Bjar­te Breit­eig: Von nun an

Bjarte Breiteig: Von nun an

Bjar­te Breit­eig: Von nun an

Ein Mann fährt mit dem Nacht­zug von Nor­we­gen nach Schwe­den, um sich dort me­di­zi­nisch be­han­deln zu las­sen. Of­fen­bar lei­det er an ei­ner schwe­ren Krank­heit. Im Zug trifft er ei­nen ehe­ma­li­gen Mit­schü­ler, an den er sich kaum er­in­nert. Sie er­zäh­len und trin­ken ein Bier, als der Mann ans Te­le­fon ge­ru­fen wird – sei­ne Frau ist be­sorgt, sie hat Angst um die Zu­kunft, aber er kann sie be­ru­hi­gen. Als er zum Spei­se­wa­gen zu­rück­kommt, ist die­ser ver­waist. Und auch in sei­nem Ab­teil ist der ehe­ma­li­ge Mit­schü­ler nicht an­zu­tref­fen.

In ei­ner an­de­ren Ge­schich­te ar­bei­tet ein Ich-Er­zäh­ler als Hel­fer des Be­stat­ters. Frau Se­land, die er von frü­her kann­te, ist ge­stor­ben. Durch ei­ne Un­ge­schick­lich­keit fällt ihm die Lei­che hin. Ei­ne klum­pi­ge, stin­ken­de Flüs­sig­keit tritt aus und die vor­her müh­sam an­ge­zo­ge­ne Lei­chen­blu­se ist ver­schmutzt. Wei­ter­le­sen

Fuß­ball-WM mit Gün­ter Grass

Nein, nicht die ak­tu­el­le. Die von 1990.

[2.7.90]
Das Dau­men­hal­ten für die Tsche­chen wäh­rend des gest­ri­gen Spiels oder die Hoff­nung bis zum Ver­län­ge­rungs­schluss­pfiff, es mö­ge Ka­me­run ge­lin­gen, die Eng­län­der zu schla­gen, wor­auf sie im Halb­fi­na­le den Deut­schen zei­gen, was ei­ne ehe­ma­li­ge Ko­lo­nie auf die Bei­ne zu stel­len ver­mag. (Das Gan­ze na­t­rü­lich nicht oh­ne Rück­fäl­le: Klins­mann und Litt­bar­ski sind schon gut. Hof­fent­lich holt sich Mat­thä­us nicht ei­ne zwei­te gel­be Kar­te.)

[4.7.90]
Ita­li­en ist seit ge­stern drau­ßen. Der Stie­fel weint. Aber die Ar­gen­ti­ni­er wa­ren über­ra­schend bes­ser: bis zum Elf­me­ter­schie­ßen. Die­se Er­satz­krie­ge ha­ben ih­re Funk­ti­on; und soll­te es, falls Eng­land heu­te die Deut­schen be­siegt, zum End­spiel Eng­land ge­gen Ar­gen­ti­ni­en kom­men, könn­te der Falk­land­krieg noch ein­mal über die Büh­ne ge­hen: dies­mal un­blu­tig.

[5.7.90]
Das Spiel ge­stern en­de­te mit Elf­me­ter­schie­ßen, das die Deut­schen ge­wan­nen. Er­tap­pe mich da­bei, wie ich nun doch bei eng­li­schen Tor­chan­cen den Deut­schen die Dau­men drücke.

Aus: Gün­ter Grass – Un­ter­wegs von Deutsch­land nach Deutsch­land, Ta­ge­buch 1990; Steidl-Ver­lag 2009

Ist Ich ei­ne An­de­re?

Fra­gen zu Mi­ri­am Meckels »Brief an mein Le­ben«

Ein »Burn­out« ist ei­ne Art Er­schöp­fung, ein phy­si­sches und psy­chi­sches Aus­ge­brannt­sein ei­nes Men­schen. Wo einst ei­ne Hy­per­ak­ti­vi­tät und fast pau­sen­lo­ses En­ga­ge­ment war, macht sich plötz­lich läh­men­de An­triebs­schwä­che bis hin zu De­pres­sio­nen breit. Der Be­griff ist durch­aus um­strit­ten; ei­ne ein­heit­li­che De­fi­ni­ti­on gibt es nicht. Zwei­fel­los hat Mi­ri­am Meckel mit ih­rem Buch »Brief an mein Le­ben« ei­nen enor­men Pu­bli­zi­täts­schub für die Pro­ble­ma­tik des »Burn­out« er­zeugt. Als be­kann­te Pro­fes­so­rin und Pu­bli­zi­stin be­kommt ihr Buch ei­nen Pro­mi­nen­ten-Bo­nus in den Me­di­en. Zu­dem passt es in ei­ner wah­ren Se­rie von Krank­heits­ge­schich­ten Pro­mi­nen­ter, wie et­wa Lei­ne­mann und Schlin­gen­sief, die ih­re Krebs­er­kran­kun­gen ge­schil­dert ha­ben (was Iris Ra­disch zur flap­si­gen Be­mer­kung ei­ner »Me­ta­phy­sik des Tu­mors« ver­an­lass­te) bis zum Buch des an De­pres­sio­nen er­krank­ten ehe­ma­li­gen Fuß­ball­spie­lers Se­ba­sti­an Deis­ler. Wei­ter­le­sen

