An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

Andreas Elter: Propaganda der Tat

An­dre­as El­ter: Pro­pa­gan­da der Tat

An­dre­as El­ter, seit Ok­to­ber 2007 Pro­fes­sor für Jour­na­li­stik an der Uni­ver­si­tät zu Köln, ent­wirft in sei­nem Buch »Pro­pa­gan­da der Tat – Die RAF und die Me­di­en« zu­nächst ei­ne Art Psy­cho­gramm ter­ro­ri­sti­scher Grup­pen, wo­bei er es merk­wür­di­ger­wei­se ver­mei­det, ei­ne De­fi­ni­ti­on des Ter­ro­ris­mus an sich vor­zu­neh­men und die grup­pen­dy­na­mi­schen Pro­zes­se in­ner­halb der Gruppe(n) mit auf­führt. Das zeigt sich im Lau­fe des Bu­ches manch­mal als klei­ne Schwä­che und wenn er am En­de meint, der Ter­ro­ris­mus ha­be sich in den letz­ten drei­ssig Jah­ren ver­än­dert, weil jetzt nicht nur un­be­tei­lig­te Per­so­nen so­zu­sa­gen »zu­fäl­lig« Op­fer von An­schlä­gen wer­den, son­dern die­se Zi­vi­li­sten in­zwi­schen mit Vor­satz um­ge­bracht wer­den, so spricht El­ter ei­nen we­sent­li­chen Punkt an, der – das zeigt er auch im Buch – der RAF im Lau­fe ih­rer »Ak­ti­vi­tä­ten« enor­me Sym­pa­thien ge­ko­stet hat. Das stellt er zwar durch­aus an­hand der ein­zel­nen An­schlä­ge auch fest, den­noch ver­mei­det er ei­ne di­rek­te De­kon­struk­ti­on der Selbst­ein­schät­zung der RAF als Gue­ril­la. Dies ver­mut­lich des­halb, weil er zu­min­dest den An­fän­gen der RAF, die­sem Zer­falls­pro­dukt der Stu­den­ten­be­we­gung, ei­ne ge­wis­se mo­ra­li­sche Le­gi­ti­ma­ti­on (und Au­to­ri­tät) nicht per se ab­spricht.

Ver­gleicht man El­ters Punk­te mit den Merk­ma­len des Ter­ro­ris­mus, wie sie Loui­se Ri­chard­son in »Was Ter­ro­ri­sten wol­len« for­mu­liert hat, er­ge­ben sich im für die­ses Buch ent­schei­den­den Punkt – der me­dia­len »Ver­mark­tung« des Ter­rors – deut­li­che Par­al­le­len. Über­ra­schend hier­bei ist dann, dass Ri­chard­sons Cha­rak­te­ri­sti­kum der me­dia­len Kom­po­nen­te deut­li­cher for­mu­liert ist als bei El­ter. Sie schreibt: »Zweck von Ter­ro­ris­mus ist nicht, den Feind zu be­sie­gen, son­dern ei­ne Bot­schaft zu ver­kün­den.« Bei El­ter klingt das ein biss­chen ne­bu­lö­ser: Ter­ro­ri­sti­sche Grup­pen set­zen pri­mär auf phy­si­sche Ge­walt (die aber gleich­zei­tig psy­chi­sche Wir­kun­gen in­ten­diert) und spek­ta­ku­lä­re Ak­tio­nen, wel­che die mas­sen­me­dia­le Ver­brei­tung si­cher­stel­len, die Öf­fent­lich­keit er­rei­chen und ei­nen lang­fri­sti­gen Schock­ef­fekt her­bei­füh­ren sol­len. Wei­ter­le­sen

Bro­der­line

Da war wohl ge­stern das Af­ter­show-Par­ty-Bier bei »An­ne Will« nicht so gut. Denn was Hen­ryk M. Bro­der in of­fen­sicht­lich ver­ka­ter­ter Stim­mung da auf sei­ner Ach­se des Blö­den ge­gen Ste­fan Nig­ge­mei­ers Bei­trag aus der Fe­der ge­flos­sen ist (oder in die Ta­sta­tur eja­ku­liert hat), be­stä­tigt die Dia­gno­se »Bro­der­line« als be­dau­erns­wer­ten Krank­heits­zu­stand; ei­ne Art neu­me­dia­ler Ver­wir­rung und Wahr­neh­mungs­stö­rung.
Wei­ter­le­sen

