»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (III)

…und den Tau­to­lo­gien der Ju­stiz, der Sinn­lo­sig­keit des Glau­bens des Künst­lers als Vor­bild, der mas­sen­me­dia­len Bil­der­be­ein­flus­sung, Deutsch­land als Schwamm und Hand­kes des­il­lu­sio­nie­ren­den Blick, was den No­bel­preis an­geht.

Teil ITeil II

In dem Es­say »Die Tau­to­lo­gien der Ju­stiz« be­schreibt Hand­ke 1969 als Pro­zess­be­ob­ach­ter das Vor­ge­hen der (deut­schen) Ju­stiz ge­gen die Haus­be­set­zer- und De­mon­stran­ten­sze­ne. Be­reits da­mals spricht er über­aus deut­lich dem Ge­richt die Mög­lich­keit ab, ein un­vor­ein­ge­nom­me­nes Ur­teil fäl­len zu kön­nen – wor­an das liegt, wä­re ei­ne se­pa­ra­te Er­ör­te­rung wert…

Es ist ei­gent­lich ziem­lich klar wor­an das liegt. An Vor-Ur­tei­len, die ei­gent­lich nichts mit Ge­richts­bar­keit zu tun ha­ben. In den USA ist man, je­den­falls vor ei­nem Ge­richt, un­schul­dig bis zum Ur­teil. Un­ter dem deut­schen Ju­stiz­sy­stem ist man, wenn ar­re­tiert, erst ein­mal schul­dig bis zum even­tu­el­len Frei­spruch. Da sind von vorn­her­ein die Ak­zen­te an­ders ge­setzt.

Das Tau­to­lo­gi­sche von dem Hand­ke da sehr schön be­ob­ach­tend spricht, hängt al­so eher mit Ha­bi­tus, mit Mief, mit dem Ob­rig­keits­den­ken zu­sam­men, die tief in der Volks­psy­che ver­an­kert sind. Hier ja manch­mal auch, wenn man sich das be­rühm­te Ge­richts­ver­fah­ren ge­gen die »Chi­ca­go Sie­ben« nach der 68er De­mo­cra­tic Con­ven­ti­on an­sieht, mit dem Rich­ter Hoff­man. Rich­ter, die dann sich eher wie ver­klemm­te Väter/Mütterchen be­neh­men, und nur aus Zu­fall Rich­ter sind, oder was man sich da­von vor­stellt, al­so dem »ge­sun­de Volks­emp­fin­den« Aus­druck ver­lei­hen.

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»Watching Le­ba­non« – Der Li­ba­non als Übungs­platz für den Iran-An­griff?

Sey­mour M. Hershs neue­ster Ar­ti­kel im New Yor­ker schreibt sei­ne Iran-Sto­ry vom Früh­jahr ge­wis­ser­ma­ssen fort. Hersh be­schreibt dort in sei­nem be­kann­ten Stil, wie Is­ra­el mehr oder we­ni­ger selb­stän­dig den Krieg ge­gen den Li­ba­non auf­ge­nom­men hat – lan­ge ge­plant. Die Ent­füh­rung der bei­den Sol­da­ten war wohl nur der will­kom­me­ne An­lass.

Wa­shing­ton brauch­te, so Hershs Re­cher­chen, kaum Öl ins Feu­er zu gie­ssen. Am En­de be­schreibt er so­gar, wie es zu Span­nun­gen in der Bush-Ad­mi­ni­stra­ti­on über Aus­mass und Fort­set­zung der is­rae­li­schen Ak­ti­vi­tä­ten gab. Bush und Che­ney un­ter­stütz­ten Is­ra­els Vor­ge­hen – Rums­feld war eher da­ge­gen und sah sei­ne Trup­pe im Irak noch stär­ker im Fo­kus des lo­ka­len Ter­ro­ris­mus und Con­do­leez­za Ri­ce sass ver­mit­telnd da­zwi­schen und woll­te an­geb­lich di­rek­te Ge­sprä­che mit Sy­ri­en be­gin­nen (was wohl ab­schlä­gig be­ur­teilt wur­de). We­nig schmei­chel­haf­tes ist dem Ar­ti­kel über den bri­ti­schen Pre­mier­mi­ni­ster Blair zu ent­neh­men. Aber wie soll­te man auch...

