Im Rahmen der Reihe »Kleine Schriften zur literarischen Ästhetik und Hermeneutik« im Wallstein-Verlag ist als Band 7 Jürgen Brokoffs Studie »Literaturstreit und Bocksgesang« erschienen. Zunächst ist man ob des Titels verblüfft, um dann rasch festzustellen, dass es tatsächlich um zwei Ereignisse der Literaturrezeption der Bundesrepublik handelt, die inzwischen fast 30 Jahre zurückliegen. Analysiert wird zum ...
Tobias Rüther hat in einem Text für die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« so etwas wie eine Bilanz der letzten Folgen des »literarischen Quartetts« mit der Moderatorin Thea Dorn gezogen. Und am Schluss ist er dann einer ganz großen Sache auf der Spur. Aber gemach. Zunächst geht es ihm um die bunte Schar der Gäste, die ja ...
Wieder schlagen die Wellen hoch: Angeblich schafft der Westdeutsche Rundfunk seine tägliche Literaturkritik im Magazin »Mosaik« im Radio WDR3 ab. Binnen weniger Stunden gab es eine Online-Petition, auf den Weg gebracht von denen, die betroffen wären, d. h. den »freien« Kritikern (und Kritikerinnen natürlich), die wieder einmal weniger Einnahmen befürchten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Gestalt ...
»Verständlicherweise haben Hanser Literaturverlage und dtv Verlagsgesellschaft das Buch vom Markt genommen, das gelesen werden kann als Anleitungen zum psychischen Missbrauch.« [Verlagsnamen im Original mit Linkunterlegung.]
Bezug genommen wird auf ein Posting der Webseite »Feministisch Lesen« vom 22.12.2020. Dort hatte man in dem pathetischen Blogpost »Anleitung zu psychischer Gewalt darf nicht im Bücherregel stehen« am 13.12.2020 eine Kampagne gegen das Buch »Die 24 Gesetze der Verführung« von Richard Greene begonnen und eine Petition gegen eine Neuauflage dieses Buches gestartet.
Immerhin widmete sich das Börsenblatt dem Ansinnen. Der Erfolg der Petition über das in diesen Dingen gängige Portal »change.org« war erstaunlich: 112 Menschen stimmten der Forderung zu.
Worum geht es in dem Buch, dass seit vielen Jahren auf dem Markt ist? Laut Blogpost wird dort beschrieben, »wie man eine toxische Beziehung aufbaut«. Es »gibt der*dem Täter*in eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, wie die begehrte Person manipuliert, isoliert und gefügig gemacht werden kann; kurz gesagt: wie man psychische Gewalt ausübt.« Als Belege gibt es Ausschnitt, die mit »Trigger-Warnung« versehen wurden. Sie sind ausschließlich einer 27seitigen Leseprobe entnommen – denn tatsächlich gibt es dieses Buch nicht mehr offiziell zu erwerben (außer bei einem Londoner Antiquariat auf Amazon für Preise zwischen 70 und 100 Euro).
Dietmar Dath nennt seine Poetikvorlesungen, gehalten Ende Januar 2020, »Schreiblehre«. Seine Kapitel heißen »Vorsatz«, »Ansatz«, »Einsatz« und »Gegensatz«. Zum Teil Begriffe aus dem Buchdruck, also aus vergangenen Zeiten. Das spannt den Bogen: Man kann »Stehsatz« als eine Art vorläufiger Bilanz seines 35jährigen Schreibens lesen – begonnen im analogen Zeitalter.
Dath zitiert zu Beginn fast lustvoll aus Feuilleton-Verrissen über seine Bücher. »Bildungsgeprotze« und »Angebertum« werden ihm da attestiert. Er macht damit aus seiner »Schreiblehre« – gewollt oder nicht – eine Rechtfertigung. Obwohl ihn, wie er später zugibt, die anderen (des Betriebs) nicht interessieren. Beziehungsweise interessieren sie ihn als Gegner, als Reibungsfläche.
