Ein Glas Bier im Flug­zeug

Die Re­ak­to­ren­ka­ta­stro­phe in Ja­pan hält zur Zeit die Welt in Atem. Al­les über­trie­ben, tönt es da aus ei­ner Rich­tung. Die Jour­na­li­sten sind al­le in­dok­tri­niert, schü­ren nur Pa­nik. Wie ein Ket­ten­brief kur­siert seit ge­stern in deutsch­spra­chi­gen Face­book-Ac­counts der Auf­satz ei­nes ge­wis­sen Jo­sef Oeh­men, der zu­nächst als Wis­sen­schaft­ler des MIT vor­ge­stellt wur­de, was man dann spä­ter kor­ri­gier­te: Oeh­men ist das, was man ge­mein­hin ei­nen Ri­si­ko­ma­na­ger nennt.

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Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Pierre Chiquet: Der Springer
Pierre Chi­quet: Der Sprin­ger

Zu­nächst denkt man, dass das Buch »25« heißt. Die­se Zahl prangt weiß auf schwar­zem Un­ter­grund auf dem Co­ver. Erst auf dem zwei­ten Blick er­kennt man den rich­ti­gen Ti­tel, senk­recht in gol­de­nen Buch­sta­ben: »Der Sprin­ger«. Auf der näch­sten Sei­te, um­riss­ar­tig die »26«. Auf der vor­letz­ten Sei­te »27«. Da­zwi­schen: das Buch. Was ha­ben die Zah­len zu be­deu­ten? Nach ei­nem Drit­tel ahnt der Le­ser: Es sind Zim­mer­num­mern. In Zim­mer 27 trifft sich ein Paar. Und in Zim­mer 26 ist der Ehe­mann der Frau. Viel spä­ter er­fährt man, dass das Zim­mer 25 auch noch ei­ne Rol­le spielt. Es ist ver­wir­rend.

Da­bei be­ginnt al­les so ein­fach: Ei­ne to­te Frau, ein Kom­mis­sar, der im som­mer­li­chen Ge­wit­ter­re­gen den Tat­ort zu Fuß auf­sucht und ein zu­meist schwei­gen­der Tat­ver­däch­ti­ger, der ge­steht und da­nach nur noch ei­nen Satz in ei­nem lan­gen Ver­hör sagt. Am Grab der Ge­tö­te­ten, we­ni­ge Ta­ge spä­ter, er­scheint dem Kom­mis­sar epi­pha­nisch die Ge­stalt der Frau und auch gleich die Ge­schich­te da­zu. Es ist die Ge­schich­te von Paul­zen, des­sen ehe­ma­li­gen Stu­di­en­kol­le­gen Stock­mann und von Made­lei­ne, die dann Stock­manns Ehe­frau wur­de. Plötz­lich sucht Stock­mann Paul­zen auf und »bie­tet« ihm oh­ne Um­stän­de sei­ne Frau an. Sie »ent­glei­te« ihm und er kom­me mit ihr nicht mehr zu­recht. Er kön­ne sie ha­ben.

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Fra­gen an Frau Pohl

Ines Pohl, Chef­re­dak­teu­rin der taz, be­tont in ei­nem In­ter­view um die An­zei­ge der »Bild«-Zeitung in der taz, dass die­se – »wie in je­dem or­dent­li­chen Zei­tungs­haus« – Re­dak­ti­on und An­zei­gen­ge­schäft ge­trennt ha­be. Pohl wei­ter: »Die Re­dak­ti­on ver­fügt gar nicht über die Ho­heit, zu ent­schei­den, ob ei­ne An­zei­ge er­scheint oder nicht, wenn die An­zei­ge – das ist im Re­dak­ti­ons­sta­tut der taz fest­ge­schrie­ben – nicht ras­si­stisch, se­xi­stisch oder kriegs­ver­herr­li­chend ist.«

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Die Fin­ster­mann­rie­ge

Horst See­ho­fer hat es nun aus­ge­spro­chen. Da ist sie: die Gut­ten­berg-Dolch­stoß-Le­gen­de. Herr Lam­mert und Frau Scha­van sol­len, so der rüh­ri­ge CSU-Vor­sit­zen­de See­ho­fer, dem Frei­her­ren in den Rücken ge­fal­len sein. Da ist es wie­der: Die­ses Zau­ber­wort der Po­li­tik – die Ge­schlos­sen­heit. »Die Rei­hen fest ge­schlos­sen« – nicht nur ei­ne deut­sche Tu­gend, aber hier im­mer be­son­ders ger­ne her­vor­ge­kramt, wenn die Kraft des Ar­gu­ments auf dem Al­tar des Op­por­tu­nis­mus ge­op­fert wer­den soll. Pi­kant ist, dass aus­ge­rech­net See­ho­fer, der mit sei­nen un­dif­fe­ren­zier­ten und pla­ka­ti­ven Ein­wür­fen die schwarz-gel­be Ko­ali­ti­on im­mer wie­der un­ge­fragt pe­ne­triert, Mi­ni­ster und Ab­ge­ord­ne­te zu Ab­nickern de­gra­die­ren möch­te.

