Der grü­ne »Geist«. Zur ver­gan­ge­nen Na­tio­nal­rats­wahl und der Kri­tik ei­ner Par­tei.

Auf dem Weg zur Ar­beit er­hält ein Be­kann­ter auf ei­ne flap­si­ge Be­mer­kung hin von ei­nem Kol­le­gen die Ant­wort, dass er in ein Gen­der­se­mi­nar ge­hö­re; die Be­mer­kung ist ernst ge­meint und kommt von ei­nem in­tel­li­gen­ten Men­schen. Ei­ni­ge Zeit spä­ter spricht der Bun­des­prä­si­dent der Re­pu­blik Öster­reich, Alex­an­der van der Bel­len, vor Schü­lern zum The­ma »Kopf­tuch«: Der Bun­des­prä­si­dent legt das Pro­blem nicht et­wa ana­ly­tisch vor den Schü­lern dar, er mo­ra­li­siert und ver­mei­det ge­ra­de die­je­ni­gen, die Ur­teil, Grün­de und Be­grün­dung viel­fach su­chen, dar­in zu un­ter­stüt­zen und be­trügt sie da­mit um die Kom­ple­xi­tät und die mit die­ser The­ma­tik zu­sam­men­hän­gen­den Fra­gen. Bei­de Hal­tun­gen ha­ben mit den Grü­nen zu tun, ein­mal ge­hört sie zu ei­nem ih­rer Wäh­ler, ein­mal zu ei­nem ih­rer be­kann­te­sten Ex­po­nen­ten1.

Wei­ter­le­sen ...


  1. Der als eine Art abhängig-unabhängiger Kandidat antrat und viele Jahre Bundessprecher der Grünen war 

Die letz­te Buch­be­spre­chung (und Buch­be­spre­chungs­be­spre­chung) mei­nes Le­bens

In­zwi­schen ge­le­sen (im Shink­an­sen): Die Kie­fern­in­seln. Mit leich­ter Hand hin­ge­wor­fe­ner Kai­ser­schmar­ren. Vul­go Auf­ent­halts­sti­pen­dia­ten­pro­sa. Zum Ro­man aufgepäppel­ter, für sich ge­nom­men be­schei­de­ner – ei­ne Zier! – Kurz­rei­se­be­richt (»mit dem Shink­an­sen auf Matsuo Bas­hos Spu­ren«, oho!). Ja­pan­kli­schees, Oberflächenbild­chen, auch (be­wußt?) Fal­sches. Küh­le Iro­nie un­ter den Ach­seln. Sel­t­b­st­­mord-Spiel­chen. Im Ernst­fall ist al­les ein Traum, oder Tag­traum. Fröh­li­ches Fi­­gur-Kon­­stru­ie­­ren und ...

Wei­ter­le­sen ...

18.01 Uhr

Um 18.01 Uhr (Kor­rek­tur: sie­he PS un­ten) er­klär­te Tho­mas Op­per­mann, der bis­he­ri­ge Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de der SPD, dass sei­ne Par­tei nach der Pro­gno­se von knapp 20% nicht mehr an ei­ner Neu­auf­la­ge der so­ge­nann­ten Gro­ßen Ko­ali­ti­on in­ter­es­siert sei und von nun an als Op­po­si­ti­ons­kraft agie­ren wer­de. Na­tür­lich war dies kei­ne spon­ta­ne Ein­las­sung son­dern wohl be­dacht. Die Par­tei­spit­zen er­hal­ten ...

Wei­ter­le­sen ...

An­mer­kun­gen zur trans­ver­sa­len Äs­the­tik

1. Bei spo­ra­di­schen Lek­tü­ren von aka­de­mi­schen Auf­sät­zen zur deutsch­spra­chi­gen Ge­gen­warts­li­te­ra­tur, be­son­ders zu sol­cher mit so­ge­nann­tem Mi­gra­ti­ons­hin­ter­grund, ist mir auf­ge­fal­len, daß in den letz­ten Jah­ren die Vor­sil­be »trans-« an Häu­fig­keit ge­won­nen hat im Ver­hält­nis zur Vor­sil­be »in­ter-«, die sie manch­mal er­setzt. »Trans-« ver­weist auf Be­we­gung, auf Dy­na­mik; »in­ter-« auf ein Da­zwi­schen, auf Be­zie­hun­gen, die zwar nicht oh­ne Be­we­gung statt­fin­den, aber doch er­star­ren kön­nen, so daß sie zu Kon­stel­la­tio­nen wer­den. Es ist ei­ne Fra­ge des Ak­zents, der Auf­merk­sam­keits­rich­tung, der in den Blick ge­nom­me­nen Aspek­te. Ich selbst bin, oh­ne mich in mei­nem Tun und Las­sen stän­dig sprach­kri­tisch zu re­flek­tie­ren (und oh­ne aka­de­mi­sche Ab­sich­ten), auf den Be­griff der Trans­ver­sa­li­tät ge­kom­men, um be­stimm­ten Er­fah­run­gen des Schrei­bens, Le­sens und Le­bens Aus­druck zu ver­lei­hen. Es ist mög­lich, daß sich im mi­kro­struk­tu­rel­len Para­digmenwechsel et­was vom Zeit­geist spie­gelt; ja, daß es sich letzt­lich nur um termino­logische Mo­den han­delt. Nie­mand ist dar­über er­ha­ben, aber ei­ne Auf­ga­be des Schrift­stellers be­steht dar­in, ein Sen­so­ri­um für sol­che Vor­gän­ge zu ent­wickeln und zur Gel­tung zu brin­gen.

