Es war ein derart einschneidender Moment, dass ich etliches, was sich um dieses Ereignis herum ereignet hat, vergessen habe. Ich stehe auf einer Verkehrsinsel in Grindelwald und telefoniere mit meiner Mutter. Kurz vor dem Abendessen; ein kurzes Melden nach einigen Tagen. Sie erzählt von meinem Vater, der beim Zahnarzt gewesen war wegen seines Gebisses, welches nicht passte. Es passte schon seit Jahren nicht, aber immer wieder hatte er den Gang zum Arzt hinausgezögert und stattdessen mit Unmengen von Gebissklebern versucht, eine Festigkeit zu erzeugen. Seit Jahren nimmt mein Vater dieses Pulver; das kleine, rote Fläschchen ist in zwei, drei Tagen leer. Es ist Natriumalginat. Angeblich harmlos. Aber immer wieder, nach zwei oder drei Mahlzeiten fällt ihm das Gebiss heraus. Der Arzt hatte, wie meine Mutter sich ausdrückte, einen »Knubbel« im Mund festgestellt. Er kann kein neues Gebiss anpassen, bis dieses Ding entfernt ist. Man nahm eine Probe. Ich weiß nicht mehr, ob meine Mutter mir schon damals sagte, dass es Krebs war. Oder ob das erst später war. Aber ich verlasse die Telefonzelle mit dem Gefühl, dass mein Vater Krebs hat. Er war jenseits der 70, starker Raucher; Spieler. Sein plötzlich fasslicher, möglicher Tod ließ mich über ihn nachdenken. Ich ging wie in Trance aus der Telefonzelle.
»Grindelwald« als Buch
Vor einigen Monaten hatte ich hier eine kleine Erzählung mit dem Titel »Grindelwald« veröffentlicht. Ich hatte mir dies aus Anlass des 100. Geburtstags meines Vaters schon Monate im Voraus vorgenommen und es dann doch erst kurz vorher halbwegs geschafft. Anfangs hatte ich »Grindelwald« von der Titelseite verbannt; mit der Verlinkung im »Bildblog« in 6 vor ...