Geist und Macht

Zwei Bü­cher über Alar­mis­mus und Kon­for­mi­tät deut­scher In­tel­lek­tu­el­ler nach 1945 Im­mer wenn po­li­ti­sche, so­zia­le oder öko­no­mi­sche Kri­sen ein Ge­mein­we­sen er­schüt­tern, wer­den sie ge­ru­fen, um Stel­lung zu be­zie­hen: Die In­tel­lek­tu­el­len. In der all­ge­mei­nen Mei­nungs­ka­ko­pho­nie sol­len sie Halt bie­ten, Aus­we­ge auf­zei­gen, die Un­über­sicht­lich­keit ord­nen und re­prä­sen­ta­tiv für die kri­ti­sche Mas­se ihr Wort er­he­ben. Wo frü­her Pfar­rer die ...

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Der Frie­dens­kai­ser (2)

Teil 1

Ju­diths Hund, war­um fällt er mir jetzt wie­der ein? Als wä­re er die heim­li­che Haupt­fi­guer je­ner Jah­re. Ich se­he ihn vor mir, bes­ser ge­sagt: ne­ben mir, wie er still in ei­ner Ecke des Hör­saals liegt und manch­mal die Oh­ren be­wegt, als lausch­te er den mehr oder min­der klu­gen Dis­kus­sio­nen im Se­mi­nar. Da­mals reg­te sich kein Mensch dar­über auf, daß Hun­de oder Klein­kin­der an die Uni­ver­si­tät mit­ge­nom­men wur­den. In man­chen Se­mi­na­ren war es er­laubt zu rau­chen, und es war über­haupt kein Pro­blem, die Räum­lich­kei­ten am Wochen­ende für Fe­ste zu nut­zen (die Por­tie­re fei­er­ten mit). Ich will nicht sa­gen, daß es da­mals bes­ser war, die Luft in den Zim­mern war wirk­lich ver­pe­stet, aber . . . Nun ja, der Hund hör­te zu und dach­te mit, we­nig­stens sah es so aus, wäh­rend wir uns in end­lo­se Gedanken­gefechte ver­strick­ten. Ju­dith hat­te ihm ei­nen ty­pi­schen Hun­de­na­men ge­ge­ben, Bel­lo oder Wal­di oder Ajax, et­was in die­ser Art, ei­nen Na­men, der über­haupt nicht zu sei­nem me­lan­cho­li­schen Ge­müt paß­te. Sie selbst hat­te ei­nen ähn­li­chen Blick, vor al­lem, wenn sie An­drás an­schau­te, der sie so we­nig be­ach­te­te. Da­bei war sie ei­ne schö­ne Frau, die schön­ste weit und breit, dar­an zwei­fel­te nie­mand. Aber das schien An­drás nicht zu jucken; er ver­gnüg­te sich lie­ber mit Haus­frau­en, die un­ter sei­ner An­lei­tung das sich ab­zeich­nen­de Über­ge­wicht ih­res Kör­pers be­kämpf­ten.

