El­ler­stra­ße, Düs­sel­dorf

Der sich im Wind wie­gen­de Gras­halm, dunk­les, kräf­ti­ges Grün,
da­ne­ben der gel­be Lö­wen­zahn, klim­pern­de Au­to­schlüs­sel.

In den Be­ton­rit­zen des Kopf­stein­pfla­sters schla­fen­de
Zi­ga­ret­ten­stum­mel; klei­ne Mu­mi­en, dun­kel­gelb zwi­schen grau; wü­sten­ok­ka;
ein Ka­mel lugt von ei­ner weg­ge­wor­fe­nen Zi­ga­ret­ten­packung her­vor.

Der auch hier schwer tra­gen­de Bau­ar­bei­ter, der Mann mit Zan­ge und
blau­er Ho­se und da­zwi­schen im­mer wie­der Kin­der an den Hän­den von
Müt­tern, die Kin­der­wa­gen schie­ben.

Von über­all her­ab­hän­gen­de Ta­schen mit Lauch; Pe­ter­si­lie und Gur­ken.
Die Do­mi­nanz der Far­be Grün bei den in den Pla­stik­tü­ten
trans­por­tier­ten Wa­ren.

Der vor ei­nem Klin­gel­schild ste­hen­de Mann mit ei­ner schwar­zen
Trai­nings­ta­sche in der rech­ten Hand. Sein den Na­mens­dschun­gel
durch­käm­men­der Blick; end­lich das er­lö­sen­de Sur­ren, das Auf­drücken
der Tür, ich ha­be et­was für dich und das will ich dir ge­ben.

Das mit ei­ner Ab­deckung ver­se­he­ne Mo­tor­rad, grau; oh schlaft ihr
Mo­to­ren, schlaft ein. Der dar­aus her­vor­schau­en­de Spie­gel, als Au­ge,
als Hin­weis: Mich wird es im­mer ge­ben und: Ich se­he dich.

Das Er­tö­nen des Ge­räu­sches ei­ner Rat­sche, »oh, oh, da musst du
vor­sich­tig sein. Die sind fest. Da kannst du nicht run­ter­fal­len«.

Ein Hund bellt, et­was fiept, sich zu­zie­hen­de Din­ge, Roh­re,
Was­ser­lei­tun­gen; im­mer noch Ju­stie­rungs­ge­räu­sche.

Der Pa­ket­bo­te und sein Pa­ketturm; ein Ba­lan­ce­akt, ei­ne ar­ti­sti­sche
Dar­bie­tung. Die auch ihn er­lö­sen­den Surr­ge­räu­sche des Tür­öff­ners,
der Wi­der­hall des Sir­rens sei­nes Pa­ket­scan­ners im Ein­gangs­flur, sein
schnel­ler Schritt beim Ab­gang.

Ein Stuhl, ein Tisch, ein Ra­be, ein klar ge­stal­te­ter Bal­kon; dar­un­ter auf
dem Bür­ger­steig ein Jun­ge mit sei­nem Va­ter, aus des­sen Ta­sche die
Ge­räu­sche ei­nes Schafs kom­men; »Ich glau­be, wir ha­ben hier ein
Schaf«.

Die Va­ria­tio­nen der Men­schen beim Ge­hen, ein Schlei­chen, ein
Schlei­fen, ein stöh­nen­des Ge­hen, ein Tap­sen, ein Trip­peln;
Vo­gel­ge­zwit­scher, das sich jetzt in die Ge­räu­sche der Rat­sche mischt.

Eben­so das Be­mer­ken der Men­schen an ih­rem Gang, ob sie Zeit ha­ben
oder nicht; ob sie ein Ziel ha­ben, oder nicht, »Gu­ten Tag!«, »As­sa­la­mu
Alei­kum«, اَلسَّلامُ عَلَيْكُم, der vor­bei­fah­ren­de Bus und sei­ne aus ihm
schau­en­den Au­gen­paa­re, TECHNIK VON MORGEN FÜR DIE LUFTVERBESSERUNG VON HEUTE.

Das lan­ge, schwar­ze, sich über den Bür­ger­steig zie­hen­de Ka­bel, der
Strom, die En­er­gie, die Zeit; im­mer noch Ratschen­ge­räu­sche.

Der aus dem Loch stei­gen­de Mann, der si­che­re Griff zu sei­ner Zan­ge,
sei­nem Werk­zeug, sei­ner Welt. Ein brau­ner, ka­sten­för­mi­ger LKW
zieht vor­bei, WIR SYNCHRONISIEREN DIE WELT.

Braun­grau­er Staub in den Fu­gen des Kopf­stein­pfla­sters und das
dar­aus her­vor­ste­chen­de Grün ei­nes Bon­bon­pa­piers, auf dem ein Kreuz
und ein Strei­fen ab­ge­bil­det ist. Der sich wohl­tu­end aus­brei­ten­de
Ge­ruch von Men­thol, der im­mer auf der Zun­ge zer­ge­hen­de flüs­si­ge
Kern.

Ei­ne Mut­ter mit vier Kin­dern pas­siert, eins im Wa­gen, eins im
Wer­den, zwei an der Hand, da­zwi­schen ei­ne Zi­ga­ret­te und ei­ne wei­ße
Pla­stik­tü­te mit Back­wa­ren; auf­stei­gen­der Rauch, der sich in die
Ab­ga­se ei­nes am Stra­ßen­rand hal­ten­den LKWs mischt.

Auf den Stra­ßen­schil­dern ein gro­ßer schwar­zer Pfeil; ZENTRUM,
HAUPTBAHNHOF, DIENSTLEISTUNGSZENTRUM, ZENTRUM,
Mit­te; auf­stei­gen­der Erd­ge­ruch.

Aus dem Bau­stel­len­loch flie­gen­de Ka­bel; grau-fah­le, vom Staub
durch­färb­te Hän­de, die nach ei­ner Gas­fla­sche grei­fen. Die
her­aus­bre­chen­de Flam­me, der pas­sie­ren­de Bus, HYBRID FÜR
MEHR KLIMASCHUTZ.

Gas, Was­ser, Strom; das Ord­nen von Lei­tun­gen, von Zu­flüs­sen, von
Ab­flüs­sen; die im­mer noch aus der Gas­fla­sche sto­ßen­de Flam­me;
Fin­ger­nä­gel, die auf Me­tall sto­ßen; der Aus­tausch von Ven­ti­len, von
Kap­pen und Ver­schlüs­sen.

Auf dem grau­en Geh­steig auf­schei­nen­de Asphalt­son­nen; wei­ße, platt
ge­tre­te­ne Kau­gum­mis und dar­auf die Men­schen mit ih­ren
Mo­bil­te­le­fo­nen; mit ih­ren Sprech­ma­schi­nen, mit ih­ren
Al­les­ver­bin­dern.

Ein aus dem Bau­stel­len­loch her­aus­ra­gen­der Zoll­stock, der Aus­ruf von
Zen­ti­me­ter­an­ga­ben; Tie­fe in Zah­len, in Num­mern; Zeit in Ab­stän­den.

71 S W, 71 SW, weiß auf grau, ei­ne Park­schild­rück­wand­be­schrif­tung;
ein run­der Kreis auf ei­nem Qua­drat, ge­hal­ten vom Rück­grat ei­ner
Me­tall­stan­ge; das auf­zie­hen­de Ge­wit­ter – gleich wird der Re­gen
kom­men.

Li­la Früh­lings­blu­men nur auf der weg­ge­wor­fe­nen Pla­stik­fo­lie ei­ner
Slip­ein­la­ge; hell- und dun­kel­vio­let­tes Blü­ten­blät­ter-Wech­sel­spiel, sie
liebt mich, er liebt mich nicht.

Der ver­wai­ste Spach­tel am Fu­ße des Par­ken-Ver­bo­ten-Schil­des;
Spu­ren der ver­las­se­nen Bau­stel­le; der im­mer noch auf­ge­ris­se­ne
Bo­den, aus dem die blan­ken Roh­re ra­gen.

TO LIVE AND TO LET LIVE – STREETART AGAINST HATE; in
der Mit­te des Auf­kle­bers ein grü­ner Ok­to­pus, auf den Je­mand mit
schwar­zem Stift ein Lach­ge­sicht ge­malt hat.

»Auf der an­de­ren Sei­te … , ihn juckt es ja gar nicht«, ein auf­ge­bracht-
vor­bei­zie­hen­des Frau­en­paar, wild ge­sti­ku­lie­rend, ih­re Sät­ze mit rot
lackier­ten Fin­ger­nä­geln in die Luft zeich­nend.

Zwei pas­sie­ren­de Män­ner mit Le­der­jacken in schwarz, das glän­zend-
schö­ne Haar mit Po­ma­de be­ar­bei­tet, »im­mer geht es nur ums Geld«,
»herşey pa­ray­la il­gi­li«.

Das Sil­berg­lit­zer ei­ner weg­ge­wor­fe­nen Bat­te­rie, die in die Fu­gen­mit­te
zwei­er Stei­ne ge­rollt ist; ihr Me­tall-Kor­pus zu groß, um in der
Ver­tie­fung zu ver­sin­ken.

Ge­hetz­te Fahr­rad­fah­rer, vor­bei­schie­ßen­de Ra­ke­ten, hit­zi­ge Lau­te im
Fah­ren von sich aus­sto­ßend; rot­wan­gi­ge Ge­sich­ter, auf de­nen sich die
Ei­le ab­zeich­net.

Die Tri­ni­tät der Fern­seh­schüs­seln auf dem ge­gen­über­lie­gen­den Dach,
hell­grau, dun­kel­grau, ok­ka; wenn die ei­ne kei­nen Emp­fang hat, dann
die an­de­re und so wei­ter.

Der aus dem oran­ge­nen Bau­stel­len­au­to stei­gen­de Mann mit freund­lich
ar­beits­wil­li­gem Blick und sil­ber­blit­zen­den Ohr­rin­gen; fest ver­schnür­te
Ma­schi­nen im La­de­raum mit sich füh­rend; ei­ne Schub­kar­re, ein
Was­ser­ka­ni­ster, ein Stamp­fer.

Ein viel zu gro­ßes im Kin­der­wa­gen lie­gen­des Kind, mit dem
schwarz­haa­ri­gen Kopf zu­erst aus­stei­gen wol­lend, ge­scho­ben von ei­ner
dür­ren Mut­ter mit ner­vö­sem Blick.

Der küh­ne ei­ne be­stimm­te Stiel ei­ner Lö­wen­zahn­pflan­ze, die sich
zwi­schen Bau­zaun und Stra­ßen­schild an­ge­sie­delt hat und sich weit
nach oben streckt. Ih­re Blü­te be­reits ge­schlos­sen hal­tend, heim­lich
Sa­men hin­ter der zar­ten Pflan­zen­haut bil­dend.

KIA, Kunst ir­gend­wann an­ders, MPU, Mut plus Ur­ver­trau­en. SW,
schwarz-weiß. BKS, Baum küsst Schaf; das Spiel mit den
Ab­kür­zun­gen; wenn ich dürf­te, wür­de ich nur Bäl­le wer­fen.

Der die graue Haus­tür auf­schlie­ßen­de Mann mit zwei Cof­fee-To-Go-
Be­chern in der Hand; ein Blick, ein Au­gen­paar, ein stil­ler Gruß.

Men­schen und ih­re Hin­ter­grün­de, ih­re Häu­ser, ih­re Fen­ster, ih­re
Gar­di­nen. Die pfle­gen­de Frau mit Mas­ke und net­tem freund­li­chen
Blick. Ihr Ein­stieg ins Pal­lia­tiv-Ca­re-Au­to ver­rät ih­ren Weg, ih­ren
Auf­trag.

T‑­Shirt-Auf­drucke mit Na­men, die in frem­de Wel­ten füh­ren; SANTA
CRUZ, auf­kom­men­de Wel­len, der nas­se Blick der Sur­fer und ih­re
im­mer zu lan­gen Haa­re, im­mer aus­geb­li­chen von dem Salz und der
Son­ne und und.

Der silb­rig blit­zen­de Tür­knauf ei­nes zu em­sig ge­putz­ten schwar­zen
Au­tos und der jetzt aus­stei­gen­de Mann mit bor­deaux­far­be­ner
Dau­nen­jacke, me­tal­lig glän­zend, schwe­re­los.

STRA­ßEN- UND TIEFBAU GMBH – ein klei­ner blau­er Pfeil, der
nach un­ten zeigt und dar­un­ter der mit ei­nem Zoll­stock das Loch
aus­mes­sen­de Bau­ar­bei­ter, sein Zen­ti­me­ter­maß in den Bo­den füh­rend,
die Tie­fe prü­fend.

