Voi­là un hom­me.

FAZ: Die Buch­sta­ben er­schie­nen mir auf ein­mal als der An­fang von »Fa­zi­es« (oder der des gleich­aus­ge­spro­che­nen Faci­es), als ich auf dem schräg ge­stell­ten Bild­schirm das Fo­to von Ha­med Ab­­del-Sa­­mad sah. Die Hand, die er nach­denk­lich ans Kinn ge­nom­men hat, kann ihm kei­ne Stüt­ze ge­ben, so schräg ist er vom Be­ar­bei­ter ins Bild ge­setzt wor­den. So ...

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Fra­ge an mei­ne öster­rei­chi­schen Freun­de

Na­he­zu al­le mei­ne Facebook-»Freunde« aus Öster­reich, die sich dort po­li­tisch äu­ßern, wa­ren und sind fast na­tur­ge­mäß ge­gen die Re­gie­rung Kurz ge­we­sen. Die Freu­de war ent­spre­chend groß als es nun hieß, es gibt Neu­wah­len. Man be­zieht na­tür­lich Po­si­ti­on: Ge­gen Kurz, noch mehr ge­gen die FPÖ, eher neu­tral zur SPÖ. So weit, so be­kannt.

Ich ha­be kei­ne Lust, die Face­book-Th­reads zu spren­gen. Da­her fra­ge ich hier im Blog: Wie stellt Ihr Euch ei­gent­lich ei­ne neue Re­gie­rung nach den Neu­wah­len vor? Vor­sicht, denn die Fra­ge ist ehr­lich ge­meint!

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Süd­see­mär­chen in Wurst­pa­pier

Am 9.8.[1991], Frei­tag, be­su­che ich am Nach­mit­tag Gün­ther An­ders, der im »Evan­ge­li­schen Spi­tal«, ei­nem sehr vor­neh­men, teu­er aus­ge­stat­te­ten Kran­ken­haus liegt, na­he dem AKH1, in der Hans-Sachs-Stra­ße. Er liegt schon seit meh­re­ren Wo­chen da, seit er in sei­ner Woh­nung of­fen­bar um­ge­kippt war und nicht wie­der auf­ste­hen konn­te: Ober­schen­kel­hals­bruch. Er­war­te ei­nen vom Un­fall und dem Viellie­gen ge­mar­ter­ten Greis, er wird näch­stes Jahr im­mer­hin 90, und fin­de aber ei­nen äu­ßerst wa­chen, gleich­sam quick­le­ben­di­gen und fröh­li­chen Mann vor, der zwar im Bett liegt, na­he­zu be­we­gungs­un­fä­hig, des­sen Kopf aber so un­ge­mein LEBENDIG ist, daß man das Lei­den und die Be­we­gungs­un­fä­hig­keit voll­kom­men ver­gißt. Er sprüht vor lau­ter Le­bens- und Denk­lust, hört zwar ein biß­chen schlecht, aber so­bald er weiß, wo­von ge­spro­chen wird, ist er ab­so­lut prä­sent, und das, was er spricht, ist we­der wirr, noch je oh­ne In­ter­es­se.

