Lá­szló Vé­gel: Be­kennt­nis­se ei­nes Zu­häl­ters

László Végel: Bekenntnisse eines Zuhälters
Lá­szló Vé­gel:
Be­kennt­nis­se ei­nes Zu­häl­ters

Blue ist ein Stu­dent, der nicht fer­tig wird, Vor­le­sun­gen schwänzt und sei­nen Pro­fes­sor Sík mit ei­ner Mi­schung aus Re­spekt (als Wis­sen­der und Hu­ma­nist) und Ver­ach­tung (als Re­prä­sen­tant ei­nes Sy­stems) be­trach­tet. Er nimmt ei­nen »Job« bei ei­nem »In­ge­nieur« an. Die­ser ga­belt un­ter der Jeu­nesse do­rée der Stadt jun­ge Mäd­chen und Frau­en auf und ver­führt sie in sei­ner Woh­nung. Blue fo­to­gra­fiert die bei­den bei den se­xu­el­len Hand­lun­gen, um dann die Frau­en mit den Bil­dern zu kon­fron­tie­ren und da­hin­ge­hend zu be­ein­flus­sen, es wei­ter mit dem In­ge­nieur zu trei­ben. Aber die ver­meint­li­che Er­pres­sung ist ei­gent­lich un­nö­tig; die an­ge­spro­che­nen Frau­en wür­den sich auch wei­ter frei­wil­lig mit dem In­ge­nieur ab­ge­ben, um ih­rem schnö­den All­tag zu ent­flie­hen. Schließ­lich ver­guckt sich Blue in die jun­ge Gym­na­sia­stin Bea. Der In­ge­nieur ist ent­zückt und »über­lässt« ihm das Mäd­chen.

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An­dre­as Mai­er: Das Zim­mer

Andreas Maier: Das Zimmer
An­dre­as Mai­er: Das Zim­mer
Spä­te­stens in den Ko­lum­nen, die An­dre­as Mai­er für »Voll­text« ge­schrie­ben hat­te und die im Früh­jahr ge­sam­melt un­ter dem Ti­tel »On­kel J.« er­schie­nen wa­ren, konn­te man den »Hei­mat­dich­ter« Mai­er in der Tra­di­ti­on ei­nes Her­mann Lenz, Pe­ter Kurz­eck oder Ar­nold Stad­ler ent­decken. Mai­er als der Dich­ter der Wet­ter­au, die in­zwi­schen nur noch aus Orts­um­ge­hungs­stra­ßen zu be­stehen scheint (da­ge­gen hat­te of­fen­sicht­lich nie je­mand de­mon­striert und auch das Fäl­len der Bäu­me er­reg­te kei­ne Ge­mü­ter). Da­bei war der ele­gi­sche Ab­ge­sang auf die Wet­ter­au (und den Wichs­busch!), poin­tiert und fast ein biss­chen po­le­misch vor­ge­bracht, auch ein Aus­druck der Trau­er um die Un­mög­lich­keit, wie je­ner On­kel J. zu al­tern. Das wa­ren Pro­to­kol­le der ver­pass­ten Ge­le­gen­hei­ten, Ar­ti­ku­la­tio­nen ei­nes vor­ent­hal­te­nen Wei­ter-Le­bens. Aber es blitz­te auch ein vi­ru­len­tes Ge­fühl der Aus­weg­lo­sig­keit auf, das sich dann zu­wei­len in ei­ne Tho­mas-Bern­hard-ähn­li­che Iro­nie stürz­te, um die dro­hen­de Me­lan­cho­lie zu ban­nen. Na­tür­lich konn­te Mai­er in der klei­nen Ko­lum­nen­form kei­nen gro­ßen epi­schen Ent­wurf vor­neh­men. In »Das Zim­mer« holt er das nun auf ver­blüf­fen­de Wei­se nach. Den in ei­nem sol­chen Pro­jekt lau­ern­den Be­dro­hun­gen (sen­ti­men­ta­le Hin­ga­be oder bei­ßen­der Zy­nis­mus) er­liegt Mai­er glück­li­cher­wei­se nicht.

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Egon Bahr wird 85

Egon Bahr (c Wikipedia)
Egon Bahr (c Wi­ki­pe­dia)
Wenn man die »Tutz­in­ger Re­de« [PDF-Do­ku­ment] von 1963 von Egon Bahr heu­te liest und sie gleich­zei­tig von dem spe­zi­el­len The­ma des »Kal­ten Krie­ges« ent­kop­pelt, so kann man den Äu­sse­run­gen noch viel Nütz­li­ches ent­neh­men. Sel­ten traf ein Ti­tel so ge­nau ins Schwar­ze: Wan­del durch An­nä­he­rung. Das galt da­mals als sen­sa­tio­nell, ja re­vo­lu­tio­när. Der »Osten« galt als »Feind«; die Ade­nau­er-Ära tat ein üb­ri­ges an der Ver­fe­sti­gung die­ser pau­scha­len Welt­sicht. Und da kam je­mand, der zum vor­sich­ti­gen (und ziel­ge­rich­te­ten) Dia­log mit dem »Teu­fel« auf­rief.

