Einblicke in die Abenteuer eines befreiten Lesers
Vor bald vier Jahren habe ich in diesem Blog meine Erklärungen darüber veröffentlicht, warum ich keine Literaturkritik mehr schreibe. Damals bekam ich unerwartet viele Reaktionen, von Autoren, Kritikern, Lesern, alle stimmten dem von mir getroffenen Befund zu, die meisten zeigten am Ende ein Schulterzucken: Was soll man denn machen?
Auf diese Frage weiß ich natürlich auch keine Antwort. Vielleicht kann man wirklich nichts tun gegen die allgemeine Kommerzialisierung, Hysterisierung, Mediatisierung, und möglicherweise ist es gescheiter, Unmögliches erst gar nicht zu versuchen, sondern andere Wege – Schleichwege – zu suchen, um seine Schäflein – oder waren es Scherflein? – ins Trockene zu bringen.
Ein Kollege, ich kenne ihn seit unseren Studententagen und schätze ihn als gewissenhaften Leser, der seit Jahrzehnten die Gegenwartsliteratur mit seinen Analysen und Kommentaren begleitet, bestand ein wenig zerknirscht und zugleich trotzig darauf, weiterzumachen: Er für seinen Teil werde nicht aufhören, Literaturkritik zu schreiben. Zum Glück für uns, Autoren wie Leser, füge ich hinzu. Ich wollte mit meinem Text nicht sagen, es sei generell sinnlos geworden, das zu tun, und finde es ehrenwert, gegen Windmühlen zu kämpfen und Steine den Berg hinaufzurollen. Ich tue es selbst, Steine bergauf, allerdings seit vier Jahren nicht mehr auf diesem Gebiet, dem literaturkritischen, dessen Hervorbringungen ihrerseits literarische Qualität haben können. Für meinen Rückzug habe ich auch persönliche Gründe (die ich damals hintanhielt); nicht zuletzt den, daß mir spät, aber doch, aufgegangen ist, daß allzuviel kritisches Schreiben die eigene Autorschaft behindern kann. Ricardo Piglia, den ich in den vergangenen Jahren viel gelesen habe, besonders die Tagebücher des Emilio Renzi, die kurz vor und nach seinem Tod in Spanien erschienen sind, aber auch die Romane, von denen ich die meisten schon kannte – in diesem Bericht hier möchte ich u. a. mitteilen, was, warum und wie ich in dieser »neuen Zeit« gelesen habe –, Ricardo Piglia also äußerte vor langer Zeit, tief im 20. Jahrhundert, Autoren würden und sollten nicht systematisch, planmäßig, wie Akademiker lesen, sondern vom Zufall geleitet, ihrer spontanen, wechselnden Eingebung und Neugier folgend.
Wie alle Menschen, die sich die Literatur zur Achse ihres Lebens erwählt haben, lese ich meistens mehrere Bücher gleichzeitig, in unterschiedlichem Tempo und Rhythmus und mit unterschiedlichem Engagement, manche nicht bis zum Ende – auch eine Änderung, seit ich keine Literaturkritik mehr schreibe: Ich fühle mich nicht mehr, einer nebulosen Gerechtigkeit halber, verpflichtet, lesend abzuwarten, ob ich dem Buch nicht doch noch etwas abgewinnen kann. Derzeit also Pavese, Modiano und vielleicht, falls ich zu ihm zurückfinde, Faulkner. Modiano habe ich heute wieder aufgenommen, ich habe eines seiner eher schmalen Bücher ins eher leichte Gepäck für die Reise nach Osaka und den Aufenthalt dort gesteckt, weil ich etwas Vergnügliches dabeihaben wollte; etwas, das mein Herz erfreut. Mag seltsam klingen bei einem Roman, der mit einer Vermißtenanzeige in Paris Ende 1941 beginnt, und der Name der Person lautet noch dazu Dora Bruder. Ich lese dieses Buch im Original, auch dies für mich ein Vergnügen, nicht bei allen französischen Büchern, doch immer bei Modiano. Eine mir befreundete spanische Übersetzerin schreibt mir, sie könne keine literarischen Übersetzungen mehr lesen (keine aus dem Deutschen oder Englischen, diese Einschränkung unterschlägt sie), sie sei mißtrauisch gegenüber dem Wortlaut, hinterfrage ihn, kontrolliere und kritisiere die Übersetzung. Da wäre es wohl besser, gleich die Originale zu lesen; wogegen natürlich nichts spricht. Ab und zu höre ich irgendeinen Snob behaupten, er lese ohnehin nur in der Originalsprache; auf mein Nachfragen stellt sich dann immer heraus, daß dieser originelle Leser nur in einer, höchstens zwei Fremdsprachen zu lesen imstande ist (nur bei zweisprachigen Lyrikausgaben tut er so, als könne er immer alles »savourieren«), meistens in der englischen. Der Rest der Weltliteratur soll ihm verschlossen bleiben? Das will der originelle Leser dann auch wieder nicht zugeben.