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (II)

…und der Hand­ke-Re­zep­ti­on in Deutsch­land und den USA, Se­zes­sio­nen und Frei­heits­kämp­fen, Karl-Heinz Boh­rer und der Au­ssen­po­li­tik der Ver­ei­nig­ten Staa­ten.

fort­ge­setzt von hier

Es gab in den deut­schen Feuil­le­tons 1996 kaum Be­für­wor­ter für Hand­kes Po­si­ti­on; fast nur Hä­me. An­dre­as Kilb in der ZEIT da­mals war recht aus­ge­wo­gen. Mar­tin Wal­ser hat, glau­be ich, auch was po­si­ti­ves da­zu ge­sagt. Ei­ni­ge schwie­gen. Wil­fried F. Schoel­ler, da­mals beim Hes­si­schen Rund­funk, sass wäh­rend der Frank­fur­ter Le­sung nur un­weit von mir und war sicht­lich auf Hand­kes Sei­te. Ei­ne Sen­dung, die Hand­kes Po­si­ti­on mal aus­ge­wo­gen dar­stell­te, gab es nicht. Wä­re die »Win­ter­li­che Rei­se« oh­ne die­se fron­ta­le Me­di­en­kri­tik ge­we­sen, son­dern ein pu­rer Rei­se­be­richt – man wä­re nicht so über ihn her­ge­fal­len.

Es war, glau­be ich, nicht nur die Me­di­en­kri­tik. Das Buch be­ginnt ja ge­nau­so gut be­grün­det wie das »Ab­schied des Träu­mers vom Neun­ten Land«. Hand­ke gibt Re­chen­schaft ab für sei­ne Po­si­ti­on – al­so man kann ganz ver­nünf­tig mit ihm über­ein­stim­men, oder eben nicht. Ja, dann kommt die Pro­vo­ka­ti­on über die Me­di­en, aber so­weit ich mich jetzt er­in­ne­re, stürz­ten sich die­se Leu­te doch auf ihn, weil er et­was an­de­res be­rich­te­te, nicht was sie in ih­ren Ver­teu­fe­lun­gen be­stä­tig­te. »An­ders­gel­be Nu­del­ne­ster« war das aus­lö­sen­de Wort wor­auf sich die Bie­ster stürz­ten. Kommt mir vor wie bei ei­ner He­xen­jagd.

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Erich Wolf­gang Skwa­ra: Zer­brech­lich­keit oder Die To­ten der Place Bau­doy­er

Erich Wolfgang Skwara: Zerbrechlichkeit
Erich Wolf­gang Skwa­ra: Zer­brech­lich­keit

Am An­fang des Bu­ches sitzt der öster­rei­chi­sche Li­te­ra­tur­pro­fes­sor Stein, der in den USA lebt und ar­bei­tet, im Flug­zeug. Für ihn, dem hei­mat­lo­sen Welt­bür­ger, sind dies fast die schön­sten Stun­den; Hor­te der Ru­he; Zei­ten, in dem von ihm kei­ne Hand­lun­gen, kei­ne Ent­schei­dun­gen ab­ver­langt wer­den. Stein sieht ei­ne po­li­ti­sche Talk­show im Flug­zeug­fern­se­hen. Er nimmt nicht so­fort den Kopf­hö­rer, son­dern schaut nur dem Fern­seh­bild zu.

Dann wur­de ihm plötz­lich die Lä­cher­lich­keit die­ser Fern­seh­run­de be­wusst. Wie we­nig die hier zum Ge­spräch ge­la­de­nen Herr­schaf­ten zu über­zeu­gen ver­moch­ten, so­lan­ge der Ton aus­ge­schal­tet blieb! Al­lein am Ge­hört­wer­den hing ih­re Exi­stenz; wie sie da mit den Hän­den gro­sse Ge­sten in den Raum schrie­ben und mit ih­ren durch­wegs mü­den – denn be­gei­stert war da kei­ner mehr – Ge­sich­tern ein we­nig Lei­den­schaft für ihr The­ma vor­zu­täu­schen ver­such­ten, er­gab ein trau­ri­ges Bild...Das »Welt­ge­sche­hen« be­stand dar­in, dass dar­über ge­re­det wur­de.

