»Es gab viel Lob von den Kol­le­gIn­nen«

Nils Mink­mars Kom­men­tar in der FAZ »Der Fah­nen­flücht­ling« und die ho­hen emo­tio­na­len Wel­len, die er er­zeugt. Sie­ben Fra­gen per Mail und die Ant­wor­ten:

G.K.: Ihr Ar­ti­kel hat zu ei­ner wah­ren Le­ser­kom­men­tar­flut ge­führt. So­gar die ulti­mativste Waf­fe des Le­sers, der Abo-Ent­zug wur­de drei­mal an­ge­droht. Wa­ren Sie über die An­zahl der doch teil­wei­se gra­vie­ren­den Ab­leh­nun­gen über­rascht?

Nils Mink­mar: Es gibt ge­wis­se The­men, die im­mer sehr an den Nerv un­se­rer Le­ser rüh­ren. Da­zu zählt un­ser Ver­hält­nis zum Is­lam, Bil­dungs­de­bat­ten und der Bundes­präsident. Ich hat­te al­so da­mit rech­nen dür­fen. Die Hef­tig­keit ist dann im­mer so ei­ne Auf­wal­lung. Mei­stens ant­wor­te ich schnell oder ru­fe an, dann ent­spinnt sich ei­gent­lich ei­ne sehr er­trag­rei­che Kom­mu­ni­ka­ti­on.

Gab es vor­her oder nach­her Pro­ble­me in der Re­dak­ti­on ob des schar­fen, po­le­mi­schen Tons des Ar­ti­kels?

Nils Mink­mar: Nein, es gab viel Lob von den Kol­le­gIn­nen.


Wie er­klä­ren Sie sich die Be­liebt­heit bzw. das Ver­ständ­nis für Köh­lers Schritt? Liegt es nicht auch dar­in, dass Köh­ler als Stell­ver­ter­ter für die von ih­nen an­ges­prio­che­nen Bür­ger ge­se­hen wird, die eben nicht aus ih­rer Si­tua­ti­on aus­bre­chen kön­nen? So et­wa nach dem Mot­to: Wenn ich schon nicht ab­hau­en kann, dann we­nig­stens er?

Nils Mink­mar: Un­se­re Le­ser sind, wie die Deut­schen über­haupt, ein­fach nett. Sie möch­ten ei­nem sym­pa­thi­schen Mann wie Köh­ler nicht bö­se sein. Und sie ha­ben mit den Ge­dan­ken in ih­rer Fra­ge recht: Nicht um­sonst war Ker­ke­lings Buch ein sol­cher Er­folg. Der Wunsch »mal was ganz an­de­res zu ma­chen« oder sich zu­rück­zu­zie­hen trifft im­mer auf gro­ßes Ver­ständ­nis.

In der heu­ti­gen Bun­des­re­pu­blik ist der, der sagt, »nun stres­se ich mich mal nicht mehr so!« eben be­lieb­ter als der, der laut­hals sei­nen Ehr­geiz und sei­ne Streb­sam­keit ver­kün­det!

Wie er­klä­ren Sie sich die ob­jek­ti­ve Emp­fin­dung, dass Köh­ler bei Blog­gern deut­lich un­be­lieb­ter war als im üb­ri­gen Teil der Be­völ­ke­rung?

Nils Mink­mar: Der Be­griff ob­jek­ti­ve Emp­fin­dung – ist das nicht ein Wi­der­spruch in sich? Da­von ab­ge­se­hen: Blog­ger sind wa­che, am öf­fent­li­chen Le­ben in­ter­es­sier­te Men­schen, die schau­en viel­leicht schär­fer hin und den­ken kri­ti­scher als an­de­re.

Ich glau­be, Köh­ler war als Prä­si­dent ein Miß­ver­ständ­nis. Mer­kel woll­te ei­nen mög­lichst harm­lo­sen, po­li­tisch un­er­fah­re­nen Be­am­ten-Prä­si­den­ten. War­um ha­ben vie­le Jour­na­li­sten Köh­ler so lan­ge ge­schont?

Nils Mink­mar: Der Bun­des­prä­si­dent wird im­mer ge­schont. Aber Jour­na­li­sten scho­nen ge­ne­rell ganz ger­ne, weil Kri­tik und Miß­mut und Krach auch den Le­sern oder Zu­schau­ern leicht die Lau­ne ver­ha­gelt, die mö­gen so­was nicht.

In An­be­tracht der zahl­rei­chen Köh­ler-Par­odien des deut­schen Ka­ba­retts: Wer will sich ei­gent­lich so et­was wie Bun­des­prä­si­dent in Zu­kunft noch an­tun?

Nils Mink­mar: Schlimm ist es ja, wenn man nicht par­odiert wird. Es gibt be­dau­erns­wer­te­re Men­schen als am­tie­ren­de Staats­ober­häup­ter.

Wer wird’s wer­den?

Nils Mink­mar: Ur­su­la von der Ley­en. In ihr ist Mer­kel ei­ne Ri­va­lin im ei­ge­nen La­ger er­wach­sen, die so­wohl von der Kern-CDU ak­zep­tiert wird als auch von der SPD. Sie wä­re in ei­ner Neu­auf­la­ge der Gro­ßen Ko­ali­ti­on ei­ne idea­le Be­set­zung als Bun­des­kanz­le­rin ge­wesen. Im Schloss Bel­le­vue ist sie gut un­ter­ge­bracht, Mer­kel ist vor ihr si­cher.

Mir wä­re das auch recht, ich mag Frau von der Ley­en.

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  1. Zen­sur­su­la – Nicht mei­ne Prä­si­den­tin
    Vie­len Dank für das In­ter­view. Es bleibt zu hof­fen, daß es Frau von der Ley­en nicht wird. Vie­le, wirk­lich gu­te Grün­de, die­se Frau ab­zu­leh­nen, fin­det man bei­spiels­wei­se hier.

    Sie ist schlicht ei­ne in­tri­gan­te Dem­ago­gin und Lüg­ne­rin, die sich nicht zu scha­de ist, miß­brauch­te Kin­der ein wei­te­res mal für ih­ren an­ge­streb­ten Ver­fas­sungs­bruch zu miß­brau­chen.

    Pfui!

    (M)ein kla­res Be­kennt­nis:


  2. Na­ja, das ist star­ker To­bak; »Heise«-Artikel le­se ich schon lan­ge nicht mehr ob ih­rer In­dok­tri­na­ti­on. Ob sie ei­ne »Lüg­ne­rin« ist, ist frag­lich. Wenn man die­sen Ar­ti­kel ge­le­sen hat, gibt es na­tür­lich ei­ni­ge Zwei­fel.

    Ich weiss auch nicht, was mit dem Par­ty­wort »Zen­sur­su­la« aus­ge­drückt wer­den soll; ich hal­te es für lä­cher­lich.

    Ent­ge­gen al­ler Be­kun­dun­gen glau­be ich nicht, dass sie es wird. Sie wä­re auch nicht mei­ne Präsident/in, aber das war Köh­ler auch nicht.

  3. »Ich weiss auch nicht, was mit dem Par­ty­wort »Zen­sur­su­la« aus­ge­drückt wer­den soll; ich hal­te es für lä­cher­lich.«

    Lä­cher­lich fin­den dür­fen Sie das na­tür­lich, nur was es aus­drücken soll, ist doch nun wirk­lich klar: Zen­sur hat ein Ge­sicht.

    Näm­lich ih­res, ein (nach ge­sell­schaft­li­chen Maß­stä­ben) schö­nes, da­mit ver­füh­re­ri­sches.

    Sehr schö­ne Wort­schöp­fung.

    Na­tür­lich kann man an­ge­sichts sich stets wie­der­ho­len­der Hy­ste­ri­sie­rungs­wel­len der stets durch’s Dorf ge­trie­be­nen neu­en und doch glei­chen Sau über­drüs­sig wer­den.

    Doch ist sie auch die sel­be?

    Und die Er­schöp­fung mag ein ge­woll­ter Ef­fekt sein: Im ent­schei­den­den Mo­ment bleibt man in sei­nem Ses­sel sit­zen, man hat sein mil­des Licht und liest ein gu­tes Buch, wäh­rend es drau­ßen dun­kelt.

  4. Wie ge­sagt, ich hal­te den Be­griff für lä­cher­lich. Er des­avou­iert je­den Dis­ku­tan­ten als ei­ne Art Wirts­h­aus­stamm­tisch­ler, der es ernst­haft ver­wen­det. Die Ak­ti­on von vdL ge­gen Kin­der­por­no­gra­fie war un­be­hol­fen und teil­wei­se auch lä­cher­lich in­sze­niert, aber Zen­sur ist et­was an­de­res.

    Ich ver­ste­he ja, dass man stän­dig neue Hy­ste­rie­rungs­ebe­nen ent­decken muss, um ei­ne ge­wis­se Auf­merk­sam­keit zu er­zeu­gen, aber die­se Form hal­te ich für kon­tra­pro­duk­tiv.

    Sa­gen Sie doch ein­fach mal zur Ab­wechs­lung für wel­che Per­son sie sind.

  5. Da es wohl ein Kon­ser­va­ti­ver sein muß: Hans-Jür­gen Pa­pier

    Er ge­hört zu den we­ni­gen po­li­tisch re­le­van­ten Kon­ser­va­ti­ven, de­nen ich nicht nur zu­traue, ei­nen durch die Bun­des­re­gie­rung an­ge­streb­ten po­ten­ti­el­len oder rea­len Ver­fas­sungs­bruch zu er­ken­nen, son­dern im Ge­gen­satz zum nun ab­ge­tre­te­nen Köh­ler auch durch Un­ter­schrifts­ver­wei­ge­rung ab­zu­weh­ren. Wie es die Pflicht ei­nes Bun­des­prä­si­den­ten ist! Bei Köh­ler lei­der: Ge­we­sen wä­re.

  6. Da­mit tref­fen Sie bei mir ins Schwar­ze. Ge­nau das wä­re der Rich­ti­ge.

    Aber der ist zu »re­bel­lisch«. Mer­kel will jetzt end­lich ei­ne rich­ti­ge Ma­rio­net­te.

  7. Noch ein Nach­trag

    »Die Ak­ti­on von vdL ge­gen Kin­der­por­no­gra­fie war un­be­hol­fen und teil­wei­se auch lä­cher­lich in­sze­niert, aber Zen­sur ist et­was an­de­res.«

    Ich mein­te aber nicht Un­ge­schick­lich­keit oder Un­be­hol­fen­heit oder Irr­tum.
    Son­dern Lü­ge, Dem­ago­gie und Ver­fas­sungs­bruch.

    http://ak-zensur.de/gruende/

    Von dort aus fin­den Sie wei­te­res, zu­ver­läs­si­ges und glaub­wür­di­ges Ma­te­ri­al, falls es Sie in­ter­es­siert.