Ei­ni­ges zu »Die mo­ra­wi­sche Nacht« von Pe­ter Hand­ke

Über das Ver­schwin­den der Vor­ur­tei­le zu er­zäh­len, das sei Epik – so heisst es an ei­ner Stel­le in der »Mo­ra­wi­schen Nacht« von Pe­ter Hand­ke. So ganz sind die­se Vor­ur­tei­le (oder Ur­tei­le) bei den Da­men und Her­ren Kri­ti­ker noch nicht ver­schwun­den – es wird reich­lich Bu­ße fest­ge­stellt und manch­mal kann es schlim­mer sein, so hin­ter­rücks, so gön­ner­haft, so fast-ver­zei­hend ge­lobt zu wer­den als herz­haft ver­ris­sen. (Im­mer­hin Platz 1 und vie­le Punk­te in der Fe­bru­ar-Be­sten­li­ste des SWR.)

Peter Handke: Die morawische Nacht

Pe­ter Hand­ke: Die mo­ra­wi­sche Nacht


So knüpft Iris Ra­disch in ih­rer Be­spre­chung Ban­de zu Hand­kes Ju­go­sla­wi­en-Rei­se­bü­cher und kon­sta­tiert, er, Hand­ke, ha­be sich nun ab­ge­wandt von der »ver­stö­ren­den Par­tei­nah­me«, aber vor lau­ter »Bu­den­zau­ber« über­se­he man das Herz­stück der Er­zäh­lung, wel­ches sie in der Los­spre­chung der Sün­den des Soh­nes durch die Mut­ter sieht. Oh ja. Und was die­se Frau liest und vor al­lem wie sie liest (liest oder nur her­un­ter­rat­tert?) er­kennt man dar­an, dass sie das Buch dann am En­de mit ei­ner Com­pu­ter­ani­ma­ti­on ver­gleicht. Was ha­ben die heu­ti­gen Dich­ter ei­gent­lich ver­bro­chen, ei­nen sol­chen Blöd­sinn über sich er­ge­hen las­sen zu müs­sen?-->

Die FAZ be­müht so­gar zwei Re­zen­sen­ten. Hu­bert Spie­gel trifft da­bei er­staun­li­cher­wei­se ge­le­gent­lich so­gar den Ton und kommt fast oh­ne Hä­me aus, wo­bei er frei­lich Hand­ke ziem­lich ger­ne noch ins Bü­sser­ge­wand stecken wür­de. (Er legt dann noch ein­mal nach – viel­leicht weil ihm sei­ne Re­zen­si­on zu po­si­tiv schien?) Vol­ker Wei­der­mann glaubt so­gar, Hand­ke ver­ab­schie­de sich vom Bal­kan und macht da­mit sei­nen Wunsch zum Va­ter des (Leser-)Gedankens.

Schön das Her­an­ta­sten und Ein­füh­len von Tho­mas Stein­feld in der Süd­deut­schen Zei­tung. »Kei­nen Fun­ken Pro­vo­ka­ti­on« fin­det Mar­tin Krumb­holz in der Frank­fur­ter Rund­schau und man fragt sich »war­um auch?«, und der Re­zen­sent at­te­stiert Hand­ke ein »de­fen­si­ves« Buch und zeigt da­mit, dass er sich sel­ber nicht von der Re­zep­ti­on ÜBER Hand­ke lö­sen kann (oder auch, dass er da­zu nicht be­reit ist), statt den Zau­ber des Bu­ches auf sich wir­ken zu las­sen.

Tref­fend der Ti­tel der Be­spre­chung von An­dre­as Brei­ten­stein in der Neu­en Zür­cher Zei­tung, »Die gro­sse Ver­söh­nungs­tour«, aber auch hier ei­ni­ge al­te Rech­nun­gen und ge­le­gent­lich ein recht­ha­be­ri­scher Un­ter­ton; sei’s drum.

Zwin­gen muss man sich, Pe­ter Mohrs Be­spre­chung im »Ti­tel-Ma­ga­zin« bis zum En­de zu le­sen, denn spä­te­stens wenn je­mand als »ei­gen­wil­lig« cha­rak­te­ri­siert wird, soll­te man auf­hö­ren. Der Re­zen­sent stellt dann noch Par­al­le­len bis zum Nar­ziss­mus zum ei­ge­nen Werk Hand­kes fest (was für ein Un­sinn) und hat of­fen­sicht­lich gar nicht be­merkt, dass der Ex-Au­tor im Buch den Gre­gor Keu­sch­nig gar nicht trifft.

