Einen »plakativen Text« kündigt das »Titel Magazin« an, der den »resignierten« Leser aufrütteln will. Ein alter Topos des Feuilletons wird da bedient: Man nimmt den Leser, der sich nicht wehren kann, in den Arm und spricht – natürlich ungefragt – für ihn. Nicht der einzige Trick. Denn was dann von Thor Kunkel folgt, ist ein hastig zusammengestoppeltes, larmoyantes Geplapper mit reichlich sachlichen Fehlern garniert. Das Protokoll eines Wutliteraten, der um Aufmerksamkeit winselt, in dem er möglichst drastisch diejenigen anschreit, deren Zuneigung er doch so ersehnt.
Früh wird klar: Es geht Kunkel überhaupt nicht um Literaturkritik. In seinem Text ist nicht ein Wort darüber zu finden. Es geht um das »Betriebssystem«, dieses ominöse Hin- und Hergeschacher, was sich zur Verblüffung vieler Jungliteraten jenseits sozialer Netzwerke abspielt. In Köln hat man dafür den Diminutiv »Klüngel« erfunden. Kunkel entdeckt den Klüngel immer wieder neu. So weit, so schlecht. Und so bekannt. Aber selektive Wahrnehmung ist immer der Freund des Verschwörungstheoretikers. Wo bleibt die fachliche Auseinandersetzung? Wo bleiben Hinweise auf eine alternative Literaturkritik jenseits der Lovenbergs, Radischs, Weidermanns und Schecks? Stattdessen greift er lieber in die Klischeekiste und suhlt sich in seinen Originalität simulierenden Invektiven. Man sieht ihn förmlich jauchzen, wie er eine schiefe Metapher an die andere klebt. Der Leser, zum Aufrütteln bestellt, gähnt und spendet sanftes Mitleid. Weiterlesen