Wi­der ein Recht auf Ver­tu­schen

Die di­gi­ta­le Welt, die seit ei­ni­gen Jah­ren erup­tiv die Le­bens­ge­wohn­hei­ten der Men­schen zu ver­än­dern scheint, hat ei­nen neu­en Rechts­be­griff her­vor­ge­bracht, der den re­vo­lu­tio­nä­ren Im­pe­tus auf ei­ne neue, in Win­des­ei­le er­rich­te­te Um­ge­hungs­stra­ße um­lei­ten möch­te und den wir­ren Ver­kehr auf den Da­ten­au­to­bah­nen ent­la­sten soll. Es ist die Re­de vom »Recht auf Ver­ges­sen« bzw. »Recht auf Ver­ges­sen­wer­den«, wel­ches durch das Ur­teil des Euro­päischen Ge­richts­hofs die Ord­nungs­sehn­sucht des ana­lo­gen Bie­der­manns zu er­fül­len trach­tet.

Das Ur­teil ge­stat­tet ab so­fort prak­tisch je­dem die über ihn ab­ge­spei­cher­ten Hin­wei­se, die ei­ne Such­ma­schi­ne fin­det, de­ak­ti­vie­ren zu las­sen. Der vom Link be­trof­fe­ne In­halt sel­ber wird da­bei we­der ge­prüft noch ist er Ge­gen­stand des In­ter­es­ses. Er muss nicht ent­fernt wer­den, was auch ent­behr­lich ist, da im di­gi­ta­len Voll­rausch der Über­brin­ger längst zur wich­tig­sten Per­son wur­de. Er­leich­tert stellt man fest, dass Ge­or­ge Or­wells Dys­to­pie des Zei­tungs­fäl­schens je nach po­li­ti­scher Groß­wet­ter­la­ge prak­tisch aus­fällt. Hät­te Or­well al­ler­dings von Such­ma­schi­nen und dem In­ter­net auch nur ei­ne Ah­nung ent­wickelt, hät­te sein Ro­man ziem­lich si­cher das Ur­teil an­ti­zi­piert.

Die Furcht des Heu­ri­sti­kers

Der Ar­chi­var des di­gi­ta­len Zeit­al­ters ist ei­ne Ma­schi­ne, die mit von Men­schen in ei­ne be­stimm­te Rei­hen­fol­ge pro­gram­mier­ten Kri­te­ri­en Me­di­en auf­spürt. Wie beim Bi­blio­the­kar, der ei­nem frü­her auf Such­be­grif­fe hin ei­ne Aus­wahl prä­sen­tier­te, sind die Kri­te­ri­en der Ma­schi­ne letzt­lich un­ge­wiss. Über­haupt sind die Ge­mein­sam­kei­ten zwi­schen mensch­li­chen Fin­dern und Ma­schi­nen ver­blüf­fend: Bei­de wäh­len aus, zu­meist nach quan­ti­ta­ti­ven Kri­te­ri­en. Ab­sei­ti­ges kommt eher sel­ten vor. Der mensch­li­che Ar­chi­var hat sel­ten ei­ne Sei­te 2; der in Such­ma­schi­nen agie­ren­de Fra­ger ver­wen­det die ihm an­ge­bo­te­ne zwei­te Sei­te eben­falls sehr sel­ten. Man sucht das schnel­le Re­sul­tat.

Die Tech­ni­fi­zie­rung der Wis­sens­su­che im In­ter­net ist dem Heu­ri­sti­ker un­heim­lich. Der Mensch, der ge­lernt hat, sich als Kro­ne der Schöp­fung zu se­hen, kann sich nicht da­mit ab­fin­den, ei­ner Ma­schi­ne un­ter­le­gen zu sein. So hat es Jahr­zehn­te ge­dau­ert bis die Schach­spie­ler ak­zep­tiert ha­ben, dass Com­pu­ter ih­nen in na­he­zu al­len Spiel­si­tua­tio­nen auf Dau­er über­le­gen sein wer­den. Men­schen sind ge­zwun­gen, sich in ei­ne Par­al­lel­welt zwei­ter Klas­se zu­rück­zu­zie­hen. Hier do­mi­niert der Feh­ler. In der Ana­ly­se der Par­tie ent­deckt dann die Ma­schi­ne, wie es hät­te bes­ser wei­ter ge­hen kön­nen. Die Scha­dens­be­gren­zung geht nur noch da­hin, dass Men­schen bei ih­ren Wett­kämp­fen nicht ver­bo­te­ner­wei­se auf der Toi­let­te die Hil­fe der Ma­schi­nen ab­fra­gen.