    Ei­ne Lüg­ne­rin und Dem­ago­gin so­wie ei­ne, die sich ei­nen Dreck um das Grund­ge­setz zu sche­ren scheint, wä­re nun de­fi­ni­tiv die fal­sche Frau im Bun­des­prä­si­den­ten­amt. Schließ­lich ist die­ses Amt im­mer häu­fi­ger die vor­erst letz­te Hür­de vor ei­nem ge­setz­lich sank­tio­nier­ten, daß heißt ei­nem von der Le­gis­la­ti­ve be­schlos­se­nen Ver­fas­sungs­bruch.

    Ich weiß, wo­von ich da schrei­be. Mei­ne Wor­te sind wohl­über­legt und kein »Schnell­schuß«.

    Ei­ne Teil-Li­ste mit Ley­ens be­wuß­ten und mit­un­ter ver­leum­de­ri­schen Falsch­aus­sa­gen fin­den Sie auch bei Jörg Tauss, falls Sie sich über­win­den kön­nen, bei ihm zu le­sen:

    http://www.tauss-gezwitscher.de/?p=980



    »Zen­sur­su­la« ist als Be­zeich­nung al­len­falls noch viel zu harm­los.

    Ihr »Wirts­h­aus­stamm­tisch­ler«

  8. Ja, Herr Vieh­rig, mit die­ser Ru­bri­zie­rung da­mit müs­sen Sie eben auch le­ben. Und ma­chen Sie jetzt nicht den Köh­ler! Ich fin­de es im üb­ri­gens höchst zwei­fel­haft hier Links zu Herrn Tauss’ Blog zu set­zen.

    Je mehr den Be­griff der »Zen­sur« tri­via­li­siert, um­so we­ni­ger wer­den die Leu­te ir­gend­wann mer­ken, falls es wirk­lich ei­ne ge­ben soll­te.

    Ich ha­be ge­stern »hart aber fair« mehr er­lit­ten als ge­se­hen: Op­per­mann, Söder, Trit­tin: Kas­per­le­thea­ter wie bei Vor­schul­kin­dern. Da soll­te »das Netz« mehr zu bie­ten ha­ben als »Zen­sur­su­la« und Tauss.


    Grund­sätz­li­ches:
    Ich er­su­che, zu­künf­tig ent­we­der den Be­griff der »Lüg­ne­rin« de­tail­liert zu er­läu­tern oder ihn zu un­ter­las­sen. Wenn Sie das nicht kön­nen, sind Sie üb­ri­gens sel­ber ei­ner. Sie wis­sen viel­leicht, ein sol­cher Vor­wurf ist ju­sti­tia­bel. Un­ter­bleibt dies, wer­de ich sol­che Kom­men­ta­re in Zu­kunft an­kün­di­gungs­los lö­schen. Ich be­tei­li­ge mich ger­ne an Dis­kus­sio­nen, aber nicht an De­nun­zia­tio­nen. Ein Min­dest­maß ein Dis­kus­si­ons­kul­tur soll­te man schon ein­hal­ten.

  9. Ob sei­ner ziem­li­chen po­li­ti­schen In­kor­rekt­heit ha­be ich mir das Er­geb­nis ei­ner Un­ter­su­chung ge­merkt, die wohl von ei­nem Jour­na­li­stik­pro­fes­sor in Leip­zig durch­ge­führt wor­den ist. Er hat fest­ge­stellt, dass ein Be­ruf um­so mehr an Re­no­mee ein­büßt und um­so stär­ker die Ge­häl­ter sin­ken, je hö­her die Frau­en­quo­te wird. Für den Jour­na­lis­mus ist das of­fen­sicht­lich, es gilt aber wohl auch für den Arzt- und den Leh­rer­be­ruf, Se­kre­tä­re, etc.

    Ein Be­kann­ter von mir hat, be­vor Ley­en ins Ge­spräch ge­bracht wor­den ist, an­ge­merkt, dass bis­her Frau­en im­mer nur auf­ge­stellt wor­den sind, wenn ziem­lich si­cher war, dass die ei­ge­ne Kan­di­da­tin nicht ge­wählt wird.

    Es gibt jetzt al­so zwei völ­lig un­ter­schied­li­che In­ter­pre­ta­tio­nen: Die Gleich­stel­lung der Frau­en hat zwei gro­ße po­li­ti­sche Ta­len­te (Mer­kel und Ley­en) ganz nach oben ge­bracht. Oder die Äm­ter der Bun­des­kanz­le­rin und der Bun­des­prä­si­den­tin (ich über schon mal die fe­mi­ni­ne Va­ri­an­te) ha­ben ten­den­zi­ell im Ver­gleich zu frü­her an Be­deu­tung ver­lo­ren.

  10. Es gibt auch Mei­nun­gen, die sa­gen, dass Frau­en in Macht­po­si­tio­nen männ­li­che At­tri­bu­te über­neh­men bzw. nach­ah­men. Ich hal­te sol­che Ru­bri­zie­run­gen und Zu­ord­nun­gen für we­nig hilf­reich. Das ist m. E. 70er Jah­re Gen­der-Ge­re­de und bringt uns nicht wei­ter.

    Mer­kel hat sich sehr macht­be­wusst ge­zeigt und sich im ent­schei­den­den Mo­ment (der Spen­den­af­fä­re um Kohl) ge­gen die gan­ze Män­ner­rie­ge ge­stellt. Dann hat sie auch noch Schäub­le weg­ge­bis­sen (was nicht schwer war, weil er ja den Bun­des­tag wis­sent­lich an­ge­lo­gen hat­te). Dann be­gann in Kohl-Ma­nier der suk­zes­si­ve Aus­bau der Macht. Kohl hat­te we­nig­stens am An­fang noch Sei­ten­ein­stei­ger rein­ge­holt (sie durf­ten ihm frei­lich nicht zu ge­fähr­lich wer­den, sie­he Süß­muth). Mer­kel hat ih­re Macht­po­si­ti­on aus­ge­baut, in dem sie Geg­ner sy­ste­ma­tisch her­aus­ge­trie­ben hat.

    Köh­ler soll­te ein schwa­cher Prä­si­dent wer­den, der Merkel/Westerwelle im Prä­si­di­al­amt den Rücken frei hält. Völ­lig über­ra­schend reich­te es dann 2005 für schwarz-gelb nicht (man dach­te ja ur­sprüng­lich, die Wahl fin­de 2006 statt). Köh­ler sah sich aber nicht als Po­li­ti­ker, was ent­ge­gen der im­mer wie­der kol­por­tier­ten Mei­nung so gar nicht stimmt. Schließ­lich war er Staats­se­kre­tär bei Wai­gel. Er wuss­te auch, wie in gro­ßen Ad­mi­ni­stra­tio­nen zu ar­bei­ten ist. Aber er war es nicht ge­wohnt, in der Öf­fent­lich­keit zu ste­hen und sei­ne Mei­nung of­fen­siv zu ver­tre­ten. Da­her be­schränk­te er sich auf wohl­fei­les Stamm­tisch­ge­re­de, schwa­dro­nier­te (Prantl) von »Mon­stern« (Ban­ker) und ähn­li­ches. Das ist aber ei­nes Bun­des­prä­si­den­ten nicht wür­dig. Vi­sio­nen und Ideen ka­men von ihm nicht; er ori­en­tier­te sich an mah­nen­de Prä­si­den­ten wie bspw. Her­zog, oh­ne je­doch des­sen Cha­ris­ma zu ha­ben (im üb­ri­gen blieb Her­zog auch ziem­lich er­folg­los).

    Mit von der Ley­en schlägt Mer­kel nun ei­nen wei­te­ren Pflock ih­rer Macht ein: Die wird si­cher­lich kei­ne Pro­ble­me bei der Un­ter­schrift von Ge­set­zen ma­chen. Mo­ra­li­sche In­stanz kann sie gar nicht sein – und das ist auch durch­aus ge­wollt. vdL wird ei­ne Prä­si­den­tin von Mer­kels Gna­den; ei­ne Ma­rio­net­te. Das Amt wird aus­ge­höhlt, tri­via­li­siert. Es ist ei­ne Schan­de.

    Viel­leicht wird sie es ja nicht, aber sie wür­de schon wie­der zu sehr be­schä­digt, wenn man jetzt je­mand an­de­res be­nen­nen wür­de. Trotz ei­ner Mehr­heit von ca. 22–24 Stim­men in der Bun­des­ver­samm­lung wird sie es m. E. im er­sten Wahl­gang nicht schaf­fen. Wenn die SPD klug be­ra­ten ist, ver­sucht sie ei­nen über­par­tei­li­chen, ho­no­ri­gen Kan­di­da­ten da­ge­gen zu set­zen, der für Tei­le der FDP/CDU auch wähl­bar ist.

    [EDIT: 10:58]

  11. Ei­ni­ge Ge­dan­ken zum Bun­des­prä­si­den­ten­amt
    Die auf be­wuss­ter Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on von Köh­lers Äu­ße­run­gen be­ru­hen­de Em­pö­rungs­wel­le, des­sen ziem­lich trot­zig wir­ken­der Rück­tritt und die wohl lei­der nicht sa­ti­risch ge­mein­ten Kan­di­da­ten­vor­schlä­ge à la von der Ley­en, Kä­ß­mann oder Gy­si zei­gen doch nur zu deut­lich, dass sich das An­se­hen des Bun­des­prä­si­den­ten­am­tes in ei­ner Kri­se be­fin­det.

    Dies mag zum Teil auch mit der eher zu­rück­hal­ten­den Kom­pe­tenz­aus­übung zu tun ha­ben, zu der sich die mei­sten bis­he­ri­gen Prä­si­den­ten wohl auch im Hin­blick auf den Wil­len des hi­sto­ri­schen Grund­ge­setz­ge­bers ver­pflich­tet ge­fühlt ha­ben. (Die ent­spre­chen­de öf­fent­li­che Auf­merk­sam­keit bei der Aus­übung be­stimm­ter Kom­pe­ten­zen zeugt ja ge­ra­de von der Sel­ten­heit des ent­spre­chen­den Vor­gangs.) In­so­fern irrt Herr Mink­mar, wenn er das Bun­des­prä­si­den­ten­amt als das »Amt Fried­rich Eberts« be­zeich­net. Der Bun­des­prä­si­dent soll nicht die Stel­lung Eberts ha­ben, weil er auch nicht die Stel­lung Hin­den­burgs ha­ben soll.

    Die bis­wei­len vor­ge­brach­te The­se, dass das Amt des Bun­des­prä­si­den­ten über­flüs­sig ist, kann man mei­nes Er­ach­tens nicht so ein­fach von der Hand wei­sen. Es wä­re nicht be­son­ders schwie­rig, sei­ne Auf­ga­ben auf an­de­re Ver­fas­sungs­or­ga­ne (Bun­des­tags- und/oder Bun­des­rats­prä­si­dent, Bun­des­kanz­ler, Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt) zu über­tra­gen.