Stein, 48 Jah­re alt, ver­hei­ra­tet, hat zwei fast er­wach­se­ne Töch­ter (15 und 19), ei­nen nicht be­son­ders an­stren­gen­den, aber gut do­tier­ten Be­ruf, der ihm al­ler­dings kei­ne Be­frie­di­gung ver­schafft, weil ihm die An­er­ken­nung ver­sagt bleibt (was wohl dar­an liegt, dass er ir­gend­wann schlicht­weg das In­ter­es­se an der Li­te­ra­tur ver­lo­ren hat [in­ter­es­san­te In­nen­an­sicht ei­nes zum Nicht­le­ser ge­wor­de­nen]). Sei­ne Flü­ge nach Eu­ro­pa die­nen meist nur ober­fläch­lich sei­nem Be­ruf; er be­sucht sei­nen Freund Sté­pha­ne in Pa­ris, ein sehr er­folg­rei­cher und be­kann­ter An­walt – in vie­lem das Ge­gen­stück zu Stein. Und er be­sucht sei­ne Ge­lieb­ten. Sté­pha­ne, der dem Be­ruf ver­haf­te­te Mensch, ex­tro­ver­tiert, mit wech­seln­den Frau­en­af­fä­ren, in den Tag hin­ein­le­bend – Stein der Grüb­ler, in­tro­ver­tiert; aber eben­falls mit wech­seln­den Ge­blieb­ten.

Der aukt­oria­le Er­zäh­ler, eher Stein zu­ge­wandt, weiss viel zum Ver­hält­nis der bei­den zu er­zäh­len – bis zur Fra­ge, was sie denn tat­säch­lich als Freun­de ver­bin­det oder ob es nicht nur ei­ne Art Bin­dung ist, die kei­ner von bei­den bis­her be­en­det hat (aus Be­quem­lich­keit oder Ge­wohn­heit). Frei­lich sind die Ban­de der De­ser­teu­re des Le­bens nicht mit den gän­gi­gen Mu­stern ei­ner nor­ma­len »Freund­schaft« zu cha­rak­te­ri­sie­ren. Ob­wohl Stein sich dann fast selbst ent­rü­stet zu­sieht, als er Sté­pha­ne zu des­sen 50. Ge­burts­tag ei­nen Flug in die Staa­ten schenkt. Sehn­süch­tig er­war­tet Stein, dass der Flug­gut­schein ver­fal­len mö­ge – kurz vor­her je­doch kün­digt der quir­li­ge Freund sein An­kom­men je­doch an.

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»Ich bin al­les an­de­re als ein Feig­ling« – An­dré Mül­ler im Ge­spräch mit Ar­no Bre­ker 1979

Nicht nur, aber auch in die­sem Bei­trag wur­de die kürz­lich er­öff­ne­te Aus­stel­lung in Schwe­rin von Ar­no Bre­ker the­ma­ti­siert. Man kann viel da­für und viel da­ge­gen sa­gen – bil­den­de Kunst ge­hört nicht zu mei­nen Spe­zi­al­the­men. Viel­leicht bringt das In­ter­view mit Ar­no Bre­ker von 1979, ge­führt von An­dré Mül­ler ein biss­chen Licht ins Dun­kel.

Wie fast al­le Mül­ler-In­ter­views ist auch die­ses sehr in­ten­siv; nicht sel­ten bre­chen die In­ter­view­ten das Ge­spräch ir­gend­wann ab, da Mül­ler an Gren­zen geht; sie ge­le­gent­lich über­schrei­tet. Le­gen­där sei­ne Ge­sprä­che mit El­frie­de Je­li­nek oder Wolf­gang Koep­pen.

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»Schön – wie so vie­les« – Mi­cha­el Rol­off zu Pe­ter Hand­ke (I)

Mi­cha­el Rol­off, 1937 ge­bo­ren, ehe­ma­li­ger Hand­ke-Über­set­zer, jet­zi­ger Hand­ke-Le­ser, lebt heu­te in Se­at­tle. Sei­ne Stel­lung­nah­men zu Hand­ke, sei­nem Werk, den An­sich­ten zu Hand­kes Ju­go­sla­wi­en-En­ga­ge­ment – ge­le­gent­lich sper­rig, sehr poin­tiert, und oft lehr­reich.

