Mo­ham­med Abed Al-Ja­bri: Kri­tik der ara­bi­schen Ver­nunft – Ein­füh­rung

Kritik der arabischen VernunftDie »Kri­tik der ara­bi­schen Ver­nunft« ist ein vier­bän­di­ges Werk: Der er­ste Teil er­schien 1984 un­ter dem Ti­tel »Die Ge­ne­se des ara­bi­schen Den­kens«, 1986 er­schien »Die Struk­tur des ara­bi­schen Den­kens«, 1990 »Die ara­bi­sche Ver­nunft im Po­li­ti­schen« und 2001 dann »Die prak­ti­sche ara­bi­sche Ver­nunft«.

Mo­ham­med Abed Al-Ja­bri* wur­de 1935 in ei­ner Ber­ber­fa­mi­lie im süd­li­chen Ma­rok­ko ge­bo­ren. Er ab­sol­vier­te ei­ne Schnei­der­leh­re, wur­de Volks­schul­leh­rer und be­gann 1958 ein Phi­lo­so­phie­stu­di­um in Da­mas­kus. 1970 pro­mo­vier­te er über den Hi­sto­ri­ker und »Vor­läu­fer der mo­der­nen So­zio­lo­gie«** Ibn Khal­dun. Er un­ter­rich­te­te is­la­mi­sche Ideen­ge­schich­te in Ra­bat. An­fang der 80er Jah­re be­gann Al-Ja­bri Bü­cher zu pu­bli­zie­ren und wur­de da­mit un­ter ara­bi­schen In­tel­lek­tu­el­len be­kannt. Bis auf Band drei der Kri­tik, der 2007 un­ter dem Ti­tel »Die po­li­ti­sche Ver­nunft im Is­lam: Ge­stern und heu­te« in fran­zö­si­scher Spra­che pu­bli­ziert wur­de, sei Al-Ja­bris Haupt­werk bis­her in kei­ner an­de­ren Spra­che ver­öf­fent­licht wor­den (so der Ver­lag), was durch­aus Ab­sicht des Au­tors war, der den in­ner­a­ra­bi­schen Dia­log be­för­dern woll­te statt in an­de­ren Kul­tur­krei­sen zu re­üs­sie­ren.

Die »edi­to­ri­sche No­tiz« des Ver­lags ver­wirrt den Le­ser mehr als das sie auf­klärt. Der Ver­lag schreibt, daß die »syn­op­ti­schen Tex­te, die in das vor­lie­gen­de Buch ein­ge­gan­gen sind« nicht Teil der »Kri­tik« sei­en, son­dern aus zwei an­de­ren Tex­ten Al-Ja­bris stamm­ten. Aus­ge­wählt wur­den die­se Tex­te von Ah­med Mah­foud und Marc Ge­off­roy, wo­bei Mah­foud, der als »Freund und Agent« Al-Ja­bris vor­ge­stellt wird, die Über­set­zung al­ler vier Bän­de der »Kri­tik« vom Ara­bi­schen ins Fran­zö­si­sche vor­ge­nom­men hat.

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Til Schwei­ger: Kein­ohr­ha­sen

Til Schweiger: Keinohrhasen
Til Schwei­ger: Kein­ohr­ha­sen

Wie Ba­by Schim­mer­los für Ar­me irr­lich­tert Til Schwei­ger als Lu­do Decker (no­men est omen – auch hier) in »Kein­ohr­ha­sen« durch die Ce­le­bri­ty-Welt. Man lacht ein biss­chen über sich selbst und ver­wech­selt das mit Selbst­iro­nie; Klit­sch­ko heißt da Klit­sch­ko, Cat­ter­feld Cat­ter­feld und Jür­gen Vo­gel spielt ge­gen En­de Jür­gen Vo­gel (bzw. er spielt als Jür­gen Vo­gel den Jür­gen Vo­gel wie er den Jür­gen Vo­gel ge­spielt ha­ben möch­te). Der Mi­ni­ster, der sei­ne Ge­lieb­te ge­schwän­gert hat, ist al­ler­dings nicht See­ho­fer. So­viel »Rea­li­ty« ist dann doch nicht.

Schwei­ger spielt den Klatsch­re­por­ter als skru­pel­lo­sen In­si­der (mit ma­fiö­sen At­ti­tü­den) und ma­cho­haf­ten Frau­en­hel­den mit sei­ner ei­ge­nen Phi­lo­so­phie des one-night-stands nebst ent­spre­chen­dem Ver­brauch. So ver­knüpft man das Nütz­li­che mit dem An­ge­neh­men – und gibt dem Zu­schau­er ne­ben­bei das Ge­fühl, es im­mer schon ge­wusst zu ha­ben. Es wird ge­vö­gelt, ge­stöhnt, ge­schrien und die Wör­ter »bla­sen«, »bum­sen« und »ficken« wer­den in al­len Kon­ju­ga­tio­nen de­kli­niert.

