Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen

Da­ni­el Kehl­manns Re­de bei der Er­öff­nung der Salz­bur­ger Fest­spie­le. Das Pu­bli­kum ver­mag den Eklat ge­ra­de noch weg­zu­la­chen. Kehl­mann spricht von sei­nem Va­ter Mi­cha­el Kehl­mann, ei­nem Thea­ter­re­gis­seur, der sich dem in den 70er Jah­ren auf­kom­men­den Trend des »Re­gie­thea­ters« wi­der­set­ze und sich aus­drück­lich als Die­ner der Au­toren ver­stand, et­was was da­mals als per se re­ak­tio­nä­res Un­ter­fan­gen galt. Er ging un­ter in ei­nem Kli­ma der Re­pres­si­on, in der Ab­wei­chung ge­äch­tet ist.

Das Re­gie­thea­ter heu­te sei zum Pri­vat­ver­gnü­gen folg­sa­mer Pil­ger de­ge­ne­riert und ha­be sich weit­ge­hend von Stück und Au­tor ent­fernt. Die Fol­ge sei: Die Au­toren hiel­ten sich zu­rück.

Statt­des­sen im­mer das Glei­che, so Kehl­mann, aus­län­di­sche Freun­de zi­tie­rend: Vi­deo­wän­de und Spa­ghet­tie­ssen, ver­schmier­te Schau­spie­ler, die dau­ernd her­um­schrei­en. Ob dies, so süf­fi­sant ein­ge­streut, staat­lich vor­ge­schrie­ben sei, frag­ten die Freun­de. Kehl­mann dia­gno­sti­ziert ein fa­ta­les Bünd­nis zwi­schen Kitsch und Avant­gar­de, wo­bei er hier lei­der ein biss­chen un­ge­nau wird in sei­ner an­son­sten fei­nen Re­de, denn Avant­gar­de ist das nicht mehr, son­dern nur noch Si­mu­la­ti­on von dem, was die­se be­mit­lei­dens­wer­ten Pseu­do-Re­gis­seu­re für Avant­gar­de hal­ten.

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Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le


David Wroblewski: Die Geschichte des Edgar Sawtelle
Da­vid Wro­blew­ski: Die Ge­schich­te des Ed­gar Saw­tel­le

Zwei Vor­be­mer­kun­gen:

1. Das dem Ver­fas­ser die­ser Be­spre­chung vor­lie­gen­de Le­se­ex­em­plar sei ein »un­kor­ri­gier­tes Vor­aus­exem­plar«, wie der Ver­lag auf Sei­te 1 schreibt und man bit­tet hier­aus nicht zu zi­tie­ren. Die­sem Wunsch wur­de nicht statt­ge­ge­ben, denn es liegt we­der ein an­de­res Ex­em­plar vor – und grund­sätz­li­che Ver­än­de­run­gen dürf­ten nicht zu er­war­ten sein. Die Zi­ta­te sind kur­siv ge­setzt und müs­sen un­ter dem Vor­be­halt des oben ge­sag­ten be­trach­tet wer­den.

2. Das En­de des Bu­ches ist über­ra­schend und poin­tiert. Es wird in die­ser Be­spre­chung ver­wen­det und im ent­spre­chen­den Ab­schnitt ist ei­ne Spoi­ler­war­nung aus­ge­spro­chen. Das Buch ist oh­ne den Schluss nicht zu be­wer­ten. In­so­fern kann auf ei­ne Be­rück­sich­ti­gung des Span­nungs­er­halts kei­ne Rück­sicht ge­nom­men wer­den.


Wisconsin/USA, 1950er Jah­re. Gar und Tru­dy Saw­tel­le züch­ten Hun­de, set­zen die Ar­beit von Gars Groß­va­ter John fort. Es kommt ihm da­bei we­ni­ger auf hoch­ge­züch­te­te Blut­li­ni­en als auf den Cha­rak­ter der Tie­re an. Pe­ni­bel sucht Gar nach sei­nen ei­ge­nen, spe­zi­el­len Kri­te­ri­en Hun­de aus und scheut da­bei nicht auch au­ßer­ge­wöhn­li­che Kreu­zun­gen, die von den »nor­ma­len« Züch­tern ver­pönt sind. Er hat ei­nen Plan, bil­det die Hun­de aus, will ih­ren Cha­rak­ter im Trai­ning her­vor­ho­len und for­men (er lehnt das Wort Dres­sur ab und legt Wert dar­auf, dass man mehr züch­tet als nur gut dres­sier­te Pro­me­na­den­mi­schun­gen). Die Ent­wick­lun­gen der Tie­re wer­den akri­bisch do­ku­men­tiert. Nach an­dert­halb Jah­ren wer­den sie für 1500 Dol­lar ver­kauft. Die Do­ku­men­ta­ti­on geht wei­ter; Gar be­fragt die Be­sit­zer re­gel­mä­ßig und zieht hier­aus Schlüs­se für sei­ne wei­te­re Zucht.

