
Rumen Apostoloff kutschiert zwei Schwestern in einem schon betagten Daihatsu über die Strassen Bulgariens. Die beiden Schwestern könnten nicht unterschiedlicher sein. Eine ist zappelig, geschwätzig, naseweis und beschallt vom Rücksitz in schier atemlosen Monologen die beiden anderen Reisenden. Sie ist in Sibylle Lewitscharoffs Buch »Apostoloff« die Ich-Erzählerin. Ihre Schwester, zwei Jahre älter, neben Rumen sitzend (der sie anhimmelt), ist das ruhige, geduldige, gefasste, manchmal etwas somnambul wirkende, kleintragödinnenhafte Pendant. Beide Schwestern bleiben namenlos, was den Titel des Buches sonderbar erscheinen lässt, da für den Leser nun Rumen, der den Schwestern ergebene Nervösling (und unser Hermes) zum Titelheld mutiert und eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut wird.
Aber so seltsam wie die drei in ihren Dialogen, Monologen und gelegentlichem Schweigen (jeder von uns war anders schweigsam) durch dieses Malefizland Thrakien, einem Operettenland, fahren, essen, schlafen, Burgen und Häuser besichtigen und sich erinnern, so seltsam scheint auch mit fortlaufender Lektüre der Titel gewählt, denn Rumen ist keineswegs der auftrumpfende »Held« in diesem Buch, obwohl seine Rolle natürlich weit über das zunächst nahe liegende hinausgeht.