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»Du weißt nicht, wo Gott wohnt«

TAGEBUCHEINTRAGUNGEN JULI 1984

Salz­burg, 6.7., Freitag...Treffe um ½ 3h P.H.1 in der Bar vom Ho­tel Bri­stol. Sei­ne gro­ße Mü­dig­keit – und Freund­schaft­lich­keit zu­gleich. Er schenkt mir ein Buch von Re­né Char, das er über­setzt hat, im letz­ten Som­mer2. Wir spre­chen ein we­nig ad Tal­mud, er liest seit ei­ni­ger Zeit Be­rakhot in ei­ner Gold­mann-Aus­ga­be – scheint da­von sehr be­ein­druckt zu sein, von den At­tacken auf Je­sus ab­ge­se­hen. Er­zäh­le ein we­nig ad mei­ner Ar­beit3 – auch mei­ne Sor­gen er­wäh­nend. Nach­dem ich ihn um Rat ge­fragt ha­be, sagt er: »Das ist dein Pro­blem, da­mit kann ich nichts an­fan­gen, hab ja auch noch nie so et­was ge­macht.« (So et­was wie ei­ne Bio­gra­fie...) Daß ich noch so lan­ge brau­chen wer­de, bis zur Fer­tig­stel­lung, sieht er nicht ein.

Er ist ganz in Weiß ge­klei­det – zieht die Schu­he aus, legt die nack­ten Fü­ße auf die bunt über­zo­ge­ne Bar-Couch.

In 2 Jah­ren viel­leicht wie­der ein Film: Wall­fahrt von Kärn­ten nach Fa­ti­ma. Aber zur Zeit ar­bei­tet er nichts Ei­ge­nes, über­setzt ei­gent­lich nur.

Sein Jam­mern, im­mer wie­der, so mü­de zu sein. Al­ler­dings um 6h auf­ge­stan­den – und jetzt, um 3h, trin­ken wir Wein in Li­ter­men­gen-. PH’s Freu­de über ein Ge­schenk, das ich ihm ma­che. Rät lan­ge, die Form ab­ta­stend – ich hat­te in der Stein­gas­se ein klei­nes Ding ge­fun­den, mit dem man Ent­fer­nun­gen auf Land­kar­ten ab­mes­sen kann. Idea­les PH-Ge­schenk. Und als er’s nicht er­ra­ten hat (ist wü­tend auf sich, des­we­gen, ob­wohl es ja kaum er­rat­bar ist – schimpft auf sich [...]) ist dann sei­ne Freu­de still, aber sicht­lich groß. Lieb auch, wie er das Ob­jekt be­rührt, mit dem Meß­räd­chen spielt, etc.

Ad Ma­rie4 ein we­nig, glau­be, daß da jetzt doch »Et­was« ge­schieht. Ob­wohl er kei­nes­wegs von ihr be­gei­stert ist – und un­ter ih­rer In­ten­si­tät lei­det. Zur Zeit ist sie in Ber­lin, Hel­lers5 mor­gi­gem Feu­er­werk we­gen. (...) Er wird im Som­mer in Frank­reich sein – und in Lon­don, mit Ami­na6.

