Frank Schirr­ma­cher

Ge­stern ist Frank Schirr­ma­cher ge­stor­ben, was mich sehr be­wegt hat. Die Art und Wei­se sei­nes To­des, die Un­ver­hoff­t­heit, die­ses Aus-dem-Le­ben-ge­ris­sen-wer­den schockiert, weil es das ist, was man sich mit 54 Jah­ren nicht wünscht, höch­stens dann ir­gend­wann mit 80. Ich kann­te Schirr­ma­cher nicht per­sön­lich, las sei­ne Ar­ti­kel und Bü­cher, sah ihn gelegent­lich im Fern­se­hen und war er­staunt über sei­ne Rast­lo­sig­keit und Um­trie­big­keit. Bü­cher schrei­ben sich nicht mal eben so. Er war der Kas­san­dra­ru­fer was das In­ter­net an­geht und über­zog »sein« Feuil­le­ton in den letz­ten Mo­na­ten mit ei­ner heid­eg­ger­schen Tech­nik­kri­tik ge­gen die Vor­macht­stel­lung der gro­ßen Play­er des Net­zes. Gleich­zei­tig twit­ter­te er und in sei­nem letz­ten Buch »Ego – Das Spiel des Le­bens« stell­te ich er­staun­li­cher­wei­se fest, dass er fast 90% sei­ner zi­tier­ten Quel­len über den Kind­le be­zo­gen hat­te.

Schirr­ma­chers Art Dis­kus­sio­nen ein­zu­brin­gen war fast von An­fang an be­glei­tet durch die ent­spre­chen­de me­dia­le Auf­merk­sam­keit. Wenn es al­so heisst, dass er wie kein an­de­rer De­bat­ten an­ge­sto­ssen ha­be, so hat das auch da­mit zu tun, dass kein an­de­rer Feuilleton­journalist ein der­ar­ti­ges Fo­rum im Main­stream­fern­se­hen und –rund­funk be­kam wie Schirr­ma­cher. Die wirk­li­chen Dis­kur­se, das Pro und Con­tra, fan­den dann in den Feuil­le­tons der Zei­tun­gen statt und wie üb­lich un­ter weit­ge­hen­dem Aus­schluß der von ihm bei »Beck­mann« an­ge­reg­ten und er­reg­ten Ge­sell­schaft. Im­mer­hin: Be­rüh­rungs­äng­ste hat­te Schirr­ma­cher nicht; der El­fen­bein­turm war nicht sei­ne Be­hau­sung. Sei­ne Art zu­zu­spit­zen war den­noch nie tri­vi­al oder platt.

Schirr­ma­cher war ein Ver­fech­ter der Wer­te der al­ten Bon­ner Bun­des­re­pu­blik, der in den tech­ni­schen und öko­no­mi­schen Re­vo­lu­tio­nen, die En­de des 20. Jahr­hun­derts mit der Glo­ba­li­sie­rung über die­ses so wun­der­bar pro­vin­zi­el­le Land ein­ge­fal­len wa­ren, nicht nur furcht­bar ha­der­te, son­dern zu­wei­len fast lust­voll in Ver­schwö­rungs­theo­rien schwelg­te, in dem er die Ver­strickung des post­mo­der­nen Men­schen in der von Al­go­rith­men be­stimm­ten Welt als un­ab­än­der­li­ches Fa­tum von fast tra­gö­di­en­haf­tem Aus­mass sah. Es ist un­end­lich scha­de, dass die­se The­se mit ihm nicht mehr dis­ku­tiert wer­den kann.

Das Feuil­le­ton be­klagt zu Recht den Tod Schirr­ma­chers, der in die­ser Ge­sell­schaft von zu­meist mit­tel­mä­ssi­gen Fi­gu­ren erst recht als ein Leucht­turm her­aus­rag­te. Die idea­li­sier­ten Ver­klä­run­gen und zu­wei­len auch lä­cher­li­chen Ana­lo­gien (et­wa, ihn mit Ernst Jün­ger zu ver­glei­chen), wer­den hof­fent­lich bald auf­hö­ren. Da der Deut­sche sei­nen früh ver­stor­be­nen In­tel­lek­tu­el­len be­son­ders schätzt, ja liebt, wer­den sei­ne The­sen, sei­ne Bü­cher auch wei­ter­hin de­bat­tiert wer­den. Und das ist gut so.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. So scha­de, so scha­de.
    Vor ge­nau 7 Ta­gen ha­be ich noch ei­nen Kom­men­tar un­ter sei­nen Ar­ti­kel über den Buch­preis für La­nier ge­setzt. Da war die Welt noch in Ord­nung. Al­so, in ty­pisch Schirrmacher’scher Un­ord­nung. Da hat er noch ver­sucht zu ver­ste­hen, was die di­gi­ta­le Wen­de mit uns vor­hat, was sie will, wor­in ih­re Frech­heit be­steht, etc.
    Kaum zu glau­ben, das man dann so schnell weg ist...
    Vom Fen­ster...
    Vom Bild­schirm...

  2. Mit 54 den Löf­fel ab­ge­ben, so aus hei­te­rem Him­mel, oh­ne die in sol­chen Fäl­len üb­li­cher­wei­se vor­aus­ge­gan­ge­ne „schwe­re Krank­heit“, ist ein­fach un­fair.
    Frank Schirr­ma­cher, ei­ner der letz­ten Main­stream-Me­di­en­ma­cher, der sich ei­gen­stän­di­ges Den­ken und Pu­bli­zie­ren er­laub­te und da­durch Denk- und Dis­kus­si­ons­an­stö­ße aus­lö­ste, schweigt nun für im­mer. „On­ly the good die young!“ ist da auch kein rech­ter Trost.

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  5. »... in die­ser Ge­sell­schaft von zu­meist mit­tel­mä­ssi­gen Fi­gu­ren erst recht als ein Leucht­turm her­aus­rag­te.« In der Tat. Wes­halb wir vom Zir­kel schrei­ben­der Ar­bei­ter ihm eben­falls ei­nen Nach­ruf ge­wid­met und auf sei­ne Kon­se­quenz bis in den Tod hin­ge­wie­sen ha­ben.