Ich hat­te beim Stö­bern im Kel­ler ei­nen Text von ihm ge­fun­den, in Ma­nu­skript­form, den er Va­ter2 ge­schenkt hat­te, brin­ge ihm das mit, er will un­be­dingt wis­sen, was das sei, wirkt über­aus er­staunt, daß ich’s nicht längst ge­le­sen ha­be. Ich weiß nur: Es geht um Hi­ro­shi­ma. »Ja, da hab ich wohl mehr als ei­nen Text ge­schrie­ben, über die­ses The­ma, mein Lie­ber, al­so was ist das für ein Hi­ro­shi­ma-Text?« Sei­ne und mei­ne Hoff­nung, der Text sei even­tu­ell un­ver­öf­fent­licht, er­füllt sich nicht, wir kom­men im Ver­lauf der ein­ein­halb Stun­den, die ich bei ihm blei­be, dar­auf, um wel­chen Text es sich han­delt. (Die To­ten von Hi­ro­shi­ma flie­gen über den Oze­an, als Ra­ben oder Gei­ster, su­chen Tru­man3 heim, in Wa­shing­ton, äng­sti­gen ihn, rau­ben ihm den Schlaf.) Den Text hat­te G.A. vor ca. 33 Jah­ren Bob ge­schenkt und ge­wid­met – er hat­te ihn wohl apro­pos »Hel­ler als 1000 Son­nen»4 ver­faßt. Va­ter scheint für ihn so et­was wie ein Feind­freund zu sein, an dem er sich kon­stant mißt; sei­ne Haupt­sor­ge, so er­schien es mir, ist die: Wer wird, im Rück­blick, als der Be­rühm­te­re da­ste­hen, er oder Bob. Er lobt im­mer­zu Bobs Ver­dien­ste, be­tont aber gleich­zei­tig, daß Bob eben Jour­na­list sei – »ein zwei­ter Kisch5, ein Kisch des Atom­zeit­al­ters« – er, G.A. aber, sei ein Phi­lo­soph, der dem The­ma An­ti-Atom den phi­lo­so­phi­schen Un­ter­bau ge­schaf­fen ha­be, wie kei­ner sonst. »Wir wa­ren die Er­sten, dein Va­ter und ich, die dar­über ge­schrie­ben ha­ben – die vor den Ge­fah­ren warnten...man wird uns wohl, in Zu­kunft, zu­sam­men nen­nen.« Als ich be­mer­ke, man wer­de viel­leicht G.A. als den »Be­deu­ten­de­ren« an­se­hen, leuch­ten sei­ne Au­gen und er ruft: »Ja! Weil ich der Phi­lo­soph, dein Va­ter aber der Jour­na­list ist!« Er be­tont auch, daß Bob ja »nie von der Mu­se ge­küßt« wor­den sei, über­dies we­der zur Mu­sik, noch zur Ma­le­rei den ge­ring­sten Be­zug ha­be, Tat­sa­chen, un­ter de­nen »auch dei­ne lie­be Mut­ter im­mer sehr litt.« Un­er­hört, die­ser sprü­hen­de KOPF in­mit­ten der Lein­tü­cher! Und sein (und mein!) Glück, daß nie­mand hier liegt, im Zim­mer, au­ßer ihm, so­daß wir schrei­en und la­chen kön­nen, nach Her­zens­lust. (Er hat die bei­den Mit­lie­ger of­fen­bar ver­grault, oder ver­jagt, falls ich ihn nicht falsch ver­stan­den ha­be.)

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  1. Gemeint ist das Wiener Allgemeine Krankenhaus 

  2. Der Schriftsteller und Zukunftsforscher Robert Jungk, 1913 – 1994, der Vater des Autors. 

  3. 33. Präsident der Vereinigten Staaten, Harry S. Truman, 1884 – 1972. 

  4. Robert Jungks wohl bekanntestes Buch erschien 1956. 

  5. Der als “rasender Reporter” berühmt gewordene Journalist Egon Erwin Kisch, 1885 – 1948, den Robert Jungk persönlich kannte. 

Jan Drees: Sand­bergs Lie­be

Jan Drees: Sandbergs Liebe
Jan Drees: Sand­bergs Lie­be

Kri­sti­an Sand­berg ist Anfang/Mitte 30, schreibt als frei­er Li­te­ra­tur­kri­ti­ker, gibt Vor­trä­ge und hat ge­ra­de sei­ne Dis­ser­ta­ti­on be­en­det. Es nimmt zu­wei­len Psy­cho­phar­ma­ka, ist Rau­cher und zu Be­ginn des Ro­mans »Sand­bergs Lie­be« wird sein Auf­ent­halt in ei­nem 5‑­Ster­ne-Ho­tel im Ja­nu­ar auf Te­ne­rif­fa ge­schil­dert. Es ist ein biss­chen trost­los und man fragt sich, wie je­mand mit eher pre­kä­ren Ein­kom­mens­ver­hält­nis­sen (er wohnt in Bre­men eher stu­den­tisch) ein sol­ches Ho­tel be­zah­len kann (ein Bier ko­stet 10 Eu­ro).