Das literarische Schreiben, wie Dath es versteht, vermittelt »nicht vorrangig Informationen über die wirkliche Welt« sondern eine »Haltung zu ihr«. Alles hängt somit an der Definition des Haltungsbegriffs: »Eine Haltung ist mir nicht einfach eine Meinung, die sagt, dies oder das sei so oder so zu bewerten. Eine Haltung ist für mich eine bewusste Disposition zu Handlungen oder Unterlassungen.«
Ich gestehe, dass mich diese Erläuterung nicht zufriedenstellt. Zum einen ist sie deutlich, ja logisch. Aber ich erkenne dahinter kein Schreibprinzip, es sei denn, man verwendet die leicht abgegriffene Vokabel des »engagierten Schreibens« als Maxime. Irgendwann, als man Daths Haltung-Definition fast schon vergessen hatte, kommt er darauf zurück und präzisiert: »Es geht bei Balzac um Haltungen zu Reichtum, Liebe oder Karriere, bei Tolstoi um Haltungen zu Schicksal, Gewalt, Politik oder Geschichte, bei beiden kaum um Namen und Daten, die nur im jeweiligen Roman stehen, damit die Haltungen nicht in der Luft hängen, keine bleichen Allgemeinplätze sind, sondern mit Erlebnisqualitäten elektrisiert und magnetisiert.« Und Dath? Er schreibt das, was man gemeinhin Science Fiction nennt. Die Welt sei darzustellen, wie sie sein könnte, postuliert er einmal. Wie geht das zusammen? Rächt sich hier, dass ich von ihm kein fiktionales Werk gelesen habe?
Warum eigentlich habe ich in meiner neuen, freieren Epoche als Leser begonnen, mich Faulkner anzunähern? Ich kann kaum sagen, daß ich ihn »wiederlese«, weil ich ihn zwar seit meinen zwanziger Jahren hochhalte, d. h. seit den Jahren um 1980, als er einigermaßen aus der Mode gekommen war, er mir aber von Gerd-Peter Eigner ans Herz gelegt wurde, der sich zwanzig Jahre früher literarisch gebildet (»formiert«) hatte, als Faulkner, der Nobelpreis lag ein knappes Jahrzehnt zurück, noch in Mode war. So geht der Stafettenstab über die Generationen. Wirklich gelesen habe ich Faulkner damals aber nicht, nur eine alte, außen hellblaue Taschenbuchausgabe von Absalom! Absalom! gekauft und oft einmal aufgeblättert, die erste Übersetzung ins Deutsche, die, glaube ich, in den dreißiger Jahren angefertigt worden war. Später ist mir der Einfluß Faulkners auf den ganz frühen Handke aufgefallen, und wieder später habe ich gemerkt, wie stark der nordamerikanische Südstaatenautor auf die Romanliteratur Lateinamerikas wirkte, von Juan Carlos Onetti über García Márquez und Vargas Llosa bis hin zu Ricardo Piglia. Es gibt tatsächlich so etwas wie eine amerikanische Literatur, Norden und Süden umfassend, und zwar jenseits ideologischer Konzeptionen, wie sie Pablo Neruda vertrat, zu erschließen allein aus der Literatur selbst, aus den Texten, Perspektivsetzungen, Wahrnehmungsweisen, Erzählformen. Einen derart einflußreichen Autor wollte ich nun doch einmal in aller Freiheit, ohne kontextuelle Zwänge, kennenlernen. Die Qualität literarischer Werke läßt sich nicht aus ihrem Publikumserfolg mutmaßen, eher schon aus der Intensität und – eventuell – Extensität, mit der sie von nachfolgenden Autoren aufgenommen wurden. »Ecrivain pour ecrivains«, für mich bedeutet diese unterschiedlich gebrauchte, oft pejorative Charakterisierung keine Abwertung, im Gegenteil. Ich habe sogar, der Name des Verfassers ist mir entfallen, eine Biographie über Faulkner gelesen1; »sogar« ist vielleicht das falsche Wort, weil ich Schriftstellerbiographien mit größter Neugier zu lesen pflege; ja, ich muß sogar gestehen – »sogar« ist hier am Platz –, daß mir die Biographie fast mehr gesagt hat, mich mehr eingenommen hat für diesen Romancier, der lange seinen Weg nicht und noch länger keinen Erfolg fand, als die einzelnen Romane und Erzählungen (ausgenommen vielleicht Als ich im Sterben lag).