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Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

Brigitte Schwens-Harrant: Literaturkritik - Eine Suche
Bri­git­te Schwens-Har­rant: Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che

»Li­te­ra­tur­kri­tik – Ei­ne Su­che« ist mehr als nur ei­ne Mo­ment­auf­nah­me aus dem »Be­trieb«, der sich zu­meist in Jam­me­rei und mehr oder min­der of­fe­ner Pu­bli­kums­be­schimp­fung übt, wenn es um ihr Me­tier geht. Bri­git­te Schwens-Har­rant, selbst Li­te­ra­tur­kri­ti­ke­rin, lie­fert nicht nur ei­ne pro­fun­de, wun­der­bar un­auf­ge­reg­te Be­schrei­bung des Ist-Zu­stan­des, son­dern ent­wickelt im wei­te­ren Ver­lauf nichts Ge­rin­ge­res als ei­ne Zu­kunfts­per­spek­ti­ve für ih­re Zunft. Dies al­les in la­ko­ni­scher und prä­zi­ser Spra­che, oh­ne in das ab­schrecken­de, letzt­lich nur selbst­be­weih­räu­chern­de Ger­ma­ni­sten­sprech zu ver­fal­len, wel­ches sie be­rech­tig­ter­wei­se bei an­de­ren mo­niert.

Es gibt schö­ne Ge­las­sen­heits­mo­men­te der Au­torin, et­wa wenn sie die all­ge­mei­ne Ver­un­si­che­rung in der Bran­che mit dem Satz Ach­sel­zucken macht mun­ter kom­men­tiert. Schwens-Har­rant zeigt zwar Ver­ständ­nis für die schwie­ri­ge Si­tua­ti­on der Kri­ti­ker (nied­ri­ge Ho­no­ra­re, Spar­zwän­ge in den Zei­tun­gen, »Ge­set­ze« des Be­triebs) sieht aber kei­nen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Im Ge­gen­teil: Wäh­rend die Mit­glie­der des Li­te­ra­tur­be­trie­bes da­mit be­schäf­tigt sind, zu strei­ten, zu jam­mern oder ein­an­der an die Be­deu­tung oder Be­deu­tungs­lo­sig­keit ih­res Tuns zu er­in­nern, sind die Le­ser da­bei, sich via In­ter­net Öf­fent­lich­keit zu schaf­fen und auf ei­ge­ne Faust Li­te­ra­tur­ver­mitt­lung zu be­trei­ben. Die Fra­ge, was der Li­te­ra­tur ei­gent­lich bes­se­res pas­sie­ren kann, als auf die­se Wei­se Auf­merk­sam­keit zu be­kom­men, ist eben nicht iro­nisch ge­meint.

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Ein schänd­li­ches Ver­sa­gen

Zwei Aus­sa­gen des Ver­tei­di­gungs­mi­ni­sters zu Gut­ten­berg am Mon­tag auf der in­zwi­schen fast be­rühm­ten Wahl­kampf­ver­an­stal­tung der CDU zum Kom­mu­nal­wahl­kampf (!) in Hes­sen sind be­mer­kens­wert: Zum ei­nen er­klärt er sei­nen dau­er­haf­ten Ver­zicht, den Dok­tor­ti­tel zu füh­ren. Und zum an­de­ren »ge­stand« er ei­nen »Blöd­sinn« ge­schrie­ben zu ha­ben.

Der »Blöd­sinn« wur­de von der Uni­ver­si­tät in Bay­reuth mit »sum­ma cum lau­de« be­wer­tet. Da­mit gibt er der Uni­ver­si­tät und sei­nem Dok­tor­va­ter noch nach­träg­lich ei­nen Tritt. Und auch die zahl­rei­chen pla­gi­ier­ten Au­toren wer­den in­di­rekt be­lei­digt, denn all­zu viel Ei­gen­an­teil soll die Dok­tor­ar­beit ja nicht auf­wei­sen.