Ju­dith hat­te kei­ne Pro­ble­me die­ser Art. Kein Wun­der, sie war zehn, fünf­zehn Jah­re jün­ger als die­se Frau­en. Wenn ich an Mu­sils Ro­man den­ke, fällt mir auf, daß Ul­rich über­haupt kei­ne ernst­zu­neh­men­den Ge­schlechts­part­ne­rin­nen hat, je­den­falls kei­ne, die er von sich aus ernst­nimmt, ernst­neh­men will. All die­se Diot­imas und Ger­das und Bo­na­de­as – hö­he­re Haus­frau­en der Jahr­hun­dert­wen­de. Und dann, als der Strang der Frau­en­ge­schich­ten durch­zu­hän­gen be­ginnt, plötz­lich die ei­ge­ne Schwe­ster, die an­geb­lich ver­ges­se­ne. War­um aus­ge­rech­net die ei­ge­ne Schwe­ster? Gibt es in der ka­ka­ni­schen Groß­stadt un­ter den zwei Mil­lio­nen Ein­woh­nern wirk­lich kei­ne ein­zi­ge schö­ne Frau, die vom Al­ter und vom gei­sti­gen Ni­veau her zu ihm pas­sen wür­de? Viel­leicht hat An­drás Ju­dith ver­schmäht, weil sie nicht in das An­ders-Sche­ma paß­te. Oder weil die­ser Ul­rich-Ty­pus, den er wil­lent­lich oder, was wahr­schein­li­cher ist, un­wil­lent­lich ver­kör­per­te, für sol­che Frau­en kei­nen Sinn hat, weil er nichts mit ih­nen an­fan­gen kann. Weil sie ihn öff­nen, lockern wür­den? So sah es Ju­dith selbst, in manch­mal nacht­lan­gen Ge­sprä­chen ver­trau­te sie es mir an. »Sei­ne Pan­ze­run­gen wer­den ab­fal­len, wenn er sich erst ein­mal auf mich ein­läßt.« Das war der Stil, den wir da­mals pfleg­ten. An­drás hat sich aber nicht auf sie ein­ge­las­sen. Ob er nicht woll­te oder nicht konn­te, wer will die­se Fra­ge ent­schei­den? Am we­nig­sten er selbst . . . Er ließ sich nicht auf Ju­dith ein, nicht ein­mal durch die Hei­rat, die er auf dem Stan­des­amt wie ei­nen mit­tel­mä­ßi­gen Scherz ab­sol­vier­te (ich war Trau­zeu­ge). Ju­dith wein­te, und der, der seit ein paar Se­kun­den ihr Mann war, mach­te ir­gend­ei­ne iro­ni­sche Be­mer­kung. Kein ein­zi­ger Ver­wand­ter war zu­ge­gen, auch nicht der Mu­si­ker-Va­ter, nur ei­ne klei­ne Schar Pa­ralel­l­ak­tio­ni­sten in ih­rem üb­li­chen Auf­zug. An­drás hat­te die Hei­rat ak­zep­tiert, da­mit Ju­dith ein Vi­sum für die USA be­kä­me, wo er ein Jahr lang stu­die­ren oder for­schen soll­te, post­gra­dua­te, ein für mich da­mals neu­es Wort. Und Ju­dith, die New York für das Mek­ka der Psy­cho­ana­ly­se hielt, brann­te auf die Rei­se. Sie führ­te nicht nach New York, son­dern in die Pro­vinz, nach Ma­ry­land.

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Haud­ruff

Ei­gent­lich hat Wolf­ram Schüt­te in sei­nem Text über den »jo­ko­sen Tot­schlag« Jan Böh­mer­manns schon al­les ge­sagt, was ich sa­gen woll­te. Sei­ne Stim­me wird aber viel­leicht ver­hal­len, weil die pu­bli­zi­sti­schen Ak­teu­re für Meinungs‑, Pre­s­­se- und Sa­ti­re­frei­heit die Cau­sa Böh­mer­mann wei­ter­hin als Op­fer­ge­schich­te er­zäh­len wol­len. Die Pa­na­­ma-Pa­­pers als Di­stink­ti­ons­ob­jekt ih­rer Exi­stenz­be­rech­ti­gung ge­nügt ih­nen nicht. Sie ka­pern sich ...

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Car­sten Gan­sel: Li­te­ra­tur im Dia­log