Die Va­ria­tio­nen der Auf­trit­te der Men­schen, ob sie auf Stein oder auf
Holz tre­ten, ob ihr Un­ter­grund fest oder hohl ist. Holz oder Le­ben.
Baum oder Re­gen­wald. Sau­er­stoff oder Ab­hol­zung.

Vor­bei­zie­hen­de Wol­ken vor mai­blau­em Him­mel, der ne­ben mir
ste­hen­de Pla­stik­be­cher; vor­bei­zie­hen­de Bus­se und die dar­auf höf­lich
for­mu­lier­ten Im­pe­ra­ti­ve, EINSTIEG BITTE VORN.

Das nicht en­den­de Mit­tags­ge­hu­pe vor­bei­fah­ren­der Men­schen; Ge­duld
und Ru­he nur bei den Al­ten; bei de­nen, die et­was vor sich
her­schie­ben.

Die vier gro­ßen, rot ge­druck­ten Buch­sta­ben, da­hin­ter das
Aus­ru­fe­zei­chen, die Auf­for­de­rung zum Blei­ben; Ja, bit­te! Ib­qa!
!اِبْقَى, STAY!

»Nein, der hat 8000 Eu­ro ge­macht«, ein vor­bei­ge­hend te­le­fo­nie­ren­der
Mann; dicht­ge­folgt von ei­nem Frau­en­duo, »Wasch­ma­schi­ne,
Spül­ma­schi­ne«, wenn ich könn­te, wür­de ich an­de­re Ge­schich­ten
er­zäh­len.

Ein vor­bei­rau­schen­der LKW be­druckt mit ei­ner grü­nen Wie­se und
glück­lich um­her­picken­den Hüh­nern; ein den Kopf he­ben­der Hahn mit
bun­ten Fe­dern, sei­ne Hen­nen zäh­lend.

Ein auf dem Han­dy tip­pen­der Fahr­rad­fah­rer, hin- und her­schwan­kend;
die an sei­nem klei­nen Fin­ger bau­meln­de weiß-ro­te Pla­stik­tü­te ei­ner
Apo­the­ke.

Die Feu­er­wehr­zu­fahr­ten und ih­re mit Pfei­len mar­kier­ten Ta­feln, bis da
und da­hin, Ret­tungs­we­ge bit­te frei­hal­ten und so wei­ter.

Der aus ei­ner Nach­bar­stadt stam­men­de zu­rück­set­zen­de LKW und der
dar­aus aus­stei­gen­de, im­mer noch war­ten­de Bau­ar­bei­ter; Hän­de, die
sich in Hüf­ten stem­men, »schei­ße«.

Die schö­ne Frau mit sei­dig-lan­gem Haar und ihr zag­haf­ter Auf­stieg
auf das Rad. Die an ih­rem Len­ker bau­meln­de grü­ne Stoff­ta­sche und
ihr wacke­li­ges An­fah­ren, ein Ver­such bei un­glei­cher Ver­tei­lung der
Last.

Das sich mit al­ler Macht in ei­ne der Fu­gen set­zen wol­len­de fed­ri­ge
Sa­men­korn ei­nes Lö­wen­zahns; sich an den Fu­gen­in­nen­wän­den der
Kopf­stein­pfla­ster­rit­ze fest­hal­tend, »ich will Wur­zeln schla­gen«.

»Hast du mehr Sand?«, fragt der Bau­ar­bei­ter, im­mer noch das Loch
un­ter­su­chend; ein Ta­schen­tuch weht durch die Luft, ein Mann hu­stet,
ein Hund zieht vor­bei.

Die Im­mer­noch-Zit­ter­par­tie des Lö­wen­zahn­sa­men­korns in der Spal­te
Wur­zeln zu schla­gen, der sich be­mü­hen­de Bau­ar­bei­ter, den Bau­zaun
zu ver­schie­ben; dün­ner Stahl, zitt­rig in der Luft vi­brie­rend.

Der Ab­stieg des Bau­ar­bei­ters in das Loch, in die Lei­tun­gen, in die
Welt der Ver­bin­dun­gen, der Zu­sam­men­schlüs­se un­be­stimm­ter Art,
bald wird al­les wie­der hei­le sein.

Die An­kunft ei­nes neu­en LKWs mit Bag­ger auf der La­de­flä­che, der
sei­ne Greif­ar­me schon gen Bo­den ge­rich­tet hat; kurz dar­auf der ins
Loch reg­nen­de Sand.

Die sich un­ter dem T‑Shirt des Bau­ar­bei­ters ab­zeich­nen­den Mus­keln,
SANTA CRUZ, der heim­li­che Sur­fer und das nie en­den­de Mär­chen
vom Meer der Stadt.

Der Stamp­fer, der Ben­zin­ge­ruch, die auf- und ab­hüp­fen­de Ma­schi­ne
und ih­re un­bän­di­ge Freu­de am Pres­sen der auf­ein­an­der lie­gen­den
Erd­schich­ten.

»So et­was wie Stra­ßen­schrei­be­rin.« – »Was?« – »Ach so. So was mit
Kunst. Ach so.«

Her­aus­ra­gen­de Pla­stik­fla­schen aus Sei­ten­ta­schen von Ruck­säcken, das
nicht en­den­de Auf- und Ab­ge­hüp­fe der Ma­schi­ne und ih­re Be­die­nung
un­ter fe­stem Griff.

Die An­kunft des Drit­ten im Bau­stel­len­bun­de; auf­stei­gen­der Rauch von
drei Sei­ten; ins Loch rie­seln­de Zi­ga­ret­ten­asche; Asche zu Sand, zu
Staub, zu Asphalt; bald wird al­les wie­der glatt sein.

Der auf dem lee­ren Bal­kon ste­hen­de Mann mit sei­nem
Kak­teen­quar­tett im Fen­ster, SANTA CRUZ, Ari­zo­na, zwei
lang­stie­li­ge Sta­chel­ge­wäch­se ne­ben zwei dicken
Schwie­ger­mut­ter­sit­zen, Echi­no­cac­tus gru­so­nii.

Rent-a-car und der dar­aus aus­stei­gen­de Mann in grün; im­mer noch
Sand, der ge­schippt wird; SANTA CRUZ; da wo Asche war, ist jetzt
nur noch Strand.

Ein Hund, der sei­ner Be­sit­ze­rin ver­wei­gert, über das mit ei­nem
Holz­stück über­deck­te Bau­stel­len­loch zu ge­hen; das Er­klin­gen ei­nes
har­schen Be­fehls­tons, ein Zie­hen, ein Auf­jau­len, ein Kom­pro­miss,
»komm schon, Dumm­chen!«

Der zum Abend ge­wor­de­ne Tag und der zur Nacht ge­wor­de­ne Abend,
Nacht oh­ne Dun­kel­heit, über­all Licht.

Vor­bei schlur­fen­de, piep­send-blin­ken­de Ju­gend­li­che; die Mi­ni-
Bild­schir­me wohl­ver­staut in ih­ren Ho­sen­ta­schen, im­mer wie­der
auf­leuch­ten­de Ober­schen­kel, das Schwarz der Trai­nings­ho­sen für
ei­nen kur­zen Mo­ment er­hel­lend.

Ein vor­bei­schie­ßen­des schwar­zes Au­to, die Stra­ße als Renn­bahn
nut­zend; ein Va­ter mit Sohn an der Hand, Schnalz­ge­räu­sche mit den
Lip­pen ma­chend, fer­ne Lie­der an­stim­mend.

Hin­ter der wei­ßen Spit­zen­gar­di­ne tan­zen­de Fern­seh­bil­der, Sze­nen
ei­nes Kamp­fes auf­mar­schie­ren­der Rit­ter und ih­rer Schwer­ter und
Schil­der; es war ein­mal in ei­nem Land vor un­se­rer Zeit.

Die in der Mit­te schwe­ben­de Stra­ßen­la­ter­nen­lam­pe, be­fe­stigt an
ei­nem über die Stra­ße ge­spann­tem Stahl­seil, die Fahr­bahn zum Flur
ma­chend, zum Raum zwi­schen den Häu­sern.

Klim­pern­de Ruck­säcke, ra­scheln­de Trai­nings­jacken, ein Schlüs­sel
steckt sich ins Schloss; ei­ne Tür wird auf­ge­drückt. »Klar, das ist
Cha­os«, sagt der auf den Bür­ger­steig tre­ten­de Mann, un­ter sei­nem
Arm klem­men zwei Piz­za­kar­tons.

Ei­ne in der Fer­ne wü­tend auf­schrei­en­de Frau­en­stim­me, der
Kak­teen­gar­ten ge­gen­über nun ver­schwun­den hin­ter ei­ner Ja­lou­sie aus
luf­tig-grau­en La­mel­len; eng­um­schlun­ge­ne Schat­ten­tän­ze, ge­dimm­tes
Licht.

Ein auf dem Hal­te­stel­len­pla­kat auf­blit­zend ro­ter Mund, glän­zend
po­liert; das Auf­stöh­nen des Bus­ses beim An­fah­ren, ein Atem­ho­len tief
aus dem In­ne­ren des Mo­tor­bauchs.

Ein auf den Rad­weg ge­kipp­ter E‑Roller, der von ei­nem Eis
weg­ge­wor­fe­ne Holz­stiel, da­ne­ben das platt­ge­tre­te­ne Blatt ei­ner
Bu­che, hell­grü­ne Rip­pen, auf­la­chen­de Stim­men aus un­be­stimm­ba­rer
Rich­tung.

Ein Schleim aus­hu­stend pas­sie­ren­der Mann, im­mer wie­der sein
In­ne­res nach au­ßen her­auf be­schwö­rend, ras­seln­de Spei­se­röh­re, auf
den Bo­den klat­schen­de Klum­pen, Bläs­chen auf dem Bo­den schla­gend,
mit ih­rem neu­en Un­ter­grund sanft in Kon­takt tre­tend.

Die ein­äu­gi­gen E‑Roller als die Ein­zig­lich­ter auf dem Rad­weg; sich
lei­se an­pir­schend, beim Vor­bei­schie­ßen Zisch­lau­te von sich
aus­sto­ßend, klei­ne Rad­weg­ra­ke­ten, flink zu ih­rem Ziel schnel­lend.

Ei­ne vor­bei jog­gen­de, nach Sham­poo duf­ten­de Frau mit auf der Haut
kle­ben­der dün­ner Trai­nings­jacke; ein sich neu ein­schal­ten­der
Fern­se­her vom zwei­ten Stock; bunt-zacki­ges Flim­mer­licht von links
ge­gen­über.

»Das ist der Platz, das ist der Platz«, »ha­da ho­wa lm­a­kan, ha­da ho­wa
lmakan«,هَذا هُوَ الْمَكَان، هَذا هُوَ الْمَكَان. Ein zor­nig ins Te­le­fon schrei­en­der
Mann, der jetzt in das Au­to ei­nes Piz­za­ta­xis steigt.

© Ma­ri­na Ki­ga (Marina.Kiga)

»Ey, ich war ja in So­la­ri­um, ey ich woll­te ge­ra­de in den Bus
ein­stei­gen«, die vor­bei­zie­hen­de Hor­de Ju­gend­li­cher und ih­re Düf­te,
Af­ter-Shave, Be­fo­re-Shave; »ey, ich sag­te Kurz­strecke«.

Auf­quiet­schen­de Rei­fen, ein zur Dis­ko ge­wor­de­nes Au­to, al­les
vi­briert; dar­aus laut­hals sin­gen­de Stim­men, das sich jetzt lö­schen­de
Licht hin­ter den La­mel­len des Kak­teen­gar­tens.

Ein Rah­men knackt, ein Fen­ster wird ge­öff­net, ei­ne Frau hängt sich
her­aus; ein Stöh­nen, »nicht schon wie­der«. Das hell­erleuch­te­te Ge­sicht
ei­nes auf dem Bo­den sit­zen­den Man­nes; Schnei­der­sitz mit Han­dy und
Zi­ga­ret­te, Yo­ga für Fort­ge­schrit­te­ne.

Oran­ge auf­blin­ken­des Warn­licht ei­nes plötz­lich auf der Stra­ße ste­hen
ge­blie­be­nen Au­tos, zucken­de Farb­blit­ze in das Stadt­hell­dun­kel
zau­bernd; ein auf den Bal­kon ge­tre­te­nes schwarz ge­klei­de­tes
Män­ner­paar; der ei­ne mit Ka­pu­ze, der an­de­re oh­ne, klei­ne glü­hen­de
Mi­ni­son­nen mit ih­ren Zi­ga­ret­ten in die Luft ma­lend; Asche, die noch
im Fal­len zu Staub wird.