Man muß nicht aufhören, Literaturkritik zu treiben, und schon gar nicht, Übersetzungen anzufertigen, aber meine persönliche Erfahrung ist, daß das Absehen von der Kritik und zeitweise auch vom Übersetzen das Leseverhalten freier macht. Ich lese, wozu ich Lust habe: ohnehin eine Selbstverständlichkeit. Gilt nicht nur für Autoren. Wie man sehen wird, gilt es aber nur bedingt. Piglias Erklärung ist, typisch für seine Denkform, extremistisch. Selbstverständlich entstehen im Lauf der Zeit Muster, Regelmäßigkeiten, Konditionierungen; der Leser produziert sie selbst. Den kleinen Romanen Modianos eignet unabhängig von ihrer »Thematik«, die mich bei diesem Autor gar nicht in erster Linie interessiert, eine Leichtigkeit und Lockerheit des Erzählens, eine Luftigkeit dadurch, daß es ihm genügt, Dinge, Situationen, Gestalten ohne lange Umwege kurz anzureißen oder zu umreißen – »beschwören« sagt man dafür auch –, damit das Erzählen in Gang kommt und weitergeht, wobei oftmals der Eindruck entsteht, es würde sich von selbst entfalten; eine Freiheit und Unbekümmertheit in diesem Immer-Weiter (das oft recht gemächlich daherkommt, sich selten beschleunigt), die für mich das Vergnügen ausmacht und mich in das Geschehen, manchmal Nicht-Geschehen, den Stillstand, hineinzieht. Und dann so schlichte wie tiefgründige, beiläufig geäußerte, aber – so scheint mir – wahre Sätze wie dieser: »Il faut longtemps pour que resurgisse à la lumière ce qui a été effacé.« Es braucht eine lange Zeit, damit wieder ans Licht kommt, was ausgelöscht worden ist.
Während dieser drei oder vier Jahre ist mir oft ein Ausspruch in den Sinn gekommen, den mir María Esther Vázquez um das Jahr 2000 in Buenos Aires erzählt hatte. Zu diesem Zeitpunkt auch schon in fortgeschrittenem Alter, hatte sie als junge Frau Jorge Luis Borges als Vorleserin und zeitweilig als Sekretärin gedient. Sie lasen im Ulysses von Joyce, als er sie unterbrach und darum bat, doch etwas Einfacheres zu wählen, etwas von Kipling. Dessen Dschungelgeschichten und auch den Roman Kim hatte Borges schon als Kind vorgelesen bekommen, von seiner Großmutter in englischer Sprache (Der glückliche Prinz hatte er mit neun Jahren ins Spanische übersetzt, das Ergebnis war in einer Tageszeitung in Buenos Aires veröffentlicht worden).1 Ricardo Piglia sagte einmal, Borges sei immer seinen angelsächsisch geprägten Kindheitsvorlieben treu geblieben; Piglia wußte genau, daß Borges ein äußerst raffinierter Leser war, der vor den Schwierigsten – Joyce oder Dante; Faulkner erkannte er früh, um nicht zu sagen: augenblicklich – nicht zurückschreckte und dieses Raffinement in eigene Literatur zu verwandeln wußte. Dennoch blieb dieses Fundament des schlichten, wenig reflektierten Erzählens und Erzählt-Bekommens erhalten, und die Sehnsucht danach machte sich von Zeit zu Zeit bemerkbar. Ein solches Fundament besitze ich nicht, es gab bei uns zu Hause keine Bücher, nur die wenigen, die ich zu Weihnachten geschenkt bekam, Karl May und Geschichten von einem isländischen Vulkan, vom Hochgebirge und vom Fußball, Der Sonnblick ruft und Die Spatzenelf. Dorthin führt kein Weg zurück, und ich will auch gar nicht zurück (wie Josef Winkler in seinen Auffrischungen jugendlicher Karl May-Lektüren unterm Schutztitel Winnetou, Abel und ich). Meine Geschichte als Leser beginnt, als ich vierzehn war und auf einem Weihnachtsbuchmarkt Das Kalkwerk von Thomas Bernhard entdeckte und von meinem kargen Taschengeld kaufte.
