Oli­vi­er Roy: Hei­li­ge Ein­falt

Olivier Roy: Heilige Einfalt
Oli­vi­er Roy: Hei­li­ge Ein­falt

Seit vie­len Jah­ren ist Oli­vi­er Roy als Ex­per­te auf dem Ge­biet des is­la­mi­schen Fa­na­tis­mus, der ge­mein­hin un­ter dem Be­griff des Is­la­mis­mus sub­su­miert wird, be­kannt. Sein neue­stes Buch »Hei­li­ge Ein­falt« (im fran­zö­si­schen: »La sain­te igno­rance«) trägt in­ter­es­san­ter­wei­se den deut­schen Un­ter­ti­tel »Über die po­li­ti­schen Ge­fah­ren ent­wur­zel­ter Re­li­gio­nen«. Da­bei kommt der fran­zö­si­sche Un­ter­ti­tel weit we­ni­ger vor­ein­ge­nom­men da­her und drückt die In­ten­ti­on des Bu­ches bes­ser aus. Dort heißt es (eher be­schrei­bend): »Le temps de la re­li­gi­on sans cul­tu­re«, was mit un­ge­fähr »Die Zeit der Re­li­gio­nen oh­ne Kul­tur« über­setzt wer­den kann.

Roy schreibt be­reits im er­sten Satz, dass sei­ne Aus­füh­run­gen nicht al­lei­ne als Kri­tik am Is­lam und des­sen (so­ge­nann­ter) fun­da­men­ta­li­sti­scher Aus­prä­gun­gen zu le­sen sind. Und so wird die Sicht auf das Chri­sten­tum und den zeit­ge­nös­si­schen Pro­te­stan­tis­mus, der sich im­mer mehr zum Evan­ge­li­ka­lis­mus ra­di­ka­li­siert, aus­ge­wei­tet. Ge­le­gent­lich be­zieht Roy so­gar das Ju­den­tum und den »Hin­du­is­mus« in sei­ne Be­trach­tun­gen ein. Gleich zu Be­ginn wird mit ei­nem all­zu be­lieb­ten Talk­show-To­pos auf­ge­räumt: Es gibt kei­ne »Rück­kehr« des Re­li­giö­sen, son­dern ei­ne Ver­än­de­rung. Wir sind nicht Zeu­gen ei­ner Ex­plo­si­on der Pra­xis, son­dern eher von neu­en For­men der Sicht­bar­keit des Re­li­giö­sen. Das, was wir der­zeit be­ob­ach­ten, ist in er­ster Li­nie die Auf­leh­nung des Gläu­bi­gen, der sei­nen Glau­ben be­droht sieht und mit den kul­tu­rel­len »Her­aus­for­de­run­gen« ei­ner sä­ku­la­ren Ge­sell­schaft Pro­ble­me hat. Da­bei wirkt die Sä­ku­la­ri­sie­rung we­ni­ger in der Wei­se, dass sie die Re­li­gi­on an den Rand drängt, son­dern in­dem sie Re­li­gi­on und Kul­tur von­ein­an­der ent­kop­pelt und die Re­li­gi­on au­to­nom wer­den lässt.

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Mo­ham­med Abed Al-Ja­bri: Kri­tik der ara­bi­schen Ver­nunft – Ein­füh­rung

Kritik der arabischen VernunftDie »Kri­tik der ara­bi­schen Ver­nunft« ist ein vier­bän­di­ges Werk: Der er­ste Teil er­schien 1984 un­ter dem Ti­tel »Die Ge­ne­se des ara­bi­schen Den­kens«, 1986 er­schien »Die Struk­tur des ara­bi­schen Den­kens«, 1990 »Die ara­bi­sche Ver­nunft im Po­li­ti­schen« und 2001 dann »Die prak­ti­sche ara­bi­sche Ver­nunft«.

Mo­ham­med Abed Al-Ja­bri* wur­de 1935 in ei­ner Ber­ber­fa­mi­lie im süd­li­chen Ma­rok­ko ge­bo­ren. Er ab­sol­vier­te ei­ne Schnei­der­leh­re, wur­de Volks­schul­leh­rer und be­gann 1958 ein Phi­lo­so­phie­stu­di­um in Da­mas­kus. 1970 pro­mo­vier­te er über den Hi­sto­ri­ker und »Vor­läu­fer der mo­der­nen So­zio­lo­gie«** Ibn Khal­dun. Er un­ter­rich­te­te is­la­mi­sche Ideen­ge­schich­te in Ra­bat. An­fang der 80er Jah­re be­gann Al-Ja­bri Bü­cher zu pu­bli­zie­ren und wur­de da­mit un­ter ara­bi­schen In­tel­lek­tu­el­len be­kannt. Bis auf Band drei der Kri­tik, der 2007 un­ter dem Ti­tel »Die po­li­ti­sche Ver­nunft im Is­lam: Ge­stern und heu­te« in fran­zö­si­scher Spra­che pu­bli­ziert wur­de, sei Al-Ja­bris Haupt­werk bis­her in kei­ner an­de­ren Spra­che ver­öf­fent­licht wor­den (so der Ver­lag), was durch­aus Ab­sicht des Au­tors war, der den in­ner­a­ra­bi­schen Dia­log be­för­dern woll­te statt in an­de­ren Kul­tur­krei­sen zu re­üs­sie­ren.

Die »edi­to­ri­sche No­tiz« des Ver­lags ver­wirrt den Le­ser mehr als das sie auf­klärt. Der Ver­lag schreibt, daß die »syn­op­ti­schen Tex­te, die in das vor­lie­gen­de Buch ein­ge­gan­gen sind« nicht Teil der »Kri­tik« sei­en, son­dern aus zwei an­de­ren Tex­ten Al-Ja­bris stamm­ten. Aus­ge­wählt wur­den die­se Tex­te von Ah­med Mah­foud und Marc Ge­off­roy, wo­bei Mah­foud, der als »Freund und Agent« Al-Ja­bris vor­ge­stellt wird, die Über­set­zung al­ler vier Bän­de der »Kri­tik« vom Ara­bi­schen ins Fran­zö­si­sche vor­ge­nom­men hat.

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Ein glo­ba­les To­le­do

Un­ter dem Ein­druck des da­mals hef­tig to­ben­den »Ka­ri­ka­tu­ren-Streits« schrieb Bo­tho Strauß Mit­te Fe­bru­ar 2006 ei­nen auch heu­te noch höchst in­ter­es­san­ten, ei­gent­lich er­staun­lich we­nig dis­ku­tier­ten, kur­zen Auf­satz im »Spie­gel« mit dem la­ko­ni­schen Ti­tel »Der Kon­flikt«.

Lässt man Strauß’ ge­le­gent­lich un­ter­schwel­lig an­klin­gen­de, pes­si­mi­sti­sche Sicht hin­sicht­lich ei­ner in näch­ster Zeit be­vor­ste­hen­den »Mehr­heits­ver­schie­bung« ein­mal bei­sei­te (frei­lich klar­stel­lend, nicht die Kö­ter­spur des Ras­sis­mus be­die­nen zu wol­len), so bleibt ei­ne prä­gnan­te Dia­gno­se:

Wie oft be­schrie­ben, be­zieht der Is­lam sei­ne stärk­ste Wir­kung aus sei­ner so­zia­len In­te­gra­ti­ons­kraft. Sei­ne dies­sei­ti­gen Vor­tei­le lässt man leicht au­ßer acht, wenn man sich mit dem po­li­tisch-spi­ri­tu­el­len Kon­flikt be­schäf­tigt.

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