
Dietmar Dath nennt seine Poetikvorlesungen, gehalten Ende Januar 2020, »Schreiblehre«. Seine Kapitel heißen »Vorsatz«, »Ansatz«, »Einsatz« und »Gegensatz«. Zum Teil Begriffe aus dem Buchdruck, also aus vergangenen Zeiten. Das spannt den Bogen: Man kann »Stehsatz« als eine Art vorläufiger Bilanz seines 35jährigen Schreibens lesen – begonnen im analogen Zeitalter.
Dath zitiert zu Beginn fast lustvoll aus Feuilleton-Verrissen über seine Bücher. »Bildungsgeprotze« und »Angebertum« werden ihm da attestiert. Er macht damit aus seiner »Schreiblehre« – gewollt oder nicht – eine Rechtfertigung. Obwohl ihn, wie er später zugibt, die anderen (des Betriebs) nicht interessieren. Beziehungsweise interessieren sie ihn als Gegner, als Reibungsfläche.
Das literarische Schreiben, wie Dath es versteht, vermittelt »nicht vorrangig Informationen über die wirkliche Welt« sondern eine »Haltung zu ihr«. Alles hängt somit an der Definition des Haltungsbegriffs: »Eine Haltung ist mir nicht einfach eine Meinung, die sagt, dies oder das sei so oder so zu bewerten. Eine Haltung ist für mich eine bewusste Disposition zu Handlungen oder Unterlassungen.«
Ich gestehe, dass mich diese Erläuterung nicht zufriedenstellt. Zum einen ist sie deutlich, ja logisch. Aber ich erkenne dahinter kein Schreibprinzip, es sei denn, man verwendet die leicht abgegriffene Vokabel des »engagierten Schreibens« als Maxime. Irgendwann, als man Daths Haltung-Definition fast schon vergessen hatte, kommt er darauf zurück und präzisiert: »Es geht bei Balzac um Haltungen zu Reichtum, Liebe oder Karriere, bei Tolstoi um Haltungen zu Schicksal, Gewalt, Politik oder Geschichte, bei beiden kaum um Namen und Daten, die nur im jeweiligen Roman stehen, damit die Haltungen nicht in der Luft hängen, keine bleichen Allgemeinplätze sind, sondern mit Erlebnisqualitäten elektrisiert und magnetisiert.« Und Dath? Er schreibt das, was man gemeinhin Science Fiction nennt. Die Welt sei darzustellen, wie sie sein könnte, postuliert er einmal. Wie geht das zusammen? Rächt sich hier, dass ich von ihm kein fiktionales Werk gelesen habe?