Rumen Apostoloff kutschiert zwei Schwestern in einem schon betagten Daihatsu über die Strassen Bulgariens. Die beiden Schwestern könnten nicht unterschiedlicher sein. Eine ist zappelig, geschwätzig, naseweis und beschallt vom Rücksitz in schier atemlosen Monologen die beiden anderen Reisenden. Sie ist in Sibylle Lewitscharoffs Buch »Apostoloff« die Ich-Erzählerin. Ihre Schwester, zwei Jahre älter, neben Rumen sitzend (der sie anhimmelt), ist das ruhige, geduldige, gefasste, manchmal etwas somnambul wirkende, kleintragödinnenhafte Pendant. Beide Schwestern bleiben namenlos, was den Titel des Buches sonderbar erscheinen lässt, da für den Leser nun Rumen, der den Schwestern ergebene Nervösling (und unser Hermes) zum Titelheld mutiert und eine gewisse Erwartungshaltung aufgebaut wird.
Aber so seltsam wie die drei in ihren Dialogen, Monologen und gelegentlichem Schweigen (jeder von uns war anders schweigsam) durch dieses Malefizland Thrakien, einem Operettenland, fahren, essen, schlafen, Burgen und Häuser besichtigen und sich erinnern, so seltsam scheint auch mit fortlaufender Lektüre der Titel gewählt, denn Rumen ist keineswegs der auftrumpfende »Held« in diesem Buch, obwohl seine Rolle natürlich weit über das zunächst nahe liegende hinausgeht.
Überführung nach Bulgarien
Die beiden Schwestern sind zunächst zusammen mit anderen Stuttgarter Bulgarienkinder[n] auf Einladung des Multimillionärs, lange in Deutschland lebenden und schliesslich in Amerika reüssierenden Tabakoff unterwegs. Tabakoff ist auf die Idee gekommen, die ihm aus Stuttgart bekannten und inzwischen verstorbenen Bulgaren und ihre Verwandten (insgesamt sind es 19 Kumpane, darunter auch seine Frau Lilo, mit die Erzählerin als neunjährige eine unvergessliche Autofahrt unternahm) zu exhumieren, mittels einer dubiosen Kryotechnik zu behandeln und nach Bulgarien zu überführen; dorthin wo sie, so seine Meinung, hingehören. Auch die Eltern der beiden Schwestern gehören dazu und die Ältere trotzt Tabakoff sagenhafte 70.000 Euro für die Genehmigung ab (der anfangs nur zehntausend geben wollte).
Die Kolonne mit insgesamt dreizehn Luxuslimousinen (ihre Scheiben waren geschwärzt) setzt sich von Degerloch aus in Bewegung, man speist in den vorzüglichsten Restaurants, übernachtet in den besten Hotels bis man endlich in Sofia ans Ziel kommt und in einer grandios geplanten Inszenierung (die dann ungewollt etwas profaner ausfällt) die feierliche Bestattung vornimmt. Hier lernen die beiden Schwestern Rumen kennen und sie machen sich aus dem Staub um das Land auf eigene Faust »neu« zu entdecken. Damit beginnt das (nicht chronologisch erzählende) Buch.
Die Überführung der sterblichen Überreste hat ein bisschen was von Graham Swifts »Letzte Runde«; die Hauptprotagonisten erinnern an Handkes Mauerschauer (die ruhige Schwester) und Spielverderber (die Erzählerin) und dem Einheimischen (Rumen) aus dem »Spiel vom Fragen«. Die Erzählerin mäkelt bei jeder sich bietenden Gelegenheit an den Zuständen dieses Landes herum. Bulgarien sei ein verzweifeltes Land und verbaut, verpatzt, verdreckt. Das aschgraue Meer – leergefischt. Das bulgarische Essen? Ein in schlechtem Öl ersoffener Matsch. Bulgarische Kost sei abscheulich, und zwar ohne jede Ausnahme. Die Hotels sind hässliche Großblöcke, die ihre Gäste mit rhombengemusterten Teppichboden empfangen, die wie das Aufmarschgelände zu einer monumentalen Fußpilzhölle wirken. Wenn die Erzählerin beginnt, Rumänien zu preisen, schreitet Rumen ein und verteidigt sein Land, während die Schwester (mit ihrem protestantischen Atheismus) vermeintlich teilnahmslos bleibt (die Hauptwaffe der Schwester: Sie ist nicht anwesend) und nur einmal, gegen Ende, explodiert sie; dann jedoch mit Verve (eine herrliche Szene wider Musikbeschallungen in Restaurants).
Der »Kristo-Vater«
Wir erfahren viel über die bulgarische Emigrantenszene speziell in Stuttgart und noch spezieller aus dem Umfeld der Familie der beiden Schwestern. Ihr Vater kam 1943 zum Studium nach Tübingen (Bulgarien war Verbündeter des nationalsozialistischen Deutschland), kehrte 1946 nach Bulgarien zurück, wurde dort verhaftet und zur Mitarbeit zum Geheimdienst verpflichtet (das erfährt die Erzählerin erst während der Tabakoff-Fahrt, also neununddreissig Jahre nach dem Tod des Vaters), bevor er wieder nach Deutschland (Stuttgart) ging und praktizierender Arzt wurde. Er wird als zurückhaltend, weich, später depressiv geschildert (als die Erzählerin in die Schule kommt, wurde er mehr und mehr zum Finsterling. Ein Finsterling, der die Herzen seiner Kinder verdüsterte) und nahm sich (es muss wohl in den späteren 60er Jahren gewesen sein) das Leben. Die (deutsche) Mutter hat den Tod nie verkraftet; im Gegensatz zum immer wieder erscheinenden und herbeibeschworenen Vater bleibt sie im Buch bis auf wenige Szenen seltsam schemenhaft.