BABY BELL, IHR PARTNER IN KINDERBETREUUNG, das
klin­gen­de Glöck­chen, die lieb­lich er­tö­nen­de Stim­me der sich
ver­ab­schie­den­den Mut­ter; EINFAHRT TAG UND NACHT
FREIHALTEN.

Ein auf die Fahr­bahn groß­for­ma­tig ge­zeich­ne­tes Drei­eck, weiß mit
ro­ter Um­ran­dung, dar­auf ein Männ­chen mit be­schwingt-ge­hen­dem
Schritt – Vor­sicht: Fuß­gän­ger.

Ein Kron­kor­ken, der nicht ganz in die Fu­gen­rit­ze passt, fein­ge­well­ter
Me­tall-Ver­schluss, gelb-gol­den, der an­de­re Son­nen­auf­gang der Stadt.

Das quietsch­grü­ne Au­to der Fahr­schu­le – Vor­sicht: Hier kom­me ich
und ich bin gif­tig. 721 D‑Flughafen, Ter­mi­nal A/B/C, vor­bei­zie­hen­des
Fern­weh in Om­ni­bus­form; steig ein und ich flieg dich, wo­hin du
willst.

Die vor­an­ge­hen­de Frau und der hin­ter ihr schlur­fen­de mit Stoff­ta­schen
be­la­de­ne Mann, das Ge­wicht der Welt tra­gend, Lauch­zwie­beln,
Gur­ken, Möh­ren, ei­nen Was­ser­ko­cher.

Die drei grün-wei­ßen Re­gen­schir­me auf dem Bal­kon rechts über
MPU, Ge­schich­ten vom Som­mer er­zäh­lend, »so Gott will«, »Ins­hal­la«,
إن شاء الله.

PIZZA MANN … SCHMECKT EINFACH GENIAL; T‑­Shirt-
Auf­drucke und ih­re Ver­spre­chen und ihr Bre­chen; »He´s co­ming, he´s
co­ming«, ein laut vor sich her sin­gen­der Mann, den Schritt an­ge­passt
auf die Rhyth­mik sei­ner Me­lo­die.

Das im­mer wie­der die rau­schen­de Ru­he durch­schnei­den­de
Mar­tins­horn, zucken­des Blau von über­all, auf­quiet­schen­de Rei­fen.

Ein rot­bunt an­ge­zo­ge­nes Kind mit Ho­sen­trä­gern, ge­scho­ben von ei­ner
par­fü­mier­ten Mut­ter mit Mickey-Mou­se-Ta­sche; als das Kind Kind
war, war ihm ein je­der Blick ein Wort.

Zei­tungs­aus­tra­gen­de Jun­gen mit oran­ge­nem An­hän­ger, was­ser­dicht,
Wo­chen­spie­gel, Re­kla­me­blätt­chen, Trai­nings­ho­sen, E‑Roller,
Turn­schu­he.

Ei­ne Frau mit per­fekt ge­zo­ge­nem Lid­strich kämmt sich durchs lan­ge
Haar, Far­be auf Zeit, auf Au­ge, auf Haut. Ihr jetzt be­gin­nen­der Sprint
aus dem Stand zu dem an der Hal­te­stel­le ein­ge­fah­re­nen Bus.

Ei­ne mit Rol­la­tor pas­sie­ren­de Frau, Schritt für Schritt, Mi­nu­te für
Mi­nu­te; Zeit auf Ra­ten, auf Re­zep­ten, auf Arzt­be­su­chen; die Hüf­te,
ein längst schon über­fäl­li­ges The­ma, end­lich die Ope­ra­ti­on in zwei
Mo­na­ten, »es muss ja ir­gend­wie wei­ter­ge­hen«.

Sich aus den Fen­stern leh­nen­de Un­ter­ar­me aus den vor der Am­pel
ste­hen­den Au­tos; ader­durch­zo­ge­ne Mus­kel­haut;
Son­nen­bril­len­ge­sich­ter, den Takt der Beats mit ih­ren Fin­gern auf die
Gum­mi­lip­pen ih­rer ge­öff­ne­ten Fen­ster klop­fend.

Kirch­stra­ße 1–32, das er­ste Le­bens­drit­tel oh­ne Irr­we­ge, oh­ne
Hin­der­nis­se, im­mer ge­ra­de­aus. Der reis­ge­mu­ster­te Kel­ler­deckel,
braun-ro­stig an den Rän­dern, ein­ge­rahmt von dem auf­ge­sprun­ge­nen
Grau des Asphalts.

Der Blick in den In­nen­raum des bis zum Rand ge­füll­ten
Mö­bel­trans­por­ters; Pflan­ze auf Kar­ton auf Stuhl auf Schrank auf Zeit.
Zwei auf dem Bür­ger­steig lie­gen­de, wei­ße Alt­klei­der­müll­beu­tel,
über­quel­lend vor In­halt, vor Stoff.

Die sich im leich­ten Stadt­wind nei­gen­den Hal­me un­ter­halb des
Baums, Äh­ren oh­ne Sinn, prall ge­füllt mit Korn. MAI THAI
MASSAGE; die fer­ne Er­in­ne­rung an Be­rüh­rung und dunk­len Rum
ge­mischt mit Li­met­ten und Oran­ge, süß und sau­er zu­gleich.

Ein Mann mit Kind, das auf dem Fahr­rad­weg läuft; die Frau ein we­nig
da­hin­ter mit Le­der­jacke und Mas­ke, ihr Blick starr nach vor­ne
ge­rich­tet.

GRATIS LIEFERUNG & MONTAGE, die Stän­di­g­an­ge­bo­te der Stadt,
MÖBEL UND KÜCHEN ZUM SONDERPREIS.

»Kalt hier, kalt hier«, ruft das fröh­lich la­chen­de Kind, das sich von der
Hand des Man­nes be­freit hat; die un­ter­schied­li­chen Klin­gel­tö­ne der
Fahr­rä­der als an­de­re Me­lo­die der Stadt nach­sum­mend,
Kin­der­sym­pho­nie oh­ne Ur­he­ber, oh­ne Na­men.

Ein Bus; dar­in ein Mann, der die In­nen­sei­te sei­nes hell­blau­en Hem­des
un­ter­sucht, aus dem ein­par­ken­den Au­to tö­nen die Klän­ge ei­ner Oper,
Ou­ver­tü­re »Zum flie­gen­den Hol­län­der«; Ma­ry Pop­pins auch hier in
der Stadt.

Der ro­te in der Fer­ne wu­chern­de Mohn, sich im Über­fluss
aus­schen­kend, das Ver­spre­chen von Wei­te und Feld in sei­ner Far­be
tra­gend.

Ein Mann, der sich mit vor­ge­hal­te­nem Geh­stock über die Stra­ße ta­stet;
schüt­te­res-wei­ßes Haar; ein aus Rich­tung der Kir­che kom­men­der Herr
mit grau­em Hemd und We­ste; ei­ne grau-ge­hen­de Emi­nenz, die Au­gen
ge­rahmt hin­ter ei­ner mit Gold­rand ge­fass­ten Bril­le, ein stil­ler Die­ner.

Das Rat­tern der Spei­chen vor­beib­rau­sen­der Rä­der; Rücken, die
ent­zücken, die ver­rücken. Ver­hüll­te und Ent­hüll­te, groß­zü­gig
ge­schnit­te­ne Klei­der, we­hen­de Stof­fe ne­ben knapp-en­gen
Jeans­röcken.

TO LIVE AND TO LET LIVE, sich die Auf­kle­ber­auf­schrif­ten zur
Ta­ges­weis­heit ma­chen, zur Re­li­gi­on der Zwi­schen­räu­me. Die in die
Fu­gen­rit­ze ge­weh­te Fe­der, Träu­me in Ni­schen ge­bet­tet, Nacht auf
Asphalt.

Der kon­zen­triert auf das Klin­gel­schild ge­rich­te­te Blick des
Pa­ket­lie­fe­ran­ten; sei­nen klei­nen schwar­zen Scan­ner locker in der
Ta­sche stecken ha­bend; ei­ne Mensch-Ma­schi­nen-Kol­la­bo­ra­ti­on, die
Wün­sche der An­de­ren er­fül­lend.

Ei­ne sich nä­hern­de Drei­er-Mä­dels­kin­der­ban­de, mit Lol­lis im Mund,
wie Or­gel­pfei­fen ne­ben­ein­an­der her spa­zie­rend, fröh­li­che Lie­der
an­stim­mend; sich in die Luft schwin­gen­de Ar­me, die fest mit den
Hän­den der an­de­ren ver­bun­den sind, im­mer wie­der auf­la­chend.

Die Aus­ge­wa­schen­heit der Jeans­ho­sen an den
Ober­schen­kel­un­ter­sei­ten, die Blicke tief ins Ge­we­be; Zeit oh­ne
Ge­heim­nis­se, oh­ne Schutz.

Die im Asphalt stecken­de Schrau­be mit zar­ten Draht­haa­ren am
Kopf­en­de; der vor­bei­rau­schen­de Bus; MENSCHLICHKEIT IST
KÄUFLICH, die Klacker­ge­räu­sche ei­ner schö­nen Mut­ter, die ei­nen
Kin­der­wa­gen schiebt.

Die Frau­en, die Klei­der und ihr Som­mer. Haut und Far­be im
we­hen­den Wech­sel­spiel; die Va­ria­ti­on der
Mu­ster, der Li­ni­en, der Aus­gangs­punk­te – von hier geht es im­mer
wei­ter.

Das Glit­zern ei­nes klei­nen, mit Dia­man­ten be­setz­ten Traum­fän­gers am
Au­to­in­nen­spie­gel ei­nes PKWs oh­ne Kenn­zei­chen, am Steu­er ein
Mann mit Son­nen­bril­le und Gold­ket­te, die Haa­re streng aus dem
Ge­sicht ge­gelt.

Das tä­to­wier­te Au­ge auf der Un­ter­sei­te des Ober­arms ei­ner
pas­sie­ren­den Frau, da­zu ei­ne schwar­ze Ta­sche mit Glit­zer­stei­nen über
der Schul­ter hän­gend, dia­monds are a girl´s best fri­end.

Sich von den Bäu­men her­ab­stür­zen­de Tau­ben, gen Kirch­turm
flat­ternd, den Frie­den durch die Luft tra­gend, Ins­hal­la, إن شاء الله. Auf
dem Dach vor der Kir­che viel­drah­ti­ge An­ten­nen mit der glei­chen Hoff­nung
auf Emp­fang.

Der im­mer noch nicht-be­setz­te Stuhl auf dem jetzt son­nen­über­flu­te­ten
Bal­kon, das ru­sti­ka­le Holz länd­lich-schim­mernd, ein­la­dend,
Wald­ro­man­tik oh­ne Wald; und da­zwi­schen die Män­ner und ih­re Rol­ler
und ih­re in der Son­ne glän­zen­den Ober­ar­me, Brems-Blink-
Mus­kel­spie­le oh­ne Pau­se.

Mor­gen­land, Nach­mit­tags­land, Abend­land; ge­gen die Ge­schlos­sen­heit
an­schrei­ben; für mehr Durch­läs­sig­keit im Blick, für mehr Licht in den
Fen­stern und Ge­sich­tern.

Das Se­hen der Blü­ten­blät­ter des Baums auf dem Asphalt als wei­ße
Stadt­schnee­flocken; ein­ge­fro­re­ner Früh­ling; da­zu das Abend­rot des
Mohns; so soll es im­mer blei­ben.

Die Groß­blu­men­fa­mi­lie im ge­gen­über­lie­gen­den Fen­ster; al­le sechs im
glei­chen Ab­stand zu­ein­an­der; Mut­ter und Mut­ter und vier Kin­der mit
knall­pin­ken Haa­ren, die Müt­ter mit blond-gel­ben Blü­ten­locken.

Der aus ei­nem schwar­zen Mer­ce­des stei­gen­de Mann mit wei­ßem
Po­lo­shirt, sein si­che­rer Griff zur Bei­fah­rer­tür; ei­ne Frau, ein Ba­by; der
stil­le Ab­gang des Man­nes, das ein­hän­di­ge Kra­men der Frau nach dem
Schlüs­sel ih­rer Woh­nung.

Ein ro­ter, vor­fah­ren­der Sport­wa­gen, blit­zen­de Fel­gen im Schein der
Stra­ßen­la­ter­nen; ein den Kof­fer­raum öff­nen­der Mann, der ei­ne
Lein­wand her­vor­holt.

Die Dau­er­be­leuch­tung der Klin­gel­schil­der im Haus ge­gen­über; die
Fä­hig­keit des Lich­tes, der Dun­kel­heit die Na­men ent­ge­gen­zu­set­zen:
ich weiß, wie du heißt und des­halb weiß ich, wo du wohnst.