2. Es ist nicht Auf­ga­be des Schrift­stel­lers, Be­grif­fe zu de­fi­nie­ren, ge­gen­ein­an­der abzu­grenzen und Be­griffs­hier­ar­chien zu er­rich­ten. Auf der Hand liegt, daß in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts Au­toren und Wer­ke an Zahl und Be­deu­tung zu­ge­nom­men ha­ben, die auf un­ter­schied­li­che Wei­se mit Orts­wech­seln, Rei­sen, Er­fah­rung des Frem­den, Be­haup­tung des Ei­ge­nen in frem­der Um­ge­bung, Be­rüh­rung und Ver­mi­schung von Kul­tu­ren, In­fra­ge­stel­lung von Iden­ti­tä­ten usw. zu tun ha­ben. Es gibt da­bei frei­lich, wie bei an­de­ren Phä­no­me­nen, et­wa der tech­no­lo­gisch be­schleu­nig­ten Glo­ba­li­sie­rung, ei­ne lan­ge Vor­ge­schich­te. Un­ter Ger­ma­ni­sten war in der Zeit, als ich stu­dier­te, die Exil­li­te­ra­tur be­liebt. Sie wur­de durch­for­stet, ob aus­rei­chend oder nicht, sei da­hin­ge­stellt. Heu­te ha­ben sich die Blick­win­kel ge­än­dert, das deutsch­spra­chi­ge Exil ist in hi­sto­ri­sche Fer­ne ge­rückt, um­ge­kehrt sind Au­toren aus an­de­ren Welt­ge­gen­den in Er­schei­nung ge­tre­ten, die die hei­mi­sche Li­te­ra­tur­spra­che be­rei­chert ha­ben und be­rei­chern. Ber­tolt Brecht, Tho­mas Mann, Jo­seph Roth ha­ben die Spra­che nicht ge­wech­selt, aus meh­re­ren Grün­den, vor al­len Din­gen lag es nicht in ih­rer Ab­sicht, ein neu­es Ziel­pu­bli­kum an­zu­spre­chen, au­ßer­dem ist ein Sprach­wech­sel im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter auf­wän­dig, schwie­rig bis un­mög­lich. (Es gibt Bei­spie­le wie Ar­thur Koest­ler und Ste­fan Heym, für die das nicht gilt. Bei­de sind in re­la­tiv jun­gen Jah­ren emi­griert.)

Wei­ter­le­sen ...

Hei­ner Geiß­ler

Ja, ich weiss. Man soll über To­te nichts Schlech­tes re­den. Und Hei­ner Geiß­ler ist ja auch ein Po­li­ti­ker, der das Land zu sei­ner Zeit ge­prägt hat. Aber der Kult, der seit vie­len Jah­ren um ihn be­trie­ben wur­de, hat mich im­mer über­rascht. Er wur­de meist von de­nen for­ciert, die sei­ne ak­ti­ve Zeit als CDU-Ge­­ne­ral­­se­­k­re­tär und als ...

Wei­ter­le­sen ...

Spa­zie­ren und se­hen

Als ob die Welt sich selbst, auf ei­ne an­de­re hin, über­schrit­ten hät­te: Das fah­le, gelb-oran­ge Licht des her­ein­bre­chen­den Abends hat­te sich der­ge­stalt über die Din­ge ge­legt, dass sie mir als ein An­de­res, als ein Nä­he­res er­schie­nen, als sie es sonst ta­ten; die Ge­gen­stän­de mei­nes Wohn­zim­mers üb­ten ein sanf­te An­zie­hung aus, der ich nur sel­ten ge­wahr wur­de, ei­ne An­zie­hung, die sie her­vor­tre­ten ließ, deut­lich, aber nicht über­mäch­tig, so dass man ih­nen hät­te ver­fal­len müs­sen: Dies war kei­nes­wegs auf ei­ni­ge der Ein­rich­tungs­stücke be­schränkt, es lag nicht in de­ren Ge­schicht­lich­keit oder de­ren Be­son­der­hei­ten be­grün­det, es wa­ren un­ter­schieds­los und glei­cher­ma­ßen al­le Din­ge von den Ver­än­de­run­gen be­trof­fen, man könn­te auch sa­gen, dass die Ge­wich­tung, die im Nor­mal­fall in mei­nem In­ne­ren lag, nach au­ßen hin ver­scho­ben wor­den war, nicht das Sub­jekt, al­so ich, sah in die Welt hin­aus, son­dern die Welt blick­te, auch wenn es aber­wit­zig klin­gen mag, zu mir her­ein, auf ei­ne Wei­se, die ei­ne Aus­ge­gli­chen­heit er­zeug­te und kei­ne Wün­sche of­fen ließ, au­ßer eben je­nem, hin­aus­zu­ge­hen, mit­ten un­ter die Din­ge und in die Na­tur hin­ein.