Neben der bulgarienhasserischen Erzählebene, die komisch-skurril angelegt ist und manchmal nur haarscharf an (verdächtig epigonalem) bernhardschem Übertreibungsfuror vorbeischrammt (dabei gelegentlich nervt, was allerdings durchaus beabsichtigt sein könnte um dem Duktus der Erzählerin gerecht zu werden), der imposant-kuriosen Überführungsreise (Tabakoff und seine Entourage wirken wie mediokre Mafia-Paten oder deren Imitationen) und der behutsam sich entwickelnden, fast keuschen Liebesgeschichte zwischen Rumen und der Schwester (nur einmal verirrt sich eine Hand auf ein Knie) gibt es dichte Erinnerungsszenen, Ausweise unerwiderter Vaterliebe, die der Erzählerin auf dieser Reise (noch einmal? wieder?) hervorbrechen; der wahre Kern dieses Buches.
Dann zeigt sich dieses kratzbürstige, nervige Plappermaul als verletzliche Person deren Vaterhaß nur äusserlicher Schutz ist (vermutlich wird so auch der Länderhaß; auf Bulgarien erklärbar). Aus dem Vater-Kristo, anfangs kein wertvoller Vater, der da weggestorben ist sondern bloss ein alberner Bulgare wird dann plötzlich ein verblichener Held aus einer verschwommenen Geschichte und die seltenen Sonntagsausflüge werden als vollkommenes Glück evoziert.
Unser Vater war ein ausgezeichneter Lenker heisst es da (Rumen in seinem Daihatsu – ein Ersatzvater, so kommt es da dem vulgärpsychologisch verdorbenen Leser in den Sinn) und seine Kleidung entsprach der des Automobilisten der dreißiger Jahre. …Er raste nicht, fuhr weder lahm noch ruckhaft, fluchte nie. Trotzdem wurde mir jedes Mal schlecht, und es war die Aufgabe meiner Schwester, nach vorne zu melden, dass wir anhalten müssten. Wie immer saß ich auf der rechten Seite, um schnell die Tür öffnen zu können, kotzte routiniert, kehrte zurück alle waren daran gewöhnt. Danach wurde ich übermütig und kasperte mit meiner Schwester lautlos herum…Kein Wort entschlüpfte uns, ein unterdrücktes Kichern höchstens, das sofort abbrach, wenn sich unsere Mutter nach uns umdrehte. Freiwilliges Schweigen: In geeinter Stummheit rächten wir uns an den falschen Eltern, die glaubten, uns mit einer lächerlichen Gutwetteraktion davon überzeugen zu können, sie führten sich wie richtige auf. Freimütig heisst es Die grosse Liebe zu meiner Schwester rührt von diesen gemeinsamen Kämpfen her und die Resignation (Ernüchterung?) der Gegenwart überlagert dann plötzlich die Erinnerung: Aber aus meiner Schwester ist längst eine geschmeidige Erwachsene geworden, die alles nimmt, wie’s kommt, und sehr im Unterschied zu mir fast alles verzeiht. (Später erfahren wir, dass sie zwei Kinder hat, denen nicht einmal die Tragik…vergönnt sei.)
Aber dieses Nicht-Verzeihen, dieses nachtragende Elefantengedächtnis ist auch schon wieder ein bisschen Pose. Es geht auch gefühlvoller, wie diese heitere Erinnerung an den Vater – ohne die Schwester (das bedeutet Verrat) ‑und das Bollwerk der Verschwörung bröckelt sofort: Der Vater liebte es, wenn ich ihm aus der ‘Stuttgarter Zeitung’ vorlas – bevor ich lesen konnte. Er amüsierte sich königlich, wenn ich würdevoll die Zeitung entfaltete und nach einem geeigneten Artikel Ausschau hielt, gluckste vor Lachen, wenn ich anfing zu lesen, spornte mich an und bedachte mich am Ende meines Vortrags mit einem zarten Kuß. So sehr genoß ich dieses Privileg, dass ich an manchen Tagen mit wenig anderem beschäftigt war, als mir auszudenken, was ich dem Vater am Abend vorlesen würde.
Tankstellenluft, Fenstersteher und Rauchkanaillen
Ein andermal fahren sie an Gärten vorbei und plötzlich die Erinnerung an den kleinen Balkon in Degerloch, der ebenfalls nach hinten in die Gärten hineinschwebte, an die Kleingärtner und Autobastler mit allerhand Gerätschaften in und neben der Garage…ein Gewurstel, wenn auch kein bulgarisches, sondern ein überlegtes, schwäbisch hartnäckiges. Und an die ausladenden Äste des Birnbaums, die mit Stützen versehen waren; sommers hing er schwer an seinen Krücken, im Winter behauptete er eisern und starr seinen Platz. Als vielarmiger Greis, der in einer drohenden Bewegung hin und her schwang und den Schnee von sich schüttelte, plötzlich rennen konnte und die Stöcke hob, geisterte er durch meine Träume. Und gegenüber die riesige Tanne, die im Sturm rauschte, als unterhalte sie sich mit ihren Schwestern im Schwarzwald. Der Vater starb mit 43 (die Erzählerin war da im Teenageralter); der Birnbaum als vielarmiger Greis – Widerschein für den so innig vermissten Vater?