    Wie dem auch sei: Ein Bun­des­prä­si­dent, der al­le ihm von der Ver­fas­sung ge­ge­be­nen Mit­tel aus­schöpft, über ei­ne doch nicht un­er­heb­li­che Macht­fül­le ver­fü­gen. Wenn man dann noch ei­ni­ge strit­ti­ge Punk­te ent­spre­chend in­ter­pre­tiert (und zum Bei­spiel ein um­fas­sen­des ma­te­ri­el­les Ge­set­zes­be­schluss­prü­fungs­recht des Bun­des­prä­si­den­ten be­jaht), ist man doch ziem­lich weit von der Rol­le des Staats­no­tars ent­fernt. Ei­ne der­art of­fen­si­ve In­ter­pre­ta­ti­on des Am­tes wür­de die­sem zwar si­cher­lich zu grö­ße­rem Re­spekt ver­hel­fen, wä­re mei­nes Er­ach­tens hin­sicht­lich des De­mo­kra­tie- und des Rechts­staats­prin­zip aber nur dann un­an­greif­bar, wenn der Bun­des­prä­si­dent vom Volk ge­wählt wür­de und nicht von den Ge­setz­ge­bungs­or­ga­nen (bzw. de­ren Ver­tre­tern), zu de­ren Kon­trol­le er dann ja et­wa durch das (un­ter den ge­ge­be­nen Um­stän­den zu Recht um­strit­te­ne) um­fas­sen­de ma­te­ri­el­le Ge­set­zes­be­schluss­prü­fungs­recht auch be­ru­fen wä­re.

    Ei­ne Volks­wahl des Bun­des­prä­si­den­ten (und ei­ne da­mit ver­bun­de­ne Le­gi­ti­ma­ti­on der Aus­übung be­stimm­ter strit­ti­ger Kom­pe­ten­zen) hät­te mög­li­cher­wei­se auch den po­si­ti­ven Ef­fekt, dass nicht mehr ab­so­lut un­prä­si­denzia­ble Per­so­nen wie von der Ley­en, Kä­ß­mann oder Gy­si für die­ses Amt in Er­wä­gung ge­zo­gen wür­den. Oder aber viel­leicht ge­ra­de des­we­gen doch?

  12. Ei­ne Volks­wahl des Bun­des­prä­si­den­ten (Gün­ther Jauch als Prä­si­dent?) wä­re ein Schritt mehr zu ei­ner prä­si­dia­len De­mo­kra­tie. Er (sie) hät­te dann ei­ne grö­ße­re Le­gi­ti­ma­ti­on wie der Bun­des­kanz­ler. Da­mit lebt zwar Öster­reich auch, aber ich hal­te das min­de­stens für pro­ble­ma­tisch.

    Ehr­lich ge­sagt hal­te ich die­se Wün­sche nach mehr Par­ti­zi­pa­ti­on des Vol­kes an der De­mo­kra­tie für ziem­lich heuch­le­risch. In NRW wur­den schon ei­ni­ge Bür­ger­ent­schei­de auf kom­mu­na­ler Ebe­ne zur Ab­stim­mung ge­stellt – mit teil­wei­se nie­der­schmet­tern­den Er­geb­nis­sen. Die Wahl­be­tei­li­gung lag oft­mals un­ter 20%. Kom­mu­nal­wah­len wei­sen ei­ne er­schrecken­de Be­tei­li­gung aus; et­was bes­ser sieht es bei Land­tags­wah­len und Bun­des­tags­wah­len aus. Der Drang vie­ler Bür­ger, sich an Po­li­tik zu be­tei­li­gen, die sie sel­ber gar nicht di­rekt be­trifft, scheint enorm groß zu sein. Wenn es je­doch dar­um geht, ob ein Stadt­vier­tel neu ge­stal­tet wird, in­ter­es­siert es sie nicht.

    Was sie zur Am­bi­va­lenz des BP sa­gen, ist durch­aus rich­tig. Ihn mit we­nig of­fi­zi­el­ler Macht aus­zu­stat­ten be­ruht dar­auf, dass man kei­nen mäch­ti­gen Prä­si­den­ten ha­ben woll­te, der al­lei­ne Ent­schei­dun­gen tref­fen kann. Ich per­sön­lich mag auch kei­ne Prä­si­di­al­de­mo­kra­tien. Spä­te­stens seit Ri­chard von Weiz­säcker, der das Amt als mo­ra­lisch-po­li­ti­sche In­stanz ver­stand und es auch sehr gut da­hin­ge­hend aus­führ­te, glau­ben nun al­le Nach­fol­ger sich der­art in Sze­ne set­zen zu müs­sen. Die wir­ken da­bei meist hilf­los, manch­mal – Köh­ler – pein­lich. Ihr An­spruch ist ein an­de­rer als ihr Cha­ris­ma. Es reicht nicht, Ruck-Re­den zu hal­ten oder in Afri­ka Kin­dern den Kopf zu tät­scheln. Da­für brau­chen wir wirk­lich kei­nen Bun­des­prä­si­den­ten. Aber es zeigt sich, dass das Amt mit der Per­son steht und fällt. Hei­ne­mann und von Weiz­säcker wa­ren her­aus­ra­gend. Da­vor und da­nach hat zu oft Par­tei­en­pro­porz oder Rent­ner­ver­sor­gung ei­ne Rol­le ge­spielt. Der be­ste Mann/die be­ste Frau wur­de es schon lan­ge nicht mehr (z. B. Hil­de­gard Hamm-Brü­cher 1994).

  13. Sie ha­ben durch­aus Recht: Mehr Volks­be­tei­li­gung ist kei­ne per se gu­te Sa­che. Ei­ne Di­rekt­wahl des Bun­des­prä­si­den­ten dürf­te aber un­um­gäng­lich sein, falls man sei­ne Rol­le stär­ken möch­te, sei es auch nur da­durch, dass man be­stimm­te um­strit­te­ne Kom­pe­tenz­be­rei­che ex­ten­siv in­ter­pre­tiert (weil man da­durch – wie er­wähnt – in Kon­flikt mit den Grund­prin­zi­pi­en der Ver­fas­sung ge­rät).

    Ich per­sön­lich könn­te mich üb­ri­gens pro­blem­los mit der Ab­schaf­fung des Bun­des­prä­si­den­ten­am­tes und der Über­tra­gung der ent­spre­chen­den Kom­pe­ten­zen auf an­de­re Ver­fas­sungs­or­ga­ne an­freun­den.

    Was von Weiz­säcker be­trifft, so bin ich an­de­rer An­sicht als Sie. Ich fand sei­ne Amts­füh­rung durch­wach­sen und zum Bei­spiel sei­ne Äu­ße­run­gen zur Macht­ver­ges­sen­heit und Macht­ver­ses­sen­heit der Po­li­tik schlicht­weg de­plat­ziert. (Ich möch­te nicht so weit ge­hen, von Po­pu­lis­mus oder An­bie­de­rung zu spre­chen.) Von Weiz­säcker hat das pa­ra­do­xe Vor­bild ei­ner be­lieb­ten mo­ra­li­schen In­stanz ge­schaf­fen. Vie­le – nicht nur sei­ne Nach­fol­ger, son­dern zum Bei­spiel auch Kir­chen­ver­tre­ter – ha­ben ihm nach­ge­ei­fert und sich da­bei mehr und mehr auf ste­reo­ty­pe, den con­sen­sus bo­no­rum wie­der­käu­en­de, ethisch un­an­greif­ba­re, aber letzt­lich jeg­li­che kon­struk­ti­ve De­bat­te läh­men­de und ir­gend­wie auch un­au­then­tisch-un­glaub­wür­di­ge Ge­mein­plät­ze ver­legt. Die­sen Vor­wurf muss man bei­spiels­wei­se auch Kä­ß­mann ma­chen, bei der ich wirk­lich nicht se­he, was sie zur Bun­des­prä­si­den­tin qua­li­fi­zie­ren wür­de.
    Ich den­ke, dass von Weiz­säcker sehr viel Scha­den an­ge­rich­tet hat: Deutsch­land wür­de – wenn über­haupt – mo­ra­li­sche Au­to­ri­tä­ten be­nö­ti­gen, die nicht auf die Gunst des Pu­bli­kums schie­len.

  14. Auch wenn ein­zel­ne Vo­ka­beln dra­stisch ge­wählt wa­ren: Letzt­lich hat­te von Weiz­säcker recht, was die Macht­ver­ses­sen­heit der Par­tei­en an­geht. Die Bei­spie­le las­sen sich mü­he­los wei­ter­spin­nen bis in die heu­ti­ge Zeit. Par­tei­en ar­bei­ten lt. GG an der po­li­ti­schen Mei­nungs­bil­dung mit. Aber sie be­trei­ben es nicht aus­schließ­lich. Ich fin­de nicht, dass er dem and ge­scha­det, eher im Ge­gen­teil. Dass er kei­ne Al­ter­na­ti­ven auf­ge­legt hat, lag/liegt auch dar­in, dass die Selbst­rei­ni­gungs­kraft der po­li­ti­schen Klas­se na­tur­ge­mäß sehr be­grenzt ist. Da­her kri­ti­sie­ren auch fast im­mer Po­li­ti­ker, die am En­de ih­rer Kar­rie­re sind das Sy­stem – sie ha­ben ent­we­der al­les er­reicht oder brau­chen es nicht mehr.

    Ich glau­be auch nicht, dass von Weiz­säcker auf die Ak­kla­ma­ti­on durch das Pu­bli­kum ge­schielt hat – Bei­spiel: Re­de zum 8. Mai 1985. Die Kern­aus­sa­ge die­ser Re­de – der 8. Mai als Tag der Be­frei­ung – war da­mals bei sehr vie­len Par­tei­freun­den höchst um­strit­ten.

    Dass ins­be­son­de­re Ro­man Her­zog und jetzt Köh­ler auf den Zug des »Bür­ger­prä­si­den­ten« auf­ge­sprun­gen sind, darf man von Weiz­säcker nicht an­la­sten. Es gibt es Un­ter­schied zwi­schen op­por­tu­ni­sti­schem Re­den und Re­den aus ei­ner ge­wis­sen Über­zeu­gung her­aus. Da war es eben eher un­glaub­wür­dig, wenn ein ehe­ma­li­ger IWF-Boss den Ka­pi­ta­lis­mus zäh­men will, oh­ne bei­spiels­wei­se auch die Feh­ler der Ver­gan­gen­heit ak­tiv ein­zu­be­zie­hen in sei­ne Be­trach­tun­gen. Und Her­zogs »Ruck-Re­de« war so ge­schickt ge­hal­ten, dass je­der mit dem Fin­ger auf an­de­re zei­gen konn­te.

    Im Ver­hält­nis zu Lüb­ke, Scheel und Car­stens (al­le­samt mehr oder we­ni­ger über­for­der­te Amts­trä­ger) war Köh­ler al­ler­dings noch ei­ni­ger­ma­ßen pas­sa­bel.

  15. Sor­ry, Herr Vieh­rig...
    das, was Sie da auf­li­sten sind kei­ne Lü­gen (ich emp­feh­le Ih­nen da­zu die ein­schlä­gi­gen De­fi­ni­tio­nen), son­dern Frau vdL stellt Be­haup­tun­gen auf, die Ih­rer Mei­nung nach nicht zu­tref­fen. Wenn Sie die­sen klei­nen, aber fei­nen Un­ter­schied nicht ken­nen soll­ten, spricht das Bän­de.