Nach rund 15 Sei­ten ein neu­es Ka­pi­tel mit dem Ti­tel »On­ce«; es wird fast 150 Sei­ten be­an­spru­chen. Er be­kommt end­lich ei­ne er­sehn­te Fest­an­stel­lung – als Li­te­ra­tur­agent. Es gibt ein gu­tes Ge­halt und freie Le­se­zei­ten; die Zu­kunft wird aus Ver­lag­s­par­tys, be­zahl­ten Li­te­ra­tur­rei­sen und tol­len Abend­essen be­stehen. Es ist Som­mer 2016, fast zu schön, um wahr zu sein. Kri­sti­an ent­deckt auf sei­nem neu­en I‑Phone »On­ce«, ei­ne an­geb­lich be­son­de­re Sei­te, weil kein Al­go­rith­mus die Aus­wahl trifft son­dern ein Mensch, und zwar nur ein­mal am Tag. So lernt er Ka­li­na ken­nen, 35; die Mut­ter ist Dä­nin, der Va­ter Po­le. Sie ist Zahn­ärz­tin und rich­tet sich ge­ra­de ih­re Ei­gen­tums­woh­nung im vor­neh­men Ham­bur­ger Stadt­teil Ep­pen­dorf ein. Ka­li­na spricht fünf Spra­chen, ist selbst­be­wusst, elo­quent und wohl ziem­lich hübsch. Sie hat ein Fai­ble für Lu­xus, was sich un­ter an­de­rem an ih­rer Klei­dung, der Aus­wahl der Re­stau­rants und den Ein­rich­tungs­plä­nen für ih­re Woh­nung zeigt. Kri­sti­an ist be­ein­druckt und ver­zau­bert. Sie fin­den schnell zu­ein­an­der. Die räum­li­chen Tren­nun­gen – Kri­sti­an lebt noch in Bre­men, be­zieht be­rufs­be­dingt bald ein Apart­ment in Ham­burg-Win­ter­hu­de, Ka­li­na pen­delt zwi­schen Ep­pen­dorf und ih­rer Zahn­arzt­pra­xis im dä­ni­schen Pad­borg – wer­den durch Whats­App-Nach­rich­ten über­brückt.

Der Him­mel hängt zu­nächst vol­ler Gei­gen. Schnell wird Kri­sti­an für sie »un­ver­zicht­bar«. Sie geht auf sei­ne Avan­cen ein. Man plant schon, den ge­mein­sa­men Ein­zug in Ka­li­nas Lu­xus­woh­nung, die al­ler­dings bau­lich noch her­ge­rich­tet wer­den muss. Zu­wei­len gibt es kurz klei­ne Miss­ver­ständ­nis­se. Sa­lop­pe Be­mer­kun­gen Kri­sti­ans deu­tet Ka­li­na zu­wei­len in ve­ri­ta­ble Vor­wür­fe um. Man liest es zu­nächst als Ei­fer­sucht. Oder als ei­ne sub­ti­le Form der Do­me­sti­zie­rung. Kri­sti­an gibt stets nach, ver­spricht mehr Sen­si­bi­li­tät, ge­lobt Bes­se­rung. Er lernt Ka­li­nas (zu­meist ho­mo­se­xu­el­le, männ­li­che) Freun­de ken­nen. Er emp­fin­det ein Un­be­ha­gen über die Ober­fläch­lich­kei­ten des Mi­lieus, in dem es sich um die ver­gan­ge­nen »Aperöl­chen« in Ve­ne­dig oder Can­nes dreht. Ka­li­nas Freun­de wie auch ih­re Schwe­ster und die Mut­ter äu­ßern sich of­fen in sei­ner Ge­gen­wart ab­wer­tend über ihn. Die Ver­su­che, sei­ne Freun­din für Li­te­ra­tur und phi­lo­so­phi­sche The­men zu be­gei­stern, über­for­dern sie. Er trö­stet sich da­mit, dass bei­de mit »Ge­fähr­li­che Ge­lieb­te« von Ha­ru­ki Mu­ra­ka­mi den glei­chen Lieb­lings­ro­man ha­ben.

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Vom rich­ti­gen Über­le­ben im fal­schen

Man­che Ver­lags­an­kün­di­gun­gen ha­ben eher ab­schrecken­de Wir­kung. So be­wirbt der Suhr­­kamp-Ver­­lag die Neu­auf­la­ge des 1949 bzw. 1950 er­schie­ne­nen Ro­mans »Die Ga­lee­re« von Bru­no E. Wer­ner da­mit, dass 70 Jah­re nach des­sen Er­schei­nen der heu­ti­ge Le­ser be­reit sei, die­ses Buch wie sei­nen »ei­ge­nen Ro­man« zu le­sen. Oh­ne Ant­wort bleibt die Fra­ge nach dem Ur­he­ber des Zi­tats. Die ...

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Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger: Ei­ne Ex­per­ten-Re­vue in 89 Num­mern

Hans Magnus Enzensberger: Eine Experten-Revue in 89 Nummern
Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger: Ei­ne Ex­per­ten-Re­vue in 89 Num­mern

Seit vie­len Jah­ren zeigt Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger sei­ne Zu­nei­gung zum En­zy­klo­pä­di­schen, zur Samm­lung des Wis­sens. In sei­ner »An­de­ren Bi­blio­thek« war der größ­te En­zy­klo­pä­dist des 18. Jahr­hun­derts, De­nis Di­de­rot, im­mer wie­der als Au­tor prä­sent. 2013 – En­zens­ber­ger war nicht mehr bei Eich­born in­vol­viert – er­schien dort in ei­ner neu edi­tier­ten Pracht­aus­ga­be Di­de­rots En­zy­klo­pä­die.