Wei­ter­le­sen ...

Die Be­le­bung der Re­li­qui­en

(An­läss­lich der Aus­stel­lung der Zeich­nun­gen von Pe­ter Hand­ke in der Ga­le­rie Frie­se in Ber­lin)1

        Vor 35 Jah­ren ha­be ich im Nach­wort für mei­ne Über­set­zung des Bu­ches Wunsch­lo­ses Un­glück den Schrift­stel­ler Pe­ter Hand­ke als ei­nen »to­ta­len Au­tor« be­schrie­ben, der sich in vie­len Kunst­ar­ten er­probt hat – in der Li­te­ra­tur, im Thea­ter, in der Ki­ne­ma­to­gra­phie; da­mals war nicht be­kannt, dass Pe­ter Hand­ke auch zeich­net. Die ge­gen­wär­ti­ge Ausstel­lung der Zeich­nun­gen des Schrift­stel­lers Pe­ter Hand­ke in der Ga­le­rie Frie­se in Ber­lin bringt das zu­ta­ge. Die Aus­stel­lung sei »fun­da­men­tal«, war die Ein­schät­zung vie­ler Me­di­en im deutsch­spra­chi­gen Raum. Gleich, wenn man die un­ge­wöhn­li­chen Bil­der des Künst­lers an­schaut, der als episch-ly­ri­scher Er­zäh­ler, Dra­ma­ti­ker und Fil­me­ma­cher be­kannt ist, hat man ein über­wäl­ti­gen­des äs­the­ti­sches Er­leb­nis. In der Aus­ein­an­der­set­zung mit die­sen mi­nia­tur­haf­ten Zeich­nun­gen, die auf ein­fa­che Pa­pier­blät­ter des For­mats DIN A4 aufge­klebt und dann mit Steck­na­deln auf die wei­ßen Wän­den ge­steckt wur­den, be­we­gen uns die pla­stisch­sten Wahr­neh­mun­gen, er­schüt­ternd­sten Ge­füh­le und un­ter­schied­lich­sten Ge­dan­ken. Ich er­in­ner­te mich an ein Ge­spräch mit Pe­ter 1984, als ich mit ihm über das Ki­no spre­chen woll­te; er wich dem im­mer wie­der aus, ob­wohl er da­mals ei­ni­ge wich­ti­ge Fil­me ge­dreht hat­te; es war auch be­kannt, dass Pe­ter Hand­ke Wim Wen­ders ent­deckt und da­bei un­ter­stützt hat­te, zum Fil­me­ma­cher zu wer­den; (sie hat­ten ih­ren er­sten Film ge­mein­sam ge­dreht – »3 ame­ri­ka­ni­sche LPs«). Das Ge­spräch über Kinema­tographie ver­mei­dend, lenk­te Pe­ter die gan­ze Zeit mei­ne Auf­merk­sam­keit auf die Ma­le­rei – ins­be­son­de­re auf Paul Cé­zan­ne, der da­mals für Hand­kes Li­te­ra­tur sehr wich­tig war. Gleich nach dem Ge­spräch be­gann ich auch mei­ne Über­set­zung des Buchs Die Leh­re der Sain­te- Vic­toire. Lan­ge ha­be ich nicht ver­stan­den, war­um es zu die­sem »Ma­le­rei con­tra Film« kam.

Peter Handke: Regen am Zugfenster Friaul - © Klaus Gerrit Friese
Pe­ter Hand­ke: Re­gen am Zug­fen­ster Fri­aul – © Klaus Ger­rit Frie­se

Wei­ter­le­sen ...


  1. bis 2. September 2017 

Rea­li­täts­fer­ne

Bri­git­te Baetz vom Deutsch­land­funk hat den »lie­ben Kol­le­gen« von FAZ und FAS ei­nen Brief ge­schrie­ben. Sie ver­wehrt in die­sem Brief ge­gen das ewi­ge La­men­to der Frank­fur­ter den öf­­fen­t­­lich-rech­t­­li­chen Rund­funk als »Staats­rund­funk« und von »Zwangs­ge­büh­ren« fi­nan­ziert zu kri­ti­sie­ren. Das kann man ma­chen. Aber wie so oft macht der Ton die Mu­sik. Und die­ser Ton, den Frau ...

Wei­ter­le­sen ...