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Erich Loest: Lö­wen­stadt

Erich Loest: Löwenstadt
Erich Loest: Lö­wen­stadt

»Lö­wen­stadt« ist Erich Loests Über­ar­bei­tung und vor al­lem Fort­schrei­bung sei­nes 1984 ver­öf­fent­lich­ten Ro­mans »Völ­ker­schlacht­denk­mal«. Am 6. Ju­li 1982 wird Fre­di Lin­den in ei­ne Stas­ik­laps­müh­le bei Leip­zig ein­ge­lie­fert. Lin­den, ge­lern­ter Spreng­mei­ster (Mei­ster­li­ches Spren­gen hat Sanf­tes an sich), von sei­nem Be­ruf seit Jah­ren be­reits sus­pen­diert und zu­letzt Pfört­ner am Denk­mal wird ver­däch­tigt, dass Völ­ker­schlacht­denk­mal spren­gen zu wol­len, in ei­nem (ge­heim­nis­vol­len) Flucht­stol­len von Män­nern in gel­ben Over­alls ge­stellt und fest­ge­nom­men (und er be­haup­tet hart­näckig, kurz vor­her ei­nen Raum mit Schalt­ta­feln ent­deckt zu ha­ben).

Das Völ­ker­schlacht­denk­mal, von Lin­dens Va­ter Fe­lix mit er­baut und ex­akt in Fre­dis Ge­burts­jahr fer­tig­ge­stellt und ein­ge­weiht, wird Dreh- und Treff­punkt in den Er­zäh­lun­gen des Be­schul­dig­ten; man be­kommt den Ein­druck, er ken­ne je­den der sechs­und­zwan­zig­tau­send­fünf­hun­dert Gra­nit­werk­stücke, je­den Ge­heim­weg und je­den Stol­len in die­sem La­by­rinth – ober- wie un­ter­ir­disch (was ihn nicht un­ver­däch­ti­ger macht).

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Ro­ger de Weck und Frank Schirr­ma­cher

An­re­gen­des und in­for­ma­ti­ves Ge­spräch über Qua­li­täts­jour­na­lis­mus, neue Me­di­en, das deut­sche Feuil­le­ton, freie Mit­ar­bei­ter, Reich-Ra­­nicki und Nig­ge­mei­er und das Recht des Le­sers von be­stimm­ten Tri­via­li­tä­ten nicht be­lä­stigt zu wer­den. De Weck fragt spöt­tisch und streng und zwingt Schirr­ma­cher ge­le­gent­lich in die De­fen­si­ve.

Hans Her­bert von Ar­nim: Volks­par­tei­en oh­ne Volk

Hans Herbert von Arnim: Volksparteien ohne Volk
Hans Her­bert von Ar­nim: Volks­par­tei­en oh­ne Volk

»Das Ver­sa­gen der Po­li­tik« will Hans Her­bert von Ar­nim in sei­nem Buch »Volks­par­tei­en oh­ne Volk« – ja, was? – auf­li­sten, ent­wickeln, ent­hül­len? Aber au­ßer ein paar Be­mer­kun­gen über die Subventions­politik zur an­son­sten eher als Ba­sti­on des frei­en Mark­tes auftreten­den Eu­ro­päi­schen Uni­on und ei­ner zweit­klas­si­gen Politiker­schelte hin­sicht­lich ih­rer Ver­säum­nis­se was die ak­tu­el­le Finanz­krise an­geht, er­fährt man über ein po­ten­ti­el­les Politik­versagen kaum et­was.

Denn so weit kommt von Ar­nim ein­fach zu sel­ten, weil er nur zwei gro­ße The­men hat: Par­tei­en- und Po­li­ti­ker­fi­nan­zie­rung und das Wahl­recht, wel­ches, so die The­se, den Volks­wil­len nicht nur nicht aus­drückt, son­dern igno­riert. Auch wenn ei­nem die­se Themen­be­schränkung als Grün­de für ei­ne im­mer wei­ter be­haup­te­te Politikver­drossenheit ein biss­chen ein­di­men­sio­nal er­schei­nen – war­um nicht neue Argum­ente le­sen, die dann viel­leicht je­ne Un­ter­su­chun­gen re­la­ti­vie­ren, die in man­geln­der Kon­si­stenz der Po­li­tik (bei­spiels­wei­se durch all­zu an­bie­dern­de Aus­rich­tung der Pro­gram­ma­tik an je­weils ak­tu­el­le Um­fra­ge­trends) als Haupt­grund für ei­ne sich breit­ma­chen­de Po­li­tik­mü­dig­keit aus­ma­chen?

