Rein­hard Kai­ser-Mühlecker: Wil­de­rer

[...] Der neue Ro­man von Kai­­ser-Mühlecker, »Wil­de­rer«, führt den Le­ser er­neut in die länd­li­che Welt. Haupt­fi­gur ist Ja­kob Fi­scher, den der Le­ser be­reits aus dem 2016 er­schie­ne­nem Ro­man »Frem­de See­le, dunk­ler Wald« kennt. Kai­­ser-Mühlecker schreibt die Sa­ga um Ja­kob Fi­scher wei­ter. Man er­in­nert sich an den Bru­der Alex­an­der in Wien, in ir­gend­ei­ner ge­ho­be­nen Be­am­ten­po­si­ti­on, ver­hei­ra­tet ...

Wei­ter­le­sen ...

Heimo Schwilk: Mein aben­teu­er­li­ches Herz I

Heimo Schwilk: Mein abenteuerliches Herz I
Heimo Schwilk: Mein
aben­teu­er­li­ches Herz I

»Mein aben­teu­er­li­ches Herz I« – schon im Ti­tel fin­det man die­se Mi­schung aus An­spruch und An­ma­ßung. Es wird beim Auf­schla­gen noch deut­li­cher: Der Au­tor Heimo Schwilk mit Ernst Jün­ger 1988 im Ge­spräch. So muss ein Jün­ger-Bio­graph sei­ne Ta­ge­buch­auf­zeich­nun­gen nen­nen und be­gin­nen, denkt man. Die rö­mi­sche Zif­fer lässt zu­dem ei­nen zwei­ten Band er­war­ten. Der er­ste um­fasst Ein­tra­gun­gen vom 3. Fe­bru­ar 1983 bis zum 1. Ja­nu­ar 2000. Die­se wer­den oh­ne je­de Glie­de­rung chro­no­lo­gisch auf­ge­führt – mit Orts­zei­le und Da­tum. So flie­gen die Jah­re da­hin, wenn man nicht im­mer ge­nau auf das Da­tum schaut. Es zeigt sich, dass die Ein­trä­ge meist et­was spä­ter ent­stan­den sind und Er­eig­nis­se ei­ni­ger Ta­ge zu­vor zu­sam­men­fas­sen.

Zu Be­ginn ist Schwilk 31 Jah­re alt und ver­sucht, in Kon­takt mit Ernst Jün­ger zu kom­men. An­dert­halb Jah­re spä­ter – im Buch sind es noch nicht ein­mal 30 Sei­ten – ist es so­weit. Er sitzt in Wilf­lin­gen mit Ernst und Li­se­lot­te Jün­ger zu­sam­men. Ei­ne Bio­gra­phie kann es nicht mehr wer­den (dar­an ar­bei­te­te be­reits der NZZ-Mann Mar­tin Mey­er). Mit Klett-Cot­ta hat­te man sich aber auf ei­ne Bild­bio­gra­phie ver­stän­digt. Meh­re­re Sit­zun­gen und Sich­tun­gen in Wilf­lin­gen. Par­al­lel plan­te Schwilk ei­ne Dis­ser­ta­ti­on über die Jün­ger-Ta­ge­bü­cher und über­legt, in­wie­fern die­se Sti­li­sie­run­gen ent­hal­ten.

Die Fra­ge stellt sich na­tür­lich auch für die vor­lie­gen­den 634 Sei­ten. Da­mit kei­ne Zwei­fel auf­kom­men, ver­or­tet sich Schwilk schon im (glück­li­cher­wei­se knap­pen) Vor­wort bei den »re­fle­xi­ven Dia­ri­sten« wie Jün­ger und Gi­de. Nichts wer­de be­schö­nigt, so das Ver­spre­chen. Tap­fer­keit ge­gen den Main­stream wird an­ge­kün­digt. Mit dem Un­ter­ti­tel »Aus den Ta­ge­bü­chern…« legt man al­ler­dings den Schluss na­he, dass es durch­aus Strei­chun­gen gibt. Und nach der Lek­tü­re hät­te man sich si­cher­lich vie­le (wei­te­re?) Aus­las­sun­gen ge­wünscht. Et­wa all die pri­va­ten Pro­ble­me und Pro­blem­chen, die Ehe­kon­flik­te, sei­ne Epi­so­den über die Kin­der – kurz: all das, was pri­vat und in­tim blei­ben soll­te, denn ein Jour­na­list ist nicht wie ein Schrift­stel­ler ei­ne öf­fent­li­che Fi­gur (wo­bei man auch hier strei­ten kann, ob bei­spiels­wei­se die Idio­syn­kra­si­en ei­nes Tho­mas Mann im­mer re­le­vant für sein Werk sind). We­ni­ger wä­re mehr ge­we­sen, vor al­lem im Hin­blick auf die Ge­gen­wart. Dis­kre­ti­on ist kei­ne Kern­kom­pe­tenz von Heimo Schwilk.