Der En­zy­klo­pä­dist sam­melt nicht nur, er ord­net auch, wägt ab, trennt Un­wich­ti­ges von Wich­ti­gem. Sei­ne Aus­wahl ist im­mer sub­jek­tiv. Für sei­ne text­li­che Ver­ar­bei­tung hin­ge­gen gilt das Ob­jek­ti­vi­täts­ge­bot. Hans Ma­gnus En­zens­ber­gers »Ex­per­ten-Re­vue in 89 Num­mern« ist nicht di­rekt ein en­zy­klo­pä­di­sches Buch. Es sind per­sön­li­che An­mer­kun­gen und Va­ria­tio­nen des Au­tors En­zens­ber­ger zu dem, was den Men­schen vom Tier un­ter­schei­det: Der Ar­beits­tei­lung und der Spe­zia­li­sie­rung.

Zu Be­ginn wird in ei­nem Dia­log »der Na­tur mit ei­nem Un­zu­frie­de­nen« der »Dä­mon der Ar­beits­tei­lung« als der Kern »vor­läu­fi­gen Sie­ges« des ei­gent­lich hin­fäl­li­gen und schwa­chen Men­schen auf dem Pla­ne­ten Er­de halb be­wun­dernd, halb ver­äng­stigt kon­sta­tiert. Ar­beits­tei­lung im­pli­ziert Spe­zia­li­sten- und Ex­per­ten­tum. Aber: »Die mei­sten [Ex­per­ten] ha­ben ei­nen Spar­ren und ja­gen ganz blöd­sin­ni­gen Pro­jek­ten nach.« Und es gibt, so er­klärt die Na­tur dem Un­zu­frie­de­nen, drei be­son­de­re Me­ta-Ex­per­ten, »Ex­per­ten des Ex­per­ten­tums«. Sie wer­den mehr an­ge­deu­tet als ge­nannt (kei­ne Sor­ge – sie sind pro­blem­los zu ent­schlüs­seln): Ber­nard Man­de­ville (»Der un­zu­frie­de­ne Bie­nen­stock«), Adam Smith und – na­tür­lich – Karl Marx.

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Mar­tin von Arndt: So­jus

Martin von Arndt: Sojus
Mar­tin von Arndt: So­jus

Es war schon ein sehr ge­wag­ter Cliff­han­ger mit dem Mar­tin von Arndts letz­ter Ro­man »Rat­ten­li­ni­en« en­de­te. An­dre­as Eck­art, Ner­ven­arzt und in der Wei­ma­rer Re­pu­blik Po­li­zei­kom­mis­sar in Ber­lin, spä­ter von der Ge­sta­po ge­fol­tert und in die USA ge­flo­hen, hat­te sich im Herbst 1946 von sei­nen Freun­den und Be­kann­ten zur Teil­nah­me an der Ope­ra­ti­on »Rat­ten­li­ni­en« des US-Ge­heim­dien­stes CIC in Eu­ro­pa über­re­den las­sen. Hoch­ran­gi­ge Na­zis und SS-Of­fi­zie­re ver­such­ten über die Al­pen nach Ita­li­en um von dort aus per Schiff nach Süd­ame­ri­ka zu flie­hen. Eck­art und US-Spe­cial-Agent Dan Va­nuz­zi bil­de­ten zu­sam­men mit zwei Hel­fern ein »Greif­kom­man­do« und soll­ten den SS-Ober­sturm­bann­füh­rer Ger­hard Wag­ner, der ak­tiv an Ju­den­er­schie­ssun­gen be­tei­ligt war, auf­spü­ren da­mit er vor Ge­richt ge­stellt wer­den konn­te. Sa­lopp ge­sagt, war Eck­art ein biss­chen zu er­folg­reich – er bohr­te zu tief, ent­deck­te da­bei Ver­strickun­gen ame­ri­ka­ni­scher Dien­ste, die eben­falls da­für Sor­ge tru­gen, ehe­ma­li­ge Na­zis si­cher ent­kom­men zu las­sen. Eck­art ge­riet zwi­schen die Fron­ten, wur­de fest­ge­nom­men und hör­te nun auf der Zug­toi­let­te die be­reits ent­si­cher­ten Ma­schi­nen­pi­sto­len der ame­ri­ka­ni­schen Agen­ten. Der Le­ser rät­sel­te über das Schick­sal Eck­arts.