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Zur Ent­ba­na­li­sie­rung des Bach­mann­prei­ses

Das Jahr 2009 er­in­ner­te stark an 2006, als Kat­rin Pa­s­sig in ei­nem ex­trem schwa­chen Jahr­gang re­üs­sier­te (was in ei­ner be­lei­dig­ten At­ti­tü­de um­ge­hend da­zu führ­te, dass man No­vi­zen nicht mehr zu­ließ, son­dern auf ei­ner Pu­bli­ka­ti­on be­stand). 2007 gab dann ein biss­chen mehr her, aber im ver­gan­ge­nen Jahr rausch­te das Ni­veau aber­mals nach un­ten (zu­mal man wirk­lich gu­te Bei­trä­ge auch noch aus Op­por­tu­ni­täts­grün­den ver­riss).

2009 ist nun mit fast neu­er Ju­ry aber­mals ein Tief­punkt er­reicht. Man fragt sich schon, wer ei­ne Mei­ke Feß­mann als Ju­ro­rin aus­er­ko­ren hat. Na­tür­lich: Die For­mal­qua­li­fi­ka­ti­on stimmt und Frau Feß­mann sag­te ja auch wie ei­ne bra­ve Mu­ster­schü­le­rin ihr an­ge­lern­tes und an­ge­le­se­nes Wis­sen auf. Ir­gend­wann teil­te sie dann nur noch mit, ob ihr et­was ge­fal­len ha­be oder nicht. Das füllt sie auch voll­stän­dig aus.

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»In der Zeit der Lin­den­blü­te« – Jo­sef Wink­lers Zorn auf Kla­gen­furt

Heu­te ha­ben die Le­sun­gen zum In­ge­borg-Bach­mann-Wett­be­werb 2009 be­gon­nen und 3sat ist live aus Kla­gen­furt da­bei. In der Pau­se dis­ku­tiert man über das Ur­he­ber­recht. Das hat zwar nichts mit dem Bach­mann­preis zu tun, aber er­regt die Ge­mü­ter.

Kein Wort über Jo­sef Wink­lers gest­ri­ge Re­de, die in­zwi­schen auch die Ge­mü­ter er­re­gen dürf­te. Auf der Web­sei­te von »Kul­tur­zeit« fin­det sich al­ler­dings hier­zu bis jetzt nichts.

Da­bei ist Wink­lers Fu­ror bei­ßend:

Die­se Stadt Kla­gen­furt, die sich seit über 30 Jah­ren, jähr­lich im Ju­ni, in der Zeit der Lin­den­blü­te, als deutsch­spra­chi­ge Li­te­ra­tur­haupt­stadt fei­ern lässt, ist wohl die ein­zi­ge Stadt Mit­tel­eu­ro­pas mit 100 000 Ein­woh­nern, in der es kei­ne ei­ge­ne Stadt­bi­blio­thek gibt, in ei­nem Land, in dem der da­ma­li­ge, in­zwi­schen ein­ge­äscher­te Lan­des­haupt­mann ge­mein­sam mit dem röm.-kath. Par­tei­vor­sit­zen­den der so­ge­nann­ten christ­lich-so­zia­len Volks­par­tei – der vor ei­nem Jahr ei­nen schwe­ren Ver­kehrs­un­fall über­lebt und nach sei­ner Ge­ne­sung im Freun­des­kreis de­muts­voll er­zählt hat, dass ihm, um sei­ne Wor­te zu ge­brau­chen, die »Lour­des-Mit­zi« beim Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat -, die­ser Kärnt­ner ÖVP-Vor­sit­zen­de und der ehe­ma­li­ge Kärnt­ner Lan­des­haupt­mann, der sich mit sei­ner Asche aus dem Staub ge­macht hat, ha­ben im ver­gan­ge­nen Jahr beim Ver­kauf der Kärnt­ner Hy­po-Bank ei­nem Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter für sei­ne zwei­mo­na­ti­ge münd­li­che Be­ra­tung ein Ho­no­rar in Hö­he von sechs Mil­lio­nen Eu­ro in räu­be­ri­scher Ma­nier aus Lan­des­ver­mö­gen zu­ge­schanzt. Und höchst ap­pe­tit­li­cher­wei­se ist die­ser Vil­la­cher Steu­er­be­ra­ter auch noch der per­sön­li­che Steu­er­be­ra­ter des Kärnt­ner ÖVP-Po­li­ti­kers, dem him­mel- und gott­sei­dank die Lour­des-Mit­zi bei ei­nem Ver­kehrs­un­fall das Le­ben ge­ret­tet hat. Ge­grüßt seiest du, Ma­ria, Kö­ni­gin der Gü­te, Öl­baum der Barm­her­zig­keit, durch wel­chen uns die Arz­nei des Le­bens zu­kommt!

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