A.d.L.e.R: Aus dem Leben einer Rikschafahrerin – Nr. 1
Letztes Jahr habe ich Günter Grass gesehen, als ich am Pariser Platz mit der Rikscha auf Kundschaft wartete. In Cordsamt gekleidet und Pfeife rauchend kam Grass aus der Akademie der Künste, ging in Richtung Unter den Linden und war dabei mit einem anderen Herrn tief in ein Gespräch involviert. Grass ging sehr langsam, die geistige Anstrengung zwang ihn, hin und wieder stehen zu bleiben. Während sein Gesprächspartner an seinen Lippen hing, hingen Grass’ Schultern nach unten herab. Ich erwog, Grass anzusprechen: »Herr Grass, darf ich Sie bitten, gewähren Sie mir die Ehre, Sie ein Stück des Wegs mit der Rikscha zu fahren?« Grass hätte dann in einer solchen Rikscha gesessen, wie sie in der Verfilmung seiner Erzählung »Unkenrufe« zum Einsatz gekommen ist, und ich hätte alle meine Kollegen in unserem internen Promi-Fahrgast-Wettbewerb haushoch ausgestochen. Allerdings wären kontroverse Diskussionen möglich gewesen angesichts solch prominenter Fahrgäste wie ... und gerade, als ich dies dachte, blieb Grass, der nun genau auf meiner Höhe war, abermals stehen. Weiterlesen