Jo­sef W. Jan­ker

1998 las ich Jo­sef W. Jan­kers »Zwi­schen zwei Feu­ern«. Der Ro­man hat kei­nen ein­zel­nen Haupt­prot­ago­ni­sten, son­dern meh­re­re. Ge­schil­dert wer­den Er­eig­nis­se des Zwei­ten Welt­kriegs in Russ­land bis un­ge­fähr An­fang 1945. Wie al­le Ro­ma­ne die­ses Gen­res er­zählt der Au­tor zu­nächst von den be­kann­ten Ge­ge­ben­hei­ten: der Käl­te, dem stumpf­sin­ni­gen Wa­che­schie­ben, dem ewi­gen »Auf-der-Hut-Sein«, usw.

Es ist dann die La­ko­nie des Er­zäh­lens, das Sprö­de, fast Weg­ge­wor­fe­ne was die­ses Buch im Ton­fall von vie­len an­de­ren so un­ter­schei­det und mit der Zeit ei­ne ganz ei­gen­tüm­li­che Span­nung er­zeugt. We­der Jün­ger­sches Pa­thos noch lar­moy­an­tes Weh­kla­gen: Jan­kers’ Sol­da­ten re­flek­tie­ren ihr Ge­sche­hen bzw. re­flek­tie­ren ihr Ge­gen­über. Die Ver­wir­rung des sich um sie her­um Er­eig­nen­den zieht sie mehr und mehr in ei­ne Ge­dan­ken­flucht. Das Ver­ro­hen­de die­ses (wie­so nur die­ses?) Krie­ges zeigt sich nicht nur im Mas­sa­krie­ren der Geg­ner, son­dern auch in der Hin­ga­be an glück­li­che Mo­men­te der Ver­gan­gen­heit oder an wie auch im­mer ge­ar­te­ten Vi­sio­nen für ei­ne Zu­kunft. Oh­ne das ist die­se Welt für sie nicht er­träg­lich – mit die­sen Traum­bil­dern je­doch wird es ge­fähr­lich: man wird nach­läs­sig, som­nam­bul und fällt ent­we­der der ei­ge­nen Un­auf­merk­sam­keit in ei­ner Übung mit Mi­nen zum Op­fer oder den Hecken­schüt­zen der Ro­ten Ar­mee.

Das Ent­kom­men – es ist im­mer nur für den Au­gen­blick. Den Sol­da­ten bleibt we­nig ver­bor­gen: Sie »rei­ni­gen« Dör­fer (»Kri­mi­nel­le im Schafs­pelz des Sol­da­ten« nen­nen sie sich), sie rie­chen den Qualm von Kar­tof­fel­feu­ern bei Treb­linka – aber sie wis­sen, das kön­nen kei­ne Kar­tof­fel­feu­er sein. Sie ma­chen Zwi­schen­sta­ti­on in ei­nem an­de­ren Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger und schei­nen ei­nen Au­gen­blick kaum bes­ser ge­stellt als die Häft­lin­ge – aber sie kom­men wie­der hin­aus. Kein Platz für My­then – spä­te­stens von die­sem Au­gen­blick an nicht mehr und nie mehr.

Der ver­hin­der­te Dich­ter kre­piert ge­nau­so wie der mot­zi­ge Fah­nen­jun­ker oder der Me­tall­klau­er, der die Mi­nen gleich mit­nimmt. Es gibt am En­de nur ei­nen, der in ei­nem Wag­gon in ein un­be­kann­tes Ziel fährt, den »der Tod ver­schmä­hen« wird. Zwi­schen zwei Feu­ern sind sie al­le: Ei­ner­seits der (oft un­sicht­ba­re) »Feind«, an­de­rer­seits die »flat­tern­den Bil­der«. Ei­ne Ver­söh­nung kann es nicht ge­ben. Jan­kers Ton ist der des aukt­oria­len Er­zäh­lers; manch­mal des aukt­oria­len Zy­ni­kers. Dies ver­hin­dert ei­ne fal­sche, un­ge­woll­te Iden­ti­fi­ka­ti­on mit den Prot­ago­ni­sten – und zwar in bei­de Rich­tun­gen. Pe­ter Hand­ke nann­te Jan­ker zu­tref­fend ei­nen »Kriegs­ver­fan­ge­nen«. In dem er je­doch die Sol­da­ten als re­flek­tie­ren­de Men­schen zeigt, ent­rückt er sie vom Sockel der blo­ßen Be­fehls­emp­fän­ger­schaft. Sie sind mün­di­ge Sub­jek­te, die (un­heil­bar) ver­strickt ist. Und es gibt kei­ne Hoff­nung, weil nie­mand wird die­sen Krieg so über­ste­hen wird, wie er ihn be­gon­nen hat.

Die Kri­tik woll­te das nicht le­sen; sie woll­te es vor al­lem nicht so le­sen. Sie igno­rier­te Jan­ker, der dann doch noch En­de der 90er Jah­re noch ein­mal kurz wie­der­ent­deckt wur­de und 1999 den Her­mann-Lenz-Preis er­hielt. Am 17. April 2010 ist Jo­sef W. Jan­ker im Al­ter von 87 Jah­ren ge­stor­ben. Es ist be­zeich­nend, dass die Such­ma­schi­nen nur ei­nen klei­nen Ar­ti­kel des öster­rei­chi­schen »Stan­dard« zu des­sen Tod fin­det. Deutsch­land tut sich eben im­mer noch schwer mit sei­nen Dich­tern.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Es liegt schon ei­ne klei­ne Wei­le zu­rück, da ha­be ich auf der Home­page ei­nes Ba­den-Würt­tem­ber­gi­schen Schrift­stel­lers das er­ste Mal über J.W. Jan­ker ge­le­sen und mir ge­dacht, scheint sehr le­sens­wert zu sein. In­ter­es­sant.
    Nun le­se ich hier ( und im »Standard«-Artikel), dass er ver­stor­ben ist.
    Ei­ne merk­wür­di­ge In­for­ma­ti­ons­stil­le in der Pres­se.

  2. Gern ge­sche­hen! Mail mir doch mal Dei­ne An­schrift an ralph@klein-aber-fein.de, dann schicke ich Dir mei­ne bei­den Dou­blet­ten von »Die ster­ben­de Jagd« und »Schluß­ball« post­wen­dend zu. Wür­de mich freu­en, wenn die bei­den Gaiser’schen Ro­ma­ne den Weg zu ei­nem Ken­ner fän­den...