Epiphanien, auch (oder gerade?) beim einem düsteren Stilleben mit der Mutter, der alkoholisierten Rauchkanaille (wobei Rauchkanaille durchaus ehrenvoll gemeint sein soll, aber wie nennt man einen Menschen, der 80 Zigaretten am Tag raucht?). Die Mutter, kurz vor ihrem Tod (das war 2001), wie sie Nacht für Nacht am hohen, erleuchteten Fenster über das zerstückelte Degerloch schaut…Blutwolken über den Dächern von Degerloch. Kalter Beton der achtziger Jahre. Ein harter Mond über den Neonleuchten. Tankstellenluft. Kleingehäuseltes. Nachbarn erzählten, sie habe regungslos am Fenster gestanden, ewig lang, wenn das Bild auftaucht, packt’s mich. Unser Vater war nämlich auch so ein entsetzlicher Fenstersteher gewesen Hals tief im Nacken versenkt, worttaub, womit er die Gastgeber verstörte. Das sind Bilder, die sich wie Säure ins Hirn fressen, so spricht sie, die Erzählerin, ein bisschen schnodderig und versucht damit, das Pathos der Wieder-Holung, die Melancholie, zu verscheuchen.
Was auch oft genug (zu oft?) gelingt, etwa wenn dieser überschäumende Mitteilungsdrang in halluzinatorische Wachträume übergeht. Oder sich auf einem Detail eine riesige Theorie entwickelt (eine, wie behauptet wird, landestypische Eigenschaft) oder kräftig der bulgarische[n] Neigung, Gerüchten Glauben zu schenken gefrönt wird (etwa wenn es heisst, der Vater sei – wahlweise – vom Geheimdienst ermordet oder von seiner deutschen Frau vergiftet worden) und diese mit kindlicher Lust weiterphantasiert werden. Wundersüchtige Neigungen attestiert die Erzählerin sich selbst und stellenweise bewundert man die Geduld der beiden Mitreisenden (und der Leser wird im Laufe des Buches entweder zum Komplizen – oder zum Gegner).
Aber manchmal gelingen eben wunderbare Beschreibungen, etwa von Pflanzenkübel[n], aus denen es mit einer Verzweiflung blüht, den zufallenden Schlafhäuten (Augenlider), den Genicken mit denen die drei müde über den Tellern [hängen] oder dem Ärger, der bei der Schwester an ihren verschlierten Herzkammern…schmaust. Beim Besuch bei Rumens Schulfreund, dem Mafioso Saschko und seiner exaltierten Frau, gibt es herrliche Darstellungen balkanesisch-protzigen Einrichtungskitsches, wobei die niederschmetterndste (und treffendste) Wahrnehmung aus der profanen Feststellung Nirgendwo ein Buch besteht. Die Schwestern wollen fliehen, während Rumen im riesigen Pool noch eine Runde plantscht.
Diskrepanzen
Das assoziative, ausholende, teilweise phantasmagorische Erzählen verlangt den geduldigen und vor allem aufmerksamen Leser. Ein, zwei Sätze zu schnell oder unkonzentriert gelesen – und schon ist man plötzlich raus aus der Geschichte, dem Gedanken, dem Traum. Womit gesagt sein soll, dass Lewitscharoff eine präzise und genaue Stilistin ist. Nur äusserst selten geht ihr der Erzählgaul durch und ihre Protagonistin verheddert sich ihren Assoziationsketten. Das sie die Erzählperspektive nie wechselt, kann man bedauern, ihr aber nicht vorwerfen. So bleibt dieses Buch zwar einerseits monoperspektivisch, andererseits jedoch verwässert Lewitscharoff dadurch nicht die Eindrücke, weil der Leser auf eine Erzählerin fixiert bleibt und nicht auf andere »Meinungen« ausweichen kann.
Dennoch: »Apostoloff« lässt den Leser am Ende eher ratlos zurück. Einige biografische Parallelen könnten den Schluss nahelegen, in der Erzählerin das Alter Ego von Sibylle Lewitscharoff zu erkennen. Man könnte es als »Abrechnung« oder späten Emanzipationsversuch von den Eltern deuten. Vielleicht ist es so – vielleicht auch nicht. Für die (literarische) Annäherung ist das allerdings (zunächst) ziemlich uninteressant. Mit autobiografischen Ausdeutungen banalisieren einige Rezensenten die eigentliche Auseinandersetzung mit dem vorliegenden »Stück Literatur«. Man transferiert das Geschriebene einfach auf den Autor und klopft es mit dessen Biographie ab. Statt Literaturkritik wird dem Leser eine Art Konformitäts-Memory unter dem Schlagwort der »Authentizität« untergejubelt.
Die geheimnisvollste Figur im Buch ist die Schwester mit ihrem provozierenden Gesundheitsweiß, und dem merkwürdigen Gang, dieser gewisse[n] elastische[n] Art (einmal kokett mit der Linken, ohne sich umzudrehen wedelnd). Rumen und sie dürften ein Paar werden und die Erzählerin kehrt wieder zurück nach Stuttgart.
Die Figur der Ich-Erzählerin, mit der das Buch letztlich steht und fällt, bleibt ambivalent. Vielleicht riskiert Sibylle Lewitscharoff zu wenig: Zu geschliffen und zu »sauber« wirkt dieses Buch. Die Figur bleibt zwischen der magischen Traum- und Evokationswelt ihrer Kindheit und dem Realismus der schmutzigen bulgarischen Strände und hässlichen Hotels in der Schwebe.