Ich könnte die »Neuerscheinungen« und die Namen ihrer Verfasser erwähnen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, weil sie mir mehr oder minder zufällig zwischen die Hände gekommen sind, und die ich widerwillig zu Ende gelesen oder vorzeitig weggelegt habe, aber ich werde es nicht tun. Vielen dieser Autoren kann man die Veröffentlichung nachsehen, vielleicht allen, auch mir selbst. So eingespannt in den Betrieb und/oder in das eigene Werk (wenn man sich einspannen läßt), produziert man zu viel. Oder aus anderen Gründen, sogar aus innerer Notwendigkeit, dennoch zu viel. Ich werde keinen dieser Namen nennen, außer vielleicht den einer Autorin, deren Bücher ich schätze und die fern von wo lebt, von Deutschland Bayern Österreich (wo ich nicht lebe) und diese Notizen nicht lesen wird (aber ihr Lektor, ihr Verleger?), Hiromi Kawakami, ihr letztes Buch in der Übersetzung der von mir ebenfalls sehr geschätzten Ursula Gräfe hatte ich nach meinem neuen Freiheitsprinzip in einer kleinen Buchhandlung in Frankfurt am Main gekauft und noch vor der Hälfte des Ganzen weggelegt, irgendwo im öffentlichen Raum zurückgelassen, vielleicht kann wer anderer was damit anfangen, ich nicht; vielmehr war ich genervt von dieser Art von Leichtigkeit, Literatur light, Geheimnistuerei, Belanglosigkeit, aber egal, ich darf mir das jetzt erlauben, meine Genervtheit und sie auszudrücken, ich unterliege keinen Zwängen (mehr), auch Fehlkäufe darf ich mir erlauben, die geschehen bei jeder Art von Produkten; also keine Namen, sagte ich, denn ich will und muß keine Feindschaften auf mich ziehen, jedenfalls nicht mutwillig, nicht ohne Notwendigkeit. Es gibt Autoren, die ich als – sei es private, sei es öffentliche – Personen schätze oder schlicht und einfach mag, oder die ich respektiere, mit deren künstlerischen Erzeugnissen ich aber nichts anfangen kann. Wie damit umgehen? Eine schwierige und interessante Frage, die man, wenn überhaupt, nur von Fall zu Fall wird beantworten können, und die einen unweigerlich in Widersprüchlichkeiten verstrickt. Auch das Umgekehrte kommt übrigens vor, unangenehmer Autor, ungute Person, großartiges Werk.
Ich lese über Dora – von Dora, möchte ich sagen, wie man von jemandem hört und nicht über ihn (»hast du etwas von ihm/ihr gehört?«) – in einem Café namens Cascade (Kaskade, Wasserfall), das ich vor fünfzehn Jahren oft besuchte, als ich hier im Hankyu-Bahnhof von Umeda bald aus‑, bald umstieg. Ich weiß jetzt, nach all den Jahren, vielleicht besser als damals, was mich an dem Ort anzog, abgesehen davon, daß die Mehlspeisen vielfältig und schmackhaft, nicht zu süß und nicht zu teuer waren (eine sogenannte Bakery, das Café gehört zu einer Bäckerei): die zwei großen, dabei dezenten, immer sauberen Großspiegel an der einen Wand, wo die Gäste nebeneinander an einem langen und ziemlich breiten Tisch saßen, einem Wandtisch aus massivem hellem Holz, wo ich gut lesen und schreiben konnte und kann, und zwischendurch, wenn ich den Blick vom Buch oder Heft hebe, das Kommen und Gehen betrachten, das Sitzen und Sinnieren und Plaudern, das Auswählen von Mehlspeisen im Hintergrund, Frauen mit silbrigen Zangen und weißen waagrechten Tabletts, das Sitzen und Plaudern und Warten und Suchen von Menschen, überwiegend Frauen, die meisten wohl Hausfrauen in Shoppingpause, aber auch von Männern, die die Männerwelt der Büros satthatten, Suchen im Spiegel, manchmal nach mir, nach meinem Blick, den beide dann abwenden, sobald