Carsten Gansel: Literatur im Dialog
Car­sten Gan­sel:
Li­te­ra­tur im Dia­log

38 Ge­sprä­che von Car­sten Gan­sel mit Schriftsteller­innen und Schrift­stel­lern zwi­schen 1989 und 2014 sind im von Nor­man Ächt­ler im Ver­bre­cher-Ver­lag her­aus­ge­brach­ten Band »Li­te­ra­tur im Dia­log« chro­no­lo­gisch ab­ge­druckt. Gan­sel, 1955 in Gü­strow ge­bo­ren und mit de­zi­diert ost­deut­scher Akademiker­vita, ist seit 1995 Pro­fes­sor für Neue­re Deut­sche Li­te­ra­tur und Ger­ma­ni­sti­sche Li­te­ra­tur- und Me­di­en­di­dak­tik an der Ju­stus-Lie­big-Uni­ver­si­tät Gie­ßen. Die mei­sten Ge­sprä­che aus dem Band wur­den in der DDR- Wo­chen­zeit­schrift »Sonn­tag« bzw. spä­ter in »Der Deutsch­un­ter­richt« ver­öf­fent­licht; ei­ni­ge sind al­ler­dings erst­ma­lig pu­bli­ziert. Das 39. Ge­spräch ist bi­lan­zie­rend und fin­det zwi­schen Car­sten Gan­sel und Nor­man Ächt­ler, wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter am Gie­ße­ner In­sti­tut für Ger­ma­ni­stik, statt.

In der in­ter­es­san­ten Ein­lei­tung Ächt­lers, die ei­ni­ge grund­sätz­li­che Fra­gen be­han­delt, et­wa ob es sich um In­ter­views oder Ge­sprä­che han­delt und wie es um die Selbst­in­sze­nie­run­gen der Be­frag­ten be­stellt sein mag, wer­den die »drei Ge­ne­ra­tio­nen« vor­ge­stellt, die Gan­sel in und mit sei­nen In­ter­views zu DDR und Li­te­ra­tur be­frag­te: Die Grün­dungs­ge­nera­ti­on nach 1945, die »Hein­ein­ge­bo­re­nen« (ein Wort von Uwe Kol­be) und die heu­te um die 40jähr­igen, »Hin­ein­ge­schrie­be­nen«. Es kom­men so un­ter­schied­li­che Au­toren wie Ste­fan Heym, Her­mann Kant, Chri­stoph Hein, Chri­sta Wolf, Erich Loest, Ul­rich Plenz­dorf aber auch »west­deut­sche« Stim­men wie Pe­ter Kurz­eck, Nor­bert Gst­rein, Pe­ter Härt­ling, Gün­ter Grass oder Ale­xa Hen­nig von Lan­ge zum Span­nungs­feld von Er­in­ne­rung und Li­te­ra­tur und Po­li­tik und Pu­bli­zi­tät (vor al­lem aber nicht nur im Hin­blick auf die »ge­schlos­se­nen Ge­sell­schaft« der DDR) be­fragt.

Es gibt meh­re­re Grün­de, war­um man die­ses Buch nicht mehr so schnell aus der Hand le­gen mag. So wir­ken Gan­sels Sach- und Fach­kennt­nis­se der je­wei­li­gen Pu­bli­ka­tio­nen der be­frag­ten Au­toren auf ei­ne be­rücken­de Wei­se alt­mo­disch. Man ist es vom dröh­nen­den Feuil­le­ton-Ge­schwa­fel ein­fach nicht mehr ge­wohnt, dass da je­mand tat­säch­lich die Bü­cher ge­le­sen hat und kun­dig (Lektüre-)Eindrücke zu for­mu­lie­ren und ein­zu­brin­gen weiß.

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Der Frie­dens­kai­ser (1)

Er hieß An­drás mit Vor­na­men...

Spon­tan grei­fe ich zum Im­per­fekt, doch be­stimmt trägt er den Na­men im­mer noch mit sich her­um, von ei­nem Ab­le­ben ist mir nichts zu Oh­ren ge­kom­men. Im Lauf der Jah­re ver­schwand er aus mei­nem Blick­feld, mach­te sich rar, ver­brach­te ein For­schungs­se­me­ster oder zwei in den USA, über­sie­del­te in ein an­de­res Land, ließ im­mer we­ni­ger von sich hö­ren, zu­letzt, seit ei­ner Rei­he von Jah­ren, gar nichts mehr. Er hieß An­drás, be­stand auf dem Ak­zent über dem zwei­ten A und konn­te bis­sig wer­den, wenn ihn je­mand An­dre­as nann­te. Die paar Ar­ti­kel aus sei­ner Fe­der, die mir zu Ge­sicht ge­kom­men sind, zeich­ne­te er, wenn über­haupt, dann mit »An­ders Schwarz«, im­mer am En­de des Tex­tes. Auch auf dem Ge­dicht­band, den er in Ita­li­en ver­öf­fent­lich­te, stand die­ser für Ita­lie­ner schwer auszu­sprechende Na­me. An­ders, wie der Mann oh­ne Ei­gen­schaf­ten. Die­se Par­al­le­le ist mir erst vie­le Jah­re spä­ter be­wußt ge­wor­den. Mu­sil nennt sei­nen Hel­den ja nie beim Nach­na­men, und die Fi­gu­ren des Ro­mans tun es auch nicht.

