
Bemerkungen über Karin Röhrichts Dissertation zum Bachmannpreis oder Wie kann man in Klagenfurt gewinnen?
Nachdem ich von Karin Röhrichts Monographie um den Ingeborg-Bachmann-Preis erst nach der Veranstaltung von 2016 erfahren hatte, stand das Buch den ganzen Winter über ungelesen im Regal. Jetzt, nach der unlängst veröffentlichten Kandidatenliste für die Jubiläumsveranstaltung 2017, schien mir die Zeit gekommen, sich dem Buch zu widmen und vielleicht die in den letzten Jahren stetig zurückgehende Klagenfurt-Euphorie wieder ein bisschen aufleben zu lassen. Dazu war zunächst die Hürde des doch arg plakativen Titels zu nehmen. »Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis« ist die »Korpusanalyse der Anthologie Klagenfurter Texte (1977–2011)« überschrieben. Man darf sich jedoch von der zumeist pejorativen Verwendung der »Wettlesen«-Vokabel nicht beeindrucken lassen, denn Röhricht geht es nicht um eine Wertung der Veranstaltung an sich, sondern sie möchte mit wissenschaftlich-empirischen Methoden untersuchen, welche Texte in Klagenfurt reüssieren und welchen Repräsentationsgrad für die deutschsprachige Literatur der Bewerb besitzt. Dabei ist jedoch der genaue Blick auf den Untertitel mit dem Hinweis auf die Anthologie Klagenfurter Texte (KT) von großer Relevanz.
Bevor sie jedoch mit Analyse loslegt, gibt es einen groben Überblick über Geschichte und Bedeutung des Wettbewerbs. Hauptreferenzen sind die Aufsätze und Studien von Doris Moser1, die teilweise mit aktuellen Eindrücken ergänzt werden. Hier ist auch die Information zu finden, dass zwischen 1977 und 1996 »insgesamt 42% der befragten Autoren von einem Jurymitglied kontaktiert wurden»2. Generell wird davon ausgegangen, dass die Juroren unter den ihnen zugeschickten Texten wählen; dies scheint jedoch seit Beginn des Wettbewerbs nicht immer der Fall gewesen zu sein.3
Einer der interessantesten Punkte ist der heutzutage vollkommen vergessene Aspekt, dass die vermeintliche Essenz des Wettbewerbs, die Patenschaft der Juroren4 für jeweils zwei Autoren, nicht immer praktiziert wurde. Bis einschließlich 1982 bestimmten mehr oder weniger die Veranstalter die Teilnehmer; den Juroren wurde die Liste lediglich vor Beginn vorgelegt. Seit 1983 werden die Autoren von den Juroren ernannt5, wobei nicht geklärt wird, wie sich beispielsweise 28 Teilnehmer auf die 11 Juroren verteilen. Seit 1987 nominiert ein Juror zwei Autoren6, was allerdings zuweilen nicht ganz funktioniert (1987 stehen 11 Juroren nur 19 Teilnehmern gegenüber).
Insbesondere "Der Ingeborg-Bachmann-Preis - Börse, Show, Event" aus dem Jahr 2004 ↩
S. 76, Fußnote 4 ↩
Zu klären wäre freilich, wieviel Autoren "befragt" wurden; dies kann ich nicht leisten, weil ich die Studie von Moser nicht vorliegen habe. ↩
Ich halte es in diesem Text wie Röhricht und verwende das generische Maskulinum. ↩
S. 55, Fußnote 98 ↩
S. 17 ↩