»So­jus«, der neue Ro­man von Mar­tin von Arndt, be­ginnt im Mai 1948 in Is­ra­el. Dan Va­nuz­zi und Ephra­im Ro­sen­berg, Eck­arts Ber­li­ner As­si­stent aus den 1920er Jah­ren, der Hans-Ro­sen­thal-ge­mäss nur mit viel Glück die NS-Dik­ta­tur über­lebt hat­te, tref­fen sich in Tel Aviv. Va­nuz­zi ist beim bri­ti­schen MI6; bei den Ame­ri­ka­nern gilt er als Lan­des­ver­rä­ter. Bei­de sor­gen sich um ih­ren Freund Eck­art, der in ei­ner psych­ia­tri­schen An­stalt in den USA fest­ge­hal­ten wird. Er weiss zu viel, wird se­diert, ist von der Au­ßen­welt ab­ge­schlos­sen.

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Bjar­te Breit­eig: Die ken­nen kei­ne Trau­er

Bjarte Breiteig: Die kennen keine Trauer
Bjar­te Breit­eig: Die ken­nen kei­ne Trau­er

»Die ken­nen kei­ne Trau­er« ist der in­zwi­schen drit­te Er­zähl­band des 1974 ge­bo­re­nen nor­we­gi­schen Au­tors Bjar­te Brei­tag in deut­scher Spra­che. Al­le Bän­de sind im Wie­ner Luft­schacht-Ver­lag er­schie­nen und wur­den von Bern­hard Stro­bel über­setzt.

Die Pu­bli­ka­ti­ons­ge­schich­te der Er­zähl­bän­de ist ein biss­chen ver­wir­rend. Wäh­rend Breit­eigs Ro­man aus 2014 »Mei­ne fünf Jah­re als Va­ter« nur zwei Jah­re nach dem nor­we­gi­schen Ori­gi­nal auf deutsch er­schien, lie­gen die Pu­bli­ka­ti­ons­da­ten der über­setz­ten Er­zähl­bän­de weit aus­ein­an­der. 2010 er­schien »Von nun an« (das Ori­gi­nal »Folk har be­gynt å ban­ke på« war von 2006). Drei Jah­re spä­ter leg­te man mit »Phan­tom­schmer­zen« (»Fan­toms­mer­ter«) Breit­eigs De­but von 1998 vor. Der ak­tu­ell er­schie­ne­ne Band mit sie­ben Er­zäh­lun­gen auf nur knapp 85 Sei­ten ba­siert auf »Sur­ro­ga­ter«, der im Jahr 2000 er­schie­nen ist und dem­nach chro­no­lo­gisch zwi­schen »Phan­tom­schmer­zen« und »Von nun an« ein­ge­ord­net wer­den muss. Wer ge­nau liest, kann hier die li­te­ra­ri­sche Ent­wick­lung Breit­eigs se­hen.

Die Er­eig­nis­se, die in »Die ken­nen kei­ne Trau­er« er­zählt wer­den, könn­ten nicht un­ter­schied­li­cher sein. Da de­mo­lie­ren in der Ti­tel­ge­schich­te zwei Schü­ler mit ei­ner wach­sen­den Zer­stö­rungs- und Wol­lust den Raum, in dem die Schu­le die von ih­nen ge­fer­tig­ten Ob­jek­te aus dem Kunst­un­ter­richt la­gert. Oder ein Ar­bei­ter bricht an sei­nem letz­ten Ar­beits­tag (vor­her gab es ei­ne Uhr zum Ab­schied) in der Du­sche zu­sam­men (»Nichts pas­siert«). Ein Mann be­sucht mit sei­ner schwan­ge­ren Frau das Haus des un­längst ver­stor­be­nen Va­ters, ver­sinkt in Er­in­ne­run­gen und Ver­drän­gun­gen bis schließ­lich die Frau das Haus ver­lässt und mit dem Au­to zum Ha­fen­kai rast (»Der Herr be­tet in Ge­th­se­ma­ne«). In »Bis zum Abend« spielt Breit­eig mit der Un­heil­er­war­tung des Le­sers. »Für Ron­nys Hund« er­zählt die gru­se­li­ge Ge­schich­te ei­ner Tö­tung ei­nes Hun­des, mit der ein Ha­fen­ar­bei­ter sei­ne Freun­din hofft, dau­er­haft an sich bin­den zu kön­nen. In »Wä­sche­spin­ne« fin­den sich wie schon in ei­ni­gen sei­ner De­but­er­zäh­lun­gen my­sti­sche Mo­men­te, wäh­rend in »Stock­holm«, der stärk­sten Er­zäh­lung die­ses Ban­des, auf ein­dring­li­che und ver­stö­ren­de Art Le­bens­lü­gen de­cou­vriert wer­den.

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