
Du hättest gehen sollen
Ein namenloser Drehbuchschreiber fährt Anfang Dezember mit Frau Susanna und der vierjährigen Tochter Esther in die Berge. Sie haben über AirBnB ein Haus angemietet. Der Mann muss unbedingt die Fortsetzung seiner erfolgreichen Filmkomödie schreiben; der Produzent sitzt ihm im Nacken. Er lebt mit seinen Figuren Jana und Ella, entwirft alberne Dialoge, bastelt an Beziehungsproblemen. All dies findet sich in einem Tagebuch, in dem er neben seinen Drehbuchentwürfen unterschiedslos auch private Dinge wie die diversen Streitereien mit Susanna (die immerhin, im Gegensatz zu ihm, irgendwann einmal studiert hat) oder die eher putzig-hilflosen Dialoge mit Esther notiert.
So wird der Leser Zeuge des sich füllenden Tagebuchs und zuweilen verschwimmen die Grenzen zwischen Schreiberei und real Erlebtem. Es ist fast ein Drittel der Erzählung vorbei, als der Autor mit dem Auto die Serpentinenstrasse hinunter ins Dorf in den Gemischtwarenladen fährt. Nein, es ist kein schönes Dorf: eine Straße, eine Kirche und gegenüber der Laden. Alle Klischees, die man von einem Tante-Emma-Laden abseits der Tourismusrouten in Bayern haben kann, werden sorgfältig ausgebreitet. Der Inhaber ist langsam, schrullig und spricht Dialekt. Und der Laden ist teuer. Vor allem aber macht er ein paar mysteriöse Andeutungen zum Haus, fragt, wie es sich dort wohnt und ob er mit dem Besitzer gesprochen habe und rät schließlich unverhofft: »Geht schnell weg.« Etwas Geheimnisumwittertes breitet sich aus und nach der Rückkehr vom Dorfladen wird das Anwesen, zunächst als geräumig und fast luxuriös empfunden, schnell zu einem Spukhaus. Die Tochter, die von den Eltern nachts mit einer Videokamera beobachtet wird, kann nicht mehr schlafen und auch Susanna fühlt sich unwohl. Der Erzähler wird von allerlei Merkwürdigkeiten erschüttert. Er bleibt beispielsweise im Spiegel unsichtbar. Ein gruseliges Bild einer Frau mit »eng beieinanderliegenden Augen« ist plötzlich nicht mehr da. Alpträume verursachen zitternde Hände. Rechte Winkel sind nicht mehr 90 Grad, sondern 100 oder 80. Und wer hat »Geh weg« ins Tagebuch eingetragen? Dann entdeckt er auch noch auf dem Mobiltelefon von Susanna zweideutige SMS eines gewissen David.