Wenn diese Erzählerin schon ungeduldig, akribisch detailversessen und assoziativ daherkommt, warum wirkt sie nur wie ein Wildfang? Einerseits kritisiert sie klug und wortgewandt alles und jeden – andererseits gibt sie sich mit der Lektüre von Martin Amis zufrieden. Einerseits muss sie über fünfzig Jahre sein – andererseits hat man manchmal das Gefühl, einem bockigen Teenager zuzuhören. Wo bleibt das Doppelbödige, das Abgründige (das Diabolische)? Nicht, dass es gänzlich inexistent sei; alle Hauptfiguren besitzen durchaus Anlagen zum Tiefgang.
Etwa wenn sie von ihrer Drecksmigräne erzählt, dieser Theaterkrankheit und dann kommt das Gespräch auf das Mitleid, die Frage Je Mitleid gehabt? Ich höre und es bricht aus ihr heraus: Keines. Mit der sterbenden Mutter nicht, mit überhaupt nie einem Menschen, höchstens mit verwahrlosten Straßenkötern und struppigen Katzen… Beeindruckend (auch wie es weitergeht), aber wäre ein solcher Mensch nicht widersprüchlicher, unbeugsamer, sperriger, asozialer als die hier präsentierte Figur, die dann doch zu oft nur als possierlich-skurrile Aussenseiterin daherkommt?
Die Suchenden, die wirklich Ungeduldigen, die an der Fülle des Augenblicks nicht nur verzweifeln, sondern immer noch neugieriger werden – diese Figuren der vollkommenen Hingabe an der Welt (oder gegen die Welt – je nach Lage und Laune) gibt es – auch und gerade in der Literatur*. Sibylle Lewitscharoffs namenlose Erzählerin ist es nur teilweise, daher ergreift sie den Leser zu selten, sondern fokussiert sich (leider) zu sehr auf das vordergründige Amüsement.
Die kursiv gedruckten Passagen sind Zitate aus dem besprochenen Buch.
Nur rasch ein Hinweis...
und zwar auf das – diesmal für einen Literaten ausnahmsweise einmal wirklich das Buch erhellende – Interview in der aktuellen »Volltext«: Macht mit allem Weiteren, was man so hört, immer mehr Neugier auf das Buch.
Volltext
war mir bis jetzt unbekannt – ich schreibe aus der USA – und scheint nichts seit Januar 2008 auf ihrer Website zu haben. xx m.r.
Apropos Bulgarien
Verbündet mit Nazi Deutschland nur im Sinne dass da eine faschistische Regierung nach der Conquista
aufgestülpt wurde. Die Bulgaren waren, ausser Serbien, das einzige Land das seine [hauptsächlich Sephardischen] Juden von der
Ausmerzung durch die Deutschen geschützt hat, das konnte man also.
Ein von zwei Gründen warum die Bulgaren so pro-Soviet/ pro-Russisch während des »kalten Krieges« waren hat damit zu tun, dass sie sich von der »Roten Armee« befreit fühlten; sowie im 19ten Jahrhundert von der »Türkisch
Ottomanschen« Oberherrschaft.
Ein Land vieler Dichter, weniger Romanciérs, aber sehr alter Traditionen, welches nach dem es sich für die USSR entschied, schnellstens von einem hauptsächlich klein landwirtschaftlichen Land in ein grossagronomisches verwandelte; Brotkiste schon seit Roemischen Zeiten,aber nach 1947 [der Ermordung von Tito’s Freund Dimitroff, der waehrend des Reichstagsbrand berühmt in Berlin weilte] undEinverleibung unter die Schirmherrschaft Stalins schnellstens auf gross Kolchosisch machte, da wurde u.a. der Tabak gepflanzt für all die Marlboros die in West Europa geraucht wurden.
Was der Keuschnig von dem Buch berichtet, errinnert auch an Faulkner’s AS I LAY DYING, diese Begräbnis Fahrt.
@mikerol69
Sorry , didn’t mean to ignore your comment... but actually I’m more or less ignoring my own blog right now (writing elsewhere).
(Gonna follow you’re links ’n pages later...)
But Volltext maybe would be interesting to you!
Austria based, pretty much with a different look from there but fully up to date regarding the lit-agenda (if any applies), its worth reading! You should give it a look, really!
Did you know the story how PH met Karadzic (at least according to Norbert Gstrein)? Never found it elsewhere... Less a scandal than amusing! And weird!
@mikerol
Die Rolle Bulgariens während der NS-Zeit und auch die Treue zur Sowjetunion wird im Buch am Rande gestreift; vor allem der Tod von Boris III 1943 (da gibt es einige Verschwörungstheorien). Die Judenrettung hab’ ich nicht gefunden (würde zur Hauptfigur passen, die nur das Negative am Bulgarischen sieht).
Was ich jetzt noch nicht begriffen habe: Was genau will die Autorin mit der Erzählerin des Buches erreichen oder bewirken?
Geht es um eine Aussöhnung mit der Familiengeschichte, um die Annäherung an ein Land, um die Verarbeitung alter Erinnerung oder um Abschied?
Was ein Autor/eine Autorin
»bewirken« will, ist für mich immer sekundär; ich hab’s als rhetorische Frage der 08/15-Kulturjournalisten eingebracht. Was »will« man mit Literatur?
Gut, für Sie ist die Absicht der Autorin sekundär. Aber ist es nicht so, dass die Intension der Autorin die stilistische Form des Buches beeinflusst, wenn nicht sogar grundsätzlich prägt? Ich meine, der Absicht entsprechend fällt der Blick aus, mit dem die Autorin den Charakter der (in Lewitscharoffs Fall namenlosen) Erzählerin und die Figuren im Roman als Handelnde ausstattet.