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Eu­phe­mis­men in der Po­li­tik – (III.) Sta­bi­li­tät

Die west­li­chen De­mo­kra­tien und das Re­gime Mu­ba­rak ha­ben ei­nes ge­mein­sam: Bei­de ha­ben Angst vor dem ägyp­ti­schen Volk. Die Be­kennt­nis­se in den Sonn­tags­re­den zu De­mo­kra­tie, Frei­heit und Men­schen­rech­ten ver­puf­fen, wenn die Re­al­po­li­tik über­mäch­tig und »Sta­bi­li­tät« zum al­lein­ent­schei­den­den po­li­ti­schen Kri­te­ri­um wird. Die sor­gen­vol­len Mie­nen bei der deutsch-is­rae­li­schen Ka­bi­nett­sit­zung ge­stern spre­chen Bän­de. Die USA und Is­ra­el wol­len das Sy­stem Mu­ba­rak er­hal­ten. Viel­leicht ha­ben sie ihm ja ei­ne Pil­le ent­wickelt, da­mit der 82jährige noch zwan­zig oder drei­ßig Jah­re lebt. Ih­nen ist ein au­to­kra­ti­scher Mu­ba­rak mit sei­ner »rich­ti­gen« Po­li­tik lie­ber als die Per­spek­ti­ve ei­nes frei­en Lan­des. Als wä­re es si­cher, dass Ägyp­ten wie wei­land der Iran zum Got­tes­staat wird (die Au­gu­ren sa­gen das Ge­gen­teil).

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Der deut­sche Mi­cha­el Moo­re

Ei­ni­ge be­zeich­nen Chri­stoph Lüt­gert in­zwi­schen als den deut­schen Mi­cha­el Moo­re. Es ist an­zu­neh­men, dass dies als Kom­pli­ment ge­meint ist; die Vor­wür­fe der Ma­ni­pu­la­ti­on von Fak­ten ge­gen­über Moo­re sind ja im links­li­be­ra­len Main­stream nie mit der not­wen­di­gen Ernst­haf­tig­keit ver­folgt wor­den. Lüt­gert hat ver­mut­lich kei­ne Fak­ten ver­bo­gen. Aber wie Moo­re geht er äu­ßerst sug­ge­stiv vor und per­so­na­li­siert gna­den­los sei­ne Do­ku­men­ta­tio­nen. Im Maschmey­er-Film vom 12. Ja­nu­ar er­scheint Lüt­gert ge­fühl­te 20 von 30 Mi­nu­ten auf dem Bild­schirm. Ge­sten er­schei­nen in Groß­auf­nah­me. Zum fe­sten Be­stand­teil sei­ner län­ge­ren Fil­me ge­hört das Selbst­ge­spräch, in dem er den Zu­stand der Welt im all­ge­mei­nen und im be­son­de­ren be­klagt. Mal im lee­ren Fuß­ball­sta­di­on von Han­no­ver, mal auf der Stra­ße. Es ist un­mög­lich, der Mei­nung Lüt­gerts in die­sen Fil­men zu ent­kom­men. Sie ist im­mer schon da, wird breit­ge­tre­ten und in je­der Sze­ne un­ter­stri­chen – sei es op­tisch oder über den Kom­men­tar; zu­meist si­mul­tan. So­gar im Ti­tel ist schon klar: Da sind die Bö­sen und Ga­la­had Lüt­gert er­klärt uns die Welt. Der Film über den Tex­til­dis­coun­ter »KiK« im Au­gust 2010 heißt nicht nur »Die KiK-Sto­ry« son­dern be­kommt so­fort ein At­tri­but da­zu: »die mie­sen Me­tho­den des Tex­til­dis­coun­ters«. Beim Maschmey­er-Film ging man es et­was sanf­ter an und ti­tel­te nur »Der Drücker­kö­nig und die Po­li­tik«. Da­für heißt es dann be­deu­tungs­voll zu Be­ginn des Films: »Schur­ke oder Edel­mann«.

Zu Be­ginn sei­nes Fil­mes über »KiK« und geht Lüt­gert ein­kau­fen. Für noch nicht ein­mal 26 Eu­ro ist er kom­plett ein­ge­klei­det – und wun­dert sich, wie so­was funk­tio­niert. Er fliegt nach Ban­gla­desch und be­sucht ei­nen Be­trieb, in dem Tex­ti­li­en für »KiK« ge­näht wer­den. Er be­schäf­tigt sich mit den Ar­beits­be­din­gun­gen, den Löh­nen und be­sucht ei­ne Ar­bei­te­rin. De­ren Nef­fe liegt im Ster­ben; die Fa­mi­lie hat kein Geld für ei­ne Be­hand­lung. Lüt­gert klagt »Das Kind stirbt«, un­ter­drückt müh­sam sei­ne Trä­nen und sug­ge­riert, »KiK« hät­te die Schuld, weil die Nä­he­rin zu schlecht be­zahlt wer­de. (Das Kind stirbt dann nicht, son­dern fin­det Be­hand­lung.)

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