Die sich sanft im Nacht­wind wie­gen­den Äste, Jung­spröss­lin­ge,
stän­dig win­kend; mit ih­ren Schat­ten­tän­zen auf sich auf­merk­sam
ma­chend.

DIENSTFAHRT. BLEIBT GESUND! Die gu­ten Wün­sche auf
An­zei­ge­ta­feln von Bus­sen, DAUERHAFTE HAARENTFERNUNG
99 EURO; ein auf­hu­pen­des Au­to.

Weg­ge­wor­fe­ne Zi­ga­ret­ten, Ein­kaufs­bons, fei­ne Glit­zer­glas­split­ter und
dar­über ein auf­ge­regt sir­ren­des Nacht­fal­ter­paar, sich stän­dig um die
ei­ge­ne Ach­se in der Luft dre­hend, sich tren­nend und doch im­mer
wie­der zu­sam­men fin­dend; wil­de Flat­ter­tän­ze mit zag­haf­ten
Be­rüh­run­gen an den Flü­gel­au­ßen­spit­zen.

Ei­ne sehr laut spre­chen­de, im­mer nä­her kom­men­de Frau­en­stim­me, die
Teil ei­ner Grup­pe ist, »und dann stel­le ich das noch käl­ter, weil ich es
doch schon kalt ha­be.«

Ein Wind­stoß, der jetzt fort­we­hen­de Teil ei­nes weg­ge­wor­fe­nen
Papp­kar­tons; über den Asphalt rat­schen­des Pa­pier, klim­pern­de
Schlüs­sel, ei­ne auf­sum­men­de Frau­en­stim­me, »ich bin da«.

RETTUNGSDIENST 112. Was­ser: Bo­da: Вода; Hund: Gut­sche:
Куче; Ba­by: De­te: бебе; Fla­sche: Schi­sche: шише; Sa­la­mi: Sa­lam:
Салам; Bul­ga­risch-Lek­tio­nen für An­fän­ge­rin­nen.

Das über das gan­ze Ge­sicht ge­hen­de Lä­cheln des Sprach­leh­rers beim
Her­aus­ho­len sei­ner Trom­mel aus dem Ruck­sack. Die vor ihm
ste­hen­de Co­la­fla­sche mit schon ge­öff­ne­tem Deckel; für ei­nen Mo­ment
ist Som­mer.

Der Sprach­leh­rer jetzt auch ein Tromm­ler jetzt auch ein Ma­ler, der
Tanz sei­ner Pin­sel­stri­che über das wei­ße Pa­pier, ein schwar­zes
Qua­drat und ei­ne dar­aus auf­stei­gen­de Rauch­wol­ke und die
Stra­ßen­la­ter­nen sind die Son­nen der Nacht.

Der sich sanft über das Blatt zie­hen­de Pin­sel, klei­ne Kratz­ge­räu­sche
auf dem rau­en Pa­pier des Skiz­zen­blocks ma­chend; da­bei im­mer
wie­der ein Auf­la­chen, ein Lob, »su­per­bra­vo«.

Die Ge­wiss­heit, dass bei Hun­den nach Biss­wun­den die Haa­re in der
ent­ge­gen­ge­setz­ten Rich­tung nach­wach­sen; Nacht­wahr­hei­ten un­ter
auf­stei­gen­dem Zi­ga­ret­ten­rauch.

Die nächt­li­che Ver­keh­rung der Far­ben in ihr Ge­gen­teil, aus grau wird
blau; die sil­ber-graue Mo­tor­rad­ab­deckung jetzt ein oze­an­blau­es
Schim­mer­meer; sum­mer in the ci­ty.

Die um­her­wan­dern­de Zi­ga­ret­ten­packung, die ge­mein­sa­me Su­che nach
Feu­er­zeu­gen; Dau­men, die ver­geb­lich ent­lang von Me­tall­räd­chen
rat­schen, »wenn´s al­le ist isse´s al­le«.

Die Stra­ße, mein Feld; das Rau­schen der Au­tos, mein Spiel der Äh­ren
mit dem Wind. Das auf der Mit­te des Geh­steigs ge­park­te Fahr­rad,
NEXT BIKE, noch ei­nen Gras­halm in den Spei­chen hän­gen ha­bend,
mit­ge­nom­me­ner Som­mer, bald ist al­les reif.

In der Luft tan­zen­der Som­mer­schnee un­be­kann­ten Ur­sprungs, kei­ne
Wei­de in Sicht. Die ein­an­der nun nä­her­ge­rück­ten Men­schen, Hand in
Hand, Rock an Rock und da­ne­ben das Sil­ber­au­to mit ei­ner
aus­ge­beul­ten Tür – Spu­ren der Be­rüh­rung, auch bei den PKWs.

Ein auf die Stra­ße ge­spuck­ter Kirsch­kern, der nicht ganz in die
Ein­buch­tung zwi­schen den Asphalt­stei­nen passt, Ge­schich­ten vom
Kirsch­kern­weit­spucken er­zäh­lend, auf­zie­hen­des Kin­der­la­chen.

Das sat­te Som­mer­grün der Baum­kro­nen, das Spiel der Kleinst­blät­ter
mit dem Stadt­wind, be­weg­te Schat­ten­bil­der auf das Asphalt­grau
zeich­nend.

Ein vor­bei­fah­ren­des creme­wei­ßes Ta­xi mit klei­nen, an den
Sei­ten­spie­geln an­ge­brach­ten Flat­ter­fah­nen; der Mut der Men­schen,
Flag­ge zu zei­gen, für den Sport, für ih­re Mann­schaft.

EMS – Sa­ni­tär und Hei­zung, El­mar mag Sah­ne­tor­te, das nie en­den­de
Spiel mit den Ab­kür­zun­gen.

Die Stadt und ih­re Lie­be, vie­les auf klei­ner Flä­che dar­zu­bie­ten, das
rat­schi­ge Ge­flat­ter des Tau­ben­paars in der Baum­kro­ne, ih­re Fe­dern bei
je­dem An­flug , bei je­dem Sturz­flug an­ein­an­der rei­bend, im­mer wie­der
auf­ein­an­der zu- und von­ein­an­der weg­flie­gend.

Der den Kof­fer­raum öff­nen­de Mann, die aus dem Fen­ster schau­en­de
Frau; blit­zen­des Lack­schwarz, ei­ne weiß we­hen­de Blu­se im
Fen­ster­wind.

Der Start des Mo­tors, das ge­dul­di­ge War­ten auf die Mög­lich­keit, sich
in den dich­ten Au­to­ver­kehr der Stra­ße ein­zu­schleu­sen.

Ei­ne mit den Fin­gern schnip­send und fröh­lich-pfei­fend pas­sie­ren­de
Frau, die Stoff­ta­schen leer und leicht um ih­re Schul­ter ge­hängt,
be­schwingt mit je­dem Schritt im­mer ein Stück wei­ter vom Bo­den
ab­he­bend.

Der jetzt ein­par­ken­de Jeep, das Stadt­dschun­gel­au­to mit zwei run­den
Kat­zen­au­gen, 4 WD, four Wirk­lich­keits­drang, für mehr Ein­fach­heit im
Durch­drin­gen des wil­den Dickichts der Stadt.

»Ich weiß nicht, ob ich das nur Stef­fi er­zählt ha­be … mit dem
Pul­ver« …; vor­bei­zie­hen­de Dia­lo­ge zum Wei­ter­träu­men, die Im­mer-
Mög­lich­keit, sich ei­ne Ge­schich­te auf die ei­ge­ne Wei­se wei­ter­zu­er­zäh­len.

Die Klack-Klack-Ge­räu­sche von Ab­sät­zen fei­ner Her­ren­schu­he, da­zu
klim­pern­de Schlüs­sel­ge­räu­sche, der hin – und her hüp­fen­de
Schlüs­sel­bund – be­fe­stigt an ei­ner Au­ßen­sei­ter­ta­sche der braun-glatt-
ge­bü­gel­ten Stoff­ho­se.

Die ge­öff­net weg­ge­wor­fe­ne lee­re Zi­ga­ret­ten­schach­tel, Da­vid­off Gold,
RAUCHEN VERURSACHT 9 VON 10 LUNGENKARZINOMEN,
EXCELLENCE IN EVERY DETAIL, die Wi­der­sprüch­lich­keit der
Welt, GENEVE 1926. Der über­groß auf der Schach­tel blank-nack­te
Rücken ei­nes Men­schen mit ei­ner den Hin­ter­kör­per durch­tren­nen­den
ro­ten Nar­be, das Ein­stich­ge­schick des Ope­ra­teurs in vol­lem De­tail
zei­gend; Ab­schreckung vs. Ge­nuss; kein Ge­nuss oh­ne Ri­si­ko; wer
ge­nießt, lebt im­mer am Ab­grund.

Das drin­gend in den Gul­li fal­len wol­len­de Blatt ei­ner Lin­de, zu groß
um klein bei­zu­ge­ben, um sich ein­drücken zu las­sen, von der
vor­ge­ge­be­nen Form des Un­ter­grun­des.

Ein im Fen­ster ste­hen­der Ni­ko­laus mit Sei­ten­blick zur Stra­ße, die
Zeit­rech­nung der An­de­ren, der Rau­sche­bart im glei­chen gelb­li­chen
Weiß wie die da­hin­ter lie­gen­de Gar­di­ne.

Die klin­geln­de Frau, die war­ten­de Frau, die noch ein­mal klin­geln­de
Frau, die sich mit dem gan­zen Arm schon an der Tür ab­stüt­zen­de
Frau; end­lich das Er­leich­te­rung ver­spre­chen­de Auf­sur­ren der Tür, der
End­lich-Ein­lass ins küh­len­de Dun­kel des Flu­res.

Die Men­schen und ih­re vor­nehm­lich run­den Bril­len mit Gold- oder
Sil­ber­fas­sung, »Ara­bia Ger­man­wings«, عَرَبِيَّة جيرمان فينجس, ein
vor­bei­ge­hend te­le­fo­nie­ren­der Mann mit wild in der Luft
ge­sti­ku­lie­ren­den Hän­den.

Das Ver­spre­chen von Son­ne und Strand der Au­to­mo­bil­her­stel­ler, SEAT IBIZA,
par­ty in the ci­ty, dar­aus aus­stei­gend ein schlaff-schö­ner
Jüng­ling mit schlur­fen­dem, die Stra­ße über­que­ren­dem Schritt.

Der grün-of­fe­ne Schlund des über­groß grü­nen Müll­ei­mers, füt­te­re
mich und mei­ne See­le wird ge­sund.

Der Schau­kel-Som­mer­schritt vie­ler Schlap­pen und San­da­len tra­gen­der
Men­schen, das Wie­gen­de in ih­rem Gang ha­bend, in der Art und Wei­se
ih­rer Be­we­gung.

EXPRESS-REINIGUNG, auf­heu­len­des Mar­tins­horn, Ex­press-Hil­fe,
über al­le ro­ten Am­peln fah­ren­de Ret­tungs­wa­gen, ex­press, ex­press,
schnell, schnell!

721 – D‑TANNENHOF, GOTHAER WEG, das Ver­spre­chen der
Bus­se, gen Osten zu fah­ren, hin zu den so viel hö­he­ren Bäu­men, kei­ne
Tan­nen, nur Bu­chen dort.

Dicke Rei­fen, ein vor­fah­ren­der braun-glän­zen­der Ko­loss an Au­to mit
ei­ner Rie­sen­la­de­flä­che, T‑ROC, T‑Rex, Ur­wald in der Stadt, der
Rück­fall ins Ju­ra, Tri­as, Kar­bon, der sich si­chern müs­sen­de Mensch,
die Ge­fah­ren des im­mer­neu­en Erd­zeit­al­ters auf sich neh­mend.

Der Auf­prall der Schlap­pen auf den Fuß­bal­len, Som­mer-Klapp-Klapp-
Ge­räu­sche, luf­tig we­hen­de Ho­sen, of­fen we­hen­de Haa­re, Ta­schen
oh­ne In­halt, Som­mer oh­ne Ge­päck.

Das nicht-aus­ge­pack­te Kau­gum­mi; das weg­ge­wor­fe­ne Pfla­ster oh­ne
Blut­spu­ren am In­nen-Fleece-Stoff, die im­mer­glei­che Post­frau mit dem
prall­ge­füll­ten Wa­gen, Brie­fe, Pa­ke­te vor sich her­schie­bend, nie mü­de
wer­dend, im­mer freund­lich.

EXTRA FÜR STUDENTEN. SICHERE DIR DIE GÜNSTIGEN TARIFE,
die im­pe­ra­tiv-treue Stadt und das schlür­fend-
vor­bei­schlur­fen­de Kind mit Trink­päck­chen in der Hand, die fe­ste
Stim­me der Mut­ter, »Muss das sein?«

Ein vor­bei­zie­hend plau­dern­des Frau­en­paar, die Ta­schen des glei­chen
Ge­schäf­tes in ih­ren Hän­den hin- und her­schwin­gend, die
Son­nen­bril­len locker auf ih­re Kopf­be­deckun­gen ge­steckt.

