
Statt etwas oder Der letzte Rank
Martin Walser ist vor einigen Tagen 90 geworden und wer wollte, konnte hierüber einiges sehen und hören. Man fuhr mit ihm filmend im Retro-Mercedes mit Wackeldackel (Kennzeichen: FN MW-27) zu Tagestouren rund um den Bodensee. Dabei wurden natürlich alle wichtigen Fragen erörtert. Auf dem Bildungssender ARD-alpha lief ein Portrait, das aus Zusammenschnitten öffentlicher Stellungnahmen und Reden Walsers und seiner Gegner bestand. Die Gegner nennt Walser in seinem neuen Buch »Feinde«; Gegner seien ihm gleichgültig gegenüber gewesen, Feinde hätten versucht, ihn zu verhindern oder elementar zu schaden.
Schon bin ich in die Falle getappt und habe wieder einmal einen »neuen« Walser zur Hand genommen. Ich muss gestehen, dass mir die manieristischen Satzornamente Walsers nie zugesagt haben. Es gab einige vergebliche Versuche (schnelle Lektüreabbrüche). Womöglich hatte ich irgendwann zu sehr den Imitationswillen zum dahinterstehenden Vorbild wahrgenommen; das Vorbild, dass er vermutlich ob der Unerreichbarkeit oft angriff und dessen Figuren einmal sogar als »Sammeltassen-Monstren« charakterisierte. Aber vielleicht tue ich Walser auch unrecht, wenn ich bei diesem Aphorismus primär an seine Romane denke.
Nur einmal konnte ich Walsers Literatur genießen, weil die Girlanden etwas sparsamer geknüpft waren als sonst, vielleicht weil es um seine Mutter und seinen Vater ging, die man nicht durchpsychologisieren konnte oder wollte. Das war der »Springende Brunnen«, der – einigermaßen vorhersehbar – mit lächerlichen Kritikastereien versehen wurde, weil Walser die Erwartungen der Nachgeborenen nicht erfüllen wollte und auf seine eigenen Erinnerungen bestand.