    Um Ih­rer Dar­stel­lung des Schver­halts ei­ne hö­he­re Wir­kung zu ver­schaf­fen, müs­sen Sie die Mei­nung der Po­li­ti­ke­rin (die ja durch­aus falsch sein kann) her­un­ter­ma­chen. Noch­mals sor­ry, aber das ist dem­ago­gisch. Da wun­dern Sie sich, dass man Blog­ger nicht ernst nimmt?

    Wenn ich bei­spiels­wei­se sa­ge, der EIn­satz in Af­gha­ni­stan ist not­wen­dig, um den Ter­ro­ris­mus in der Welt zu be­gren­zen, ist dies auch kei­ne Lü­ge, son­dern ei­ne Be­haup­tung. Die­ser kann man zu­stim­men oder man kann sie wi­der­le­gen. Man darf sie aber nicht de­nun­zie­ren, nur weil sie ei­nem nicht passt.

    Sie ver­ren­nen und ver­bei­ßen sich da auf ei­ne Per­son, die Ih­nen sehr un­sym­pa­thisch sein muß. Emo­tio­nen sind al­ler­dings nie gu­te Rat­ge­ber (ich weiß, wo­von ich re­de), soll­ten aber in öf­fent­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen un­ter­blei­ben. Die Tat­sa­che, dass die da­mals be­schlos­se­nen (und nie um­ge­setz­ten) Maß­nah­men von vdL und dem da­ma­li­gen Ka­bi­nett un­zu­rei­chend wa­ren, lässt nicht per se den Schluß zu, dass sie falsch sind. Und Sie ver­schlie­ßen ver­mut­lich Ih­re Haus­tür, ob­wohl Sie wis­sen, dass man da mit ent­spre­chen­dem Ma­te­ri­al ein­bre­chen kann.

    Die In­itia­ti­ven der da­ma­li­gen Bun­des­re­gie­rung war auf den Ef­fekt kon­zi­piert – kei­ne Fra­ge. Aber statt sich ar­gu­men­ta­tiv ein­zu­brin­gen, wer­den die rhe­to­ri­schen Keu­len ge­schwun­gen. Dar­in spie­gelt sich das Ge­fühl der Ohn­macht, wel­ches man je­doch sel­ber er­zeugt, in dem man sich so ver­hält. Als ich zur Schu­le ging, gab es ei­nen Mit­schü­ler, der jeg­li­che ver­ba­le Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­nem ge­ziel­ten Tritt in die Weich­tei­le be­ant­wor­te­te. Das Er­geb­nis war, dass ir­gend­wann nie­mand mehr mit ihm sprach.

    Ich fra­ge mich, was pas­siert wä­re, wenn ir­gend je­mand mit die­sen maß­nah­men statt ge­gen Kin­der­por­no­gra­fie ge­gen Na­zis im Netz vor­ge­gan­gen wä­re – das vol­le Pro­gramm: Stop-Schild, Pro­vi­der-Ver­trag, usw. Wie wä­re da die Re­ak­ti­on der sich so pro­gres­siv ge­ben­den »Netz­ge­mein­de« ge­we­sen?


    Hin­weis: Die­sen Kom­men­tar las­se ich ste­hen. Wei­te­re Kom­men­ta­re mit der Vo­ka­bel Lü­ge oder Lüg­ne­rin in Be­zug auf ir­gend­ei­ne ei­ne Per­son, wer­den so­fort ge­löscht.

    [EDIT: 2010-06-04 08:30]

  16. Von Weiz­säcker
    Vie­les von dem, was v.W. über die Par­tei­en äu­ßer­te, war in­halt­lich rich­tig oder zu­min­dest dis­kus­si­ons­wür­dig. Aber auch Stamm­tisch­pa­ro­len über »die Po­li­ti­ker« tref­fen bis­wei­len ins Schwar­ze. Eben­so un­glaub­wür­dig wie Köh­ler als Ka­pi­ta­lis­mus­kri­ti­ker war der ehe­ma­li­ge Par­tei­po­li­ti­ker v.W. als Par­tei­en­kri­ti­ker. Zu­min­dest hät­te man ei­ne dif­fe­ren­zier­te Be­trach­tung der ei­ge­nen Rol­le in den ent­spre­chen­den Macht­struk­tu­ren er­war­ten kön­nen. V.W.s Schel­te war – mit Ver­laub – selbst­ge­recht, un­red­lich und wohl­feil. Sie ge­schah mei­nes Er­ach­tens nicht aus Über­zeu­gung, wie Sie ver­mu­ten, son­dern in dem Be­wusst­sein, in der öf­fent­li­chen oder zu­min­dest der ver­öf­fent­lich­ten Mei­nung da­mit punk­ten zu kön­nen (letzt­lich al­so aus Ei­tel­keit).
    V.W.s Re­fle­xio­nen zum 8.5.85 bil­de­ten si­cher die Stern­stun­de sei­ner Amts­zeit. Zwei­fel­los war die Auf­fas­sung der deut­schen Kriegs­nie­der­la­ge als Be­frei­ung da­mals noch nicht All­ge­mein­gut, so­mit ak­ti­vier­te das Wort des Bun­des­prä­si­den­ten den öf­fent­li­chen Dis­kurs in Rich­tung ei­nes an­ge­mes­se­ne­ren Ge­schichts­bil­des. Gleich­wohl bin ich auch in die­sem Zu­sam­men­hang der Mei­nung, dass v.W. sehr ge­nau an­ti­zi­pier­te, wel­che (zu­stim­men­den) Re­ak­tio­nen sei­ne Äu­ße­run­gen in den Me­di­en aus­lö­sen wür­den. Da­für nahm er die Ab­leh­nung aus den Rei­hen der Uni­on in Kauf.
    Las­sen Sie es mich so sa­gen: V.W. war ein Me­di­en­prä­si­dent, der ziem­lich ge­nau wuss­te, wie er die Ak­kla­ma­ti­on des Jour­na­li­sten­stan­des er­lan­gen konn­te. Da­durch und durch die in­fol­ge sei­ner Be­mer­kun­gen ra­sant um sich grei­fen­de und bis heu­te an­hal­ten­de Dis­qua­li­fi­zie­rung der clas­se po­li­tique hat er den Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stil nicht nur sei­ner Nach­fol­ger we­sent­lich ge­prägt: Mit dem Er­geb­nis, dass wir jetzt ei­ne Bun­des­kanz­le­rin ha­ben, die zwar ei­ne der ab­ge­klär­te­sten Macht­po­li­ti­ke­rin­nen ist, die die Bun­des­re­pu­blik je hat­te, die sich aber vor den Ka­me­ras als ei­ne Art für­sorg­lich-schlich­ten­de Mut­ter der Na­ti­on ver­kauft.

  17. Ein­wurf
    Mit dem Er­geb­nis, dass wir jetzt ei­ne Bun­des­kanz­le­rin ha­ben, die zwar ei­ne der ab­ge­klär­te­sten Macht­po­li­ti­ke­rin­nen ist, die die Bun­des­re­pu­blik je hat­te, die sich aber vor den Ka­me­ras als ei­ne Art für­sorg­lich-schlich­ten­de Mut­ter der Na­ti­on ver­kauft.

    Aber ir­gend­wie doch auch Auf­ga­be al­ler Po­li­ti­ker: Mehr­hei­ten und Macht zu or­ga­ni­sie­ren, letz­te­re auch aus­zu­üben

  18. @Metepsilonema
    Ja, klar, aber es darf nicht nur um der Macht wil­len Macht exi­stie­ren. Sie muss auch – so­zu­sa­gen – aus­ge­führt wer­den. Und das ge­schieht viel zu sel­ten – al­ler­dings mehr, als man ge­mein­hin von Mer­kel denkt. Das »Wachs­tums­be­schleu­ni­gungs­ge­setz«, die Hil­fen für Grie­chen­land (bzw. den Ban­ken, de­nen Grie­chen­land Geld schul­det), der Eu­ro-Fonds – das al­les sind ja Ent­schei­dun­gen. Für die mei­sten aber die fal­schen.

  19. @Zehner / über von Weiz­säcker
    Dass mit dem »Me­di­en­prä­si­den­ten« ist mir zu hart. Viel­leicht be­griff er sich aber tat­säch­lich als Ge­gen­ge­wicht zum im­mer prä­si­den­tia­ler (und ar­ro­gan­ter) wer­den­den Kohl. Und die Re­de zum 8.5. war da­mals durch­aus ein Ri­si­ko.

  20. Viel­leicht soll­te man bes­ser von Macht­men­schen, als von Macht­po­li­ti­kern spre­chen, das scheint mir an­ge­mes­se­ner und sau­be­rer, weil es sich bei dem Kri­ti­sier­ten ja um ei­nen per­sön­li­chen Zug han­delt, und Po­li­ti­ker da­ge­gen ei­ne Be­rufs­be­zeich­nung ist.

  21. Wo­bei: Ein Macht­mensch, der ein Po­li­ti­ker ist, ist auch mei­stens ein Macht­po­li­ti­ker. Wo­bei Macht an sich na­tür­lich im­ma­nent ist. Man soll­te da­her tat­säch­lich von ei­nem »macht­ver­ses­se­nen« Po­li­ti­ker spre­chen. Das ist Mer­kel zwei­fel­los.

  22. Ja, ir­gend­wie auf die­se Art und Wei­se, je­den­falls ge­hö­ren Macht und Politik(er) zu­sam­men. Es fällt dann auf, wenn Ent­schei­dun­gen die von Macht(positionen) aus ge­trof­fen wer­den, nicht der Sa­che und dem Po­si­ti­ons­er­halt die­nen, son­dern aus­schließ­lich letz­te­rem. Wolf­gang Schüs­sel wä­re ei­ne Bei­spiel aus Öster­reich. Wo­bei Mer­kel das gut ka­schiert, mir ist das bis­lang kaum auf­ge­fal­len.

  23. @ GK:
    Gut, dass Sie Kohl er­wäh­nen. Ein Teil des Weizsäcker’schen Flui­dums be­ruh­te wohl auch auf dem Kon­trast zu dem in der Me­di­en­kom­mu­ni­ka­ti­on ziem­lich un­ge­schick­ten Re­gie­rungs­chef.