So ganz stimmt das freilich nicht. Durch meine Tochter habe ich die Chance, d. h. das Glück und die Möglichkeit der Wiedergeburt, oder bescheidener: des Nachholens oder wenigstens Nachfühlens von Versäumtem. Ich lese ihr vor, immer noch, der alt gewordene Mann liest dem schon ziemlich großen Mädchen, das selbst jede Menge Bücher liest, aber aber auf japanisch, zuletzt Jiro Asada (Empfehlung für mich)2 und Hitonari Tsuji (Empfehlung von mir), aber auch Krankenhauskrimis von Mikito Chinen – der alte Mann also liest ihr Sophie im Narrenreich vor, zum zweiten Mal. Eine Umkehrung der Situation zwischen der jungen, hübschen María Esther und dem alten, fast blinden Borges. Am meisten profitiert, wiederum im französischen Sinn, j’en ai profité, von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, den beiden ziemlich realistischen und ein bißchen phantastischen – ach, der Aberglaube der dummen Schwarzen, die sich selbst Nigger nennen, was ich in heutigen Zeiten nicht darf, ohne einen shitstorm zu ernten – Romanen Charles Dickens’, die wir vor drei, vier Jahren zweimal gelesen haben, und auch das Buch von Verena Petrasch, das nicht dem realistischen, sondern dem phantastischen Fach zugehört, war für mich aufschlußreich, nicht zuletzt im Hinblick auf die Machart einer solchen halb (oder dreiviertel) phantastischen Erzählung.
Damit man mich nicht für blöd hält: Natürlich gibt es Übergänge zwischen den beiden Dimensionen, siehe Alice in Wonderland, das wir vor viel längerer Zeit gelesen haben, siehe aber auch das Sophie-Buch oder Momo oder, von der anderen Seite her, Kästner, oder Haruki Murakami, und natürlich ist ein Epitheton wie »realistisch« hunderttausendmal verpönt infolge des Abscheus der Literaturkritiker, Feuilletonisten, Lektoren und Autoren, also des gesamten literaturbetrieblichen Personals – wobei manche bedauern, daß heutzutage angeblich nur noch »realistisch« erzählt wird, von wem?, vielleicht von Autoren, die jeglichen Realismus zu scheuen glauben.
Arme Wirklichkeit!
An dieser Stelle will ich die Erinnerung an eine kleine Szene nicht aussparen, die letztes Jahr in einem Krankenhaus in der Nähe von Hiroshima stattfand. Ich war dort für eine Woche oder zehn Tage interniert, Herzensangelegenheiten, und meine Tochter Mayuko besuchte mich zusammen mit meiner Frau Yoshiko. Wir saßen an einem Tisch im Besuchsraum, als die Kardiologin den Raum betrat, zu der ich ein über die Jahre hinweg fast innig (wie es sich für Herzensangelegenheit gehört) gewordenes Verhältnis hege, eine kleingewachsene, aber sehr energische, zugleich liebenswürdige und humorvolle Person. Sie hatte Mayuko als Kleinkind gesehen, mittlerweile war sie zwei- oder dreimal so groß wie damals. Ich saß mit dem Rücken zur Tür, meine Tochter blickte in die Gegenrichtung, und wir waren beim Reden, als sich plötzlich ein glückseliges Licht auf ihr Gesicht legte. Sie schaute auf, als könne sie gar nicht glauben, was sie da sah, und flüsterte zwei- oder dreimal: Sensei, sensei... und dann irgendeinen Namen, den ich nicht versteht. Ich wandte mich um, erkannte meine Ärztin, die sich unserem Tisch näherte. Sie wechselte ein paar Worte mit meiner Tochter, die immer noch in einer anderen Welt zu schweben schien. Ja, Mayuko wirkte regelrecht erhoben von dieser Begegnung, als gingen von der Kardiologin magische Kräfte aus.