Lö­wen­zahn und der Zahn der Zeit, das sich in die graue
Mo­tor­rad­ab­deckung hin­ein­ge­fres­se­ne Loch, die Spu­ren von Tau­ben
auf sich ha­bend.

Ein vor­beitap­sen­der, wei­ßer so­wie schwar­zer Hund, ge­führt von ei­ner
Frau mit fe­stem Griff, zwei Lei­nen, zwei Hun­de, »Schluss jetzt!«

Die auf dem Bür­ger­steig um­her­krab­beln­de Flie­ge, im­mer wie­der kurz
auf­stei­gend und dann wie­der gen Bo­den ab­sin­kend.

Ein Mann mit Hut, ein Hu­ster, ei­ne Frau mit Bier­fla­sche in der Hand
und laut aus ih­rer ge­öff­ne­ten Ta­sche tö­nen­der Mu­sik, Sam­ba­rhyth­men,
Trom­mel­ge­räu­sche, ihr Ge­hen: mehr ein Tanz als ein Schritt.

»Ruf­ste mich an, wie lan­ge es dau­ert« und da­zu die wie­der-
wie­der­hol­ten Som­mer­schlap­pen­ge­räu­sche.

In die Luft spre­chen­de Men­schen mit ih­ren ir­gend­wo sit­zen­den
Freun­den; Ge­sprä­che mit un­sicht­ba­ren Adres­sa­tin­nen, »Fan­de ich das
jetzt nicht so un­be­dingt gut«.

Kin­der­ar­me, die locker aus den Fen­stern vor­bei­fah­ren­der Au­tos
hän­gen, die Of­fen­heit des Som­mers – ge­zeich­net in al­len Rit­zen, in
al­len Fen­stern, in al­len Men­schen.

Die mit Blü­ten­staub zu­ge­weh­ten Fu­gen des Kopf­stein­pfla­sters, weiß-
gelb-brau­nes Füll­ma­te­ri­al auf Zeit. IHRE WERBUNG OFFLINE &
DIGITAL, auf­stei­gen­der Es­sens­ge­ruch, Bra­ten, Zwie­beln, ir­gend­et­was
mit Fleisch.

Der Mann mit Hut und Hus­ky, jetzt an ei­nem Stra­ßen­pol­ler leh­nend,
sei­nen Blick auf die Stra­ße ge­rich­tet, sein Mund die Be­we­gung von
Kau­gum­mi­kau­en ma­chend.

Das Pink-weiß-vio­lett ei­nes Hub­ba-Bubba-Pa­piers auf dem
Bür­ger­steig als Hin­weis der an­ge­bro­che­nen Kir­schen­zeit; der jetzt das
Haus be­tre­ten­de In­stal­la­teur mit ei­nem Strauß Ab­dich­tungs­roh­ren in
der Hand.

Die tief her­un­ter­hän­gen­de Flag­ge, der be­grün­te Bal­kon, der dün­ne
Fah­nen­stoff, schwe­bend über den drei grün-wei­ßen Son­nen­schir­men
des dar­un­ter­lie­gen­den Bal­kons, ei­ne Fast-Be­rüh­rung.

Die Ver­mi­schung al­ler Far­ben: grün, rot, weiß, schwarz, gelb, co­lours
of the world, united co­lours, der nie ver­schwin­den­de Re­gen­bo­gen;
schö­ne, wild-bun­te Welt.

Ein Mann mit Stroh­halm im Mund, Kaf­fee in der ei­nen und Mas­ke
und Zi­ga­ret­te in der an­de­ren Hand, kurz dar­auf ei­ne sich öff­nen­de
Haus­tür; Soh­len, die über Schwel­len schrei­ten.

Die Schrau­be, die ei­ne be­stimm­te, be­reits tief auf den
Fu­gen­rit­zen­bo­den ge­sun­ken; ein wei­ches Bett zwi­schen den
ver­trock­ne­ten Bu­chen­blät­tern und dem weiß-wei­chen Blü­ten­schnee
der Wei­de ge­fun­den ha­bend.

Frau­en und ih­re Fahr­rad­an­hän­ger und ih­re Last. Das Zer­flie­ßen der
Zeit un­ter Hän­den, die stän­dig et­was tra­gen – Kin­der, Ein­käu­fe, Es­sen,
Pla­stik­tü­ten, Turn­beu­tel, Schul­tor­ni­ster.

Die ste­hen­blei­ben­de, auf dem Han­dy tip­pen­de Frau, vie­le schnel­le
Zü­ge von ih­rer Zi­ga­ret­te neh­mend, als sei sie in Ei­le – über­ra­schend
ihr jetzt wie­der-be­gin­nen­der Schritt – lang­sam, ge­mäch­lich.

Die Fahr­rad­stän­der und ih­re Auf­ga­be, Halt zu ge­ben; eng an eng
ge­stell­tes Blech, Do­mi­nanz der Far­be grau.

ERCIYES KULTURVEREIN und der im Ein­gang ste­hen­de,
freund­lich lä­cheln­de Herr. Das er­wi­der­te Lä­cheln und das dar­auf
um­ge­hend fol­gen­de Ser­vie­ren ei­nes köst­lich-schwar­zen Tees mit ei­ner
Über­an­zahl an Zucker­wür­feln, »trin­ken Sie, trin­ken Sie.«

Ein im vio­let­ten Hemd pas­sie­ren­der Mann, mas­kiert, zwei oran­ge­ne
Pla­stik­tü­ten in der Hand tra­gend und das ihm ent­ge­gen­kom­men­de
blaue Last­au­to mit ei­nem auf der La­de­flä­che ste­hen­dem
ne­on­gel­ben Kran, kein Blick zu­rück.

Das Wei­ter­träu­men des Ge­se­he­nen durch das Nicht-Ge­se­he­ne, durch
das Nur-Er­spür­te und da­zu die Fä­hig­keit der ei­ge­nen Stra­ßen­be­lag-
Ver­le­gung; heu­te: Mut zu den Lücken, Kopf­stein; mor­gen wie­der:
Asphalt.

Das Nach­den­ken über die Va­ria­ti­on der Un­ter­grün­de, jäh
durch­bro­chen durch plötz­li­ches Auf­hu­pen, ein zor­nig aus dem of­fe­nen
Fen­ster des Au­tos ge­sto­ße­ner Fluch Rich­tung Fuß­gän­ger; bis zum
En­de der Stra­ße nach­hal­len­de Ver­wün­schun­gen; »Du bist ja wohl
ver­rückt!«

Ein Mann, der ein Rad mit ei­nem halb zer­ris­se­nen An­hän­ger ne­ben
sich her­schiebt, da­zu ei­ne schlaff aus dem Mund­win­kel hän­gen­de
Zi­ga­ret­te. Er­tö­nen­de Mu­sik aus vor­bei­fah­ren­den Au­to­fen­stern, »tell
me what you want, what you re­al­ly re­al­ly want.«

Ei­ne auf der ge­gen­über­lie­gen­den Sei­te be­schwingt vor­bei­ge­hen­de,
laut-la­chend-te­le­fo­nie­ren­de Frau, Quietsch­ge­räu­sche zwi­schen den
La­chern aus­sto­ßend, glück­lich da­bei strah­lend; Stra­ßen­glanz oh­ne
Gold.

Ein ein­par­ken­der Sil­ber­kom­bi, dar­aus aus­stei­gend ein eben­falls
silb­ri­ger Mann, schnell noch ei­nen Zug von sei­ner Zi­ga­ret­te neh­mend
und die­se dann weg­wer­fend.

Der nicht in den Gul­li fal­len wol­len­de Glimm­stän­gel, be­harr­lich
ru­hend auf dem dun­kel­brau­nen Rost des Gul­lis, ein­sam in die Luft
auf­stei­gen­der Qualm, Rauch­zei­chen oh­ne Emp­fan­gen­de.

8387, 722, vor­bei­zie­hen­de Zah­len wie Men­schen, wie Au­tos; ein sich
schon beim Ein­par­ken auf­klap­pen­des Au­to, dar­aus auf­stei­gend ein
ra­san­ter Rap; Wör­ter, wie Zah­len wie Men­schen, »hier drau­ßen ist es
kalt, so vol­ler Ge­walt«.

Mut­ter und Toch­ter, fla­nie­rend, die Mut­ter mit brau­ner Jacke und
schwar­zem T‑Shirt; die Toch­ter ein­ge­hüllt in ein zar­tes Ro­sa.

Die Fel­gen des ein­ge­park­ten Sport­wa­gens, weiß­grau glit­zernd,
Som­mer­eis­kri­stal­le, auf­klim­pern­de Schlüs­sel un­ter dem sich stän­dig
wie­der­ho­len­de Rap-Re­frain, »hier drau­ßen ist es kalt, so vol­ler
Ge­walt«.

Ein vor dem Sport­wa­gen ste­hen­blei­ben­der Pas­sant mit grau-wei­ßem
Ach­sel-Shirt, auf dem ei­ne Frei­heits­sta­tue ab­ge­bil­det ist, sein Kopf im
Takt des Raps auf- und ab­wip­pend, DESTINATION AMERICA.

Ein schwarz­ge­klei­det vor­bei­zi­schen­der Mann, ker­zen­ge­ra­de auf dem
E‑Roller ste­hend, sich schnell in der Fer­ne ver­lie­rend, auf­lö­send am
Stra­ßen­ho­ri­zont.

Der Som­mer und sei­ne Schlapp-Schlapp-Ge­räu­sche, San­da­len
un­ter­schied­lich­ster Cou­leur, »hal­lo An­ne, na wie is­set?« … »Hört sich
ja gar nicht gut an, wenn du so sagst, so la­la.«

Ei­ne weg­ge­wor­fe­ne Ca­pri­son­ne, ei­ne brau­ne Ca­lip­po-Eis­hül­le, ei­ne
Groß­raum­pla­stik­ver­packung; da­ne­ben ein ab­ge­bro­che­ner Ast mit
Schnecken­sch­leim­spu­ren; ein Stadt-Müll-Still­le­ben oh­ne Na­tur, oh­ne
Tier.

Spei­chenk­lacker­ge­räu­sche, ein ge­scho­be­nes Fahr­rad und da­ne­ben
zwei Ruck­sack­män­ner, fröh­lich mit­ein­an­der plau­dernd, die schwar­zen
Stoff­be­hält­nis­se der­sel­ben Mar­ke in glei­cher Hö­he auf dem Rücken
tra­gend.

Ein freund­lich-freu­di­ges Ta­ges­mut­ter­trio mit ei­ner fröh­lich, in
Groß­wa­gen sit­zen­den Kin­der­schar; das plötz­li­che An­ge­schaut-Wer­den
von zwölf gro­ßen Au­gen­paa­ren, »was macht die da?«

Die Er­tei­lung des ei­ge­nen Na­mens durch an­de­re; er­zähl mir was und
ich sag dir, wer du bist; »bist du Frie­de­ri­ke?« – »Frie­de­ri­ke
May­röcker?« – »Ja, ge­nau.«

Ein Bi­blio­phi­ler, ein Gong­mei­ster, ein Kind und das Sich-Ver­lie­ren in
Spra­che und Schrift. Das wach­sen­de Ver­trau­en in die Frem­den und in
die Im­mer-Mög­lich­keit von Be­geg­nun­gen mit Tie­fe, mit Un­ter­grund.
Hier ste­he ich und ha­be fe­sten Bo­den.

Zwei sich nä­hern­de Frau­en mit drei gel­ben Piz­za­kar­tons und das
al­ba­ni­sche Sprich­wort, das den Ko­so­vo mit Al­ba­ni­en ver­bin­det:
»Xama­da­ni vi­ja vi­ja ësh­të Ko­so­va ësh­të Sh­qipëria SD.«

Ein mit­ten auf dem Fahr­rad­weg ste­hen­blei­ben­der Mu­sik­leh­rer und das
Ver­spre­chen auf bal­di­gen Bos­sa No­va, »vie­len Dank«, »mui­to
obri­ga­do.«

Die auf dem Geh­steig trip­peln­de Tau­be und der Kon­trast ih­rer ro­ten
Kral­len auf dem grau­en Asphalt. Die An­kunft zwei­er wei­te­rer Tau­ben
und ihr flat­t­ri­ger Lan­de­flug; sich in Fu­gen­rit­zen boh­ren­de Schnä­bel,
Mit­tags­zeit.