    @ Met.:
    Na­tür­lich soll und darf die Kanz­le­rin Macht aus­üben. Aber ei­ne ge­wis­se Pu­bli­zi­tät, die ich bei Mer­kel ver­mis­se, wä­re da­bei durch­aus wün­schens­wert. Un­denk­bar, dass Mer­kel – so wie et­wa Schrö­der – die Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz des Kanz­lers ins Feld führt; un­denk­bar, dass Mer­kel ei­nen um­strit­te­nen Ge­setz­ent­wurf ve­he­ment ver­tei­digt und nicht den (für die Er­ar­bei­tung des Ent­wurfs frei­lich zu­stän­di­gen) Fach­mi­ni­ster als Prell­bock vor­schickt; un­denk­bar, dass Mer­kel par­tei- oder ko­ali­ti­ons­in­ter­ne Strei­tig­kei­ten nicht nach Art ei­nes Schieds­rich­ters ent­schei­det, son­dern sich klar und deut­lich auf ei­ner Sei­te po­si­tio­niert.
    Die­se Un­sicht­bar­keit der Macht­aus­übung steht in kras­sem und ir­gend­wie be­äng­sti­gen­den Wi­der­spruch zu der Sinn­fäl­lig­keit ih­res Er­folgs: Das »Mäd­chen« (O‑Ton Kohl) aus dem Osten hat es ge­schafft, sämt­li­che CDU-Platz­hir­sche um ihr Ge­weih zu brin­gen. Jetzt hat auch Koch das Hand­tuch ge­wor­fen (viel­leicht kehrt er zu­rück, wenn Mer­kel mal so un­trag­bar wird wie Kohl in den letz­ten Jah­ren sei­ner Amts­zeit bzw. wenn die­se Un­trag­bar­keit auch in der Uni­on wahr­ge­nom­men wird), und Wulff wird ins Schloss Bel­le­vue weg­ge­lobt, wo­durch er für die all­täg­li­che Macht­po­li­tik gleich­sam ver­brannt ist.

    —-

    Zu Gaucks Kan­di­da­tur möch­te ich mich ei­gent­lich auch noch äu­ßern. (Das kön­nen Sie jetzt als Dro­hung oder als Ver­spre­chen be­trach­ten.) Aber nicht heu­te, da­für bin ich schon zu mü­de.

  24. @Zehner
    Mög­lich dass ich da jetzt in ei­ne gen­der-Gru­be stol­pe­re, aber kann es nicht auch sein, dass Mer­kel als Frau Macht an­ders, al­so sub­ti­ler und ver­deck­ter aus­übt, als wir es von Män­nern (die meist die be­deu­ten­den po­li­ti­schen Rol­len be­set­zen) ge­wohnt sind?

  25. @Metepsilonema
    Zeh­ner hat mit der Cha­rak­te­ri­sie­rung von Mer­kels Po­li­tik­si­mu­la­ti­on voll­kom­men recht. Da­bei ist das Zö­gern und Ab­war­ten viel­leicht noch nicht ein­mal das Schlimm­ste. Noch schlim­mer ist, dass sie tat­säch­lich für ih­re so zö­ger­lich ge­trof­fe­ne­nen Ent­schei­dun­gen kaum ein­tritt und Rück­grat zeigt. Wir wer­den dies se­hen, wenn die Kri­ti­ken auf das so­ge­nann­te Spar­pro­gramm nie­der­pras­seln. Noch ist sie ja stand­haft und kürzt bei Bil­dung und For­schung nicht. Aber was, wenn die zahl­rei­chen Luft­bu­chun­gen des Pro­gramms sich als sol­che ent­pup­pen? Dann ha­ben wir ganz schnell die Wen­dun­gen.

    Schrö­der wur­de ja – m. E. zu Un­recht – als »Basta«-Kanzler ge­brannt­markt. Das war er nur am En­de. Zu Be­ginn hat er durch­aus ver­sucht mit run­den Ti­schen und Ge­sprä­chen Ge­dan­ken zus am­meln und sich selbst dar­in zu über­prü­fen. Er hat nur fest­ge­stellt, dass man es ir­gend­wann nie­man­dem recht ma­chen kann und dann kam das be­rühmt-be­rüch­tig­te »Ba­sta«. Dies ei­nem Bun­des­kanz­ler vor­zu­wer­fen, war na­tür­lich Un­sinn – schließ­lich hat er Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz und auch durch­aus Gren­zen, die er nicht be­reit ist, zu ver­las­sen. Eben die­se Gren­zen er­kennt man bei Mer­kel nicht.

    Ich weiß nicht, ob man mit der Ge­schlech­ter­fra­ge da wirk­lich wei­ter­kommt. Weil Mer­kel ja in punk­to Macht­in­stinkt durch­aus »männ­lich« agiert, ver­mag ich das zö­ger­li­che Re­gie­ren nicht als weib­lich zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Sie hat in­ner­halb ih­rer Par­tei tat­säch­lich in zehn Jah­ren CDU-Vor­sitz das ge­schafft, wo­zu Kohl viel län­ger brauch­te: Sie hat kei­nen Ri­va­len mehr, der ihr »ge­fähr­lich« wer­den könn­te. Das hat aber auch den Nach­teil, dass es kei­nen Kron­prin­zen (oder Kron­prin­zes­sin) gibt – au­ßer schwa­che Fi­gu­ren.

  26. @Gregor
    Ich woll­te sei­ner Cha­rak­te­ri­sie­rung gar nicht wi­der­spre­chen, es ging mir eher um ei­ne Ur­sa­che.

    Auch der In­stinkt wi­der­spricht da nicht un­be­dingt, son­dern es geht um die Art der Aus­übung, und da hält sich Mer­kel schon sehr be­deckt bzw. ver­deckt. Das Zö­ger­lich, da hast Du recht, kommt »wo­an­ders« her.

  27. @Metepsilonema
    Ja, das Zö­ger­li­che wird auf­grund ih­rer DDR-So­zia­li­sa­ti­on an­ge­nom­men. Ich ken­ne das aber auch von Men­schen, die mit der DDR rein gar nichts zu tun hat­ten.

    Das Zö­ger­li­che un­ter­schei­det sie dann eben doch von Kohl, der we­nig­stens ei­ne Vi­si­on hat­te (Eu­ro­pa). Mer­kel hat nichts.

  28. Das Mer­kel im Mo­ment nichts hat, ist kaum zu über­se­hen, aber hat­te sie nicht mal et­was? Zu­min­dest mei­ne ich mich an ei­ne an­de­re Mer­kel zu er­in­nern (Kli­ma-En­ga­ge­ment, Eu­ro­pa usw.). Oder ha­ben sich jetzt nur be­stimm­te Ei­gen­schaf­ten ver­stärkt, die oh­ne­hin da wa­ren?

  29. @Metepsilonema
    Gu­te Fra­ge. Mei­ne sub­jek­ti­ve Ant­wort: Sie hat­te nur ganz am An­fang »et­was«. Das war der Leip­zi­ger Par­tei­tag, als Fried­rich Merz die markt-li­be­ra­le CDU for­mu­lier­te und Mer­kel dies mit­trug. Die­ser Ar­ti­kel trifft die Stim­mung da­mals ja sehr gut. Die so­ge­nann­te »Kopf­pau­scha­le« im Ge­sund­heits­we­sen war ja sehr wohl ein­mal CDU-Pro­gram­ma­tik. Spä­te­stens 2005, als sie mit Kirch­hof als Gal­li­ons­fi­gur bei der Bun­des­tags­wahl fast ge­schei­tert wä­re, hat sie sich von al­len Pro­jek­ten ver­ab­schie­det.

    Die von Dir an­ge­spro­che­nen Fel­der be­ar­bei­tet sie rein nach Agan­da – oh­ne Lei­den­schaft. ei­gent­lich han­delt sie wie ein bes­se­rer Be­am­ter, der Pro­blem­fel­der er­kennt und notwdürf­tig flickt. Der Be­am­te kann na­tür­lich nichts ver­än­dern, son­dern ist nur aus­füh­ren­des Or­gan. Mer­kel führt letzt­lich nur das aus, was klein­ster ge­mein­sa­mer Kon­sens in der je­wei­li­gen Ko­ali­ti­on ist. Das ging in der gro­ßen Ko­ali­ti­on gut, weil sie ge­schickt die schlech­ten Nach­rich­ten der SPD über­ließ. Jetzt, als sie sel­ber Ak­zen­te set­zen muss, ver­sagt sie (ich wäh­le die­ses Wort sehr be­wußt). Das be­gann schon bei den Ko­ali­ti­ons­ver­hand­lun­gen, als die CDU als ein­zi­ge Par­tei prak­tisch kei­ne Pro­gram­ma­tik ein­brach­te (im Ge­gen­satz zur CSU und na­tür­lich der FDP – man mag da­zu je ste­hen, wie man will).

  30. Zu Mer­kel: Ich bin si­cher­lich gänz­lich un­ver­däch­tig, ih­re Par­tei oder ih­re po­li­ti­schen Über­zeu­gun­gen zu mö­gen. Aber ich glau­be, ihr größ­tes Pfund ist, dass sie stän­dig un­ter­schätzt wird. Das ist bei ih­rem Auf­stieg zur CDU-Che­fin und zur Bun­des­kanz­le­rin ih­ren Kon­kur­ren­ten so ge­gan­gen und das pas­siert hier in der Dis­kus­si­on wie­der. Ich hal­te sie hin­ge­gen für ei­nes der größ­ten po­li­ti­schen Ta­len­te, man be­merkt ih­re In­tel­li­genz an ih­rer Spra­che. Bei Kohl hat­te ich die­sen Ein­druck nie, al­len­falls Schäub­le kann es heu­te mit ihr auf­neh­men.

    Ich weiß nicht ge­nau, ob man da­für (m)eine ost­deut­sche So­zia­li­sa­ti­on braucht, um ih­re Spra­che zu de­ko­die­ren, aber ich ken­ne kei­nen an­de­ren Po­li­ti­ker (au­ßer Gy­si na­tür­lich, und der hat sein Hand­werk auch in der DDR ge­lernt), der so ge­nau Fra­gen ver­steht und be­ant­wor­tet. Sie be­ant­wor­tet sie tat­säch­lich, auch wenn vie­le das nicht so se­hen. Bei den mei­sten an­de­ren Po­li­ti­kern ha­be ich hin­ge­gen den Ein­druck, dass sie die an sie ge­stell­ten Fra­gen nicht ver­ste­hen und statt­des­sen vor­ge­fer­tig­te Text­blöcke aus dem Ge­dächt­nis re­zi­tie­ren.

  31. @Gregor/Köppnick
    Dan­ke für den Link. Mer­kel wur­de mit Si­cher­heit ei­ni­ge Zeit lang un­ter­schätzt, aber ich ha­be (als Be­ob­ach­ter am Ran­de) schon den Ein­druck, dass sich et­was an ihr bzw. ih­rem Auf­tre­ten ver­än­dert hat – im­mer wei­ter zu dem was Gre­gor und Zeh­ner oben be­schrie­ben ha­ben (auch wenn ich nicht in je­der Hin­sicht zu­stim­me).

    Kohl war doch – auch das ist jetzt mehr Ra­te­spiel – eher »In­stinkt­po­li­ti­ker«, oder? Ich glau­be aber, dass In­tel­li­genz nicht un­be­dingt ein Wi­der­spruch zu dem dia­gno­sti­zier­ten Feh­len von Vi­sio­nen, zu Zö­ger­lich­keit etc. ste­hen muss.

    @Köppnick
    Was ge­nau macht für Dich po­li­ti­sches Ta­lent noch aus? In­tel­li­genz al­lei­ne ist ja nicht al­les.