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Gün­ter Grass: Beim Häu­ten der Zwie­bel

Fast ge­nau in der Mit­te von Beim Häu­ten der Zwie­bel fragt der Au­tor (und mit ihm der bis da­hin ge­dul­dig ge­folg­te Le­ser): Was noch ist mir vom Krieg und aus der Zeit des La­ger­le­bens au­ßer Epi­so­den ge­blie­ben, die zu An­ek­do­ten zu­sam­men­ge­schnurrt sind oder als wah­re Ge­schich­ten va­ria­bel blei­ben wol­len? Ei­ne schö­ne und tref­fen­de Cha­rak­te­ri­sie­rung des ge­sam­ten Bu­ches. Dass es im ver­gan­ge­nen Som­mer über­haupt ei­nen der­art gro­ssen Fu­ror aus­lö­ste, ist dem ver­stoh­len auf Sei­te 126 wie bei­läu­fig er­wähn­ten Tat­be­stand ge­schul­det, mit dem Gün­ter Grass sei­ne Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner Ein­heit der Waf­fen-SS er­wähnt (ja, er­wähnt; nicht er­zählt). Und weil dies bis Mit­te Au­gust kaum je­mand be­merkt hat­te (die Kri­ti­ker hat­ten wohl so ge­nau die Re­zen­si­ons­exem­pla­re nicht ge­le­sen), kam es im be­rühm­ten FAZ-In­ter­view zur Vor­ab-Beich­te.

End­lich hat­ten die­je­ni­gen, de­nen Grass jahr­zehn­te­lang die Le­vi­ten oder an­de­res ge­le­sen hat­te, ei­nen He­bel ge­fun­den, mit dem sie das Denk­mal stür­zen woll­ten oder glaub­ten, es zu kön­nen.

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (III)

…und den Tau­to­lo­gien der Ju­stiz, der Sinn­lo­sig­keit des Glau­bens des Künst­lers als Vor­bild, der mas­sen­me­dia­len Bil­der­be­ein­flus­sung, Deutsch­land als Schwamm und Hand­kes des­il­lu­sio­nie­ren­den Blick, was den No­bel­preis an­geht.

Teil ITeil II

In dem Es­say »Die Tau­to­lo­gien der Ju­stiz« be­schreibt Hand­ke 1969 als Pro­zess­be­ob­ach­ter das Vor­ge­hen der (deut­schen) Ju­stiz ge­gen die Haus­be­set­zer- und De­mon­stran­ten­sze­ne. Be­reits da­mals spricht er über­aus deut­lich dem Ge­richt die Mög­lich­keit ab, ein un­vor­ein­ge­nom­me­nes Ur­teil fäl­len zu kön­nen – wor­an das liegt, wä­re ei­ne se­pa­ra­te Er­ör­te­rung wert…

Es ist ei­gent­lich ziem­lich klar wor­an das liegt. An Vor-Ur­tei­len, die ei­gent­lich nichts mit Ge­richts­bar­keit zu tun ha­ben. In den USA ist man, je­den­falls vor ei­nem Ge­richt, un­schul­dig bis zum Ur­teil. Un­ter dem deut­schen Ju­stiz­sy­stem ist man, wenn ar­re­tiert, erst ein­mal schul­dig bis zum even­tu­el­len Frei­spruch. Da sind von vorn­her­ein die Ak­zen­te an­ders ge­setzt.

Das Tau­to­lo­gi­sche von dem Hand­ke da sehr schön be­ob­ach­tend spricht, hängt al­so eher mit Ha­bi­tus, mit Mief, mit dem Ob­rig­keits­den­ken zu­sam­men, die tief in der Volks­psy­che ver­an­kert sind. Hier ja manch­mal auch, wenn man sich das be­rühm­te Ge­richts­ver­fah­ren ge­gen die »Chi­ca­go Sie­ben« nach der 68er De­mo­cra­tic Con­ven­ti­on an­sieht, mit dem Rich­ter Hoff­man. Rich­ter, die dann sich eher wie ver­klemm­te Väter/Mütterchen be­neh­men, und nur aus Zu­fall Rich­ter sind, oder was man sich da­von vor­stellt, al­so dem »ge­sun­de Volks­emp­fin­den« Aus­druck ver­lei­hen.

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