Wei­ter­le­sen ...

Irr­we­ge

Als der ame­ri­ka­ni­sche Prä­si­dent Bush (sr.) 1991 in ei­ner bis heu­te bei­spiel­lo­sen Ko­ali­ti­on mit Un­ter­stüt­zung der UN ei­ne mul­ti­na­tio­na­le Trup­pe schick­te, um das sie­ben Mo­na­te zu­vor von Irak an­nek­tier­te Ku­wait zu be­frei­en, heg­te sich in Deutsch­land Angst und Wi­der­stand. Er be­stand u. a. dar­in wei­ße Bett­la­ken aus dem Fen­ster zu hän­gen. Im Wahn be­fürch­te­te man, ...

Wei­ter­le­sen ...

Post­kar­ten

Am in­ter­es­san­te­sten bei den gest­ri­gen Bei­trä­gen, In­ter­views und Stel­lung­nah­men auf al­len mög­li­chen (deut­schen) Fern­seh­ka­nä­len wa­ren die Be­kennt­nis­se de­rer, die ei­ne In­va­si­on der ge­sam­ten Ukrai­ne durch Pu­tin hat­ten kom­men se­hen. Es wa­ren na­tür­lich die­je­ni­gen, die seit Jah­ren da­vor warn­ten und die man am En­de nicht mehr hö­ren konn­te (oder woll­te). Nun ist es zu spät. Zu ...

Wei­ter­le­sen ...

Haus Eu­ro­pa

Das einst hym­nisch be­schwo­re­ne »Haus Eu­ro­pa« hat seit ge­stern ei­ne neue, gro­ße Be­schä­di­gung er­fah­ren. Russ­lands Prä­si­dent Pu­tin hat die »Volks­re­pu­bli­ken« Do­nezk und Lu­hansk, die er sel­ber mit Hil­fe will­fäh­ri­ger Se­pa­ra­ti­sten als Pfahl im Ter­ri­to­ri­um der Ukrai­ne 2014 eta­bliert hat­te, jetzt so­zu­sa­gen di­plo­ma­tisch an­er­kannt. Das wi­der­spricht dem seit Jah­ren brach­lie­gen­den so­ge­nann­ten »Min­s­ker-Ab­­kom­­men« zwar, aber egal. So ...

Wei­ter­le­sen ...

Va­ga­bund der Li­te­ra­tur

Knut Ham­sun, sei­ne We­ge und Ab­we­ge. Ei­ne Sich­tung zu sei­nem 70 To­des­tag am 19.02.2022 »Er hat die Lust am Le­ben ver­lo­ren« schrieb Ma­rie Ham­sun, ge­bo­re­ne An­der­sen, am 22. Au­gust 1951 an ih­re Toch­ter Ce­ci­lia, die in Dä­ne­mark leb­te. We­ni­ge Ta­ge spä­ter heiß es, dass auch sein Geist sich mehr und mehr ver­dun­ke­le. Es fol­gen bis­wei­len ...

Wei­ter­le­sen ...

Ve­ra Vor­ne­weg: Kein Wort zu­rück

Vera Vorneweg: Kein Wort zurück
Ve­ra Vor­ne­weg:
Kein Wort zu­rück

Ich ken­ne Ve­ra Vor­ne­weg seit Som­mer 2018. Ei­nes Ta­ges fand ich ei­ne Aus­ga­be der (in­zwi­schen ein­ge­stell­ten) Li­te­ra­tur­zeit­schrift »Text+Bild« in mei­nem Brief­ka­sten. Ein po­si­ti­ve Fol­ge der Im­pres­sumpflicht. Wir wohn­ten da­mals nur ein paar Stra­ßen­zü­ge aus­ein­an­der und tra­fen uns fort­an zwei, drei Mal im Jahr im »Schweid­nit­zer Eck«, spra­chen über Li­te­ra­tur und Lek­tü­ren, über Pe­ter Hand­ke, Esther Kin­sky, Karl Ove Knaus­gård, Ger­hard Rühm oder Eva-Ma­ria Al­ves, und an­de­re.

Im Herbst 2018 er­hielt Vor­ne­weg ein Sti­pen­di­um des Lan­des Thü­rin­gen und leb­te ei­ni­ge Mo­na­te in der Ort­schaft Kal­ten­lengs­feld. Ih­re Ein­drücke und Ge­dan­ken wäh­rend des Auf­ent­halts hat­te sie von ih­rem No­tiz­buch in den Com­pu­ter über­tra­gen, dann aus­ge­druckt und an be­stimm­ten Stel­len im Ort an­ge­bracht, wie bei­spiels­wei­se an ei­ner Bus­hal­te­stel­le. Li­te­ra­tur wur­de so­mit öf­fent­lich. Vor­ne­weg be­ton­te in den un­ver­meid­li­chen Stel­lung­nah­men den Me­di­en ge­gen­über, dass die­ses Dorf sie zur Schrift­stel­le­rin ge­macht ha­be.