  32. Po­li­ti­sches Ta­lent: Zu­nächst mal ist das Tem­po, mit dem sie es von ei­ner Un­be­kann­ten zur Bun­des­kanz­le­rin ge­schafft hat, Be­leg da­für. Und dann ge­nau das, was vie­le an ihr kri­ti­sie­ren: Dass sie nicht mit ei­ge­nen Vor­schlä­gen vor­prescht, son­dern dass sie an­de­re ma­chen lässt und sich spä­ter dem an­schließt, was sich be­währt (was sich durch­ge­setzt) hat. Sie ist gleich­zei­tig Che­fin und Team­spie­le­rin. Ein Bun­des­kanz­ler ist eben kein Mon­arch und Au­ti­sten an der Spit­ze ir­gend­wel­cher Or­ga­ni­sa­tio­nen hat es schon ge­nug.

    Al­les an­de­re, das man ihr vor­wirft, näm­lich dass sie vie­le Pro­ble­me nicht ent­schlos­sen an­packt und löst, ist gar nicht ihr Feh­ler, son­dern ei­ne Ei­gen­schaft die­ser Pro­ble­me. Es gibt über­haupt kei­ne Lö­sun­gen die­ser Pro­ble­me, die nicht von ei­ner der be­trof­fe­nen Grup­pen tor­pe­diert wür­den. So muss man auf ei­ne wei­te­re Ver­schär­fung war­ten, bis der Lei­dens­druck noch grö­ßer ge­wor­den ist und auch die größ­ten Blockie­rer als sol­che da­ste­hen und für ih­nen un­an­ge­neh­me­nen Lö­sun­gen zu­stim­men.

  33. @Köppnick
    Na­tür­lich der Bun­des­kanz­ler kein Mon­arch. Aber er (sie) ist je­mand, der – das steht tat­säch­lich im Grund­ge­setz – die Richt­li­ni­en­kom­pe­tenz wahr­zu­neh­men hat. Ei­ne ge­wis­se Fe­stig­keit und Stim­mig­keit in der Po­li­tik ist da­für Vor­aus­set­zung. Wenn man sich je­doch da­nach ori­en­tiert, was mehr­heits­fä­hig ist, kommt na­tür­lich kei­ne Strin­genz auf.

    Ich wi­der­spre­che auch der The­se, dass die Pro­ble­me Ent­schei­dun­gen nicht zu­las­sen. Das Ge­gen­teil ist rich­tig. Mei­ne Er­fah­rung mit ent­schei­dungs­schwa­chen Per­so­nen (in der Wirt­schaft): Man dä­mo­ni­siert die Pro­ble­me und hat dann ei­ne Aus­flucht für sei­ne In­dif­fe­renz. Ein Kanzler/Kanzlerin, der sich nicht mit den Lob­by­grup­pen an­le­gen kann und will, soll es bes­ser gleich las­sen.

    Ein schö­nes Bei­spiel für die­se In­dif­fe­renz die­ser Ta­ge: Der FDP-Wirt­schafts­mi­ni­ster lehnt Fi­nanz­ga­ran­tie­ren für Opel/GM ab. Mer­kel hat­te sich vor­her schon po­si­tio­niert und im­mer wie­der be­tont, sie set­ze sich für Opel ein. War­um im­ple­men­tiert sie dann ein gre­mi­um, dass dem Eirt­schafts­mi­ni­ster die Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz zu­kom­men lässt – ei­nem Mi­ni­ster, von dem sie weiss, dass er sich ge­gen ih­re Zu­sa­gen stellt?

    In­zwi­schen ha­ben wir meh­re­re Re­gie­run­gen in ei­ner Re­gie­rung. Ei­ne nimmt Rück­sicht auf die FDP, die schon in zwei Po­li­tik­fel­dern des­avou­iert wur­de (Steu­er­sen­kun­gen und Ge­sund­heits­po­li­tik). Die an­de­re ge­riert sich als So­zi­al­de­mo­kra­tie in der Uni­on. Zwi­schen die­sen Flü­geln la­viert Mer­kel. Die la­viert, aber sie führt nicht. Ge­nau das müss­te sie.

    Dass das mit ihr al­les schnell ging: ge­schenkt. Nie­mand hat sie ge­zwun­gen, der­ar­ti­ge Po­si­tio­nen an­zu­neh­men und an­zu­stre­ben. Wenn man die­sen nicht ge­wach­sen ist, soll­te man ge­hen. Sie hat in den letz­ten Wo­chen ge­se­hen, wie man das ma­chen kann (Koch) oder auch nicht macht (Köh­ler). Aber sie wird ih­rem gro­ßen Vor­bil Kohl nach das al­les aus­sit­zen. Zum Scha­den des Lan­des.

  34. Zen­tra­le Lü­gen der von der Ley­en
    Auf Wunsch ei­nes ein­zel­nen Her­ren hier noch­mal ei­ne Über­sicht zen­tra­ler Lü­gen von der Ley­ens (un­voll­stän­di­ge Auf­zäh­lung):

    Lü­ge 1:

    [Das] kon­se­quen­te Vor­ge­hen ge­gen die Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie [ist] ei­ne un­be­ding­te Not­wen­dig­keit, denn das In­ter­net darf dies­be­züg­lich kein rechts­frei­er Raum sein.

    Rich­tig ist:
    Das In­ter­net ist kein »rechts­frei­er Raum«, schon gar über­haupt nicht dies­be­züg­lich.

    Lü­ge 2:

    Der Groß­teil der Kin­der­por­no­gra­phie im Be­reich des World-Wi­de-Web wird mitt­ler­wei­le über kom­mer­zi­el­le Web­sei­ten ver­brei­tet.

    Rich­tig ist:
    Es gibt kei­nen Mas­sen­markt und auch kei­nen kom­mer­zi­el­len Ver­trieb, es gibt des wei­te­ren auch kei­ne Mil­lio­nen­um­sät­ze. Es han­delt sich fast aus­schließ­lich um Ein­zel­tä­ter, die in ge­schlos­se­nen Zir­keln tau­schen, zu­meist auch gänz­lich au­ßer­halb des In­ter­nets (Post, Han­dy). Es gibt kei­ne kom­mer­zi­ell ge­ho­ste­te Kin­der­por­no­gra­phie im WWW.

    Lü­ge 3:

    Nur ein ge­rin­ger An­teil der Kin­der­por­no­gra­phie wird über deut­sche Ser­ver ver­brei­tet.

    Rich­tig ist:
    Der Haupt­teil der ge­schlos­se­nen Zir­kel wird in Deutsch­land ge­ho­stet.

    Lü­ge 4:

    So­bald Kennt­nis von Dar­stel­lun­gen des se­xu­el­len Miß­brauchs auf deut­schen Web­sites oder Ser­vern be­steht, geht die Po­li­zei ge­gen den An­bie­ter der In­hal­te vor, ver­an­laßt über den Host­pro­vi­der die Lö­schung und wer­tet Ver­bin­dungs­da­ten aus.

    Rich­tig ist:
    Be­nutzt man die Sperr­li­sten an­de­rer Län­der, bei de­nen Deutsch­land auf Platz 4 des glo­ba­len Ho­stings von blockier­ten Sei­ten steht und sucht sich mal wirk­lich il­le­ga­les Ma­te­ri­al (was dort sel­ten ge­nug ist) her­aus, so er­folgt die Lö­schung nach Hin­weis an den Pro­vi­der um­ge­hend. Die­se Li­sten sind den deut­schen Er­mitt­lungs­be­hör­den be­kannt, je­doch blie­ben die Ser­ver mehr als ein Jahr wei­ter on­line.

    Lü­ge 5:

    Wenn kin­der­por­no­gra­phi­sche An­ge­bo­te von Aus­län­dern oder im Aus­land be­trie­ben wer­den, wer­den zu­stän­di­ge Be­hör­den und Be­schwer­de­stel­len im je­wei­li­gen Land in­for­miert und um ver­gleich­ba­re Maß­nah­men der Tä­ter­er­mitt­lung oder Be­sei­ti­gung des Ver­sto­ßes ge­be­ten.

    (Um­keh­rung Lü­ge 4)

    Rich­tig ist:
    Es gibt of­fen­bar kei­nen ge­gen­sei­ti­gen In­for­ma­ti­on­aus­tausch der je­wei­li­gen Staa­ten.

    Lü­ge 6 Das fol­gen­de stimmt (!) :

    Bun­des­kri­mi­nal­amt und die Lan­des­kri­mi­nal­äm­ter lei­sten im In­land her­vor­ra­gen­de Ar­beit.

    Rich­tig ist:
    Das ist ei­ner we­sent­li­chen Grün­de, war­um die Tä­ter nur in ge­schlos­se­nen Zir­keln agie­ren.

    Nun aber: Lü­ge 6:

    Trotz al­ler na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len An­stren­gun­gen blei­ben vie­le Kin­der­por­no­gra­phie-Sei­ten im Netz ver­füg­bar. Es ge­lingt in vie­len Staa­ten nicht, Be­trei­ber kin­der­por­no­gra­phi­scher An­ge­bo­te (sog. Con­tent-Pro­vi­der) haft­bar zu ma­chen oder ih­nen die Platt­form (über sog. Host-Pro­vi­der) zu ent­zie­hen.

    Rich­tig ist:
    In ei­nem Ver­such des AK-Zen­sur an­hand der be­kannt­ge­wor­de­nen Sperr­li­sten an­de­rer Län­der ha­ben al­le Ho­ster zeit­nah re­agiert. In­ner­halb von 12 Stun­den wur­den 60 Web­auf­trit­te ge­löscht.

    a) Die er­sten Re­ak­tio­nen bzw. Lö­schun­gen er­folg­ten be­reits nach we­ni­gen Mi­nu­ten und ka­men un­ter an­de­rem aus den USA, Hol­land, Dä­ne­mark, Russ­land so­wie Deutsch­land.

    b) Drei der jetzt vom Netz ge­nom­me­nen Web­auf­trit­te be­fan­den sich auf Ser­vern in Deutsch­land.

    c) Ins­ge­samt wur­den au­to­ma­ti­siert 348 ver­schie­de­ne Pro­vi­der in 46 Län­dern an­ge­schrie­ben und über rund 1943 ge­sperr­te, vor­geb­lich il­le­ga­le Web­sei­ten in­for­miert. Ei­ne ma­nu­el­le in­halt­li­che Ana­ly­se der Web­sei­ten hat vor­her nicht statt­ge­fun­den. (Da dies in Deutsch­land il­le­gal ist!)

    d) 250 Pro­vi­der ha­ben auf die An­fra­ge ge­ant­wor­tet, ha­ben aber haupt­säch­lich le­ga­le In­hal­te ge­fun­den; mit Stich­pro­ben konn­ten die­se An­ga­ben be­stä­tigt wer­den.

    e) Zehn Pro­vi­der ga­ben an, in­ge­samt 61 il­le­ga­le In­hal­te ent­fernt zu ha­ben. Mit ei­ner ein­fa­chen E‑Mail er­reicht man al­so zu­meist schon viel.