Ir­gend­wann dann ins Ta­ges­licht, PH muss nach Leo­polds­kron, zur Frau Stein­wendt­ner7, dort Ab­schieds­fest für Il­se Ai­chin­ger, die nach dem Tod ih­rer Mut­ter von Groß­gmain nach Lon­don über­sie­delt. Er will sich da­vor drücken, geht aber doch. PH’s Be­mer­kung, mensch­liche Schick­sa­le in­ter­es­sier­ten ihn ei­gent­lich über­haupt nicht mehr. Und er wol­le nicht MITLEID emp­fin­den, mit Schick­sa­len, die ihm er­zählt wer­den – (nach­dem ich ihm sag­te, Il­se Ai­chin­gers Mut­ter sei im Krieg in Wien ein »U‑Boot« ge­we­sen).

Streu­nen noch ge­mein­sam durch die Stadt – glau­be, er ist et­was aus­ge­laugt, zur Zeit. Machst du mit Ma­rie Spa­zier­gän­ge?, fra­ge ich. Un­aus­denk­bar. Doch, 1x, 1 Stun­de lang, da re­de­te sie un­un­ter­bro­chen und sah NICHTS – »ja, Men­schen sind schon sehr ver­schieden...«, sagt er.

Sei­ne Sucht, Le­ber­kä­se oder Es­sig­wurst zu es­sen – wie lässt sich das mit der Talmud­lektüre ver­ein­ba­ren?

In der Nonn­ta­ler Haupt­stra­ße dann Ab­schied, vor ei­nem Fleisch­hau­er. Kurz zu­vor, bei ei­nem Brun­nen, läßt er das Kalt­was­ser auf sein Hand­ge­lenk rin­nen, wo der Puls klopft – und spritzt den spucken­den Brun­nen­kopf so ver­spielt und trau­rig an – sagt ach, wie schön es wä­re, nicht mehr zu le­ben. Be­schimp­fe ihn, die­ses Sat­zes wegen...er bleibt da­bei, nimmt ihn dann beim Ab­schied wie­der zu­rück, ich sol­le das al­les nicht so ernst neh­men, was er spre­che.

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  1. Peter Handke 

  2. Gemeint ist: Rückkehr stromauf. Gedichte 1964-1975. München 1984 

  3. Ich hatte mit der Niederschrift der Biografie Franz Werfels begonnen 

  4. Marie Colbin, PH's spätere Freundin, vgl. Begleitschreiben 20.11.2013 

  5. André Hellers Feuertheater mit der Klangwolke 

  6. Gemeint ist PH's 1969 geborene Tochter 

  7. Brita Steinwendtner ist eine österreichische Schriftstellerin. Sie lebt als Autorin, Regisseurin und Feuilletonistin in Salzburg 

Der Wald und die Bäu­me (IV)

Klick­ver­wei­ge­rung Ich ken­ne Leu­te, die die Di­gi­ta­li­sie­rung ver­wei­gern, ob­wohl sie nicht um­hin kön­nen, de­ren tech­ni­sche Vor­tei­le doch ab und zu in An­spruch zu neh­men. Ein sieb­zig­jäh­ri­ger Schrift­steller ant­wor­te­te mir, als ich ihm ei­nen link vor­schlug und er­klä­rend hin­zu­füg­te, er müs­se nur dar­auf klicken, er klicke nicht. Das klang ka­te­go­risch, wie ein mo­ra­li­scher Im­pe­ra­tiv. Wie ich ...

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Kom­men­ta­re aus dem Wald­haus

Wer steckt hin­ter den dif­fa­mie­ren­den On­line-Kom­men­ta­ren über Ste­fan Zwei­fel nach des­sen Ab­set­zung als »Literaturclub«-Moderator?

Ins­be­son­de­re in den Schwei­zer Me­di­en wird seit ei­ni­gen Wo­che die Ent­las­sung des »Literaturclub«-Moderators Ste­fan Zwei­fel dis­ku­tiert. Die­ser war in der Sen­dung am 22.4. in ei­nen Streit mit El­ke Hei­den­reich ge­ra­ten, die ver­meint­lich aus ei­nem Buch von Mar­tin Heid­eg­ger zi­tier­te. Als Zwei­fel an­merk­te, dass die­ses Zi­tat nicht aus dem zur Dis­kus­si­on ste­hen­den Buch stammt, be­harr­te Hei­den­reich dar­auf. Die Stel­le kann man in­zwi­schen bei You­tube nach­se­hen.

