Bjar­te Breit­eig: Die ken­nen kei­ne Trau­er

Bjarte Breiteig: Die kennen keine Trauer
Bjar­te Breit­eig: Die ken­nen kei­ne Trau­er

»Die ken­nen kei­ne Trau­er« ist der in­zwi­schen drit­te Er­zähl­band des 1974 ge­bo­re­nen nor­we­gi­schen Au­tors Bjar­te Brei­tag in deut­scher Spra­che. Al­le Bän­de sind im Wie­ner Luft­schacht-Ver­lag er­schie­nen und wur­den von Bern­hard Stro­bel über­setzt.

Die Pu­bli­ka­ti­ons­ge­schich­te der Er­zähl­bän­de ist ein biss­chen ver­wir­rend. Wäh­rend Breit­eigs Ro­man aus 2014 »Mei­ne fünf Jah­re als Va­ter« nur zwei Jah­re nach dem nor­we­gi­schen Ori­gi­nal auf deutsch er­schien, lie­gen die Pu­bli­ka­ti­ons­da­ten der über­setz­ten Er­zähl­bän­de weit aus­ein­an­der. 2010 er­schien »Von nun an« (das Ori­gi­nal »Folk har be­gynt å ban­ke på« war von 2006). Drei Jah­re spä­ter leg­te man mit »Phan­tom­schmer­zen« (»Fan­toms­mer­ter«) Breit­eigs De­but von 1998 vor. Der ak­tu­ell er­schie­ne­ne Band mit sie­ben Er­zäh­lun­gen auf nur knapp 85 Sei­ten ba­siert auf »Sur­ro­ga­ter«, der im Jahr 2000 er­schie­nen ist und dem­nach chro­no­lo­gisch zwi­schen »Phan­tom­schmer­zen« und »Von nun an« ein­ge­ord­net wer­den muss. Wer ge­nau liest, kann hier die li­te­ra­ri­sche Ent­wick­lung Breit­eigs se­hen.

Die Er­eig­nis­se, die in »Die ken­nen kei­ne Trau­er« er­zählt wer­den, könn­ten nicht un­ter­schied­li­cher sein. Da de­mo­lie­ren in der Ti­tel­ge­schich­te zwei Schü­ler mit ei­ner wach­sen­den Zer­stö­rungs- und Wol­lust den Raum, in dem die Schu­le die von ih­nen ge­fer­tig­ten Ob­jek­te aus dem Kunst­un­ter­richt la­gert. Oder ein Ar­bei­ter bricht an sei­nem letz­ten Ar­beits­tag (vor­her gab es ei­ne Uhr zum Ab­schied) in der Du­sche zu­sam­men (»Nichts pas­siert«). Ein Mann be­sucht mit sei­ner schwan­ge­ren Frau das Haus des un­längst ver­stor­be­nen Va­ters, ver­sinkt in Er­in­ne­run­gen und Ver­drän­gun­gen bis schließ­lich die Frau das Haus ver­lässt und mit dem Au­to zum Ha­fen­kai rast (»Der Herr be­tet in Ge­th­se­ma­ne«). In »Bis zum Abend« spielt Breit­eig mit der Un­heil­er­war­tung des Le­sers. »Für Ron­nys Hund« er­zählt die gru­se­li­ge Ge­schich­te ei­ner Tö­tung ei­nes Hun­des, mit der ein Ha­fen­ar­bei­ter sei­ne Freun­din hofft, dau­er­haft an sich bin­den zu kön­nen. In »Wä­sche­spin­ne« fin­den sich wie schon in ei­ni­gen sei­ner De­but­er­zäh­lun­gen my­sti­sche Mo­men­te, wäh­rend in »Stock­holm«, der stärk­sten Er­zäh­lung die­ses Ban­des, auf ein­dring­li­che und ver­stö­ren­de Art Le­bens­lü­gen de­cou­vriert wer­den.