Später erfuhr ich, welches die Quelle dieser Magie war: Bücher von Mikito Chinen, in denen eine Ärztin vorkam, die genauso war wie Jo-sensei, die Kardiologin, die nicht die Literatur, sondern die Wirklichkeit und ihre Menschen, darunter mich, beglückte. Aber... Eine so kleine, gedrungene Person mit lustigen schwarzen Augen, eine auf den ersten Blick gar nicht sehr beeindruckende Gestalt wie diese kam im Buch eines Autors vor, der auf schnöden Publikumserfolg aus war? Nein, sagte Mayuko, es ist nicht das Äußere, sondern der Charakter. Jo-sensei hat genau denselben Charakter wie die Ärztin im Buch. Und wie sieht sie aus?, wollte ich wissen. Mayuko beschrieb eine Person, zwar etwas größer als Jo-sensei, aber alles in allem doch ähnlich. Dem Leser von Romanen steht es frei, die Figuren so zu sehen, wie er will, wie es ihm seine Phantasie eingibt, oder auch: wie es zu seinem wirklichen Leben paßt. Der Leser hat einen oft sehr großen Freiraum, in dem er die Figuren mitkonstruieren kann. Wirkliche Figuren ähneln denen, die der Autor im Buch entwirft; aber auch umgekehrt, fiktionale Figuren modulieren Personen des wirklichen Lebens. Intensive Lektüreerfahrungen beeinflussen den Blick auf die Wirklichkeit.
Ein altes Spiel, schönes Hin und Her, das immer wieder irgendein »Avantgardist« neu entdeckt. Aber schon Don Quijote funktioniert so, der erste moderne Roman Europas (die Japaner waren früher dran).
Was ich sagen wollte: daß Modianos Romane möglicherweise jenem Bedürfnis nach schlichten Erzählungen entgegenkommen, das Borges als erwachsener Autor in Mann an der rosa Straßenecke aufgegriffen hatte; Erzählungen, bei Modiano, von einfachen oder rätselhaften, zwielichtigen oder durchschaubaren Figuren und ihren Projekten, ihren unerwarteten Erlebnissen, ihrem Scheitern; auch ein Bedürfnis, bei mir jedenfalls, nach der Nennung und Beschreibung, oder eher Beschwörung von Orten, vor allem in Paris, zum Beispiel die Gegend um den Flohmarkt von Clignancourt; Erzählungen von menschlichen Beziehungen, Arbeitssuche, Überlebenskampf – und so weiter. Dahinter steckt bei Modiano ein Raffinement, aber man wird beim Lesen nicht mit der Nase darauf gestoßen, und wenn man es wahrnimmt und bedenkt oder weiterdenkt, ist es ein Raffinement im Sinne der Feinheit: jemand, der zu wählen versteht; zu warten und zu wählen, im richtigen Moment. Das Buch formt mich, den Leser: Es verfeinert mich. Wenn eine Gestalt, eine Kontur, ein Ansinnen da ist, ist es da, aber nicht unbedingt sichtbar, greifbar. Man muß es erst einmal erkennen, und dann ergreifen. Oder vorbeigehen lassen. Ein in diesem Sinne raffinierter Mann – eine raffinierte Frau, ein raffiniertes Buch – hat eines nicht, eine Eigenschaft, deren Verbreitungsgrad in der gegenwärtigen Literaturszene mich dazu bewogen hat, all diese »Neuerscheinungen« nicht mehr lesen zu wollen: Bemühtheit. Der raffinierte Autor ist nicht zum Buch gegangen, dieses ist zu ihm gekommen, weil er warten konnte und aufmerksam war. Die Lehre Modianos: Es – eine Welt, ein Ensemble von Figuren, ein Geheimnis oder sein Abglanz – zeigt sich (nähert sich), oder zeigt sich eben nicht (noch nicht). Man kann es nicht erzwingen. In Dora Bruder ist die Entstehungsgeschichte des Buchs mitgeschrieben, und diese Geschichte, diese langwierige Vermittlung, ist das eigentlich Faszinierende für den Leser. Sie spannt sich über mehrere Jahrzehnte und ist eben deshalb – spannend.