Ich denke da jetzt zu Lewitscharoffs Bulgarienreise vergleichend an »Mein rumänisches Tagebuch« von Elisabeth Kraus-Kassegg. Darin reist die Autorin und Erzählerin 1940 nach Rumänien, um dort bei der Auflösung der Haushalte von 96.000 Bukowina-Deutschen, die nach Deutschland ausgesiedelt werden sollen, mitzuhelfen. Ihre damalige Absicht war, als tüchtige Frau bei einer (vermeintlich) guten Sache zu helfen, und auch »etwas zu erleben«. Mit dieser Absicht richtet sich der Blick der Schreiberin auf die Reise, die Menschen, die Situation und die Landschaften die ihr begegnen. Im Tagebuch tauchen folglich Aussagen wie »Da ich für zivilisierte Verhältnisse sorgen wollte ...« auf. Der Blick der Tagebuchschreibern richtet sich auf Schmutz und Unordnung in rumänischen Häusern und auf eine Ungepflegtheit der rumänischen Bevölkerung. Es werden andere Helferinnen zitiert, die hochmütig zu sagen wagten: »Wo die Männer das Hemd über der Hose tragen, dort gibt es keine Kultur.« Gegenteiliges wird im Buch nicht erwähnt, sodass man als Lesende geneigt sein könnte, zu glauben, rumänische Haushalte wäre damals grundsätzlich schmutzig, chaotisch und voller Ungeziefer gewesen. Mit dem Blick und der Rolle als »Helferin« richtet sich die Aufmerksamkeit auf »Hilflose und Hilfsbedüftige« und prägt den Stil des Tagebuches mit.
Bei »Apostoloff« ist die beipsielsweise die Rede von einer bulgarienhasserischen Erzählebene. Mit einer solchen richtet sich der Blick der Schreiberin/Erzählerin entweder darauf, die Gefühle des Hasses zu bestätigen, also Gründe hiefür zu sammeln oder zu liefern. Oder die Intension richtet sich im Verlauf des Romans in die entgegengestzte Richtung: den Hass zu bewältigen und die gefühlsmäßige Gebundenheit daran aufzulösen.
Würde es beispielsweise die Absicht der Autorin gewesen sein, die Schönheit bulgarischer Landschaft und Kulturreichtümer den Lesenden nahezubringen, würde sich der Blick auf eine dementsprechende Erzählebene gerichtet haben – auch wenn dies für sekundär erachtet wird.Für mich stellt sich schon die Frage, was damit ereicht werden solle, wenn nur einseitig eine neagtive Sicht über Bulgarien transportiert wird.
Ich kenne das Buch von Elisabeth Kraus-Kassegg nicht (habe nur hier etwas über die Autorin gefunden), aber mir sind per se Bücher (und deren Autoren) suspekt, die vordergründig mit ihren Büchern etwas anderes wollen als zu erzählen.
Die bulgarienhasserische Ebene bei Apostoloff habe ich mit Thomas Bernhard (und seinem Österreich-Hass) verglichen, wobei (hier wie dort) nicht klar ist, ob diese negativen Äusserungen nicht das Gegenteil dessen sind, was sie scheinen. Das lässt die Autorin (glücklicherweise) in der Schwebe und setzt in der Figur des Rumen Apostoloff (der Titelfigur!) einen Kontrapunkt zur Seite. Das ist sehr viel interessanter herauszuarbeiten als in normalen Kategorien vordergründige Intentionen aufzuspüren (was eigentlich meine Aufgabe, wie ICH sie verstehe, nicht sein kann; ich bin schliesslich KEIN Rezensent).
Wenn ich sage, dass mir die Intention des Autors nicht so wichtig ist, dan meine ich, dass es für mich als Leser eines Buches keine notwendige (eher eine störende) Information ist, zu erfahren, dass ein Autor seine Familiengeschichte »aufarbeiten« oder sich etwas von der Seele schreiben wollte, usw. Das möchte ich nicht erfahren, das möchte ich e r l e s e n.
(Ich erinnere mich an ein Gespräch mit dem Publikum, welches Handke zusammen mit Peymann nach einer Aufführung seines Stückes »Das Spiel vom Fragen« gab. Das Stück dauerte rund zweieinhalb Stunden. Ein Zuschauer frug Handke, was er mit dem Stück ausdrücken wollte. Handke reagierte derart zornig, dass er das Mikrophon, was vor ihm aufgestellt war, umwarf. Die Frage fasste er als Beleidigung auf; m. E. zu recht. Da hatten nun alle Beteiligten zweieinhalb Stunden ein Stück gesehen, welches ihnen entweder gefallen hatte oder nicht, vielleicht Fragen aufwarf – aber statt diese Fragen zu stellen, gab es die Alletwelts- und Sinnlosogkeitsfrage Nummer Eins: Was wollen Sie mit dem Stück sagen? – Bei Buchbesprechungen ist das etwas anders: Sie haben das Buch nicht gelesen, daher erscheint die Frage nach der Intention logisch. Ich glaube allerdings, dass meine Besprechung schlecht ist, wenn sie solch eine Frage aufwirft.)
Sie mögen mir verzeihen, dass ich gerade Ihnen diese Frage nach einer möglichen Intension der Autorin gestellt habe.
Vielleicht liegt es daran, dass ich nach dem wiederholten Lesen des Beitrags ein wenig verstört zurückgeblieben bin, mit der Frage: Was könnte mich an dem Buch interessieren, dass ich es vollständig lesen würde?
apropos VOLLTEXT
auch der oben angegebene Link fuehrt nur zu Zeug das ein Jahr alt ist, hat wohl den Geist aufgegeben. Interessant war es schon inwiefern ich das auf Anhieb beurteilen kann..