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Bjar­te Breit­eig: Phan­tom­schmer­zen

Bjarte Breiteig: Phantomschmerzen
Bjar­te Breit­eig: Phan­tom­schmer­zen

Vor knapp drei Jah­ren pu­bli­zier­te der öster­rei­chi­sche Luft­schacht-Ver­lag sie­ben no­vel­len­ar­ti­ge Er­zäh­lun­gen des 1974 ge­bo­re­nen Nor­we­gers Bjar­te Breit­eig un­ter dem Ti­tel »Von nun an«, die 2006 in sei­nem Hei­mat­land er­schie­nen wa­ren. Es sind zum Teil sur­rea­le, im be­sten Sin­ne »selt­same«, oft ver­rät­sel­te und sich für den Le­ser kaum end­gül­tig er­schlie­ßen­de Er­zäh­lun­gen, die un­ge­ach­tet die­ser viel­leicht eher ab­schrecken­den At­tri­bu­te ih­ren ei­ge­nen Zau­ber und zu­wei­len ei­nen star­ken Sog er­zeu­gen. Jetzt legt der Ver­lag mit dem Band »Phan­tom­schmer­zen« nach. Hier fin­den sich auf knapp 130 Sei­ten 15 Er­zäh­lun­gen.

Was so­fort zum Ver­gleich auf­fällt: Die Qua­li­tät der ein­zel­nen Er­zäh­lun­gen dif­fe­riert stär­ker als in »Von nun an«. Ei­ni­ge spie­len mal mehr, mal we­ni­ger of­fen mit my­sti­schen Ele­men­ten, die meist de­zent hin­ein­ap­pli­ziert sind und ge­le­gent­lich ei­nen Kon­trast zur er­zähl­ten Geschich­te bil­den. So wird zum Bei­spiel in »Der Wind in den Wän­den« Ger­brand-Bak­ker-ge­mäss der Tod ei­nes dop­pel­köp­fi­gen Kal­bes auf ei­nem Bau­ern­hof, das ein nicht nä­her be­schrie­be­ner Jun­ge al­lei­ne zu be­treu­en hat, er­zählt. Wäh­rend­des­sen ist sein Va­ter bei der schein­bar schwer­kran­ken Mut­ter im Hos­pi­tal. Das Kälb­chen kommt als Tot­ge­burt auf die Welt und wird vom Jun­gen mit ei­ni­ger Kraft­an­stren­gung be­gra­ben. Als der Va­ter spä­ter ein­trifft, wird un­aus­ge­spro­chen der Tod der Mut­ter als so­zu­sa­gen par­al­le­les Er­eig­nis sug­ge­riert. Noch ein­mal, in »Klei­ne Brü­der«, spielt ei­ne nicht nä­her be­zeich­ne­te Krank­heit ei­ner Mut­ter ei­ne Rol­le, wäh­rend Arn­stein, ein klei­ner Jun­ge und of­fen­sicht­lich ihr Sohn, im Kran­ken­haus mit ei­nem klei­nen Mäd­chen spielt und nur sehr dif­fus ahnt, wes­we­gen er in die­sem Ge­bäu­de ist und was sich dort er­eig­net.

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Bjar­te Breit­eig: Von nun an

Bjarte Breiteig: Von nun an
Bjar­te Breit­eig: Von nun an

Ein Mann fährt mit dem Nacht­zug von Nor­we­gen nach Schwe­den, um sich dort me­di­zi­nisch be­han­deln zu las­sen. Of­fen­bar lei­det er an ei­ner schwe­ren Krank­heit. Im Zug trifft er ei­nen ehe­ma­li­gen Mit­schü­ler, an den er sich kaum er­in­nert. Sie er­zäh­len und trin­ken ein Bier, als der Mann ans Te­le­fon ge­ru­fen wird – sei­ne Frau ist be­sorgt, sie hat Angst um die Zu­kunft, aber er kann sie be­ru­hi­gen. Als er zum Spei­se­wa­gen zu­rück­kommt, ist die­ser ver­waist. Und auch in sei­nem Ab­teil ist der ehe­ma­li­ge Mit­schü­ler nicht an­zu­tref­fen.

In ei­ner an­de­ren Ge­schich­te ar­bei­tet ein Ich-Er­zäh­ler als Hel­fer des Be­stat­ters. Frau Se­land, die er von frü­her kann­te, ist ge­stor­ben. Durch ei­ne Un­ge­schick­lich­keit fällt ihm die Lei­che hin. Ei­ne klum­pi­ge, stin­ken­de Flüs­sig­keit tritt aus und die vor­her müh­sam an­ge­zo­ge­ne Lei­chen­blu­se ist ver­schmutzt.

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