© Leopold Federmair
→ Teil 2/8
In der "großen Borges-Biographie", wie man so sagt, des hochgelehrten Professors Edwin Williamson werden Wilde und Kipling nicht einmal erwähnt. Die Borges-Biographie, die María Esther Vázquez schon in den neunziger Jahren verfaßt hatte, ist etwas weniger opulent, aber viel besser, treffender – und weniger berühmt. Foster Wallace hat Williamsons Buch zurecht kritisiert: "Wenn jemand etwas über Borges' Leben erfahren möchte, dann hauptsächlich wegen seiner Erzählungen. Und Edwin Williamson beschreibt zwar detailliert den explosiven Erfolg, den Borges in seinen mittleren Jahren genoß (…), aber im ganzen Buch wird nicht plausibel, warum Jorge Luis Borges ein so bedeutender Schriftsteller ist, daß er eine so mikroskopische Biographie verdient hat." – Hier noch ein kleiner Einblick in die Gespräche, die Borges und Bioy Casares fast ein Leben lang geführt haben, aufgezeichnet in Bioys sehr opulentem Tagebuch mit dem schlichten Titel Borges. Die folgende Passage stammt aus dem Jahr 1969.
"Borges: Melville wird in den USA fast wie ein Heiliger verehrt.
Bioy: Mir scheint, daß er abgesehen von Moby Dick, Bartleby und noch ein paar anderen Erzählungen nicht so viel wert ist. Er neigt zu dieser Großsprecherei minderster Qualität.
Borges: Es gibt einen anderen Roman von ihm, Billy Budd. Mardi dagegen ist ein Drecksbuch. Vielleicht hatte ich diesen Eindruck, weil ich Fieber hatte, wegen dieser Kopfverletzung mit der Infektion. Ich habe es weggeworfen, so sehr hat es mich abgestoßen."Und so weiter. Mit derlei Gesprächen vertrieben sich die beiden Freunde die Zeit, die Jahrzehnte. Die Verletzung, auf die Borges anspielt, hatte er sich 1938 zugezogen. Er erwähnte sie bis in seine letzten Lebensjahre häufig, so daß der Vorfall in seiner Biographie fast mythische Qualität gewann. Die Erfahrung der Todesnähe bedeutete einen tiefen Einschnitt und scheint einige seiner berühmtesten Erzählungen (in Fiktionen) ausgelöst zu haben. In Der Süden ist der Vorfall detailgenau beschrieben. María Esther Vázquez bemerkt dazu: "Es war offensichtlich, daß Borges nach dem Unfall zu Weihnachten 1938 verändert war. Eine fast unmäßige Vorliebe für die phantastische Literatur, für die er sich seit jeher interessierte, schien den gesamten verfügbaren Raum innerhalb seines Schaffens besetzt zu haben und machte aus ihm eine andere Person, mit welcher der düstere Bibliothekar der Bibliothek Miguel Cané ein Parallelleben führte." (Anmerkung zur Anmerkung, letzter Satz: Borges, damals ohne jedes internationale Renommée, arbeitete in einer kleinen Stadtteilbibliothek, die er jeden Morgen nach einer langen Straßenbahnfahrt erreichte (während der er u. a. Dantes Göttliche Komödie las). ↩
Ein Autor, der in Japan sowohl der junbungaku als auch der taishubungaku zugeordnet wird, also der "reinen" wie auch der Unterhaltungsliteratur. Jedenfalls für Dreizehnjährige geeignet (mit dreizehn hätte ich selbst Thomas Bernhard noch nicht lesen können). The Stationmaster, so die englische Übersetzung, eine Sammlung von Geschichten, fand ich ziemlich gut. ↩
Einer, der schon fast zum Nichtleser geworden ist, freut sich wie Bolle auf die Fortsetzungen. Wird sicherlich so grandios, wie die andre Essayreihe.