa­ren die po­li­ti­schen Ak­teu­re na­he­zu voll­stän­dig an den Rand ge­drängt (was sich un­ter an­de­rem in Deutsch­land 1914 zeig­te; Wil­helm II. war da­nach so­wohl mi­li­tä­risch als auch po­li­tisch prak­tisch »macht­los«).

Van Cre­veld spricht das Wort der »Mi­li­tär­dik­ta­tur« nicht aus, es wird je­doch na­he­ge­legt min­de­stens was die Jah­re ab 1916 in ei­ni­gen kriegs­füh­ren­den Staa­ten an­geht. Hin­zu kam, dass die Ge­sell­schaf­ten durch­aus mi­li­ta­ri­siert wa­ren; die Ar­mee galt als »Schu­le der Na­ti­on«, Krieg als le­gi­ti­mes Mit­tel der in­ter­na­tio­na­len Po­li­tik. In der Be­völ­ke­rung wie un­ter In­tel­lek­tu­el­len gab es ei­ne ge­wis­se kind­li­che Fas­zi­na­ti­on dem be­waff­ne­ten Kampf ge­gen­über.

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Re­na­te Lüd­de / Rü­di­ger Din­ge­mann: 60 Jah­re Deutsch­land (»WELT«-Edition)

Lüdde / Dingemann: WELT-Edition Politik
Lüd­de / Din­ge­mann: WELT-Edi­ti­on Po­li­tik

60 Jah­re Deutsch­land in zehn Hoch­glanz-The­men­bän­den zu je ca. 90 Sei­ten: Po­li­tik, Wirt­schaft, Rei­se und Ver­kehr, Kunst und Li­te­ra­tur, Film und Fern­se­hen, Mu­sik, Mo­de und De­sign, Sport, Ge­sell­schaft, Ar­chi­tek­tur. Die Un­ter­tei­lung in den je­wei­li­gen Bän­den er­folgt chro­no­lo­gisch nach Jahr­zehn­ten: Nach ei­ner kur­so­ri­schen Ein­füh­rung in 60 Jah­re des je­wei­li­gen Su­jets gibt es ei­ne Dop­pel­sei­te mit ei­nem für das Jahr­zehnt ty­pi­schen Fo­to, dann vier Sei­ten Text (mit we­ni­gen Fo­to­gra­fien), da­von ei­ne Fak­si­mi­le-Sei­te ei­ner Aus­ga­be der »Welt« zu ei­nem wich­ti­gen Er­eig­nis. Da­nach gibt es zu wei­te­ren The­men­ge­bie­ten auf acht bis zehn Sei­ten Fo­to­gra­fien mit Er­läu­te­run­gen – viel Be­kann­tes aber auch manch­mal »Schnapp­schüs­se«, was man noch nicht kann­te. Auf die­se Wei­se kann man sich mit den Bän­den der »Welt-Edi­ti­on« für ei­ni­ge Ta­ge auf ei­ne Zeit­rei­se der deut­schen Ge­schich­te seit 1949 be­ge­ben.

Die Tex­te von Rü­di­ger Din­ge­mann und Re­na­te Lüd­de sind wohl­tu­end; es ist glück­li­cher­wei­se kei­ne Fei­er­tags- oder Ju­bel­pro­sa. Sie sind kon­zi­se aber nicht ober­fläch­lich, durch­aus poin­tiert und zei­gen Zu­sam­men­hän­ge auf. Es gibt kei­ne drö­ge Ver­mitt­lung le­xi­ka­li­schen Wis­sens; wer zum Bei­spiel die Er­geb­nis­se al­ler Bun­des­tags­wah­len, Ta­bel­len zu Po­li­ti­kern und ih­ren Äm­tern oder Werks­ver­zeich­nis­se be­rühm­ter Li­te­ra­ten sucht, wird hier nicht be­dient. Eben­so we­nig wird der Le­ser mit Ster­be­da­ten ver­meint­lich be­rühm­ter Per­sön­lich­kei­ten ge­lang­weilt; es wird im po­li­ti­schen Band nur ein Sarg ge­zeigt – der Sarg ei­nes Bun­des­wehr­sol­da­ten, der in Af­gha­ni­stan ums Le­ben ge­kom­men ist.

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