Dass es sich bei Hei­den­reichs »Zi­tat« gar nicht um ein sol­ches han­delt, son­dern ei­ne frei er­fun­de­ne Schluß­fol­ge­rung, wird je­der, der je­mals auch nur ei­ne Sei­te von Heid­eg­ger ge­le­sen hat, in­tui­tiv wis­sen. Hei­den­reichs Stel­lung­nah­me hier­zu, dass sie die Satz­tei­le zu­sam­men­ge­stellt und sicht- bzw. hör­bar mit ih­rer ei­ge­nen Con­clu­sio ver­se­hen ha­ben soll, wi­der­spricht ih­rem Be­har­ren in der Sen­dung, dass es sich um ein Zi­tat han­de­le. Ent­we­der weiss die stu­dier­te Ger­ma­ni­stin Hei­den­reich nicht, was ein Zi­tat ist, oder sie hat be­wusst die Pro­vo­ka­ti­on ge­sucht.

Ste­fan Zwei­fel hat­te nach der Sen­dung dar­auf be­stan­den, dass das »Zi­tat« ge­prüft wer­de und auf die Ab­set­zung ei­ner Re­dak­teu­rin ge­drun­gen. Bei­des wur­de ab­ge­lehnt. Be­mer­kens­wert an die­ser Sa­che nun: Nicht die Zi­ta­te­fäl­sche­rin Hei­den­reich wird zur Re­chen­schaft ge­zo­gen – son­dern der Mo­de­ra­tor Ste­fan Zwei­fel wird vom Schwei­zer Fern­se­hen ab­ge­setzt. Er kön­ne, so zu­nächst das »An­ge­bot« der weit­ge­hend ge­heim blei­ben­den Re­dak­ti­on des »Li­te­ra­tur­club«, auch wei­ter­hin als Kri­ti­ker in der Run­de teil­neh­men, aber nicht als Mo­de­ra­tor.

In den Kom­men­tar­spal­ten di­ver­ser Me­di­en ging es nun hoch her. Die Ab­leh­nung der Maß­nah­men des Schwei­zer Fern­se­hens und vor al­lem des Be­tra­gens von El­ke Hei­den­reich war – aus durch­aus un­ter­schied­li­chen Grün­den – fast ein­hel­lig. Aber es gab durch­aus auch Ge­gen­stim­men. Ne­ben ei­ner recht ein­sei­ti­gen Dar­stel­lung des Sach­ver­halts im Wi­ki­pe­dia-Ar­ti­kel von Ste­fan Zwei­fel, gab es ei­ne klei­ne Kom­men­ta­r­af­fä­re in der FAZ. Un­ter ei­nem Bei­trag wa­ren zwei Kom­men­ta­re mit dem Na­men von Marc-Au­rel Flo­ros, Hei­den­reichs Le­bens­ge­fähr­te, ge­po­stet wor­den. Flo­ros hat­te durch­ge­setzt, dass die­se Kom­men­ta­re ge­löscht wur­den, da sie, wie er an­gab, nicht von ihm sei­en. Die FAZ hat die Kom­men­ta­re ent­fernt.

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Der Wald und die Bäu­me (III)

C+P‑Poetik Auf der ei­nen Sei­te geht der Sinn für die Dif­fe­ren­zie­rung der Zeit in Ver­gan­gen­heit, Ge­gen­wart und Zu­kunft und da­mit die Fä­hig­keit des Er­zäh­lens ver­lo­ren, wenn sich Er­leb­nis­se und Er­eig­nis­se kei­nem Sinn­ho­ri­zont zu­ord­nen las­sen und das Ge­sche­hen in un­ver­bun­de­ne Ein­zel­tei­le zer­fal­len. Die­se Struk­tur, mehr Cha­os als Ord­nung, eig­net je­den­falls dem vir­tu­el­len Raum, der sei­ner­seits die ...