Sten Reen: Korn­blum

Sten Reen: Kornblum

Sten Reen: Korn­blum

Ro­bert Korn­blum, halbintellektuelle[r], alternde[r] Pen­ner, (vul­go: ar­beits­lo­ser Stu­di­en­ab­bre­cher, 35 Jah­re), Dach­decker und Ge­le­gen­heits­bau­ar­bei­ter, wacht nach durch­zech­ter Ge­burts­tags­fei­er zu Hau­se auf. Ein­mal im Jahr er­laubt er sich zu trin­ken, an­son­sten ist er seit drei Jah­ren trocken. Er hat ei­nen Film­riss und weiß nicht mehr, was letz­te Nacht pas­siert ist. Zum Glück er­wei­sen sich die Mark­ierungen auf sei­ner Stirn nicht als Tat­toos, son­dern ab­wasch­bar. Aber das uri­nie­ren fällt ihm schwer und er wirft ei­nen Blick nach un­ten und sieht das Kon­dom. Was war ge­sche­hen?

Korn­blum re­ka­pi­tu­liert müh­sam die letz­te Nacht und dem Le­ser er­öff­net sich ei­ne gänz­lich frem­de Welt. Zu­nächst denkt man an ei­ne Art Rot­licht­idyl­le à la »Der Kö­nig von St. Pau­li«, aber dann merkt man, dass das Gan­ze in Ber­lin spielt und mit Pro­sti­tu­ti­on al­len­falls am Ran­de zu tun hat. Die gro­ße Fa­mi­lie trifft sich bei Hus­si, dem ser­bi­schen Wirt (mit kroa­ti­scher Frau). Da ist Ron­ny, noch ein Quoten-Trockene[r]. Wei­ter­le­sen

»Bür­ger­recht­ler, po­li­ti­scher Auf­klä­rer und Frei­heits­den­ker«

War­um Joa­chim Gauck mein Bun­des­prä­si­dent wä­re

Manch­mal ge­schieht es, dass Leu­te, die das Fal­sche mei­nen das Rich­ti­ge tun. Rot-Grün bei­spiels­wei­se mit der Kan­di­da­tur von Joa­chim Gauck zum Bun­des­prä­si­den­ten. Hät­te man ei­ne si­che­re Mehr­heit in der Bun­des­ver­samm­lung, so wä­re Gauck nie­mals ihr Kan­di­dat. Auch die SPD hat im­mer ih­re Spiel­chen mit dem Bun­des­prä­si­den­ten ge­trie­ben. Zu­letzt 2009 als man mit Ge­si­ne Schwan die Lin­ke ver­füh­ren woll­te – und sich bei­na­he sel­ber ein Bein ge­stellt hät­te. Zum Glück für die SPD war die Lin­ke so dumm, (aber­mals) ei­nen Clown als Kan­di­da­ten auf­zu­stel­len. Es ist ei­ne be­dau­er­li­che Tra­di­ti­on bei Bundespräsidenten­wahlen: Die be­sten Kan­di­da­ten wa­ren häu­fig die­je­ni­gen, die kei­ne Chan­ce hat­ten.

Kei­ne Chan­ce? Die FDP sprach in­ter­es­san­ter­wei­se sehr laut von Gauck als ei­nen vor­stell­ba­ren und ak­zep­ta­blen Bun­des­prä­si­den­ten. Dort ru­mort es ge­ra­de ge­gen den Son­nen­kö­nig We­ster­wel­le, der die einst li­be­ra­le Par­tei ei­nes Karl-Her­mann Flach zum Ak­kla­ma­ti­ons­ver­ein her­un­ter­ge­wirt­schaf­tet hat. Auch für vie­le Uni­ons­ab­ge­ord­ne­te ist Gauck kein Schreck­ge­spenst; die CSU woll­te ihn schon 1999 als Bun­des­prä­si­den­ten no­mi­nie­ren. Da­mals lehn­te er ab.
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Jörn Kla­re: Was bin ich wert?

Jörn Klare: Was bin ich wert?

Jörn Kla­re: Was bin ich wert?