Zwei auf dem Fahr­rad­weg lie­gen­de Ka­bel­bin­der, wie zwei
Kleinst­schlan­gen zu Krei­sen zu­sam­men­ge­rollt und die da­hin­ter
lie­gen­de Kaf­fee­oa­se mit blin­ken­den Lich­tern und rot aus­ge­zo­ge­ner
Mar­ki­se, CANDELA – CAFÉ – BAR – LOUNGE.

BIST DU BEREIT? TICKET YOUNG PLUS. Ein vor­bei­zie­hen­der
Bus, dicht ge­folgt von ei­nem LKW mit dem Ab­bild ei­ner in der
Ba­de­wan­ne lie­gen­den Frau, ELEMENTS: DER WEG ZU DEINEM
NEUEN BAD.

Das ver­trock­ne­te Bu­chen­blatt auf dem Asphalt und das farb­lich
pas­send vor­bei­zie­hen­de Last­au­to, STARCAR, gel­be Schrift auf grau-
wei­ßem Un­ter­grund.

VERKAUF VON GEBRAUCHTWAREN, ANNAHME VON
MÖBELSPENDEN, HAUSHALTSAUFLÖSUNGEN; auch: Die
lang­sa­me Auf­lö­sung des Ahorn-Sa­men­korns, sei­nen Flü­gel gen
Him­mel ge­streckt, hoff­nungs­lo­se Bo­den­su­che.

»Im obe­ren Rücken­be­reich, das fin­de ich nicht so schlimm«,
vor­bei­zie­hend-fach­sim­peln­de Män­ner über Kör­per­bau, Kno­chen und
den all­ge­mei­nen Zu­sam­men­hang von al­lem.

Ein Mann mit lan­gen, zu ei­nem Zopf zu­sam­men­ge­bun­de­nen Haa­ren
und fünf Pla­stik­tü­ten Müll. Auf­klap­pern­de Ton­nen; Säcke, die auf
an­de­re Säcke tref­fen.

Frau­en und ih­re nach un­ten ge­rich­te­ten Blicke; vor al­lem dann, wenn
sie als sol­che er­kannt wer­den.

Ei­ne Frau mit Hut und dar­über ein Fen­ster vol­ler Pflan­zen; kurz
dar­auf ein Mann vol­ler Last; sein Kör­per, ver­bor­gen in­mit­ten des
Ge­schlepp­ten, ein Ven­ti­la­tor, ei­ne Klo­pa­pier­packung, zwei Sitz­kis­sen
und vier bunt-ra­scheln­de Pla­stik­tü­ten.

Der An­trieb der Men­schen, wenn sie Rad­fah­ren; ge­schäf­tig-
en­er­gi­sches Tre­ten, klim­pern­de Spei­chen, im­mer wie­der durch­bro­chen
vom Rau­schen der Au­tos.

Die Ju­gend und ih­re Zer­ris­sen­heit an den Knien, her­aus­hän­gen­de
Bän­der und Fet­zen von über­all, tan­zend im Wind der Geh­schrit­te;
auf­klaf­fen­de Lö­cher, vor­nehm­lich im Knie­be­reich.

Klim­pern­de Schlüs­sel und Uh­ren, die über Han­dys strei­fen, Me­tall auf
Glas; Frau­en, die Kin­der­wa­gen schie­ben und Par­füm­wol­ken hin­ter
sich her­zie­hen, pa­ra­di­se now.

Zwei sich put­zen­de, im ge­gen­über lie­gen­den Fen­ster sit­zen­de Kat­zen,
Zun­ge an Fell, an Kopf, an Haut und dar­un­ter auf dem Geh­steig der
sich freund­lich bücken­de Mann; der, der auf­hebt, was an­de­ren hin­fällt.

WHAT IS PASSION, IF YOU CAN´T SHARE IT?, das Spiel der
Wer­bung mit den Lei­den­schaf­ten, den Echt­zeit­ge­füh­len; das
Ver­spre­chen von In­ten­si­tät durch den Kauf die­ses ei­nen be­stimm­ten
Pro­duk­tes.

Ein Mann, ein Stock, ein paar Tau­ben, dicht ge­folgt von ei­nem
Kin­der­wa­gen, ge­scho­ben von ei­ner Mut­ter mit we­hend-schwar­zem
Haar.

Die auf dem Strom­ka­sten ab­ge­leg­te und ver­ges­se­ne, blau ge­füll­te
Pla­stik­tü­te mit Klei­dung; die aus der Ta­sche auf­stei­gen­de Ge­schich­te;
über­quel­lend vor Ma­te­ri­al, vor Stoff.

Drei Frau­en und ein sich im Fahr­rad­fah­ren üben­des Kind;
Müt­ter­en­gel­hän­de, die den Kin­der­rücken stüt­zen, die den Fall
ver­hin­dern wol­len, den Sturz, den Schrei.

Die sich öff­nen­de, in der Son­ne glän­zen­de Bal­kon­tür, für ei­nen
Mo­ment die Stra­ße in ein Be­wegt-Bild ver­wan­delnd, sich stän­dig
öff­nend und dann wie­der ver­schlie­ßend.

Ein mas­kier­ter Mann, zwei EDE­KA-Ta­schen tra­gend, die Wa­re
wohl­ver­teilt, Gleich­ge­wicht trotz Ge­wicht.

Ein rot ge­zo­ge­ner Kreis aus Me­tall als Schild, mit blau­er Far­be ge­füllt
und von ei­nem ro­ten Strich in der Mit­te durch­kreuzt, PARKEN
VERBOTEN, AUF DEM SEITENSTREIFEN, MO-FR, 8–18:00
UHR.

Ein lei­se ein­fah­ren­der E‑Roller, dar­auf ein Mann mit Ha­wai­hemd und
schwar­zem Ruck­sack. Der flie­gen­de Ab­stieg mit ei­ner Di­rekt-
Lan­dung vor der ge­wünsch­ten Tür; das dar­auf fol­gen­de Stu­di­um des
Klin­gel­schil­des und die Hoff­nung auf das Fin­den des rich­ti­gen
Na­mens, Er­lö­sung nur durch das Sur­ren, end­lich.

Das grell­grü­ne Ne­on­licht des am Stra­ßen­rand ge­park­ten E‑Rollers;
Blink­zei­chen von sich ge­bend, zur Fahrt ein­la­dend; steig auf, steig
auf!

Die auf dem Asphalt lie­gen­de Scha­le ei­nes Son­nen­blu­men­kerns und
ei­ne dar­über krab­beln­de Amei­se, weiß-schwar­ze Hö­hen und Tie­fen
er­klim­mend, mu­tig sich dem Tal der Fu­gen­rit­ze stel­lend.

Ein Mann, ei­ne Krücke und sei­ne Kunst, mit ihr auf ein Fahr­rad zu
stei­gen und die­ses zu fah­ren. Si­che­re Hand­grif­fe und das Ver­trau­en
auf den ei­ge­nen An­trieb, das Ge­schick, die Mü­he.

Die hell­rot auf­glü­hen­den Zi­ga­ret­ten­en­den der vor ERCIYES
KULTURVEREIN ste­hen­den Män­ner, Schul­ter an Schul­ter, fast
ein­an­der be­rüh­rend, mit auf die Stra­ße ge­rich­te­tem Blick.

Ein mit­ten auf der Fahr­bahn ste­hen­blei­ben­des Ta­xi mit oran­ge-
zucken­dem Warn­blink­licht und ein sich nä­hern­der Bus. Zwei über die
Stra­ße hu­schen­de Fuß­gän­ger; Un­sicht­ba­re, ein­ge­taucht ins
Abend­dun­kel.

Die Fahr­rad­tret­quietsch­ge­räu­sche ei­ner vor­bei­fah­ren­den Frau mit
lan­gem blon­den Haar und dun­kel­gelb-wei­ßem Kleid und ihr viel zu
grell, rot-auf­leuch­ten­des Rück­licht; für ei­nen Mo­ment die Welt in ei­ne
War­nung ver­wan­delnd, vor­sicht!

Ein schwarz­ge­klei­de­ter, aus ei­nem La­den­lo­kal tre­ten­der Mann,
gäh­nend ins Abend­licht tor­kelnd, in sei­ner Ho­sen­ta­sche klim­pern­de
Schlüs­sel; sein Ge­sicht, ziel­ge­rich­tet, ge­ra­de­aus Rich­tung Fei­er­abend.

Das zar­te Abend­zwit­schern der vom Tag üb­rig ge­blie­be­nen Vö­gel,
im­mer wie­der jäh durch­bro­chen durch das Auf­rau­schen ei­nes neu
vor­bei­fah­ren­den Au­tos.

Auf­läu­ten­de Kir­chen­glocken mit ei­ner über­schau­ba­ren Fre­quenz an
An­schlä­gen und das sich in das zum Ge­bet auf­ru­fen­de Ge­läut
hin­ein­mi­schen­de Mar­tins­horn.

Zwei Vor­bei­ra­deln­de, ein Mann, dicht­ge­folgt von ei­ner Frau, »ganz
ko­misch«, sagt die Frau, »wenn du nur rollst und nicht trittst, dann ist
Ru­he, oder?«, fragt der Mann.

»Ich ha­be ge­sagt, lutsch mei­ne … und nicht mei­nen … ‚« die hin und
her wackeln­de Frau mit ei­ner Zim­mer­pflan­ze im Arm; da­ne­ben der
schwer mit Ein­kaufs­ta­schen be­häng­te Mann, mit dem Kopf nickend,
die Schul­tern zuckend.

Ein Mann, ein Wort, »Na­bend,« und der Ein­mal­blick von oben nach
un­ten, vom Schei­tel bis zu den Fü­ßen und um­ge­kehrt, »schö­nen
Abend noch«.

Die Zu­nah­me händ­chen­hal­ten­der Paa­re bei fort­schrei­ten­der
Dun­kel­heit, zwei pas­sie­ren­de Män­ner, »let´s do it now, now!«

Ein auf den Geh­steig tre­ten­der Herr mit grau­em Haar und brau­nem T-
Shirt, ei­ne Ta­schen­lam­pe in der Hand hal­tend, auf- und ab­ge­hend, die
Stra­ße nach et­was ab­su­chend, tan­zen­de Licht­ke­gel auf dunk­lem
Asphalt.

N20, MEDIKA und das von den groß-grü­nen Bus­sen aus­ge­hen­de
Ver­spre­chen von Fer­ne, von Aus­bruch; FLIXBUS, steig ein und ich
zeig dir die Welt.

Hell­erleuch­tet-vor­bei­schlur­fen­de Bild­schirm­ju­gend­li­che und das
Sicht­bar­ma­chen von Al­lem für den Mo­ment der ab­so­lu­ten Hel­lig­keit
in den Ge­sich­tern, kein Weg zu­rück.

»Brauchst du Hil­fe?« – »Nein, dan­ke, ich schrei­be.« – »Oh, gut, ciao.«

Ein ver­las­se­ner Sta­pel Zei­tun­gen auf der Schwel­le ei­nes
Mehr­fa­mi­li­en­hau­ses, 75 JAHRE NRZ – WIR FEIERN DAS LESEN!
Dar­auf ab­ge­bil­det: Drei le­sen­de Frau­en in ei­nem Strand­korb und ein
von der Sei­te hin­ein­schau­en­der Mann, Hahn oh­ne Korb.

Ein Tür­spalt, ein hell­erleuch­te­ter Raum und dar­in sit­zend ein Mann;
das Ge­sicht, led­rig-braun, son­nen­ge­gerbt, in der Hand Spiel­kar­ten.

Zi­schel­ge­räu­sche Flü­stern­der von ir­gend­wo, die Nacht und ih­re
Ge­heim­nis­se, noch im­mer zar­tes Vo­gel­zwit­schern.

Ein vor­bei­schlen­dern­des Frau­en­paar, bei­de mit bauch­frei­en Tops,
»Ka­tha­ri­na hat ge­schrie­ben, Ker­stin ist zu Hau­se.« – »Nice«, sum­mer
on the bo­dies of the ci­ty.

VERKEHRSAUFSICHT, ein grau-pas­sie­ren­der Van, mit Blau­licht,
aber nicht blin­kend; vor­sicht, ich kann euch ein­fär­ben, wenn ich will.

Ein oran­ge Pla­stik­uni­for­mier­ter mit dickem Ruck­sack und Helm,
vor­bei­flit­zend auf ei­nem schwar­zen Moun­tain­bike und sein fa­ta­ler
Blick zu­rück und der La­ter­nen­pfahl, ein Fast-Zu­sam­men­stoß.

Die Flim­mer­fern­seh­bil­der in den Fen­stern und die auf­fal­len­de
Wie­der­kehr der Far­be Hell­grün, über­all Fie­ber, über­all
Eu­ro­pa­mei­ster­schaft.