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Rät­sel

Wer hat dies als jun­ger Mensch gesagt/geschrieben? Um gläu­big zu sein, muß man nicht Ho­sti­en ver­schlucken, muß man nicht al­le Jah­re zwei­mal beich­ten. Es ge­nügt, wenn der Mensch ins Ant­litz der Welt schaut, tief hin­ein in sei­ne Mit­te [...] Man soll nie­mals über die Kir­che spot­ten, aber man darf die schlech­ten Prie­ster als schlecht be­zeich­nen ...

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Hei­mi­to von Do­de­rer: Se­ra­phi­ca – Mon­te­fal

Heimito von Doderer: Seraphica - Montefal
Hei­mi­to von Do­de­rer: Se­ra­phi­ca – Mon­te­fal
Es gibt mei­stens gu­te Grün­de, war­um Schrift­stel­ler Ma­nu­skrip­te jahr­zehn­te­lang nicht oder so­gar nie­mals ver­öf­fent­li­chen. Sie he­gen bei­spiels­wei­se Rück­sich­ten, weil es um Per­so­nen geht, die sie nicht dis­kre­di­tie­ren wol­len. Oder sie hal­ten ih­ren Stil plötz­lich nicht mehr für ad­äquat oder ein­fach nur schlecht. Viel­leicht reizt sie das The­ma nicht mehr, wel­ches ih­rer Er­zäh­lung zu­grun­de lie­gen soll­te. Manch­mal ver­ges­sen sie auch nur, dass da noch ein Ma­nu­skript im Schreib­tisch liegt.

Vie­les spricht da­für, dass all dies für die bei­den jetzt aus dem Nach­lass von Hei­mi­to von Do­de­rer ver­öf­fent­lich­ten, in den 20er Jah­ren ge­schrie­be­nen Er­zäh­lun­gen »Se­ra­phi­ca – Mon­te­fal« nicht gilt. Im au­ßer­or­dent­lich klu­gen und kennt­nis­rei­chen Nach­wort von Mar­tin Brink­mann wird ein wei­te­res Mo­tiv deut­lich, wel­ches we­nig­stens die Nicht­ver­öf­fent­li­chung von »Se­ra­phi­ca (Fran­zis­cus von As­si­si)« er­klärt: In ei­ner Zeit »un­si­che­rer Zu­kunfts­aus­sich­ten, schuld­be­la­de­ner Se­xua­li­tät und emo­tio­na­ler Tur­bu­len­zen« bot sich aus­ge­rech­net der hei­li­ge Franz von As­si­si als »Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur« an. Durch die über­mä­ßi­ge Rein­heit des Hei­li­gen (»Willst Du voll­kom­men sein, so geh’ und ver­kau­fe, was Du hast, und gib es den Ar­men, so wirst Du ei­nen Schatz im Him­mel ha­ben und komm und fol­ge mir nach«), der so­gar dem Feu­er nicht we­he­tun will, ob­wohl es ihm die Kut­te droht zu ver­bren­nen wird das ei­ge­ne, als ver­dor­ben emp­fun­de­ne Le­ben ge­spie­gelt.

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»Wir­bel­sturm in der Tee­tas­se« oder: Was die F.A.Z. nicht mehr on­line stellt

Der Ger­ma­nist Alan Kee­le stell­te neu­lich fest: Wal­ter Kem­pow­ski hat­te aus per­sön­li­chen Grün­den in den Jah­ren 1947/48 Kon­takt mit dem ame­r­ka­ni­schen Ge­heim­dienst CIC. (s. auch »Ent­hül­lungs­geil«) Kee­le be­ton­te, dass dies kei­ne sen­sa­tio­nel­le Ent­hül­lung sei, son­dern nichts mehr als ei­ne Fuß­no­te, wenn auch ei­ne in­ter­es­san­te. Der F.A.Z.-Redakteur Edo Re­ents mach­te dar­aus ei­ne Sen­sa­ti­on mit dem ef­fekt­ha­sche­ri­schen Ti­tel »Wal­ter Kem­pow­ski war doch ein Spi­on«.

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Astrid Her­bold: Das gro­ße Rau­schen

Astrid Herbold: Das große Rauschen
Astrid Her­bold: Das gro­ße Rau­schen

Es geht ums ganz Gro­ße: »Die Le­bens­lü­gen der di­gi­ta­len Ge­sell­schaft« will Astrid Her­bold »bis­sig im Ton und scharf an der Ana­ly­se« (Klap­pen­text) ent­lar­ven. Rasch wird noch das At­tri­but »schlag­fer­tig« hin­zu­ge­fügt und die ein­zel­nen My­then, die de­kon­stru­iert wer­den sol­len, auf­ge­führt. Wo­bei man ir­gend­wann fragt, ob die Au­torin nur die My­then zer­stört, die sie sel­ber ge­schaf­fen hat. Aber ge­mach.