    f) Bei der über­wie­gen­den Mehr­heit der Web­sei­ten, dar­un­ter ei­ni­gen aus Deutsch­land, zeig­te sich bei der Über­prü­fung durch den Pro­vi­der, dass die Web­sei­ten kein kin­der­por­no­gra­phi­sches, teils über­haupt kein ir­gend­wie be­an­stand­ba­res Ma­te­ri­al ent­hiel­ten – die Web­auf­trit­te wa­ren folg­lich fälsch­lich ge­sperrt. In Finn­land wer­den zu­dem auch meh­re­re in­län­di­sche Web­sei­ten blockiert, die sich kri­tisch mit den dor­ti­gen In­ter­net-Sper­ren aus­ein­an­der­set­zen.

    g) Die Pro­vi­der wur­den bis­lang nicht dar­über in­for­miert, dass die bei ih­nen ge­ho­ste­ten Web­auf­trit­te auf ein­schlä­gi­gen Sperr­li­sten ge­führt wur­den.

    h) Wenn sie dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, sind die Pro­vi­der zur Ko­ope­ra­ti­on be­reit und ent­fer­nen il­le­ga­le In­hal­te um­ge­hend.

    i) Teil­wei­se han­del­te es sich bei dem ge­sperr­ten Ma­te­ri­al um »ge­crack­te« Web­auf­trit­te, al­so sol­che, die durch Aus­nut­zen von Si­cher­heits­lücken zur Ver­brei­tung frem­den Ma­te­ri­als miß­braucht wur­den. Auch hier zeig­ten sich die Pro­vi­der sehr dank­bar für die Hin­wei­se.

    Die Ab­schal­tung von Web­auf­trit­ten mit kin­der­por­no­gra­phi­schen In­hal­ten dau­ert nicht län­ger als die Über­mitt­lung ei­ner Sperr­li­ste. Dies führt die Ar­gu­men­ta­ti­on der Be­für­wor­ter des blo­ßen Sper­rens ad ab­sur­dum – es gibt kei­nen sach­li­chen Grund, straf­ba­re In­hal­te im Netz zu be­las­sen und sie für al­le ein­schlä­gig In­ter­es­sier­ten mit mi­ni­ma­lem Auf­wand wei­ter­hin zu­gäng­lich zu hal­ten.

    Lü­ge 7 (Va­ria­ti­on von Lü­ge 2):

    Die der­zei­ti­ge Dis­kus­si­on um die Er­schwe­rung des Zu­gangs zu kin­der­por­no­gra­phi­schen In­hal­ten be­zieht sich auf an­ge­bo­te­ne Web­sei­ten, auf de­nen die­se In­hal­te ge­werb­lich an­ge­bo­ten wer­den.

    Rich­tig ist:
    Der­ar­ti­ge Sei­ten sind nicht be­kannt. Sie tau­chen in kei­ner der Blocka­de­li­sten ir­gend­wel­cher Staa­ten auf. Die Er­mitt­ler und in dem Feld tä­ti­ge An­wäl­te wis­sen nichts von der­ar­ti­gen Sei­ten.

    Lü­ge 8:

    Es han­delt sich da­bei um ei­ne Form der schwe­ren und or­ga­ni­sier­ten in­ter­na­tio­na­len Kri­mi­na­li­tät, über die das Bun­des­kri­mi­nal­amt im Rah­men sei­ner Zen­tral­stel­len­funk­ti­on In­for­ma­tio­nen sam­melt. Die dort der­zeit vor­han­de­nen In­for­ma­tio­nen be­zie­hen sich auf ca. 1000 sol­cher Web­sei­ten. Die­se Web­sei­ten wer­den der­zeit je­doch nicht auf ge­son­der­ten Li­sten ge­führt.

    Rich­tig ist:
    Es kann sich nur um ei­ne Lü­ge han­deln, an­dern­falls wür­de es be­deu­ten, daß das BKA ge­nau­es über schwe­re or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät weiß, die be­trof­fe­nen Staa­ten aber nicht in­for­miert hat.

    Lü­ge 9:

    Da in der Hälf­te al­ler Län­der Be­sitz und Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie ent­we­der nicht ein­mal un­ter Stra­fe ste­hen oder nicht aus­rei­chend sank­tio­niert wer­den, rei­chen in vie­len Fäl­len po­li­zei­li­che Mit­tel nicht aus.

    Rich­tig ist:
    Der An­teil der Län­der, in de­nen die Rechts­la­ge nicht aus­reicht und trotz­dem für das The­ma Ho­sting im In­ter­net über­haupt in Fra­ge kom­men, ist deut­lich klei­ner als 1%.

    Lü­ge 10:

    Dann bleibt nur die Sper­rung als letz­tes Mit­tel. Ein Vor­ge­hen ge­gen den In­hal­te­an­bie­ter und da­mit ei­gent­lich vor­ran­gig in An­spruch zu neh­men­den Ver­ant­wort­li­chen schei­tert in die­sen Fäl­len dar­an, dass der für die In­hal­te Ver­ant­wort­li­che im Aus­land nie­der­ge­las­sen ist.

    (Wie­der­ho­lung Lü­ge 5)

    Rich­tig ist:
    Ei­ne der­ar­ti­ge ge­gen­sei­ti­ge In­for­ma­ti­on, die zur Er­grei­fung der Tä­ter füh­ren könn­te, wird of­fen­bar ak­tiv un­ter­las­sen.

    Lü­ge 11:

    Zwar ist die In­for­ma­ti­ons­frei­heit in Deutsch­land ein ho­hes Gut mit Ver­fas­sungs­rang. Je­doch geht es hier um die Er­schwe­rung des Zu­griffs auf Web­sei­ten mit kin­der­por­no­gra­phi­schen In­hal­ten. Nach dem Straf­ge­setz­buch sind so­wohl die Ver­brei­tung als auch der Er­werb und Be­sitz von Kin­der­por­no­gra­phie straf­bar.

    Rich­tig ist:
    Die Gleich­set­zung von Kin­des­miß­hand­lung mit se­xu­el­lem Hin­ter­grund mit den Ver­brei­tungs­de­lik­ten bis hin zur Ju­gend­an­schein­spor­no­gra­phie ist ei­ne un­zu­läs­si­ge Ver­mi­schung von Straf­tat­be­stän­den un­ter­schied­li­cher Schwe­re, die in kei­nem Fall ei­nen der­ar­ti­gen Grund­rechts­ein­griff recht­fer­tigt, denn die vor­geb­lich recht­fer­ti­gen­de Straf­tat wird durch den Grund­rechts­ein­griff nicht ver­hin­dert oder auch nur be­ein­träch­tigt, son­dern so­gar vor Straf­ver­fol­gung ge­schützt. An­de­rer­seits dient der Grund­rechts­ein­griff da­zu, die so­wie­so schon nicht öf­fent­lich aus­ge­führ­ten, leich­te­ren Tat­be­stän­de der Ver­brei­tungs­de­lik­te bes­ser vor Er­mitt­lun­gen zu schüt­zen.

    Lü­ge 12:

    Sper­run­gen wer­den seit vie­len Jah­ren er­folg­reich in Nor­we­gen, Dä­ne­mark, Schwe­den, Finn­land, Ita­li­en, Groß­bri­tan­ni­en, der Schweiz, Neu­see­land, Süd­ko­rea, Ka­na­da und Tai­wan durch­ge­führt, über­wie­gend auf der Grund­la­ge frei­wil­li­ger Selbst­ver­pflich­tun­gen.

    Rich­tig ist:
    Die Tat­sa­che, daß ein Land sperrt, ist nur dann als Ar­gu­ment zu­läs­sig, wenn die­se Sper­re in die­sem Land für den vor­lie­gen­den Fall ein Er­folg wä­re. Ist es aber nicht. Kei­nes der Län­der be­zeich­net die Sper­re als Er­folg, im Ge­gen­teil, es be­hin­dert die Er­mitt­lun­gen und be­ein­träch­tigt die Straf­ta­ten gar nicht.

    Lü­ge 13:

    Die jah­re­lan­gen Er­fah­run­gen der Län­der, die be­reits Zu­gangs­sper­ren ein­ge­rich­tet ha­ben, zei­gen, dass das Sy­stem funk­tio­niert

    Wie­der­ho­lung Lü­ge 12

    und täg­lich zehn­tau­sen­de an Zu­grif­fen auf kin­der­por­no­gra­phi­sche An­ge­bo­te ge­blockt wer­den kön­nen.

    Rich­tig ist:
    Be­kann­ter­ma­ßen ent­hal­ten die Sperr­li­sten der an­de­ren Län­der we­ni­ger als 1% der hier ge­plant be­trof­fe­nen Sei­ten, der Rest sind le­ga­le Sei­ten, die oft nichts mit Por­no­gra­phie in je­der Form zu tun ha­ben, son­dern kri­ti­sche po­li­ti­sche In­hal­te ver­brei­ten. Die Ge­samt­zahl der ge­block­ten Zu­grif­fe ist al­so nicht die An­zahl der Zu­grif­fe auf il­le­ga­les Ma­te­ri­al.
    Es wer­den hier al­so Pha­nata­sie­zah­len ge­ne­riert, die be­ein­drucken sol­len. Sie ha­ben nichts mit der Rea­li­tät zu tun. Man könn­te es eher so rech­nen: Die Bun­des­re­gie­rung möch­te 400000 Zu­grif­fe täg­lich auf po­li­tisch kri­ti­sche In­hal­te un­ter­bin­den, al­so im gro­ßen Maß­stab Zen­sur aus­üben.

    Lü­ge 14:

    Ent­schei­dend ist nicht, dass tech­nisch ver­sier­te In­ter­net­nut­zer im­mer We­ge fin­den wer­den, die Sper­ren zu um­ge­hen.

    Rich­tig ist:
    Ge­nau das ist ent­schei­dend. Kri­mi­nel­le Pado­phi­le (al­so Kran­ke, die ih­re Krank­heit nicht be­herr­schen kön­nen – Süch­ti­ge) sind ent­spre­chend »mo­ti­viert«, ei­ne leicht und an­onym zu um­ge­hen­de Sper­re auch tat­säch­lich zu um­ge­hen. Ei­ne An­lei­tung, wie man ei­ne Um­ge­hung be­werk­stel­ligt, fin­det sich über­all im In­ter­net.

    Lü­ge 15:

    Maß­geb­lich ist viel­mehr, dass durch Zu­gangs­sper­ren der Zu­gang für die gro­ße Mas­se der durch­schnitt­lich ver­sier­ten In­ter­net­nut­zer blockiert wird und die har­ten Fäl­le auf Ne­ben­we­ge ge­zwun­gen wer­den. Statt vor den Mög­lich­kei­ten im World-Wi­de-Web zu re­si­gnie­ren, wer­den al­le Mit­tel ge­gen die Ver­brei­tung von Kin­der­por­no­gra­phie ge­nutzt.

    Rich­tig ist:
    Sie­he 2, 6 und 14.