Be­gleit­schrei­ben: In Pe­ter Hand­kes Stück »Zu­rü­stun­gen für die Un­sterb­lich­keit« lässt er den neu­en Kö­nig Pa­blo sa­gen:

»Für mich und mei­ne Leu­te hier Ge­set­ze schaf­fen, wie es sie noch nie ge­ge­ben hat, wie sie oh­ne Zwang so­fort ein­leuch­ten, und wie sie auch für über­all und al­le gel­ten kön­nen – auch für mich sel­ber! Die En­kla­ven­welt­ver­las­sen­heit darf nicht mehr un­ser Stamm­platz sein. War­um nicht an die Macht kom­men? Lust ha­ben auf die Macht, ent­spre­chend der Lust, die der Vor­früh­ling macht. Ei­ne ganz neu­ar­ti­ge, in der Ge­schich­te bis­her un­be­kann­te, und dann selbst­ver­ständ­li­che Macht aus­üben – et­was wie ein Freund­schafts­spiel, wel­ches zu­gleich doch zählt. Die Macht lie­ben auf ei­ne Wei­se, wie in der Ge­schich­te noch kei­ner je sei­ne Macht ge­liebt hat, so dass die­ses Wort welt­weit ei­ne an­de­re Be­deu­tung be­kä­me...«

Die­se Wor­te, von Gert Voss sei­ner­zeit im Burg­thea­ter ge­hört, ent­wickeln No­vas Mo­no­log in »Über die Dör­fer« wei­ter. Ist Hand­ke ein po­li­ti­scher Uto­pist (im durch­aus po­si­ti­ven Sinn)?

Michael Roloff
Mi­cha­el Rol­off

Mi­cha­el Rol­off: Ein biss­chen schon, sonst nicht all die­ses Pa­thos. Und das schon zur Zeit des »Lang­sa­me Heimkehr«-Zyklus (»Lang­sa­me Heim­kehr« – »Kin­der­ge­schich­te« – »Die Leh­re der St. Vic­toire« – »Über die Dör­fer«), spe­zi­ell in No­vas höl­der­lin­ähn­li­cher Hym­ne bei der man, als Über­set­zer, am En­de dann nach Luft schnapp­te! In­tra­psy­chisch ge­se­hen ist das ein Wis­sen um die Un­mög­lich­keit der Er­reich­bar­keit des Ide­als.

Auch viel Ex­pres­sio­ni­sti­sches dort, und spä­ter »der neue Mensch ja was ist aus ihm ge­wor­den, man hört nicht mehr viel da­von« in der »Nie­mands­bucht«. Des­we­gen auch wohl das Fest­hal­ten an der Idee vom ver­ei­nig­ten Stam­mes­volk der Süd­sla­wen, die ei­ne Ge­schich­te und ei­ne Spra­che ge­mein­sam ha­ben; die Idee, dass dar­aus noch et­was hät­te wer­den kön­nen. Denn in Fu­ku­ya­mas neo­kon­ser­va­ti­ver Welt bei­spiels­wei­se ist al­les Uto­pi­sche ab­ge­schafft.

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Lob­by­is­mus und Heu­che­lei

Die Auf­re­gung um den CDU-Ab­ge­ord­ne­ten Nor­bert Rött­gen und sei­ne ge­plan­te Über­nah­me des Po­stens des Haupt­ge­schäfts­füh­rers des Bun­des­ver­ban­des der deut­schen In­du­strie (BDI) zeig­te manch­mal reich­lich skur­ri­le Zü­ge. Da wur­de Rött­gen zum Ver­zicht auf sein Bun­des­tags­man­dat auf­ge­for­dert, da er in In­ter­es­sen­kol­li­sio­nen ge­ra­ten könn­te – hier die In­ter­es­sen ei­nes frei ge­wähl­ten, sei­nen Wäh­lern ver­pflich­ten­den Ab­ge­ord­ne­ten und da die pu­re »Lob­by­po­li­tik« der In­du­strie.

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Ein Stück­chen Stoff

Zum Zeit­punkt des In­ter­views von Frank Schirr­ma­cher mit Ali­ce Schwar­zer war das »Kopf­tuch­ur­teil« des Stutt­gar­ter Ver­wal­tungs­ge­rich­tes noch nicht ge­spro­chen. Dort war am 7. Ju­li ei­ner Leh­re­rin Recht ge­ge­ben wor­den, ihr Kopf­tuch auch wei­ter­hin wäh­rend des Un­ter­richts zu tra­gen. Die Rich­ter er­klär­ten das von An­net­te Scha­van vor ei­ni­gen Jah­ren ei­lig ge­flick­schu­ster­te Schul­ge­setz, wel­ches das Kopf­tuch für ...

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