»Ein ganz be­son­de­res Buch« soll­te auf­grund die­ses Auf­ent­halts ent­ste­hen, so hieß es in ei­ner Lo­kal­zei­tung. Man kennt das: Aus­ge­zeich­ne­te sind an­ge­hal­ten, das neue Um­feld in ih­re Tex­te ein­flie­ßen zu las­sen. Da­bei gibt es Tex­te über Groß­stadt­men­schen in Dör­fern und/oder in an­de­ren re­gio­na­len Um­ge­bun­gen zur Ge­nü­ge. Sie dro­hen häu­fig in fal­sche Idyl­lik ab­zu­glei­ten, oder, noch schlim­mer, sich in gön­ner­haf­te Ar­ro­ganz zu ver­zet­teln. Ne­ben­bei stellt sich das Di­lem­ma, dass sich Orts­per­sön­lich­kei­ten un­ge­ach­tet ih­rer Ver­frem­dun­gen im Text wo­mög­lich falsch (oder rich­tig) ge­trof­fen füh­len. Es ist nicht ein­fach.

Bei ei­nem er­neu­ten Be­such in Thü­rin­gen 2019 ge­riet Vor­ne­weg in den Land­tags­wahl­kampf. Sie war em­pört über Aus­sa­gen auf den Pla­ka­ten der AfD, die sie un­mög­lich bei der Ein- oder Durch­fahrt igno­rie­ren konn­te. Aber es schien, als ha­be sie ihr The­ma ge­fun­den. Sie be­rich­te­te mir über das Schrei­ben an ei­ner Er­zäh­lung, die, wie sie sag­te, nur zum Teil mit ih­ren Er­fah­run­gen im Dorf zu tun ha­be, aber ei­ne Not­wen­dig­keit für sie sei.

Der Text sel­ber blieb mir ver­bor­gen. Ich be­grüß­te das, ob­wohl mei­ne Neu­gier mit je­der Er­ör­te­rung stieg. Lei­der gab es Schwie­rig­kei­ten für den Text ei­nen ad­äqua­ten Ver­lag zu fin­den, was sich auf­grund der Co­ro­na-Pan­de­mie noch ver­schärf­te. Zwi­schen­zeit­lich wid­me­te sich Vor­ne­weg der Ge­stal­tung des öf­fent­li­chen Rau­mes mit Li­te­ra­tur in Düs­sel­dorf. Auch hier half ein Sti­pen­di­um. Auf ei­ner Rollade (neue Schreib­wei­se ei­gent­lich »Roll­la­de«) ei­ner ver­las­se­nen Gast­wirt­schaft in Düs­sel­dorf Ober­bilk schrieb sie Ein­drücke auf, die beim Schau­en und Hö­ren von der Stra­ße und der un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung des Hau­ses ent­stan­den. Der Be­sit­zer der Lo­ka­li­tät hat­te ihr die­se Nut­zung ge­stat­tet. Erst wenn das Haus re­no­viert wird, ver­schwin­den auch die Rolläden mit den Tex­ten. Ver­gäng­li­che Kunst. Im­mer­hin: Ih­re Im­pres­sio­nen sind hier auch dar­über hin­aus fest­ge­hal­ten.

Wei­ter­le­sen ...