    Lü­ge 16:

    Die Bun­des­re­gie­rung sieht sich des­halb in ih­rer Auf­fas­sung von den Er­fah­run­gen die­ser Län­der dar­in be­stä­tigt, dass Sper­run­gen ein ge­eig­ne­tes Mit­tel sind, die Reich­wei­te von be­kann­ten kin­der­por­no­gra­phi­schen Web­sites zu be­schrän­ken, wenn an­de­re Mit­tel ver­sa­gen.

    Die an­de­ren Län­der ha­ben die Er­fah­rung ge­macht, daß Sper­ren eben kein ge­eig­ne­tes Mit­tel zur Be­kämp­fung der Kin­der­por­no­gra­phie dar­stel­len, da sie die Tä­ter­er­mitt­lung und ‑ver­fol­gung er­schwe­ren.

    Lü­ge 17:

    Da­bei soll­ten Sper­run­gen Be­stand­teil ei­ner Ge­samt­stra­te­gie ge­gen den se­xu­el­len Miss­brauch von Kin­dern und sei­ner Dar­stel­lung im In­ter­net sein. Die Er­mitt­lung der Tä­ter und der Op­fer­schutz sol­len da­durch nicht er­setzt, son­dern wirk­sam er­gänzt wer­den.

    Rich­tig ist:
    Die Bun­des­re­gie­rung kürzt seit Jah­ren die Mit­tel für Prä­ven­ti­on, Straf­ver­fol­gung und Op­fer­be­treu­ung. Statt­des­sen be­treibt sie un­taug­li­che Sym­bol­po­li­tik, die das Weg­schau­en för­dert. So wer­den Leh­rer, die sich an Kin­dern ver­grei­fen, ein­fach an an­de­re Schu­len ver­setzt, an­statt zu er­mitt­len und ggf. zu be­stra­fen. Sel­bes gilt bei­spiels­wei­se für die ka­tho­li­sche Kir­che.

    Lü­ge 18:

    Die Bun­des­re­gie­rung strebt die Zu­sam­men­ar­beit mit die­sen Län­dern an, um durch in­ter­na­tio­na­le Ko­ope­ra­tio­nen zu mög­lichst ef­fek­ti­ven Maß­nah­men ge­gen die se­xu­el­le Aus­beu­tung von Kin­dern im In­ter­net zu ge­lan­gen und zu ei­nem Aus­tausch der ge­sperr­ten Sei­ten zu kom­men.

    Rich­tig ist:
    Der se­xu­el­le Miß­brauch von Kin­dern er­folgt fast im­mer im na­hen so­zia­len Um­feld der Kin­der, mei­stens so­gar in­ner­halb der Fa­mi­li­en und nicht im In­ter­net. Ei­ne Bun­des­fa­mi­li­en­mi­ni­ste­rin soll­te das wis­sen.

    Lü­ge 19:

    Im Rah­men ei­nes Spit­zen­ge­sprächs am 13. Ja­nu­ar 2009 ha­ben sich Mi­ni­ster Schäub­le, Mi­ni­ste­rin von der Ley­en und Mi­ni­ster Glos mit Ver­tre­tern der gro­ßen In­ter­net­an­bie­ter in Deutsch­land auf ein zwei­stu­fi­ges Ver­fah­ren ge­ei­nigt.

    Rich­tig ist:
    Mit der Aus­nah­me Vo­da­fone wa­ren die Pro­vi­der ge­gen die Sper­ren, von Ei­ni­gung kann kei­ne Re­de sein.

    Da­mit folgt die Bun­des­re­gie­rung dem Bei­spiel vie­ler Län­der und Deutsch­land schließt end­lich auf als ei­nes der gro­ßen Län­der in der EU. Die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on hat des­halb die­sen Schritt aus­drück­lich be­grüßt.

    Rich­tig ist:
    Der Kampf ge­gen schwe­re Kin­des­miß­hand­lung ist kein in­ter­na­tio­na­ler Wett­be­werb, in dem man für die größ­ten Fall­zah­len oder höch­sten Klick­ra­ten oder wel­che an­de­rer per­ver­ser In­di­ka­tor ih­nen da noch ein­fällt, ge­lobt wird … Die ent­schei­den­de Kenn­grö­ße ist die An­zahl der Ta­ten, die den­noch ge­sche­hen. Auch wenn kei­ner hin­schaut.

    Frau von der Ley­en ist ei­ne Lüg­ne­rin, Dem­ago­gin und ak­ti­ve Vor­be­rei­te­rin ei­nes vor­sätz­li­chen Ver­fas­sungs­bruchs!

    Quel­len: netzpolitik.org, AK-Zen­sur so­wie Jörg Tauss.

    [EDIT: 2010-06-04 03:44]

  35. »Die­sen Kom­men­tar las­se ich ste­hen.«

    Fein. Mei­nen Dank. Ei­nen Nach­schlag hal­te ich der­zeit auch nicht für er­for­der­lich, da sie ab­seh­bar nun doch nicht Bun­des­prä­si­den­tin wer­den soll.

    Es scheint mir auch aus­rei­chend »de­tail­liert« zu sein. Wei­te­res zu ihr al­so vor­erst nur auf Nach­fra­ge und bei Frei­ga­be des Wor­tes »Lxxxxxin«.

    [EDIT: 2010-06-04 08:47]

  36. Statt Nach­schlag könn­te man ar­gu­men­tie­ren. Aber – wie ge­sagt – wenn man (da­mit mei­ne ich nicht aus­schließ­lich Sie) sich ver­rannt hat, dann man­gelt da­zu die Be­reit­schaft. Und noch ein­mal: Ich weiß, wo­von ich re­de.

    [EDIT: 2010-06-04 08:50]

  37. »Sie ver­ren­nen und ver­bei­ßen sich da auf ei­ne Per­son, die Ih­nen sehr un­sym­pa­thisch sein muß.«

    Die­se Frau löst in der Tat hef­ti­ge Aver­sio­nen in mir aus, die ha­be ich ge­fres­sen, rich­tig.

    »Die Tat­sa­che, dass die da­mals be­schlos­se­nen (und nie um­ge­setz­ten) Maß­nah­men von vdL und dem da­ma­li­gen Ka­bi­nett un­zu­rei­chend wa­ren, lässt nicht per se den Schluß zu, dass sie falsch sind.«

    »Die Maß­nah­men«, al­so das Zu­gangs­er­schwe­rungs­ge­setz, sind in Kraft! Sie wer­den le­dig­lich in Tei­len nicht an­ge­wandt, was auch ei­nen ein­ma­li­gen Vor­gang in der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Ge­schich­te dar­stellt, wahr­schein­lich ist schon das ein Ver­fas­sungs­bruch. (Die­ser Ver­fas­sungs­bruch ver­hin­dert al­ler­dings der­zeit ei­ne Ver­fas­sungs­be­schwer­de ge­gen die­ses Ge­setz, da kei­ne »Be­schwer­nis« vor­liegt. Liegt sie aber erst nach ei­nem Jahr vor, greift der Frist­ab­lauf und ei­ne Be­schwer­de ge­gen das Ge­setz ist nicht mehr oh­ne wei­te­res mög­lich.) Dies zu än­dern, be­darf es le­dig­lich ei­ner mi­ni­ste­ri­el­len An­wei­sung auf dem klei­nen Dienst­we­ge.
    Au­ßer­dem ist das Zu­gangs­er­schwer­nis­ge­setz nicht »un­zu­rei­chend«, son­dern

    a) ver­fas­sungs­wid­rig, so­bald es aus sei­ner der­zei­ti­gen ver­fas­sungs­wid­ri­gen teil­wei­sen Nicht­an­wen­dung ent­las­sen wird,

    b) in der Be­kämp­fung von Kin­der­por­no­gra­phie un­wirk­sam,

    c) kon­tra­pro­duk­tiv, da tat­be­gün­sti­gend und tä­ter­schüt­zend,

    d) im Ver­hält­nis zur Nicht­wirk­sam­keit, so­fern man da über­haupt von Ver­hält­nis spre­chen will, mas­siv in die Grund­rech­te ein­grei­fend,

    e) ei­ne In­fra­struk­tur für wei­te­re Zen­sur schaf­fend (Plä­ne für ei­ne Aus­wei­tung der An­wen­dungs­fäl­le exi­stie­ren be­reits, die Lob­by-Grup­pen ste­hen schon in Schlan­ge),

    f) un­nö­tig, da an­de­re, er­heb­lich wirk­sa­me­re Mit­tel oh­ne Grund­rechts­ein­grif­fe zur Ver­fü­gung ste­hen, die aber nicht ge­nutzt wer­den.

    Wenn man obi­ges über »Maß­nah­men« sa­gen muß, dann ist die­ses Ge­setz nicht »un­zu­rei­chend«, son­dern eben doch »falsch«, da völ­lig fehl­ge­lei­tet. Min­de­stens.

    [EDIT: 2010-06-04 12:58]

  38. @P. Vieh­rig
    Die Jah­res­frist für Ver­fas­sungs­be­schwer­den gilt nur, wenn ein Ge­setz an­ge­grif­fen wer­den soll, das den Be­schwer­de­füh­rer un­mit­tel­bar, d.h. oh­ne Ver­mitt­lung durch ei­nen Voll­zu­gas­akt, be­schwert.
    An­son­sten gilt ei­ne ein­mo­na­ti­ge Frist ab Verkündung/Zustellung des Be­scheids bzw. Ur­teils. Ei­ne sol­che ver­wal­tungs- oder ge­richts­be­hörd­li­che Ent­schei­dung (im ge­gen­ständ­li­chen Fall z.B.: Ver­hän­gung ei­nes Buß­gel­des ge­gen Pro­vi­der, wel­che den Zu­gang schuld­haft nicht er­schwe­ren bzw. die ent­spre­chen­den Li­sten schuld­haft nicht ge­gen Kennt­nis­nah­me durch Drit­te si­chern) wür­de (für den Pro­vi­der) den Weg zu ei­ner Ver­fas­sungs­be­schwer­de öff­nen (und das auch noch spä­ter als ein Jahr nach In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes). Und Sie kön­nen si­cher sein, dass da­von Ge­brauch ge­macht wird bzw. wür­de, soll­ten die ent­spre­chen­den Vor­schrif­ten voll­zo­gen wer­den.
    An­son­sten bin ich – wie Sie – der Mei­nung, dass das Ge­setz ver­fas­sungs­wid­rig ist. Dies hier im Ein­zel­nen dar­zu­le­gen wür­de zu weit füh­ren. Die mei­sten zu­tref­fen­den Ar­gu­men­te wur­den in der me­dia­len Dis­kus­si­on um das Ge­setz be­reits ge­nannt.

    [EDIT: 2010-06-04 20:54]

  39. Et­was schlam­pig for­mu­liert:
    Na­tür­lich muss in die­sem Fall zu­nächst der In­stan­zen­zug aus­ge­schöpft wer­den, be­vor das BVerfG be­fasst wer­den kann.

    [EDIT: 2010-06-04 20:57]

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