Nun sind (oder wa­ren?) die Ver­hei­ssun­gen des »glo­ba­len Dorfs«, des mo­bi­len Zeit­ge­nos­sen und der so ein­fa­chen Hand­hab­bar­keit des vir­tu­el­len Wis­sens ja durch­aus enorm. Tech­nik­af­fi­ne Ent­wick­ler ver­spre­chen uns à la longue im­mer noch das schö­ne, gu­te, ein­fa­che – das bes­se­re Le­ben. Aber so man­ches Ver­spre­chen hat sich schon als ve­ri­ta­ble Luft­bla­se ent­puppt. Man glaubt ja längst nicht mehr an das ein­zig weiß­ma­chen­de Wasch­mit­tel. So kön­nen, ja müs­sen, die Ent­wick­lun­gen der ver­än­der­ten Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­wohn­hei­ten bei­spiels­wei­se in Un­ter­neh­men durch­aus be­fragt wer­den. Und ob es dau­er­haft er­stre­bens­wert ist an fast je­dem öf­fent­li­chen Ort die in­ti­men Ge­sprä­che an­de­rer un­frei­wil­lig mit zu hö­ren, ist ei­ne durch­aus dis­ku­ta­ble Fra­ge.

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Ent­hül­lungs­geil

Edo Re­ents hat viel Schnaps ge­trun­ken und mit ei­nem Pro­fes­sor ei­ne gar tol­le Ent­hül­lung prä­sent: Wal­ter Kem­pow­ski war ein Spi­on! Ei­ne »Bom­be« er­kennt der of­fen­bar nicht ganz trink­fe­ste Re­dak­teur da und »spek­ta­ku­lär« schallt es aus den Feuil­le­ton-Stu­ben (ins­besondere der FAZ), die in aus­glei­chen­der Ge­rech­tig­keit jetzt end­lich auch ein­mal ei­nen Nicht-Alt­lin­ken de­kon­stru­ie­ren möch­te. So ganz neu sei das al­les nicht sagt dann der Pro­fes­sor im sin­ni­ger­wei­se lan­ge ins Be­zahl­ar­chiv ge­steck­ten Bei­trag, der sich beim ge­nauen Le­sen schon als Rohr­kre­pie­rer er­weist (Ge­spräch mit Alan Kee­le [»Das geht ja aus den Ro­ma­nen selbst her­vor«]).

Der Nach­klapp von heu­te will die tau­meln­de Mücke noch ein biss­chen auf­pep­pen und be­haup­tet noch ein­mal trot­zig ei­ne Ba­na­li­tät: Wal­ter Kem­pow­ski hat in sei­nen Ro­ma­nen nicht im­mer die Wahr­heit ge­schrie­ben!

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Pe­ter Slo­ter­di­jk: Du mußt dein Le­ben än­dern

Peter Sloterdijk: Du mußt dein Leben ändern
Pe­ter Slo­ter­di­jk:
Du mußt dein Le­ben än­dern

So wie der Tor­so Apol­los im Lou­vre von Pa­ris im Jahr 1908 zum Dich­ter Rai­ner Ma­ria Ril­ke mit sei­ner durchlichtende[n] Äu­ße­rung des Seins in ei­nem an­thro­po­mor­phen Akt zu spre­chen be­ginnt und ihn auf­ruft »Du mußt dein Le­ben än­dern«, so möch­te auch Pe­ter Slo­ter­di­jk den Le­ser mit­rei­ssen und af­fi­zie­ren. Be­gei­stert ob die­ser (sä­ku­la­ri­sti­schen) In­spi­ra­ti­on weist er in sei­ner höchst ori­gi­nel­len Les­art des Ril­ke-Ge­dichts en pas­sant auf die bei­den wich­tig­sten Wor­te die­ses ab­so­lu­ten Im­pe­ra­tivs hin: Zum ei­nen das »Müs­sen« – zum an­de­ren das Pos­ses­siv­pro­no­men: hier sind we­der Aus­flüch­te noch De­le­ga­tio­nen er­laubt und die Kon­se­quen­zen könn­ten ein­schnei­dend sein.

Und so nimmt Slo­ter­di­jk Fahrt auf zur Le­bens­än­de­rungs-Ex­pe­di­ti­on. Da­bei soll (in Pa­ra­phra­se zu Witt­gen­stein) der Teil der ethi­schen Dis­kus­si­on, der kein Ge­schwätz ist, in an­thro­po­tech­ni­schen Aus­drücken re­for­mu­liert wer­den. So wird der Üben­de, der Akro­bat, zur Ga­li­ons­fi­gur des Sich-Än­dern-Wol­len­den in­stal­liert und be­kommt da­bei fast zwangs­läu­fig das At­tri­but »as­ke­tisch«, denn der größ­te Teil al­len Übungs­ver­hal­tens voll­zieht sich in der Form von nicht-de­kla­rier­ten As­ke­sen. Kein Ziel kann da hoch ge­nug sein (und das im wört­li­chen Sinn). Ril­kes Voll­kom­men­heits-Epi­pha­nie als un­um­kehr­ba­res Auf­bruchs­mo­ment, als Vor­bild für den heu­ti­gen Träg­heits­men­schen. Slo­ter­di­jk als Trai­ner (das ist der­je­ni­ge, der will, daß ich will oder doch eher ei­ne Re-In­kar­na­ti­on Za­ra­thu­stras, denn kein Zwei­fel kommt auf, daß hier Nietz­sche der gro­sse Mo­ti­va­tor ist, so­zu­sa­gen der »Über-Trai­ner«.

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