er gefunden ist, und das Spiel geht weiter, die Suche geht weiter. Ich lese von Dora, die auf einem Foto, wo sie neun oder zehn Jahre alt ist, vor einem Vogelkäfig steht, einer Voliere vermutlich, deren Inhalt oder Insassen man nicht ausmachen kann, Vogel oder Vögel, vielleicht zwei, man weiß es nicht, weil die Umgebung des Mädchens in tiefem Schatten liegt und man Umrisse kaum ahnen kann. Ich hebe die Augen vom Buch und bemerke rechts unten auf der Spiegelfläche den Käfig, die Voliere, säuberlich aufgeklebt, wie schwarzes Schmiedeeisen, oben kuppelförmig gerundet, darin ein kleiner Vogel, vielleicht nur ein Sperling, im Schattenriß, sicher kein Papagei, und eine Blume, die sich zwischen den Stäben hineinrankt, um sich mit dem Vogel zu vereinen oder gar – ihn zu befreien. Dieses Bild hatte ich auch vor fünfzehn Jahren bemerkt, aber nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit; jetzt ist es dank meiner Lektüre kräftiger, präsenter. Und die Lektüre, der Wahrnehmungsmoment im Buch, ist durch meinen Aufblick gestärkt, weil mir das Stehen Doras am Rand des Schattens und die Ahnung dessen, was im Dunkel liegt, als Metapher dafür erscheinen kann, was ein Buch, eine Erzählung wie diese tun kann: für uns, mit uns, für die Abwesenden, die Beschworenen, für sich selbst.
Romane enthalten künstliche Welten, Fiktion ist Virtualität, nicht anders als die Bilderflut im Internet oder die Vorstellungsbilder im Kopf. Diese Welt und meinen Text, von dem ich nicht weiß, auf welcher der beiden Seiten sein Ort ist, verlassend habe ich mich auf den sicherlich realen Weg zu einem etwa fünfzig Stockwerke aufragenden Hochhaus gemacht, um dort, nur im dritten Stock, einen Film zu sehen, der wie eine Dokumentation angelegt, aber zweifellos ein sogenannter Spielfilm ist, Sorry We Missed You von Ken Loach (wobei sich gleich die Frage stellen ließe, inwieweit Dokumentation mit filmischen Mitteln nicht ebenfalls Fiktion ist; am Ende enthält jede menschliche Lebensäußerung jenseits des Atmens und der bloßen Bedürfnisbefriedigung wenigstens ein Gran Erfindung, Verdichtung, Auslassung, Negation, und die Schriftsteller, die Dichter sind nichts anderes als besonders geschulte oder talentierte oder erfahrene Spezialisten der Erfindung). Und als ich das Kino verließ, hatte ich vor, in meine Textlandschaft zurückzukehren und dies in einem anderen Café zu tun, am besten oben im dreißigsten Stock des Gran Hankyu Building, in luftiger Höhe, da kann man, wie schon Nietzsche meinte, wirklich gut denken und schreiben, in der Höhenluft. Oben angekommen, ist mir die Warteschlange zu lang, Umeda und seine Cafés quellen an diesem letzten Sonntag des Jahres über von Shoppern und Window-Shoppern, die früher oder später ermüden, auch Männerrunden darunter, die vor dem Jahreswechsel noch einmal miteinander plaudern oder eher, habe ich den Eindruck, schreien wollen (offenbar wirkt Kaffee auf sie wie Alkohol). Ich kann im Lärm und gegen den Lärm recht gut schreiben, doch der Konsumtaumel, dieser kulturkapitalistische Normalzustand der Wochenenden, ist mir dann doch zuviel.
Auf diese Frage weiß ich natürlich auch keine Antwort. Vielleicht kann man wirklich nichts tun gegen die allgemeine Kommerzialisierung, Hysterisierung, Mediatisierung, und möglicherweise ist es gescheiter, Unmögliches erst gar nicht zu versuchen, sondern andere Wege – Schleichwege – zu suchen, um seine Schäflein – oder waren es Scherflein? – ins Trockene zu bringen.