Und flan­kie­rend na­tür­lich ein In­ter­view. Min­de­stens ei­nes. Aber auch ein »gu­tes«, frucht­ba­res. Von Chri­sti­ne Ei­chel in der On­line-Aus­ga­be des »Ci­ce­ro«: »Der Zorn ver­raucht, das Feu­er bleibt«. Dort fin­den sich sehr be­mer­kens­wer­te Sät­ze von Hand­ke; es ist wirk­lich le­sens- und nach­den­kens­wert (ob­wohl ein­mal ein Um­bruch fehlt, d. h. ei­ne Fra­ge wird in ei­ner Ant­wort ver­steckt – wer findet’s?). Ei­chel be­ginnt ihr In­ter­view (ist es nicht schon fast ein Ge­spräch?) mit dem Zi­tat aus »Selbst­por­trait aus un­will­kür­li­chen Selbst­ge­sprä­chen« (aus der Zeit­schrift »Ma­nu­skrip­te«, im März 2007 er­schie­nen, hier her­un­ter­zu­la­den [PDF; ca. 110 kb]), die man noch am ehe­sten mit Hand­kes Jour­na­len ver­glei­chen könn­te, wenn die­se auch we­sent­lich aus­führ­li­cher an­ge­legt sind, wäh­rend es sich bei den »Selbst­ge­sprä­chen« weit­ge­hend um klei­ne Sen­ten­zen, nein, eher: Ge­dan­ken­split­ter han­delt (auch die­se Sät­ze hier en­den oh­ne Punkt – wie in den Jour­na­len).

Ach ja, und da gibt es noch ei­ne Be­spre­chung (un­ter si­cher noch vie­len an­de­ren). Noch ein Ver­such.

Mö­ge sich je­der sein Ur­teil bil­den.

Wort­bruch oder Neu­wah­len?

Zu­nächst die gu­te Nach­richt: Es ist Ro­land Koch nicht ge­lun­gen, sei­ne ab­so­lu­te Mehr­heit in Hes­sen zu ver­tei­di­gen. Viel­leicht nicht trotz son­dern we­gen sei­nes weit­ge­hend von Pa­nik, Des­in­for­ma­ti­on und Lü­gen ge­präg­ten Wahl­kampfs, die wil­li­ge Un­ter­stüt­zung durch den Hu­gen­berg-Adep­ten Diek­mann und des­sen ar­ti­ge Voll­strecker in di­ver­sen Re­dak­tio­nen fan­den. Wei­ter­le­sen

Jo­r­is Luy­en­di­jk: Wie im ech­ten Le­ben


Jo­r­is Luy­en­di­jk ging mit 27 Jah­ren als Kor­re­spon­dent in den Na­hen Osten; zu­nächst für ei­ne Ra­dio­sta­ti­on und die nie­der­län­di­sche Zei­tung »De Volks­krant«, spä­ter dann für »NRC Han­dels­blad«. Er war auch kur­ze Zeit für das nie­der­län­di­sche Fern­se­hen tä­tig. Ver­mut­lich – so spe­ku­liert er sel­ber – hat­te er den Zu­schlag für die Stel­le haupt­säch­lich we­gen sei­nes Ara­bi­stik-Stu­di­ums er­hal­ten; Be­wer­bern mit pri­mär jour­na­li­sti­schem Hin­ter­grund war er wohl des­halb vor­ge­zo­gen wor­den. Luy­en­di­jk hat über die­se Zeit (sie dau­er­te von 1998 bis 2003) ein Buch mit dem dop­pel­deu­ti­gen Ti­tel »Wie im ech­ten Le­ben« ge­schrie­ben, wel­ches in den Nie­der­lan­den – trotz we­ni­ger »of­fi­zi­el­ler« Be­spre­chun­gen – für Fu­ro­re sorg­te und mit 120.000 ver­kauf­ten Ex­em­pla­ren ein Best­sel­ler wur­de (was man dem Buch na­tur­ge­mäss nicht vor­wer­fen kann).
Wei­ter­le­sen

Made­lei­ne Al­b­right: Ame­ri­ka du kannst es bes­ser

Madeleine Albright: Amerika du kannst es besser

Made­lei­ne Al­b­right: Ame­ri­ka du kannst es bes­ser

Der Un­ter­ti­tel des Bu­ches lau­tet »Was ein gu­ter Prä­si­dent tun und was er las­sen soll­te« – und er ist wört­lich ge­meint! Made­lei­ne Al­b­right hat ei­ne Art Va­de­me­cum für den neu­en Prä­si­den­ten ver­fasst (zu­sam­men mit dem von an­de­ren Bü­chern be­reits be­kann­ten Bill Wood­ward, der in der deut­schen Aus­ga­be erst auf dem Schmutz­ti­tel er­scheint); ei­nen Rat­ge­ber, der sich ins­be­son­de­re den Ab­läu­fen im »Treib­haus« Wa­shing­ton und der Au­ssen­po­li­tik wid­met.

