
Herrenfahrrad »Partizan«
Diesmal sind es 32 Geschichten auf knapp 180 Seiten. Nach den Kürzesterzählungen in »Vorvorgestern« (2011), diesen »Geschichten, die vom Glück handeln« und dem Roman »Zwischen Nera und Karadsch« (2013) liegen nun die neuen Erzählungen des jugoslawischen Schriftstellers Dragan Aleksić, der seit 2006 in den USA lebt, gesammelt vor. Geschrieben wurden sie zwischen 2014 und 2018; einige waren in Literaturzeitschriften oder auch Online bereits erschienen. Übersetzerinnen waren Elvira Veselinović und Mascha Dabić (es ist verzeichnet, wer welche Geschichte betreute).
Die Bandbreite, die hier aufgespannt wird, ist enorm. Die Spielorte reichen von Jugoslawien (vor und nach den Weltkriegen, vor und nach den Bürgerkriegen) über Deutschland, Spanien bis nach Eritrea und den USA. Die Themenpalette ist komplex. Mal geht es um eine Konversion vom Christentum zum Islam, dann um zwei Hemden aus Deutschland, einem Amoklauf bei einer Hochzeit, der wie beiläufig erzählt wird oder Partisanen, die immer erst nach der Eroberung durch die Russen auf der Bildfläche erscheinen (»Maisfresser« genannt). Oft beginnt es harmlos, etwa mit einer Schachpartie, bei der jemand plötzlich stirbt. Und dann erfährt man plötzlich, dass der Verstorbene noch am gleichen Tag in ein Konzentrationslager abtransportiert werden sollte.
Keine zwei Geschichten folgen gleichen Gesetzen. Tragik wechselt mit Komik. Eben noch Dorferlebnisse, dann kommt die Weltgeschichte auf die Bühne. Danach wähnt man sich in einem Märchen, etwa wenn in der Titelgeschichte Andersen-haft ein Fahrrad sein Schicksal mit unterschiedlichen Besitzern erzählt. Oder wenn vom »König aller Dichter« erzählt wird, der in der Psychiatrie lebt. Manches ist heiter, wie etwa die »Weihnachtsgeschichte« über das Ehepaar, das sich kurz vor dem Fest streitet und die Frau zu ihren Verwandten fährt. Am Weihnachtstag möchte der Mann die Frau zurückholen, aber da ist sie schon unterwegs zu ihm. Manchmal beginnt es fast ein bisschen kitschig, etwa die Liebesgeschichte von Daco und Lamija, um dann umzuschlagen in ein Drama. Oder die Geschichte des Teilnehmers am Spanischen Bürgerkrieg, der verwundet in ein Haus eines älteren Ehepaares gebracht wird und dort von der 70jährigen Frau nach dem Tod des Ehemanns verführt wird. Hier gibt es eine Pointe.