Mar­ga­ret MacMil­lan: Krieg

Margaret MacMillan: Krieg
Mar­ga­ret MacMil­lan: Krieg

Krieg hat in der Zunft der zeit­ge­nös­si­schen Ge­schichts­schrei­ber, um es sa­lopp aus­zu­drücken, kei­ne gu­te Pres­se. Auch die ka­na­di­sche Hi­sto­ri­ke­rin Mar­ga­ret MacMil­lan ist kei­ne Bel­li­zi­stin, aber sie möch­te mit ih­rem Buch »Krieg« (Über­set­zung von Klaus-Die­ter Schmidt) die­ses Phä­no­men sach­lich er­klä­ren und er­läu­tern »wie Kon­flik­te die Mensch­heit präg­ten«. Krieg sei, so MacMil­lan im Vor­wort, »kei­ne Ver­ir­rung […], die man am be­sten so schnell wie mög­lich ver­gisst. Auch ist er nicht ein­fach die Ab­we­sen­heit von Frie­den, dem ver­meint­li­chen Nor­mal­zu­stand. Wenn wir nicht be­grei­fen, wie tief Krieg und Ge­sell­schaft in­ein­an­der ver­wo­ben sind – so sehr, dass man nicht sa­gen kann, wer von bei­den do­mi­niert oder ur­säch­lich ist –, über­se­hen wir ei­ne wich­ti­ge Di­men­si­on der Mensch­heits­ge­schich­te.« Ihr Ziel ist es, die »or­ga­ni­sier­te Ge­walt« als Be­stand­teil der Ge­schich­te an­zu­er­ken­nen, oh­ne so­fort in mo­ra­li­sche Ka­te­go­rien zu ver­fal­len. Gleich­zei­tig möch­te sie die For­schung über den Krieg nicht mehr nur den Mi­li­tär­hi­sto­ri­kern über­las­sen, die »vor sich hin­for­schen, ih­re un­ap­pe­tit­li­chen Fun­de zu­ta­ge för­dern und ih­re we­nig er­bau­li­chen Ge­schich­ten ver­fer­ti­gen, oh­ne je­man­den zu stö­ren.«

Der Grat scheint schmal, den MacMil­lan (Jahr­gang 1943) be­tritt. Zu Be­ginn wirft sie die Fra­ge auf, was aus Eu­ro­pa ge­wor­den wä­re, wenn bei­spiels­wei­se »die mus­li­mi­schen Füh­rer den gan­zen Kon­ti­nent er­obert hät­ten, was ih­nen mehr­mals bei­na­he ge­lun­gen wä­re« oder wenn Hit­ler den Krieg ge­won­nen hät­te. Die­se kon­tra­fak­ti­schen Über­le­gun­gen sol­len nicht als Recht­fer­ti­gung für Krie­ge per se die­nen, aber wohl auf­zei­gen, wie krie­ge­ri­sche Hand­lun­gen die ak­tu­el­le Ge­gen­wart auch noch nach Jahr­hun­der­ten prä­gen. So sind die »star­ken Na­tio­nal­staa­ten von heu­te mit ih­ren Zen­tral­re­gie­run­gen und gut or­ga­ni­sier­ten Bü­ro­kra­tien […] das Pro­dukt von Jahr­hun­der­ten des Krie­ges.« Zum ei­nen sind im 19. Jahr­hun­dert Na­tio­nal­staa­ten als Fol­ge von Krie­gen ent­stan­den und hat­ten dann – zum an­de­ren – bis­wei­len durch­aus frie­dens­stif­ten­de Wir­kun­gen.

»Der Krieg«, so MacMil­lan, »ist ver­mut­lich die am be­sten or­ga­ni­sier­te al­ler mensch­li­chen Ak­ti­vi­tä­ten, und er hat sei­ner­seits die Or­ga­ni­sa­ti­on der Ge­sell­schaft vor­an­ge­trie­ben.« Ei­ni­ge Bei­spie­le, die man zu­nächst nicht mi­li­tä­risch deu­ten wür­de wie das Ket­ten­hemd oder den Steig­bü­gel bringt sie an. Die Ent­wick­lung von Waf­fen hat­te im­mer auch Aus­wir­kun­gen auf die Zi­vil­ge­sell­schaft. Der Na­tio­na­lis­mus schließ­lich lie­fer­te, so MacMil­lan, »die Mo­ti­va­ti­on und die in­du­stri­el­le Re­vo­lu­ti­on die Mit­tel« für Krie­ge.

In neun Ka­pi­teln un­ter­sucht MacMil­lan Fa­cet­ten des Krie­ges und de­ren Aus­wir­kun­gen. Ei­nen gro­ßen Teil der Quel­len für ih­re Be­ob­ach­tun­gen und Hy­po­the­sen bil­den fik­tio­na­le Tex­te, wie je­ne von Ho­mer, Thuky­di­des, Ver­gil, Ho­raz, Sal­lust, Wil­liam Shake­speare, Fre­de­ric Man­ning, Erich-Ma­ria Re­mar­que oder Ernst Jün­ger. Tho­mas Hob­bes und Jean Jac­ques Rous­se­au kom­men mit ih­ren un­ter­schied­li­chen Ge­sell­schafts­mo­del­len zu Wort. Sun­zi (oder auch Sun Tsu), Ma­chia­vel­li und Clau­se­witz wer­den als Mi­li­tär­stra­te­gen her­an­ge­zo­gen. Es fin­den sich Zi­ta­te aus den Ta­ge­bü­chern von Sa­mu­el Pe­pys und Mar­ta Hil­lers. Ge­gen­wär­ti­ge Kron­zeu­gen für ih­re The­sen sind vor al­lem Swet­la­na Al­e­xi­je­witsch und Ste­ven Pin­ker.

Wei­ter­le­sen ...