Das zeugt nicht nur von er­staun­li­chem Selbst­be­wusst­sein, son­dern of­fen­bart auch ei­ne ge­wis­se Pi­kan­te­rie. Zwar be­teu­ert Al­b­right zu Be­ginn, dass sie die mas­ku­li­ne Form für »Prä­si­dent« nur aus ak­tu­el­len Grün­den bei­be­hält (und die weib­li­che Form für den Au­ssen­mi­ni­ster [die Au­ssen­mi­ni­sterin] ver­wen­det), aber durch die Pro­gno­se, ei­nen Prä­si­den­ten aus ih­rer Par­tei (den De­mo­kra­ten) ab Ja­nu­ar 2009 im Wei­ssen Haus zu se­hen, kann sie ei­gent­lich nur Ba­rack Oba­ma beim Schrei­ben des Bu­ches im Au­ge ge­habt ha­ben. Wei­ter­le­sen

Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger: Ham­mer­stein oder der Ei­gen­sinn

Hans Magnus Enzensberger: Hammerstein oder Der Eigensinn

Hans Ma­gnus En­zens­ber­ger: Ham­mer­stein oder Der Ei­gen­sinn

Kurt von Ham­mer­stein-Equord, ge­bo­ren 1878, ge­stor­ben 1943, wur­de 1930 zum Chef der deut­schen Hee­res­lei­tung er­nannt. Am 3. Fe­bru­ar 1933 emp­fing er in sei­ner Dienst­woh­nung zu ei­nem Abend­essen den so­eben zum neu­en Reichs­kanz­ler er­nann­ten und ge­wähl­ten Adolf Hit­ler. Ei­ni­ge ho­he und höch­ste Of­fi­zie­re der Reichs­wehr, die spä­ter Wehr­macht ge­nannt wur­de, wa­ren eben­falls zu­ge­gen, so bei­spiels­wei­se Wer­ner von Blom­berg (seit fünf Ta­gen Reichs­wehr­mi­ni­ster), Ge­ne­ral Lud­wig Beck (Chef des Trup­pen­am­tes – er wur­de am 20. Ju­li 1944 hin­ge­rich­tet) oder Oberst Eu­gen Ott (Amts­chef im Wehr­mi­ni­ste­ri­um, spä­ter Bot­schaf­ter in Ja­pan und 1942 nach Strei­tig­kei­ten mit dem AA ab­be­ru­fen). Die Gä­ste­li­ste die­ses Tref­fens ist im De­tail nicht ex­akt re­kon­stru­ier­bar. Hit­ler hielt ei­ne län­ge­re Re­de, die, so wird fast ein­hel­lig be­rich­tet, in kras­sem Ge­gen­satz zu sei­ner Re­gie­rungs­er­klä­rung vom 30. Ja­nu­ar stand, was of­fen­sicht­lich den Ge­ne­rä­len nicht wei­ter auf­ge­fal­len war. Spä­ter sag­te Hit­ler, er ha­be das Ge­fühl ge­habt, ge­gen ei­ne Wand zu re­den, wäh­rend der »Völ­ki­sche Be­ob­ach­ter« die Ar­mee »Schul­ter an Schul­ter« mit dem »neu­en Kanz­ler« sah.

Ge­ne­ral Beck wird spä­ter zi­tiert wer­den, er ha­be den In­halt der Re­de »so­fort wie­der ver­ges­sen«. Zwar exi­stiert ei­ne in­of­fi­zi­ell an­ge­fer­tig­te Pro­to­koll­nach­schrift, die ver­mut­lich ei­nem der Ham­mer­stein-Kin­der an die Kom­in­tern nach Mos­kau ge­funkt wur­de, aber ob hier tat­säch­lich we­sent­li­che Ele­men­te der Re­de Hit­lers, die dann ein­deu­tig ei­ne Auf­rü­stungs­re­de ge­we­sen wä­re, kor­rekt wie­der­ge­ge­ben wur­de?
Wei­ter­le­sen