Erst kürz­lich, beim Nach­den­ken über das Schick­sal des Mul­ti­ta­lents, ist mir ein­ge­fal­len, was ich ver­ges­sen oder ver­drängt hat­te, näm­lich daß wir ei­ne Art Zeit­schrift her­aus­ga­ben, ein paar hek­to­gra­phier­te, mit Bü­ro­klam­mern zu­sam­men­ge­hef­te­te Blät­ter, meist un­ter dem Ti­tel Die Par­al­lel­ak­ti­on, manch­mal auch nur Die Ak­ti­on, oder ganz oh­ne Ti­tel. Ei­ne von An­drás’ Theo­rien be­sag­te, daß Mu­sil sei­ne Par­al­lel­ak­ti­on als Ge­gen­un­ter­neh­men zur Ak­ti­on ver­stand, der von Franz Pfem­fert her­aus­ge­ge­be­nen Zeit­schrift, die in den Jah­ren, als sich Mu­sil an sein Groß­pro­jekt mach­te, kom­mu­ni­sti­sche Pro­pa­gan­da trieb. An­drás, im vor­letz­ten Kriegs­jahr ge­bo­ren, mein­te, es ge­he heut­zu­ta­ge dar­um, Ak­ti­on und Parallel­aktion mit­ein­an­der zu ver­schmel­zen, al­so in­di­vi­du­el­le Frei­heit und Ge­mein­schafts­sinn. Er war 1956 mit sei­nem Va­ter, ei­nem Kla­ri­net­ti­sten, der spä­ter ins Mo­zar­te­um-Or­che­ster auf­ge­nom­men wur­de, aus Un­garn nach Öster­reich ge­kom­men und hat­te sich 1968, als er sein Stu­di­um be­gann, für den Pra­ger Früh­ling be­gei­stert. Un­se­re Zeit­schrift ver­trie­ben wir an der Uni­ver­si­tät, nur An­drás ging in die Ca­fés und Bier­kel­ler und ver­kauf­te »das Or­gan«, wie er es nann­te, zu wech­seln­den Prei­sen und mit be­trächt­li­chem Er­folg. Manch­mal nahm er Mi­cha­el mit oder Franz, sei­nen Schü­ler – als sol­chen se­he ich ihn vor mir, ob­wohl er äl­ter war und auf den er­sten Blick mehr Ein­druck mach­te als sein Men­tor. Franz war der ein­zi­ge von uns, der zu ei­ner ge­wis­sen, wenn auch pro­ble­ma­ti­schen und kurz­fri­sti­gen, Be­rühmt­heit ge­lan­gen soll­te.

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Greg Gran­din: Kis­sin­gers lan­ger Schat­ten

Greg Grandin: Kissingers langer Schatten
Greg Gran­din:
Kis­sin­gers lan­ger Schat­ten