[EDIT: 2009-02-22 22:29]
VOLLTEXT ist eine nette Zeitschrift; ich lese sie gelegentlich. Der Webauftrtt ist eine Katastrophe.
Es stimmt mich skeptisch, wenn Schriftsteller/innen in Interviews immer ihre Bücher erklären. Hier wäre ich aber sehr neugierig; vielleicht kann en-passant dazu was sagen?
[EDIT: 2009-02-23 17:19]
Volle und halbe Texte
Natürlich ist Lewitscharoff – die eh klug ist -, viel zu klug, ihr Buch zu erklären; sie antwortet aber (zumindest für mich) einigermaßen erhellend und ausführlich (!) auf Fragen, die an sich klug sind (zu eben einigen wichtigen Motiven des Buchs).
Dass es darauf aber vielleicht nicht ankommt, konnte man am WE bei einer Rezension von jemandem lesen, vom den ich mir überlicherweise sonst nicht viel erhoffe. Es ist eine lesenswerte (das Buch in Teilen erhellende) Resension geworden.
Zu Volltext: Dass die Zeitung sich dem dem nicht auch noch einen gloriosen Internetauftritt leisten kann, kommt mir verständlich vor. Ich messe eine solche Zeitung eher nach dem, was sie mir an anderswo nicht gebotenen Lektüren liefern.
[EDIT: 2009-02-23 17.53]
die rezension in der welt
verleitet dem buch eine weitere dimension, da der rezensent seine beschreibung und urteil auch im gesamtwerk des autor’s ansiedelt. trotzdem wird das buch bei mir auf der grossen nachhol reise mit dem »tramp steamer« in den dritten »steamer trunk« gepackt.
@en-passant / mikerol – Rezension in der »Welt«
Danke für den Link. Dass dies ein Buch mit religiöser Dimension sein soll – das ist mir dann tatsächlich »durchgegangen« (ausgerechnet mir).
In einem scheint der Rezensent nicht auf der Höhe: »Kryotechnik« ist sehr wohl ein Verfahren, welches auch bei Bestattungen angewandt wird; er scheint da ausschliesslich die metaphorische Ebene zu sehen.
–
In der »Bestenliste« des SWR für März wird das Buch auf Platz 2 geführt werden. Hinter Philip Roth.
man sollte sich die zeit nehmen
jedes buch ueber das man schreibt mindestens zweimal lesen. bei handke war’s bei mir all gemein fuenef mal, beim del gredos nur dreimal, aber auch nicht sofort hintereinander, und deswegen habe ich in diesem fall, trotz aller kenntnis und und empfindsamkeit, bestimmt vieles verpasst. vide:
http://www.handke-discussion.blogspot.com
tschuess, bis bald, au bientot...
»Del Gredos« dreimal – alle Achtung! Ich gestehe, dieses Buch bei einmaligem Lesen nicht verstanden zu haben. Ich habe es aber auch nie besprochen und würde es auch nicht tun.
Ich glaube, dass viele Rezensenten die Bücher nicht mehr vollständig lesen. Einige Verlage bieten vorgefasste Inhaltsangaben, aus denen dann nach Lust und Laune zitiert wird; der tatsächliche Vorgang der »Kritik« findet immer seltener statt (die Besprechung von »Apostoloff« in der »Welt« ist davon ausdrücklich ausgenommen). Im deutschen Fernsehen gibt es bald eine neue Literatursendung. Eine Trivialromanschreiberin und ein Literaturkritiker moderieren sie. Die Trivialromanschreiberin wurde neulich befragt, was sie denn so lese. Ihre Antwort, die Ausweis grossen Fleisses sein sollte, offenbart für mich erschreckend, wie das heute läuft: Sie lese im Moment sechs, sieben Bücher gleichzeitig, so die Aussage.
Der liebe Keuschnig
koennte ja wenigstens mein Kommentar zum Del Gredos lesen, ist zwar auch lang, aber ich hab beim lesen dieses Buches grosse Funde gemacht, und es, der Roman, enthaelt nicht nur vielleicht die besten 5 tausen Worte einer gewissen Art die ich jemals in bald 70 Jahre lesen zu lesen bekam [die Beschreibung dessen was der Orkan da im Chaville Wald angerichtet hat] sondern auch hunderte von Seiten des rein ins magische verwandelnden... so dass man dem Handke die weniger gelungenen Sachen und einige Kapitel wo er nur als Profi schreibt, schon verzeiht, und was fuer ein Ende!
Der liebe Keuschnig
WIRD das lesen und ist sich des Privilegs bewusst (und dankbar darum), diese Sachen in Dokumentenform persönlich zugeschickt bekommen zu haben.
Ich bitte nur um ein bisschen Geduld. Wobei ich zugebe, mich diesem Buch (dem »Bildverlust«) zu stellen, braucht nicht nur Zeit (herunterlesen kann man weder das Buch noch Ihre geistreichen Anmerkungen) sondern auch eine gewisse Stimmung!
Aber natuerlich Zeit sowie Stimmung...
Handke bemerkt ganz richtig, dass ein Buch ja einem seine eigene Zeit aufdrueckt; ich hab es also in Haeppchen von ein zwei oder drei Seiten [die Amerikanische Auflage besteht aus 470 anstatt der Deutsche 780] ganz langsam gelesen [die ersten zwei Mal, schon bei seinem Erscheinen, auf Deutsch], und zwar in einer einfach grossartigen Uebersetzung von Krishna Winston, auch deswegen, da ich wusste ueber dieses Buch, was hier in der USA – mit einer grossen Ausnahme eines Kanadischen Romanciers – volkommen misverstanden wurde – wirst du was auf Englisch schreiben.