Ei­ne Re­por­ta­ge aus Al­ba­ni­en und ein mit­ge­hör­tes Ge­spräch in der U‑Bahn über ei­nen Raub­mord mit ei­ner »Beu­te« von 100 Eu­ro – ir­gend­wann be­ginnt die Fra­ge Was ist ein Le­ben wert? Ge­nau­er: Wie­viel ist ein Le­ben wert? Jörn Kla­re zu be­schäf­ti­gen. Er be­schließt, zu re­cher­chie­ren. Das Pro­dukt die­ser Nach­for­schun­gen liegt nun vor. Der et­was pla­ka­ti­ve Un­ter­ti­tel ver­heißt so­gar »Ei­ne Preis­er­mitt­lung«.

Ei­nes muss man kon­ze­die­ren: Um­trie­big ist Kla­re durch­aus. In sei­nen 47 Ka­pi­teln durch­leuch­tet er sehr vie­le Fa­cet­ten der Mo­ne­ta­ri­sie­rung des Men­schen. Er be­fragt sei­ne Lieb­ste, den Schwa­ger, der ihn über das Headhunter(un)wesen auf­klärt, be­fasst sich aus­führ­lich mit der Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, der Schmer­zens­geld­fest­stel­lung, fragt, was ein (to­ter) Sol­dat wert ist, er­läu­tert die Ab­wick­lung der Scha­den­er­satz­for­de­run­gen in den USA zum Ter­ror­an­schlag des 11. Sep­tem­ber 2001, möch­te mal sei­nen Na­men, mal sein Sper­ma ver­mark­ten (für letz­te­res ist er schon zu alt), un­ter­sucht das deut­sche Ge­sund­heits­we­sen, streift da­bei das Feld der Ge­sund­heits­öko­no­mie, sin­niert über den Or­gan­han­del und be­gibt sich un­ter po­ten­ti­el­le Me­di­ka­men­ten­te­ster (aus­ge­rech­net die Al­ten­hei­me klam­mert er aus, ob­wohl stän­dig von äl­te­ren Men­schen die Re­de ist). Wei­ter­le­sen

»Es gab viel Lob von den Kol­le­gIn­nen«

Nils Mink­mars Kom­men­tar in der FAZ »Der Fah­nen­flücht­ling« und die ho­hen emo­tio­na­len Wel­len, die er er­zeugt. Sie­ben Fra­gen per Mail und die Ant­wor­ten:

G.K.: Ihr Ar­ti­kel hat zu ei­ner wah­ren Le­ser­kom­men­tar­flut ge­führt. So­gar die ulti­mativste Waf­fe des Le­sers, der Abo-Ent­zug wur­de drei­mal an­ge­droht. Wa­ren Sie über die An­zahl der doch teil­wei­se gra­vie­ren­den Ab­leh­nun­gen über­rascht?

Nils Mink­mar: Es gibt ge­wis­se The­men, die im­mer sehr an den Nerv un­se­rer Le­ser rüh­ren. Da­zu zählt un­ser Ver­hält­nis zum Is­lam, Bil­dungs­de­bat­ten und der Bundes­präsident. Ich hat­te al­so da­mit rech­nen dür­fen. Die Hef­tig­keit ist dann im­mer so ei­ne Auf­wal­lung. Mei­stens ant­wor­te ich schnell oder ru­fe an, dann ent­spinnt sich ei­gent­lich ei­ne sehr er­trag­rei­che Kom­mu­ni­ka­ti­on.

Gab es vor­her oder nach­her Pro­ble­me in der Re­dak­ti­on ob des schar­fen, po­le­mi­schen Tons des Ar­ti­kels?

Nils Mink­mar: Nein, es gab viel Lob von den Kol­le­gIn­nen.
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Die In­sze­nie­rung der Ka­ta­stro­phe

Seit mehr als fünf Wo­chen strömt aus di­ver­sen Stel­len ei­ner ha­va­rier­ten BP-Bohr­in­sel oh­ne Un­ter­lass Öl in den Golf von Me­xi­ko. Die Zah­len über die täg­li­che Men­ge Öl, die un­ge­hin­dert ins Meer fließt, va­ri­ie­ren er­heb­lich – man hört von 700 to/Tag bis zu 14.000 to/Tag. Die öko­lo­gi­sche Ka­ta­stro­phe wird noch ver­stärkt durch den Ein­satz öl­bin­den­der Che­mi­ka­li­en, die als gif­tig ein­ge­schätzt wer­den. Sie bin­den das Öl je­doch so, dass es da­nach nicht mehr sicht­bar ist – der op­ti­sche Ein­druck scheint hier sehr wich­tig.

Screenshot Livestream von BP

Screen­shot Live­stream von BP



Der Image­scha­den von BP ist enorm, zu­mal die Hilf­lo­sig­keit of­fen­sicht­lich ist. Man hat­te früh Fo­ren ein­ge­rich­tet, in de­nen Vor­schlä­ge für die Ab­dich­tung des Lecks / der Lecka­gen er­be­ten wur­den. Das ist kein gu­tes Zei­chen.
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