Ein Kollege, ich kenne ihn seit unseren Studententagen und schätze ihn als gewissenhaften Leser, der seit Jahrzehnten die Gegenwartsliteratur mit seinen Analysen und Kommentaren begleitet, bestand ein wenig zerknirscht und zugleich trotzig darauf, weiterzumachen: Er für seinen Teil werde nicht aufhören, Literaturkritik zu schreiben. Zum Glück für uns, Autoren wie Leser, füge ich hinzu. Ich wollte mit meinem Text nicht sagen, es sei generell sinnlos geworden, das zu tun, und finde es ehrenwert, gegen Windmühlen zu kämpfen und Steine den Berg hinaufzurollen. Ich tue es selbst, Steine bergauf, allerdings seit vier Jahren nicht mehr auf diesem Gebiet, dem literaturkritischen, dessen Hervorbringungen ihrerseits literarische Qualität haben können. Für meinen Rückzug habe ich auch persönliche Gründe (die ich damals hintanhielt); nicht zuletzt den, daß mir spät, aber doch, aufgegangen ist, daß allzuviel kritisches Schreiben die eigene Autorschaft behindern kann. Ricardo Piglia, den ich in den vergangenen Jahren viel gelesen habe, besonders die Tagebücher des Emilio Renzi, die kurz vor und nach seinem Tod in Spanien erschienen sind, aber auch die Romane, von denen ich die meisten schon kannte – in diesem Bericht hier möchte ich u. a. mitteilen, was, warum und wie ich in dieser »neuen Zeit« gelesen habe –, Ricardo Piglia also äußerte vor langer Zeit, tief im 20. Jahrhundert, Autoren würden und sollten nicht systematisch, planmäßig, wie Akademiker lesen, sondern vom Zufall geleitet, ihrer spontanen, wechselnden Eingebung und Neugier folgend.
Wie alle Menschen, die sich die Literatur zur Achse ihres Lebens erwählt haben, lese ich meistens mehrere Bücher gleichzeitig, in unterschiedlichem Tempo und Rhythmus und mit unterschiedlichem Engagement, manche nicht bis zum Ende – auch eine Änderung, seit ich keine Literaturkritik mehr schreibe: Ich fühle mich nicht mehr, einer nebulosen Gerechtigkeit halber, verpflichtet, lesend abzuwarten, ob ich dem Buch nicht doch noch etwas abgewinnen kann. Derzeit also Pavese, Modiano und vielleicht, falls ich zu ihm zurückfinde, Faulkner. Modiano habe ich heute wieder aufgenommen, ich habe eines seiner eher schmalen Bücher ins eher leichte Gepäck für die Reise nach Osaka und den Aufenthalt dort gesteckt, weil ich etwas Vergnügliches dabeihaben wollte; etwas, das mein Herz erfreut. Mag seltsam klingen bei einem Roman, der mit einer Vermißtenanzeige in Paris Ende 1941 beginnt, und der Name der Person lautet noch dazu Dora Bruder. Ich lese dieses Buch im Original, auch dies für mich ein Vergnügen, nicht bei allen französischen Büchern, doch immer bei Modiano. Eine mir befreundete spanische Übersetzerin schreibt mir, sie könne keine literarischen Übersetzungen mehr lesen (keine aus dem Deutschen oder Englischen, diese Einschränkung unterschlägt sie), sie sei mißtrauisch gegenüber dem Wortlaut, hinterfrage ihn, kontrolliere und kritisiere die Übersetzung. Da wäre es wohl besser, gleich die Originale zu lesen; wogegen natürlich nichts spricht. Ab und zu höre ich irgendeinen Snob behaupten, er lese ohnehin nur in der Originalsprache; auf mein Nachfragen stellt sich dann immer heraus, daß dieser originelle Leser nur in einer, höchstens zwei Fremdsprachen zu lesen imstande ist (nur bei zweisprachigen Lyrikausgaben tut er so, als könne er immer alles »savourieren«), meistens in der englischen. Der Rest der Weltliteratur soll ihm verschlossen bleiben? Das will der originelle Leser dann auch wieder nicht zugeben.