[ich behalte Begleitschreiben sowie ein paar dutzend andere Addressen permanent in meinem Opera Browser, muss mich dann aber trotzdem immer wieder neu bei Twoday Net einloggen – auch so’n Wort – auch heute wieder sonst wird was ich hier schreibe als »Spam« verworfen, heute auch wieder, also wenn mann hier anonym versucht zu kommentieren muss man sich erst ein twoday.net Accoun anlegen!!!]
Dass die englische Ausgabe 470 statt die deutsche 780 Seiten hat, finde ich interessant. Ist das möglich?
[Das »Einloggen« muss ich auch; schrecklich störend. Keine Ahnung woran das liegt. Immer wenn ich meinen Computer abgemeldet habe und dann zwei Stunden später drauf zugreife, muss ich mich einloggen. Nach den ersten zwei, drei Buchstaben findet er das Passwort aber selber; dauert aber immer eine lästige halbe Minute; manchmal 3 Minuten/Tag.]
Hallo Gregor,
Off Topic:
Glückwunsch zum Zitat im Freitag ;)
Hast Du bestimmt schon gesehen, oder?
Dankeschön; erst jetzt gerade mitbekommen...
Nur ein weiterer Hinweis
Heute abend liest Sibylle Lewitscharoff im Studio LCB.
Übertragung im Deutschlandfunk ab 20:05h.
ja 470 anstatt 780
und zwar sehr genial designed, so dass es – der satzspiegel – 12 point, a bisserls lange zeilen – trotzdem ohne weiteres lesbar ist, sagar fuer meine alten augen! um geld beim papier zu sparen. mindestens ein halbes pfund, dass macht bei einer auflage zwischen 3 und 5 tausend, groesser ist sie sicherlich nicht gewesen, schon etwas aus!
ich hab bei der zeit eine notiz zum lewitscharoff interview hinterlassen. [sie sagt immer das selbe bei jedem interview! diesmal mit herrn von becker!]die werd ich auch hier auch als allgemeine meinung ueber bulgarien hinterlassen., und im nachhinein ein wenig erweitern
Ich war 1980 einmal vier Wochen in Bulgarien, in Sofia und Plodviev, zwar als ein Kultur-Austausch Wesen
der hauptsächlich mit Schrifstellern und Verlegern und Universitäts Leuten zu tun hatte. Die Leute gefiehlen mir sehr, bis auf einiege KGB Kerle; aber es gab auch Leute im Zentral Kommittee die denen einfach Leck mich am Arsch sagen konnte. Ich bekam das Gefühl, dass schon ein gewisser Spielraum bestand ausser dass man das System oder Zhivkov zerstoeren wollte. Es war eine komische Zeit da unter der spaeter [ermordeten?] Zivkov Tochter Zhivkova Bulgarien eine nationalistische Kultur Richtung annahm: a la »zehn Tausend Jahre altes Thrakisches Blut fliesst in unseren Adern – das war der Weg weg vom Sozialistischen Realismus dessen Skulpturen, ja sehr beinflusst von der Moderne, mir eigentlich ganz schoen gefallen haben; und in vielem überhaupt nicht Richtung war. Es war aber alles kontrolliert, so dass auch wenn’s einen Kontrolleur gab der in Ordung war... jedes Schwein liebt nur was ihm schmeckt und hat seine eigenen Freunde. Der schoenste Moment kam als ich nachdem ich die 500 Leut die der Schrifsteller Kammer angehoerten was erzaehlt und mich ausgefragen gelassen hatte, auf ganz brave Amerikanische Art, sagte: ‘Also Kinder, jetzt moecht ich aber mal die Schriftsteller kennen lernen die nicht der offiziellen Schrifsteller Kammer angehoeren.« Schallendes Gelaechter und zur Antwort wurde mir, dem wagemüting tapferen Kämpfer gesagt: »All die Leut die in der Schrifsteller Kammer sind sind die die nicht in der Schrifsteller Kammer seien wollen.« Da wusste ich, was immer: diese Leute sind in gross in Ordung. Und so war das auch bis auf die eingefrorenen korrupten Sadisten in der Buerokratie. Diesen Typ gibt es aber überall, nur wenn sie oberhand annehmen wirds wirklich schlimm.
Die Bedingungen waren, im Vergleich mit der USA, begrenzt, aber der Wert den dann ein Buch hatte um so viel grösser. Es wurde mir, als Gast, sehr viel schönes gezeigt, es gab auch hässliches aller Art, im allgemeinen fand ich den Bulgarischen Kommunismus viel labiler als den der Ost Deutschen, was vielleicht mit der Nähe zum Orient zu tun hat, oder dem Slawischen das mir immer gefiel. Wenn ich Frau Lewitscharoff glauben schenken sollte, hört es sich so an als ob die Lage sich verschlechtert hat. Es war zwar eine zweiteilige Gesellschaft wie Djilas sie ja auch in Yugoslavien dargestellt hat, aber ich hab mich wohl genug gefuehlt dort, der Menschen wegen, aller Art, ich da auch auf eigne Faust rumgeschaut, da mein rostiges Russisch nach drei Wochen auftaute hab ich dann auch viel des proto Slawischen Bulgarisch verstanden [gestern bei der Dursicht und Registrierung bei einer Slovenischen Zeitungswebseit hab ich ungeheur viel von den ganz einfaschsten Sachen uebersetzen können!], und war nicht mehr auf meinen grossartigen philosophiestudierenden Dolmetscher angewiesen. Das es auch damals Korruption gab wurde schnell erkennbar, besonders in der Nacht. Aber nach der Korruption in New York zu der Zeit wo ich mich in dieser Hinsicht damals sehr auskannte war’s ein Kinderspiel!