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Er kann es ein­fach nicht

Man nennt es »Mi­ran­da-Ur­teil« oder ein­fach nur »die Rech­te«. In Hun­der­ten von Kri­mis wur­den sie dem schein­bar oder tat­säch­lich über­führ­ten Mör­der vor­ge­le­sen. Sie be­gin­nen mit »Sie ha­ben das Recht zu schwei­gen…«. Das Recht, die Aus­sa­ge zu ver­wei­gern, ist ein es­sen­ti­el­les Recht ei­nes Ver­däch­ti­gen oder An­ge­klag­ten. Mit dem Schwei­gen ver­hin­dert er un­ter an­de­rem, sich in Wi­der­sprü­che zu ver­wickeln, die dann als He­bel der Be­weis­füh­rung ge­gen ihn die­nen könn­ten, was sich im zwei­ten Satz zeigt: »Al­les was Sie sa­gen, kann und wird vor Ge­richt ge­gen Sie ver­wen­det wer­den«. Da das Recht zu schwei­gen auch be­deu­tet, dass man auf Aus­sa­gen zur Ent­la­stung ver­zich­tet, ge­hen Lai­en zu­meist da­von aus, dass Schwei­gen ei­nem Tat-Ein­ge­ständ­nis gleich- oder min­de­stens na­he­kommt.

Auch Chri­sti­an Wulff muss die­ser Mei­nung sein. Nicht, dass er bei sei­nem Pro­zess ge­schwie­gen hat. Aber im Pro­zess ging es nicht um das, was ihn nach wie vor um­treibt: Die Me­di­en­kam­pa­gne ge­gen ihn und ge­gen sei­ne da­ma­li­ge Frau Bet­ti­na. Chri­sti­an Wulff schweigt da­zu nicht. Er schreibt dar­über ein Buch. Da­bei hat er wo­mög­lich den zwei­ten Satz sei­ner Rech­te nicht be­dacht.

Der El­der Sta­tes­man

Wulff ta­stet sich in dem Buch an die Kam­pa­gne um sei­nen Rück­tritt als Bun­des­prä­si­dent her­an. Da­bei wech­selt er stän­dig zwi­schen der Be­trach­tung der di­ver­sen Pha­sen des Skan­da­lons und sei­ner po­li­ti­scher Bio­gra­phie. Bei letz­te­rem ver­fällt er schnell in ei­nen sal­bungs­voll-pa­sto­ra­len El­der-Sta­tes­man-Ton. Po­li­tik ma­che ihm »Freu­de« liest man da und wir er­fah­ren, er füh­re sei­ne Her­de lie­ber von hin­ten (wie er es von Nel­son Man­de­la ge­hört ha­be). »Ich ha­be schon im­mer gern un­ter­schied­li­che Men­schen zu­sam­men­ge­führt und mo­ti­viert« steht da und der Kä­se ist dann end­gül­tig ge­schmol­zen. Von sei­ner Zeit als Mi­ni­ster­prä­si­dent schwelgt Wulff in den höch­sten Tö­nen. Selbst­lob ist durch­aus sei­ne Sa­che. Dass aus der ge­plan­ten feind­li­chen Über­nah­me von VW durch Por­sche der Volks­wa­gen-Kon­zern ge­stärkt her­aus­ging, bucht er groß­zü­gig auf sei­ne Sei­te. Bemerkens­wert sein Po­li­tik­ver­ständ­nis die­ses Am­tes. Als de­mo­kra­tisch ge­wähl­ter Po­li­ti­ker sieht er es als sei­ne Auf­ga­be an, Un­ter­neh­men »Hil­fe auf dem Weg zu neu­en Absatz­märkten« zu lei­sten. Viel­leicht kann mir je­mand die­se Stel­le in der nie­der­säch­si­schen Ver­fas­sung ein­mal zei­gen? Ich ha­be nur §37 Ab­satz 1 ge­fun­den und dort steht un­ter an­de­rem: »Die Mi­ni­ster­prä­si­den­tin oder der Mi­ni­ster­prä­si­dent be­stimmt die Richt­li­ni­en der Po­li­tik und trägt da­für die Ver­ant­wor­tung.«. So­gar der Bun­des­prä­si­dent ist für Wulff ne­ben sei­nen re­prä­sen­ta­ti­ven und pro­to­kol­la­ri­schen Pflich­ten haupt­säch­lich da­zu da, »den Zusammen­halt und die Wett­be­werbs­fä­hig­keit un­se­rer Ge­sell­schaft« zu för­dern. So­mit hat­te die Bull­shit-Phra­se »Wett­be­werbs­fä­hig­keit« mit Wulff Ein­zug ins Bel­le­vue und in das Amt des Bun­des­prä­si­den­ten ge­hal­ten.