Som­mer-Schlapp-Schlapp-Ge­räu­sche und wei­ße, im Nacht­wind
we­hen­de Klei­der; da­zu Mas­ken, die ver­mehrt in Arm­beu­gen
klem­men, Flug­ob­jek­te be­stimm­ba­rer Art.

Das Ge­heim­nis­vol­le von La­mel­len­rol­los in der Nacht und ih­re
ein­ge­schränk­te, durch vie­le klei­ne Strei­fen durch­bro­che­ne Sicht; die
Ver­lockung der schma­len Licht­schlit­ze und der auf­stei­gen­de Wunsch
der Er­grün­dung des Da­hin­ter.

Ei­ner, der den Tod über­lebt hat, und der Be­richt von der Er­rich­tung
ei­ner Ge­bets­tät­te zur Eh­rung des Ret­ters, des ihm hei­lig Ge­wor­de­nen;
»kom­men Sie ein­fach vor­bei, al­le sind will­kom­men!«

Ein Mo­tor­rol­ler, dar­auf ein Mann mit Helm und Flie­ger­bril­le. Fest
zu­sam­men­ge­press­te Lip­pen und ein starr nach vor­ne ge­rich­te­ter Blick,
ZENTRUM, HAUPTBAHNHOF.

Ein rau­chen­der Mann mit Bart, lang­sam über den Geh­steig
schlen­dernd, an der ei­nen Sei­te vie­le Pa­pier­ta­schen und ein Kind, in
der an­de­ren Hand ei­ne rot-wei­ße CO­CA-CO­LA-Do­se.

Ei­ne mit­ten auf dem Asphalt lie­gen­de Schrau­be ne­ben ei­nem platt
ge­tre­te­nen Zi­ga­ret­ten­stum­mel, ein un­glei­ches Paar, sie: Hart und fest,
er: Weich und auf­ge­löst.

Der fei­ne Kie­sel­sand an der Sei­te des Geh­steigs, über die Fu­gen
Mi­ni-Ge­röll und die zar­ten Klack-Klack-Tö­ne ei­nes
vor­bei­st­ack­sen­den Stöckel­schuh­paars.

Die Quietsch-Quietsch-Ge­räu­sche ei­nes zwei Was­ser-Six­packs
tra­gen­den Man­nes; die fei­ne Rei­bung des har­ten Fla­schen­pla­stiks
an sei­ner wei­chen Um­hül­lung.

Ein Mann, ei­ne Frau, händ­chen­hal­tend und ein ih­nen dicht fol­gen­der
Mann mit schnel­lem Schritt und weiß-we­hen­dem Haar, Freund und
Lieb­ha­ber in ei­ner Per­son – sein Schritt bleibt un­si­cher.

Die ab­ge­än­dert ge­form­te Na­tur, das Blatt als Form, als
Aus­gangs­punkt, als Schreib­un­ter­la­ge.

SONNENSCHEIN und das in dem Na­men viel­ver­spre­chend
Lie­gen­de, ein Trans­por­ter ist kein Trans­por­ter, ein Trans­por­ter ist
SONNENSCHEIN.

Ein Mann, ein Schirm und das Hin- und Her­schwin­gen des Stiels von
vor­ne nach hin­ten, ein Zu­satz­arm, bei Nie­der­schlag aus­klapp­bar.

Gel­be Schu­he, gel­be Jacke und ein mit dem Hen­kel zum Bo­den
ge­dreh­ter Schirm; die herr­schen­de all­ge­mei­ne Er­war­tung von Re­gen,
von Re­gung – noch ist der Him­mel blau.

DHL, das heißt Le­ben, das im­mer wie­der­keh­ren­de Spiel mit den
Ab­kür­zun­gen; ein en­er­gisch Vor­bei­ra­deln­der mit kurz-blon­dem Haar,
»ich zieh das jetzt ab näch­ste Wo­che durch«.

AK, al­les ko­misch, HAUSMEISTERSERVICE, BODENLEGER,
ABBRUCHARBEITEN. Ein E‑Roller, der ein Rad über­ho­len will, ein
Dräng­ler mit Son­nen­bril­le, ein Ge­dul­di­ger mit Draht­esel, ein
glück­li­ches En­de.

Ein Mann mit ro­sa Ka­pu­ze, sein Ge­sicht im zar­ten Pa­stell
ver­schwin­dend, dar­über ei­ne Mi­li­tär­jacke. Stil­brü­che nicht nur bei den
Pflan­zen, ab­ge­mäh­te Äh­ren ne­ben Pla­stik­tü­ten, kei­ne Stadt oh­ne Müll.

Ei­ne den Mann beim Ein­par­ken hel­fen­de Frau, win­ken­de Hän­de, »Es
gibt ge­nug Platz, ge­nug, ge­nug!«, Fi­mas­sa­fa, bes bes!«,
في مسافة بس بس und ei­ne kurz dar­auf aus­stei­gen­de Kin­der­schar.

Ein vor­bei­schlen­dernd-mas­kier­tes Mäd­chen-Trio, al­le schwarz
ge­klei­det, al­le schwarz-lang-we­hen­des Haar, »Bru­der, nur weil du den
Park­platz nicht ge­kriegt hast.« – »Ich ha­be ein­mal ge­se­hen, wie der
ein­ge­parkt hat.« – »Ey, Bru­der, hör auf mit dem Ge­hu­pe.«

Ein in die Luft spre­chen­der, vor­bei­sau­sen­der Mann auf ei­nem E-
Rol­ler, mit dem Him­mel spre­chend, dem un­sicht­ba­ren
Ge­sprächs­part­ner sei­nen Ort und sei­ne An­kunfts­zeit mit­tei­lend, »in
zwei Mi­nu­ten bin ich da.«

Die vor Pa­pier über­quel­len­de blaue Ton­ne und das am La­ter­nen­pfahl
leh­nen­de Fahr­rad, war­tend auf Ab­fuhr, auf Ab­fahrt.

722, D‑ELLER, VENNHAUSER ALLEE, die Bus­se und ihr
Ver­spre­chen von An­kunft an ei­nem Ziel, das ei­nen Na­men hat.

»Schnel­ler, schnel­ler«, »by­stree, by­stree«, Быстрее, быстрее; ein
Mäd­chen, das sich die pin­ke Jacke zu­zieht und ei­ne ste­hen­ge­blie­be­ne
Mut­ter, die den Be­we­gungs­ab­lauf über­prüft.

Der zum Abend ge­wor­de­ne Him­mel, dar­in auf­stei­gend ein Schwarm
grü­ner Pa­pa­gei­en, schim­mern­de Sma­ragd­fe­dern, tro­pi­sche Schreie
aus­sto­ßend, pa­ra­di­se now.

Drei strei­ten­de Män­ner, wild ge­sti­ku­lie­rend, jung ge­gen alt, ei­ner
ge­gen zwei; wer am lau­te­sten schreit, ge­winnt; Fin­ger, die
Wan­der­schaft ei­nes Zei­ge­fin­gers Rich­tung Ge­sicht.

Ein Mann mit Pla­stik­tü­te, dar­in drei Jo­ghurt­be­cher, rot-li­la-weiß; und
der wie­der­auf­tau­chen­de Pa­pa­gei­en­schwarm; der Stadt das feh­len­de
Grün zu­rück­schen­kend.

Der un­be­setz­te Holz­stuhl auf dem Bal­kon vis à vis in der zwei­ten
Eta­ge und der auf dem Ne­ben­bal­kon sit­zen­de, in die Stra­ßen­fer­ne
schau­en­de Por­zel­lan­ra­be.

Die flat­t­ri­ge Lan­dung der Tau­be im kni­stern­den Blät­ter­werk des
me­ter­ho­hen Baums, GLS, ganz lei­se su­chend, das Spiel mit den
Ab­kür­zun­gen, im­mer wie­der aufs Neue.

Der sich jetzt her­un­ter­las­sen­de Rolladen, grau-weiß, die
haus­ge­mach­te Dun­kel­heit, hin­ter den Gar­di­nen zucken die
Flim­mer­bil­der.

Der mit ei­nem grell­grü­nen T‑Shirt und Hut pas­sie­ren­de Mann, die
gel­be NET­TO-Tü­te mit den Klim­per­fla­schen fest im Griff – dicht
ge­folgt von ei­ner schö­nen Gro­ßen mit lan­gem Haar und we­hen­dem
Rock.

Ei­ne Frau, ein Au­to, ein ro­ter Hut und der kur­ze Blick zu­rück,
nach­dem das Au­to ab­ge­schlos­sen wur­de, klack-klack-Ge­räu­sche
hin­ter sich her­zie­hend.

NIE MEHR RADLOS, sich vor­bei­tram­peln­de Re­kla­me, NEXT BIKE
und dar­auf sit­zend ei­ne auf dem Han­dy tip­pen­de Frau.

Zwei Frau­en, drei Ta­schen, glit­zern­de Stein­chen auf schwar­zen Acryl-
Shirts, »mein Bru­der, Al­ter, der hat­te das ge­schrie­ben«, – »ey, ich geb
gar kei­nem mehr mei­ne Num­mer«, und kurz dar­auf zwei
vor­bei­strau­cheln­de in schwarz Ge­klei­de­te, kei­ne Ta­schen tra­gend.

Ein vom Him­mel ge­fal­le­ner Kur­disch-Leh­rer; »hal­lo« heißt »ro­j­baş”,
»wie gehts dir” heißt »tu ça­wa ye” und »gut« heißt »del­al”.

Der Im­mer-Tee-Aus­schen­ken­de aus ERCIYES KULTURVEREIN,
freund­lich win­kend; »ich ha­be dir ein ex­tra gro­ßes Glas Tee
ein­ge­schenkt«. »Sehr schön, sehr schön – cok gü­zel, cok gü­zel,
»dan­ke­schön« – te­se­kür eder­im, »te­se­kür eder­im, te­se­kür eder­im.«

Ein zu­künf­ti­ges Lie­bes­paar und ih­re ge­mein­sa­me Lie­be zu Hun­den;
dar­auf fol­gen­de Ge­sprä­che über Kin­der, die Kunst und das Le­ben; im
Zwei­fel für den Zwei­fel.

Die Dis­kus­si­on über die Fra­ge nach dem bes­se­ren Er­tra­gen der
ei­ge­nen Kin­der­lo­sig­keit oder dem Kon­takt­ab­bruch zu den
exi­stie­ren­den Kin­dern, »du hast die Kraft zwei­er Her­zen!«

Die Nacht und ih­re mit der Dun­kel­heit auf­stei­gen­de Mü­dig­keit, die
nie en­den­de Ar­beit; die Stra­ße – nie still, sich stän­dig neu er­zäh­lend.

WIE JEMANDEM DEINE LIEBE GESTEHEN? GOOGLE: JEDE
SUCHE BRINGT DICH WEITER, die Viel­falt in der Ein­falt der
Wer­be­bot­schaf­ten, di­ver­si­ty ever­y­whe­re.

Ein Herr mit ro­tem Po­lo­shirt, gold­ge­rahm­ter Bril­le, Zi­ga­ret­te und
Schlap­pen; mehr Rauch als Ge­räu­sche ma­chend.

Die neue Müllan­samm­lung vor dem ab­ge­deck­ten Mo­tor­rad: Ei­ne
Mas­ke, ein durch­sich­ti­ger Pla­stik­be­cher mit un­ten ein­ge­trock­ne­ter
Flüs­sig­keit, ein oran­ge­nes Feu­er­zeug, ei­ne wei­ße Eis­ver­packung mit
ro­ten Her­zen, ei­ne Hand­voll grü­ner Kron­kor­ken und da­zwi­schen der
Wil­le des Lö­wen­zahns, sich in all dem Pla­stik Platz zu ver­schaf­fen.

Ein an­hal­ten­der gel­ber Groß­raum­trans­por­ter, oran­ge blin­ken­des
Warn­licht, der schwer mit Pa­ke­ten be­la­de­ne Mann, DHL, das heißt
Le­ben.

Ei­ne Frau, zwei Krücken und ei­ne mit dem Schuh aus­ge­tre­te­ne
Zi­ga­ret­te; glü­hen­de, auf den grau­en Asphalt fal­len­de Glim­mer­par­ti­kel,
Glut oh­ne Feu­er.

Ein war­ten­des Fahr­rad mit der Num­mer 31878 und sein leicht zum
Rad­weg ge­dreh­ter Len­ker, die Ein­la­dung zum Auf­stieg, BARCODE-
SCAN HIER.

Ein Mann, ein Renn­rad, ein ga­lan­ter Ab­stieg mit nach hin­ten
durch­ge­streck­tem Bein; kau­gum­mi­bla­sen­zer­plat­zen­de Klack-Klack-
Ge­räu­sche ma­chend, nach sei­nen Schlüs­seln im Turn­beu­tel kra­mend,
ei­ne Ewig-Su­che.