Das Interview von Lewitscharoff in der ZEIT ist das gleiche wie im Tagesspiegel! ZEIT und Tagesspiegel arbeiten online zusammen. Artikel, di eim Tagesspiegel erscheinen, erscheinen irgendwann auch auf zeit.online. Der ZEIT-Chefredakteur hält nichts von einer dezidiert eigenen Online-Redaktion (es gibt eine, aber personell nicht ausreichend ausgestattet). Man kooperiert lieber mit der zweiten Klasse...
Die Interviews von Schriftstellern sind inzwischen eine Plage geworden. Iris Radisch hat dazu in der Print-Ausgabe eine Glosse geschrieben – die ist – natürlich! – noch nicht online. Leider.
naja
ich hab’ die autorin am wochenende teile des buches im dlf studio lcb lesen gehört und fand’s – offen gestanden – ziemlich furchtbar, ein weiterer beleg dafür, daß autorenlesungen in der regel einfach nur gräßlich sind. glücklicherweise kam danach juli zeh, das hat mich dann mit dem abend doch noch irgendwie versöhnt.
Mir gings...
genau umgekehrt. Ich fand Lewitscharoff hat sehr gut un dpointiert glesen (über die ausgesuchte Stelle kann man in der Tat diskutieren) un dbei Juli Zeh, diesem Vorzeige-Girlie des Feuilletons, die Nassforscheheit mit Kompetenz verwechselt, habe ich dann abgeschaltet.
wobei wir
uns ja jetzt immerhin darauf einigen können, daß radiohören lohnt. jedenfalls mehr als die lektüre der gedruckten mainstream-journaille
Ja, unbedingt!
Da meine Augen seit einiger Zeit Probleme machen, greife ich immer öfter zum Hörbuch. Aus mir unerfindlichen Gründen ist dieses Medium immer noch als Variante für Analphabeten stigmatisiert, zumal das gesprochene Wort sicherlich die basale Form des Narrativen ist. Wer hat da nicht direkt Scheherazade vor Augen/Ohren. Die Gefahr auf einen Sprecher zu treffen, der sich selbst wichtiger nimmt als das Buch, ist dabei natürlich immer gegeben. So z.B. Gert Westphal, der angebliche »König der Vorleser« macht bis auf wenige Ausnahmen durch seine Emphase aus jedem Text Schweinebraten mit dicker, brauner Soße. Als Sibylle Lewitscharoff in einem sicherlich nicht zurücknehmenden Tonfall zu lesen begann, war ich erst irritiert, um dann von Satz zu Satz auf sehr angenehme Weise gefangen zu werden. Der Werkzeugkasten der Autorin reicht von ironischer Distanz, leidenschaftlicher Abscheu bis zu simpler Komik. Als Vorleserin hat Sibylle Lewitscharoff im Olymp neben Ulrich Matthes und Wolf Haas Platz genommen.
Auch wenn ich deine Einwände durchgängig unterstreichen kann, habe ich mich sofort in die Sprache Lewitscharoffs verliebt. Die Bilder sind frappierend, der Stil geschliffen und kein Satz zuviel. Was noch neben der religiösen Deutung (Der Name des Vaters und der Titel sind ja nicht direkt versteckt) unerwähnt blieb, ist das überall wiederkehrende Motiv der Polarität, dass zwischen dem sozialistischen Bulgarien und dem bräsig-schwäbischen Degerloch als Grundthema angelegt ist (die Schwestern, die Zwillinge, Nihilismus/Brokatchristen, selbst arm/reich etc.pp.). Das Hinundhergerissene zwischen einer Heimat, die einen in die Gesellschaft mit all Ihren Normen einbettet (die Kindheitserinnerungen stehen im klaren Gegensatz zu der heutigen Erzählerin) und der bequemen Welt in Deutschland, die aber der Welt entfremdet (Die Erzählerin hat keine Kinder, die Schwester nur welche, denen sie keinerlei Werte vermitteln konnte. Also keine Zukunft).
Ich weiß nicht, ob mir dass Buch in gelesener Form ebenso gut gefallen hätte. Das Hörbuch kann ich nur empfehlen.
@Peter42
Ich hatte Ausschnitte aus der Lesung von Lewitscharoff im DLF seinerzeit gehört. Sie liest in der Tat sehr gut und setzt die Betonungen auch sehr akzentuiert. Das ist bei Dichtern nicht unbedingt häufig.
Bei Hörbüchern stört mich in der Tat sehr oft, wenn Schauspieler den Text dermaßen gespreizt lesen, dass sie ihn sozusagen ent-autorisieren. Sie stellen sich nicht im Dienst des Buches, sondern »spielen« es. Bei Westphal geht es mit tatsächlich auch so, dass ich irgendwann nur noch auf die Stimme achte und nicht mehr auf den Text. Bei Brückner geht mir das ähnlich. Ausserdem stört mich oft die Lesegeschwindigkeit.
Manchmal nehme ich mir bewußt Zeit, Kommentare zu beantworten. Manchmal habe ich aber auch nur sehr wenig Zeit, Kommentare angemessen zu beantworten. Dann warte ich, bis ich einen Modus gefunden habe. Ich lese hier aber grundsätzlich alles.
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