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»Fragment/e über ei­ni­ge po­pu­lä­re Songs« (3)

(Nicht) in Stein ge­hau­en

Und die Mu­sik? Das ist die, die wir auch sonst aus un­se­ren Nacht­fahr­ten hö­ren: 60er. Kei­ne Far­ben mehr, ich will, dass sie al­le zu schwarz wer­den. Als hät­ten wir, auch mu­si­ka­lisch Hei­mat­lo­se, da noch ir­gend­wel­che An­schlüs­se zu schaf­fen. (Da­bei san­gen wir längst laut­hals mit. Es war das ein biss­chen wie mit dem eher we­nig ge­schätz­ten, aber dir ein­zig ver­trau­ten Song in der Juke­box, und wenn ihn dann ei­ner drückt, kannst du sei­ne Ein­gän­gig­keit nicht ver­wei­gern.)

Weit­hin ra­gen­de Turm­auf­bau­ten über der Land­schaft, schwarz. Schwarz ver­wu­cher­te Ve­ge­ta­ti­on der Gleis­an­schlüs­se. Auf den Roll­stahl­tü­ren der Fa­bri­ken ein schwar­zer Auf­trag, der so­gar die Graf­fi­tis ver­schluckt. Noch das Quarz­glas der Ober­lich­ter in den Ma­schi­nen­hal­len war schwarz an­ge­lau­fen ge­we­sen, und je­der ver­irrt in die Au­gen tref­fen­de Licht­strahl wie ein Trä­ger der Idee, er müss­te aus jung­fräu­li­che­ren Wel­ten sein. Mit schwar­zen Fin­ger­rän­dern.

Klar, dass ei­nem auch die Gif­te, dau­ernd ein­ge­speist, zu ho­möo­pa­thi­schen Le­bens­stof­fen wer­den, nach de­nen es ei­nen ver­lan­gen muss, wer­den sie ei­nem dann ent­zo­gen. Und dass ei­ner je­der sei­nem Ver­fall auch sei­ne ei­ge­ne Poe­sie ab­ge­win­nen muss. Ra­di­um ge­win­nen. Bil­der ka­men mir von öl-schlicki­gen Herz­kam­mern mit vor Drang schwarz quel­len­dem Blut, von un­term ko­chend­hei­ßen Was­ser­strahl damp­fen­den Män­nern, die wie­der zu wei­ßen wer­den, wal­speckig wie Mana­tis, ei­ne See­kuh­art. Und zum Schicht­wech­sel ein Glei­ßen wie auf Schwarz­te­er­schin­deln an ei­nem Frost­mor­gen, wie der Glanz auf den Schu­hen, die Ma­ja­kow­ski auf der Rodt­schen­ko-Se­rie von ’24 trägt. – Aber auch das wohl schon zu pre-post re­tro-avant. Ge­sang von der Stra­ße, und dann flo­gen schon Stei­ne in un­se­re Fen­ster ...

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Frank Schirr­ma­cher

Ge­stern ist Frank Schirr­ma­cher ge­stor­ben, was mich sehr be­wegt hat. Die Art und Wei­se sei­nes To­des, die Un­ver­hoff­t­heit, die­ses Aus-dem-Le­­ben-ge­ri­s­­sen-wer­­den schockiert, weil es das ist, was man sich mit 54 Jah­ren nicht wünscht, höch­stens dann ir­gend­wann mit 80. Ich kann­te Schirr­ma­cher nicht per­sön­lich, las sei­ne Ar­ti­kel und Bü­cher, sah ihn gelegent­lich im Fern­se­hen und war ...

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