Man muss Greg Gran­dins »Kis­sin­gers lan­ger Schat­ten« wirk­lich bis zum Schluss, d. h. in­klu­si­ve der Dank­sa­gung am En­de des Bu­ches le­sen. Denn hier fin­den sich nicht nur die üb­li­chen Wor­te an Hel­fer, Lek­to­ren, Freun­de oder Fa­mi­lie son­dern auch der Dank an den 2011 ver­storbenen Chri­sto­pher Hit­chens. Zu­gleich eman­zi­piert sich Gran­din von Hit­chens Vor­ge­hens­wei­se in des­sen An­kla­ge­schrift »Die Ak­te Kis­sin­ger« aus dem Jahr 2001. Hit­chens »selbst­ge­rech­te Em­pö­rung« ha­be ver­hin­dert, die »Wir­kungs­macht sei­ner [Kis­sin­gers] Ideen…zu er­klä­ren«. Er sei der­art auf sein Stu­di­en­ob­jekt fi­xiert ge­we­sen, dass die »äu­ße­ren Be­din­gun­gen sei­nes [Kis­sin­gers] po­li­ti­schen Han­delns un­re­flek­tiert« ge­blie­ben wä­ren. Da­durch sei ihm »We­sent­li­ches ent­gan­gen«.

Gran­dins Kri­tik ist des­halb so be­mer­kens­wert, weil man sie eben­so auf sein Buch an­wen­den kann. Ob­wohl er mehr­fach ei­ner Dä­mo­ni­sie­rung Kis­sin­gers das Wort re­det, pas­siert ge­nau dies. So, als wür­den die Fak­ten nicht aus­rei­chen, flüch­tet er sich in zu­wei­len aben­teu­er­li­che Kau­sa­li­tä­ten und, was noch schlim­mer ist, in Ver­mu­tun­gen. So wird be­rich­tet, dass Kis­sin­ger den Krieg zwi­schen dem Irak und den Iran (»Er­ster Golf­krieg« von 1980 bis 1988) be­für­wor­tet, sei­ner­zeit »die Ira­ker als ein Ge­gen­ge­wicht ge­gen den re­vo­lu­tio­nä­ren Iran« ge­se­hen und Un­ter­stüt­zung für Sad­dam Hus­sein vor­ge­schla­gen ha­be. So weit, so gut. Als rei­che dies nicht aus, bringt Gran­din noch ei­nen ver­meint­li­chen Aus­spruch Kis­sin­gers: »Scha­de, dass sie [Irak und Iran] nicht bei­de ver­lie­ren kön­nen«. Das Pro­blem ist al­ler­dings, dass es Kis­sin­ger ge­sagt ha­ben soll, was zwar so­wohl im Text als auch in ei­ner Fuß­no­te am En­de der Sei­te klar­ge­stellt wird: »Die­ses Zi­tat ist nicht zwei­fels­frei be­legt«. Aber war­um er­scheint es dann über­haupt im Buch? Gran­din be­nennt mit Ray­mond Tan­ter, ei­nem ehe­ma­li­gen Mit­ar­bei­ter des Na­tio­na­len Si­cher­heits­rats der USA, noch ei­nen Kron­zeu­gen, der ge­sagt ha­ben soll, dass Kis­sin­ger im Ok­to­ber 1980, al­so rund vier Wo­chen nach Be­ginn des Krie­ges, dass die »Fort­set­zung der Kämp­fe zwi­schen Iran und Irak im In­ter­es­se Ame­ri­kas sei«. Ei­ne Quel­le für die­ses Zi­tat fehlt dann al­ler­dings.

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Ein viel­sei­ti­ger Kunst­schrei­ber

Ma­rio Var­gas Llosa wird acht­zig

Es war fast ein biß­chen spät für die­se Aus­zeich­nung, als Ma­rio Var­gas Llosa 2010 den No­bel­preis für Li­te­ra­tur zu­ge­spro­chen be­kam. Nicht weil er zu alt da­für ge­we­sen wä­re, son­dern weil sein Le­bens­werk da­mals be­reits ei­ne be­ein­drucken­de Zahl an Bü­chern um­faß­te, von de­nen vie­le aus der Ge­schich­te der la­tein­ame­ri­ka­ni­schen Li­te­ra­tur und ei­ni­ge aus der Welt­li­te­ra­tur nicht mehr weg­zu­den­ken sind. We­ni­ge Wo­chen vor sei­nem 80. Ge­burts­tag er­schien nun ein neu­er Ro­man des pe­rua­ni­schen Au­tors, der in den neun­zi­ger Jah­ren in sei­nem Hei­mat­land spielt, in ei­ner Zeit, als er selbst mit gu­ten Aus­sich­ten für die Prä­si­dent­schaft kan­di­dier­te, wäh­rend sein Geg­ner Al­ber­to Fu­ji­mo­ri, heu­te Ge­fäng­nis­in­sas­se, sich an­schick­te, mit po­pu­li­sti­schen Slo­gans das Land für ein Jahr­zehnt un­ter sei­ne zwei­fel­haf­ten Fit­ti­che zu brin­gen.

