Die Quar­tett-Ver­schwö­rung

To­bi­as Rüt­her hat in ei­nem Text für die »Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Sonn­tags­zei­tung« so et­was wie ei­ne Bi­lanz der letz­ten Fol­gen des »li­te­ra­ri­schen Quar­tetts« mit der Mo­de­ra­to­rin Thea Dorn ge­zo­gen. Und am Schluss ist er dann ei­ner ganz gro­ßen Sa­che auf der Spur. Aber ge­mach. Zu­nächst geht es ihm um die bun­te Schar der Gä­ste, die ja ...

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Thea Dorn: Trost

Thea Dorn: Trost
Thea Dorn: Trost

Die (Feuilleton?)Journalistin Jo­han­na er­hält zwi­schen Mai und Au­gust 2020 ins­ge­samt sechs Post­kar­ten von ih­rem Freund Max, ei­nem (und ih­rem) ehe­ma­li­gen Uni­ver­si­täts­do­zen­ten. Es be­ginnt mit »Wie geht es Dir?« und ei­ner An­sicht der grie­chi­schen In­sel Pat­mos, auf der Max seit Jah­ren lebt. Die Kor­re­spon­denz zwi­schen den bei­den, die nur brief­lich mög­lich ist, da Max kei­nen In­ter­net­an­schluss hat, muss wohl ins Stocken ge­ra­ten sein. In­zwi­schen ist min­de­stens die hal­be Welt in ei­ner Pan­de­mie. Die Fra­ge nach dem Be­fin­den scheint al­so be­rech­tigt. Im wei­te­ren Ver­lauf schickt der »al­te Freund« der »lie­ben Freun­din« noch fünf Ge­mäl­de-An­sichts­kar­ten mit ora­kel­haf­ten, hand­schrift­li­chen Sprü­chen, die im Buch ab­ge­druckt sind. Jo­han­na schickt auf die un­re­gel­mä­ßig ein­tref­fen­den Kar­ten ins­ge­samt 16 Brie­fe (plus ei­ner Kar­te am En­de) an Max. Streng ge­nom­men han­delt es sich al­so um ei­nen Brief­ro­man. Der Brief­cha­rak­ter wird durch die hand­schrift­li­chen Gruß- und Ab­schieds­for­mu­lie­run­gen noch ver­stärkt; die Brie­fe sel­ber sind am Com­pu­ter ge­schrie­ben.

Jo­han­na ist nicht nur trau­ernd und ver­zwei­felt, weil ih­re 84jährige Mut­ter nach ei­ner fahr­läs­si­gen Ita­li­en­rei­se auf der In­ten­siv­sta­ti­on an der neu­en Krank­heit ver­stor­ben ist, son­dern auch wü­tend über die Um­stän­de die­ses Ster­bens. Ei­ner­seits be­klagt sie den Leicht­sinn der Mut­ter, die die Krank­heit wohl ba­ga­tel­li­siert hat­te und es ge­noss, in den Uf­fi­zi­en oh­ne an­de­re Tou­ri­sten zu sein wäh­rend in den Nach­rich­ten be­reits Schreckens­mel­dun­gen lie­fen. Dann wie­der­um wirft sie den po­li­tisch Ver­ant­wort­li­chen Über­vor­sich­tig­kei­ten vor. Denn sie wur­de nicht mehr zu ih­rer Mut­ter ins Kran­ken­haus ge­las­sen. »Den Si­cher­heits­dienst ha­ben sie ge­ru­fen, als ich ver­sucht ha­be, trotz­dem in das Ge­bäu­de rein­zu­kom­men. Ir­gend­wo da drin­nen hing mei­ne Mut­ter an ir­gend­wel­chen be­schis­se­nen Ma­schi­nen, war am Er­sticken, Ver­recken, und sie ha­ben mich nicht zu ihr ge­las­sen!!!!«

Die­se Wut setzt sich bei der Be­er­di­gung fort. Die Mut­ter war pro­mi­nent, be­trieb ei­ne Schau­spie­ler-Agen­tur, stand frü­her sel­ber auf der Büh­ne. Sie hat­te ei­nen Plan ent­wor­fen, wie ih­re Be­er­di­gung aus­zu­se­hen hat­te – das üb­li­che Fest, auf dem al­le fröh­lich zu sein ha­ben. Und dann dies: »Wie ver­spreng­te schwar­ze Schäf­chen stan­den Mut­ters Schau­spie­ler, Mut­ters Freun­de, Mut­ters ‘Ge­schöp­fe’ auf den bei­den Stra­ßen um den Fried­hof her­um. Aus­ge­sperrt von den Mau­ern. Be­wacht von min­de­stens zwan­zig Ord­nungs­hü­tern…« Tat­säch­lich mu­tet ei­ni­ges recht skur­ril an: »Aus Grün­den, die ein­zig die Hy­gie­ne­göt­ter ken­nen, durf­te kei­ner Er­de ins Grab wer­fen. Nur Blu­men.«

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