Ein sei­nen Schleim durch den Ra­chen Be­för­dern­der mit ne­on­gel­ber
Warn­we­ste und das um­ge­hen­de Klatsch!-Geräusch des über­gro­ßen
weiß-schau­mi­gen Spei­chel­klum­pens auf dem grau­en Asphalt.

POLIZEI, ORDNUNGSAMT, ei­ne Rei­he an weiß-blau-ne­on­gelb
pas­sie­ren­den Au­tos, nach ge­ra­de­aus ge­rich­te­te Ein­heits­blicke, von
uni­for­mier­ten Kör­pern aus­ge­hend.

Ei­ne über die Stra­ße we­hen­de Pla­stik­ver­packung, sich vom Wind der
Fahr­zeu­ge hin- und her­trei­ben las­send, ewi­ges Spiel mit der hei­ßen
Luft der Ra­sen­den.

Der wie­der vor­fah­ren­de, neu­grau-glän­zen­de Au­di des Be­sit­zers vom
La­den­lo­kal ne­ben­an; ei­ne Über­an­zahl schwarz her­aus­ra­gen­der Roh­re
aus dem Hin­ter­teil des Au­tos; da­zu schwar­ze, fein­glied­ri­ge Fel­gen,
fin­gerz­art.

Ei­ne blaue, platt­ge­tre­te­ne Pla­stik­scha­le zum Erd­beer­trans­port und die
vie­len pas­sie­ren­den Fir­men­au­tos, DIE KOMPETENTE
OBJEKTBETREUUNG, REINHARDT-DIENSTLEISTUNGEN.

Das nie ver­sie­gen­de Tee-An­ge­bot von ERCIYES KULTURVEREIN,
die süß-brau­ne Flüs­sig­keit und die nicht-er­zähl­te Ge­schich­te von
Hei­mat und Er­in­ne­rung.

»Ist noch al­les sau­ber, des­in­fi­ziert«, ein Mann, ei­ne Frau und zwei
Ein­kaufs­ta­schen und das Ewig­the­ma um die Hy­gie­ne; nach der Wel­le
ist vor der Wel­le, nach del­ta ist vor ep­si­lon und so wei­ter.

»Ok, Schatz, bis gleisch, Tschö«, ei­ne pas­sie­ren­de Frau mit zur Sei­te
ge­knick­tem Kopf, das Han­dy zwi­schen hoch­ge­zo­ge­ner Schul­ter und
Ohr ein­ge­klemmt, klei­ne Schlurf-Taps-Taps-Schrit­te ma­chend; lan­ges,
zu ei­nem Zopf zu­sam­men­ge­bun­de­nes, schwar­zes Haar.

722, MESSE, STADTHALLE, die im­mer­fah­ren­den Bus­se und ih­re
In­sas­sen mit stets nach un­ten ge­neig­tem Blick zum Bild­schirm, ein
Ein­zel­her­aus­schau­en­der, träu­mend; sein Blick leer.

Die zum Ab­ho­len be­reit ste­hen­de Mut­ter vor dem BABY BELL-
Kin­der­be­treu­ungs­fen­ster, das schnell noch Hin- und Her­sen­den von
Nach­rich­ten vor der Rück­ga­be des Zög­lings, letz­te Ru­he vor dem
Sturm.

Der sich im­mer wei­ter nach un­ten nei­gen­de Win­kel des Kel­ler­ro­stes
auf dem Geh­steig, ei­ne Fast-Fal­le, ein fal­scher Tritt und der sich jetzt
sei­nem bal­di­gen Ab­sturz nä­hern­de Mann.

Ei­ne Frau mit lan­gen, pin­ken Haa­ren, li­la T‑Shirt und ro­sa Schlap­pen,
vie­le Fuß­kett­chen um das Ge­lenk her­um bau­meln ha­bend; Herz­chen,
Ster­ne, Krei­se; hei­le, schö­ne, ihr zu Fü­ßen lie­gen­de Welt.

»Letz­te Wo­che ist sie wie­der­ge­kom­men«, zwei über den Ur­laub
plau­dern­de Freun­din­nen mit run­den, dünn-gol­de­nen Bril­len­ge­stel­len
und Ein­kaufs­tü­ten des glei­chen Mo­de­hau­ses, sich ein­an­der fröh­lich
mit Nick­ge­sten be­stä­ti­gend, im­mer wie­der auf­la­chend.

Der Be­ginn des zar­ten Ge­läuts der Kir­che, über­tönt vom
Vor­bei­rau­schen ei­nes Bus­ses, Sonn­tag­mor­gen, acht Uhr.

Die vie­len, klein gel­ben Blät­ter, nass und platt­ge­drückt auf dem
Geh­steig lie­gend, eben­so die Tau­ben­fe­der mit grau­em Kiel, zur Spit­ze
hin im­mer dunk­ler wer­dend.

Drei, tief über die Stra­ße flie­gen­de, grün-schim­mern­de Pa­pa­gei­en, ein
die Luft durch­schnei­den­des Trio, al­le Jetzt-noch-Schla­fen­den mit
ih­ren grel­len Schrei­en weckend.

Der um­ge­kipp­te Kaf­fee­be­cher und das Her­aus­lau­fen der
dun­kel­brau­nen Flüs­sig­keit auf den Geh­steig, die som­mer­trocke­nen
Fu­gen­rit­zen­bet­te mit Kof­fe­in durch­spü­lend, den har­ten Stein von
in­nen weich wer­den las­send.

Der Wech­sel der Tin­te und das Her­aus­pres­sen des letz­ten Rots, black
swans in ro­ses; das dan­ken­de Ein­sau­gen der Far­be sei­tens des grau­en
Asphalt­steins.

Das Auf­dröh­nen des sich an­nä­hern­den Bus­ses, dun­kel­ge­tön­te
Schei­ben, dar­in Halb­schla­fen­de, mit an der Schei­be auf- und
ab­ge­leg­ten Köp­fen.

APOLLONIA, ZAHNKLINLIK FÜR ZAHNHEILKUNDE und das
lan­ge noch nach­schei­nen­de Weiß der Bus­wer­bung. Die al­le mit
of­fe­nen Mün­dern lä­cheln­den Mit­ar­bei­ten­den der Zahn­kli­nik; der
Ho­ri­zont jetzt all­weiß, IHR WEG ZU EINEM SCHÖNEN
LÄCHELN.

Die Tau­ben und ih­re jetzt hör­ba­ren Gurr-Gurr-Ge­räu­sche, im nas­sen
Grün der feuch­ten Baum­kro­nen tur­nend; sich an­ein­an­der­rei­ben­de
Fe­dern, Ast­lan­de­an­flü­ge und be­gin­nen­des Ge­zan­ke oh­ne Grund.

Ei­ne Frau, ein schnel­ler Schritt, ein sich hin- und her­schwin­gen­der To-
Go-Be­cher und lan­ge, brau­ne Haa­re, die zu ei­nem stren­gen Zopf nach
hin­ten zu­sam­men­ge­bun­den sind.

Au­tos und die Un­ter­schied­lich­keit ih­rer Ge­räu­sche, der wei­ße Gro­ße:
laut auf­brau­send; der schlan­ke Schwar­ze: lei­se glei­tend; mit Rei­fen,
die fast nicht die Fahr­bahn be­rüh­ren.

Der sich von der Zi­ga­ret­te ab­ge­son­der­te Fil­ter; weiß vom Re­gen
auf­ge­quol­le­ne Wat­te, ne­ben ei­nem Blatt­ske­lett lie­gend und in der
Fu­gen­rit­ze ei­nen Platz fin­den wol­lend, nie en­den­de Su­che nach
An­kunft.

Die an­fah­ren­de Bahn in der Fer­ne und das er­ste aus­ge­sto­ße­ne
An­fangs­s­ir­ren der Strom­lei­tun­gen zu Kopf, ei­nen Hauch von
Auf­bruch, von Auf­bre­chen auf al­le Hö­ren­den über­tra­gend.

Die grell­rot auf­leuch­ten­de Am­pel in der lin­ken Fer­ne, da­vor das
Ki­os­krot und die Te­le­fon­num­mer vom Piz­za­mann und die all die­ser
Far­be in­ne­woh­nen­den Im­pe­ra­ti­ve: Vor­sicht! Halt! Ruf mich an!
Komm rein!

Ein pas­sie­ren­der Fuß­gän­ger mit dun­kel­blau­er Strick­jacke, tie­fe
Summ­tö­ne aus­sto­ßend. Die ei­ne von ihm in ei­nen Pla­stik­hand­schuh
ge­hüll­te Hand und die jetzt um die Stra­ßen­ecke knicken­de Jog­ge­rin,
blank-ge­bräun­te Bei­ne, ihr T‑Shirt in ei­nem hel­len Som­mer­gelb.

Ei­ne in der Kirch­stra­ße et­was aus­wür­gend und aus­spei­en­de Frau,
meh­re­re auf­hu­sten­de Ver­su­che un­ter­neh­mend, das Ma­gen­in­ner­ste
nach drau­ßen auf die Stra­ße zu be­för­dern.

Die nie en­den­de Auf­nah­me­be­reit­schaft des Steins und der auf ihn
ein­pras­seln­den Flüs­sig­kei­ten, zä­her Spuck­schleim, Kaf­fee, Re­gen,
Tin­te.

Das Un­wet­ter der letz­ten Nacht und die Jetzt-Re­gung der vie­len Vö­gel
in den Baum­kro­nen, sich ein­an­der Bot­schaf­ten über­mit­telnd, nie
en­den­de Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­reit­schaft, ein Im­mer-Tschil­pen.

Die wei­ßen Spren­kel des Acryl­stifts auf dem Rost­braun des
Gull­i­deckels und die sich mit mir ver­än­dern­de Um­ge­bung; der Wür­fel
ist ge­fal­len, alea iac­ta est, ich schrei­be.

Das Klim­pern der Schlüs­sel der Jetzt-Pas­sie­ren­den und das Klackern
der har­ten Soh­len auf dem Asphalt; das Haar in der glei­chen Far­be wie
das in der Hand ge­hal­te­ne Porte­mon­naie.

Os­man, عثمان, Yous­sef, يوسف, Fayz, فايز, Dha­hir, ظــاهــر und all die sie
um­ge­ben­den Ge­schich­ten, die gan­ze Bü­cher fül­len könn­ten;
wun­der­ba­re Men­schen, im­mer freund­lich, im­mer hilfs­be­reit.

Der sin­gen­de Fahr­rad­fah­rer und sei­ne zu ei­nem grau­en Zopf
zu­sam­men­ge­bun­de­nen Haa­re, lang­sam stram­pelnd, ei­ne dun­kel­graue
Pla­stik­box auf sei­nem Sat­tel trans­por­tie­rend.

Der mit ei­nem Mal grau ge­wor­de­ne Him­mel, die Stra­ße in ei­ne
all­heit­li­che Trü­bung ge­taucht, mein Wech­sel­som­mer in Ober­bilk, bunt
und grau zu­gleich.

Die In­te­gra­ti­on al­ler Wit­te­rungs­ver­hält­nis­se der Stra­ße und der
Ver­such, das Im­mer­vor­bei­zie­hen­de für ei­nen Au­gen­blick zu hal­ten,
auf­zu­be­wah­ren; klei­ne Wun­der­kam­mer der Mo­men­te, der Ewig­kei­ten;
hier stel­le ich sie Euch zur Ver­fü­gung, hier sit­ze ich noch im­mer
schrei­bend und schau­end.

© Bil­der 1, 3 und 4 und Tex­te Ve­ra Vor­ne­weg – Bild 2 © Marina.Kiga

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Der Text ist ein Ver­such, ei­nen be­stimm­ten Punkt in der Stadt durch die An­ein­an­der­rei­hung von Mo­ment­auf­nah­men zu por­trä­tie­ren. Al­les Be­schrie­be­ne hat sich an ei­nem Ort er­eig­net und ist im Zeit­raum von sechs Wo­chen ent­stan­den (Juni/Juli 2021). Der Text wur­de ge­nau an dem Ort, den er be­schreibt, ver­öf­fent­licht und auf den Rolladen­ka­sten ei­ner still­ge­leg­ten Knei­pe auf­ge­tra­gen. Die Au­torin dankt dem Mi­ni­ste­ri­um für Kul­tur und Wis­sen­schaft des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len für die fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung ih­rer Ar­beit so­wie Sli­man Ab­bou­chi für die Hil­fe­stel­lung bei der Über­set­zung vom Ara­bi­schen ins Deut­sche und Dr. Jo­chen Lech­ner für das ge­wis­sen­haf­te Lek­to­rat. -
V. V.