Fast drei Jahr­zehn­te vor Var­gas Llosa hat­te sein ko­lum­bia­ni­scher Kol­le­ge Ga­bri­el Gar­cía Már­quez den No­bel­preis er­hal­ten, vor al­lem für ein Buch, den Best­stel­ler Hun­dert Jah­re Ein­sam­keit. Über »Gabo«, mit dem er ei­ne Zeit­lang be­freun­det war, hat­te Var­gas Llosa schon 1971 in Ma­drid sei­ne Dok­tor­ar­beit ab­ge­schlos­sen, Un­ter­ti­tel: »Ge­schich­te ei­nes Got­tes­mords«. Der ge­mor­de­te Gott ist, Var­gas’ In­ter­pre­ta­ti­on zu­fol­ge, die ver­haß­te Wirk­lich­keit, die der Ro­man­cier durch sein fik­tio­na­les Ge­bäu­de er­setzt. Die­se Idee, Wahr­heit durch die kunst­vol­le Lü­ge der Li­te­ra­tur zu ver­mit­teln, ent­wickel­te Var­gas Llosa spä­ter wei­ter, er mach­te sie zum Fun­da­ment sei­nes ei­ge­nen Schaf­fens und nahm sich da­bei un­ter an­de­rem den Uru­gu­ay­er Ju­an Car­los Onet­ti zum Vor­bild. Var­gas Llosa ist nicht zu­letzt ein her­vor­ra­gen­der Es­say­ist, der ei­ne Rei­he von Ge­stal­ten aus Kunst und Li­te­ra­tur mit sel­te­nem Groß­mut por­trä­tier­te. Fragt man, wel­ches sei­ner ei­ge­nen »Lü­gen­ge­spin­ste«, die im­mer auch ei­nen star­ken Ge­halt an zeit­ge­nös­si­scher oder hi­sto­ri­scher Rea­li­tät auf­wei­sen, im Zen­trum sei­nes Schaf­fens steht, fällt die Ant­wort bei sol­cher Viel­falt schwer. Hat man den »to­ta­len Ro­man« Ge­spräch in der Ka­the­dra­le ob sei­ner kom­po­si­to­ri­schen Kühn­heit und der Fül­le an Fi­gu­ren und Sze­nen aus der Dik­ta­tur Ma­nu­el Od­rí­as (1948–1956) be­wun­dert, wo die Haupt­fi­gur (wie Var­gas Llosa selbst) für kur­ze Zeit der kom­mu­ni­sti­schen Ideo­lo­gie an­hängt, so wird man den acht Jah­re spä­ter (1977) er­schie­ne­nen ko­mö­di­an­ti­schen Ro­man Tan­te Ju­lia und der Kunst­schrei­ber mit Stau­nen über die schwank­haf­te Leich­tig­keit le­sen, mit wel­cher ein und der­sel­be Au­tor zu schrei­ben ver­steht.

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Im Schein der Bil­der II

No­tiert nach ei­nem Blitz im Fen­ster, der sprin­gen­de Bac­chus zu­fäl­lig auf dem screen AUSSER SOEBEN Dio­ny­sos    Bac­chus ver­hal­le­ne Ru­fe nichts das in Wirk­lich­keit wä­re au­ßer so­eben sein blitz­haf­tes Kür­zel wie er dem Par­­der- wa­gen ent­sprang    Ma­le­rei am nach­don­nern­den Rand uns­rer hek­ti­schen Sphä­re der Fuß dicht am Rad braucht kaum die Na­be als blin­ken­de ...

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