In den letzten Jahren schien Egon Bahr eine gewisse Renaissance zu erfahren. Er war Gast in Talkshows und nicht nur, wenn es um Willy Brandts 20. Todestag oder 100. Geburtstag ging. Sein Urteil über geopolitische und strategische Fragen wurde immer noch geschätzt. Liest man seine »Tutzinger Rede« heute nach könnte man ungeachtet der Situation 1963 durchaus Handlungsanweisungen für aktuelle politische Konflikte ableiten. Wie erfolgreich zähe politische Verhandlungen sein können, zeigte sich unlängst als es um das iranische Atomprogramm ging. Sogar Hardliner wie Zbigniew Brzezinski mutieren plötzlich zu Entspannungspolitikern. Die Parallelen zur sogenannten Ostpolitik der 1970er Jahre sind verblüffend. Die damalige Sowjetunion und der heutige Iran galten und gelten in bestimmten politischen Kreisen als Feinde, was diesen als Rechtfertigung gilt, jegliche Kontakte oder gar Verhandlungen auszuschließen. Bahr durchbrach dieses Denken in Bezug auf das »Reich des Bösen«, weil er überzeugt war, dass auch das politische Gegenüber – mochten auch die ideologischen Differenzen noch so gross und scheinbar unüberbrückbar sein – eine Sehnsucht nach Koexistenz mit den Nachbarn suchte.
»Wandel durch Annäherung« war keine Phrase, wobei es allerdings ein großes Missverständnis war, dieser Wandel bezöge sich ausschließlich auf die Bundesrepublik.