Die Fin­ster­mann­rie­ge

Horst See­ho­fer hat es nun aus­ge­spro­chen. Da ist sie: die Gut­ten­berg-Dolch­stoß-Le­gen­de. Herr Lam­mert und Frau Scha­van sol­len, so der rüh­ri­ge CSU-Vor­sit­zen­de See­ho­fer, dem Frei­her­ren in den Rücken ge­fal­len sein. Da ist es wie­der: Die­ses Zau­ber­wort der Po­li­tik – die Ge­schlos­sen­heit. »Die Rei­hen fest ge­schlos­sen« – nicht nur ei­ne deut­sche Tu­gend, aber hier im­mer be­son­ders ger­ne her­vor­ge­kramt, wenn die Kraft des Ar­gu­ments auf dem Al­tar des Op­por­tu­nis­mus ge­op­fert wer­den soll. Pi­kant ist, dass aus­ge­rech­net See­ho­fer, der mit sei­nen un­dif­fe­ren­zier­ten und pla­ka­ti­ven Ein­wür­fen die schwarz-gel­be Ko­ali­ti­on im­mer wie­der un­ge­fragt pe­ne­triert, Mi­ni­ster und Ab­ge­ord­ne­te zu Ab­nickern de­gra­die­ren möch­te.


Vor­ge­stern hat­te See­ho­fer zu Gut­ten­berg als »ei­nen von uns« be­zeich­net. Da hat er tat­säch­lich recht. Sieht man sich die Li­ste der CSU-Po­li­ti­ker nebst Skan­da­le an, so kommt man fast auf den Ge­dan­ken, je ab­sur­der ein Fehl­ver­hal­ten war, de­sto zü­gi­ger und dau­er­haf­ter ge­riet das Come­back des je­wei­li­gen Prot­ago­ni­sten. Franz-Jo­sef Strauß (1915–1988) trat 1962 als Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster gleich we­gen drei­er Skan­da­le zu­rück (Fibag‑, Star­figh­ter- und Spie­gel-Af­fä­re). Vier Jah­re spä­ter wur­de er Bun­des­fi­nanz­mi­ni­ster der er­sten Gro­ßen Ko­ali­ti­on. 1978 dann baye­ri­scher Mi­ni­ster­prä­si­dent. Max Streibl (1932–1998) konn­te die Me­ga-Pe­trol-Af­fä­re (von 1983) im Amt des baye­ri­schen Fi­nanz­mi­ni­sters nichts an­ha­ben. Er wur­de nach Strauß’ Tod 1988 Mi­ni­ster­prä­si­dent und trat erst 1993 we­gen der so­ge­nann­ten Ami­go-Af­fä­re zu­rück. Be­son­ders nach­hal­tig ge­lang der CSU die Re­so­zia­li­sie­rung von Straf­tä­tern im Fall von Ot­to Wiesheu (geb. 1944), der zwar 1983 nur we­ni­ge Mo­na­te nach Amts­an­tritt als CSU-Ge­ne­ral­se­kre­tär zu­rück­trat, weil er un­ter Al­ko­hol­ein­fluß ei­nen Men­schen zu To­de und ei­nen zum Krüp­pel ge­fah­ren hat­te. Aber sie­ben Jah­re spä­ter ging es wei­ter: 1990–1993 Staats­se­kre­tär im baye­ri­schen Staats­mi­ni­ste­ri­um für Un­ter­richt, Kul­tus, Wis­sen­schaft und Kunst, da­nach bis 2005 baye­ri­scher Staats­mi­ni­ster für Wirt­schaft, Ver­kehr (sic!) und Tech­no­lo­gie und schließ­lich dann Wech­sel in den Vor­stand der Deut­schen Bahn.

Die Ga­le­rie lie­ße sich noch be­lie­big er­wei­tern, zeigt aber jetzt schon: Ja, KTG ge­hört da­hin! Er ge­hört in die­se (Ach­tung: ge­klau­tes Wort:) Fin­ster­mann­rie­ge der Hoch­stap­ler, Schache­rer, Be­trü­ger und Lüg­ner. In je­der Par­tei gibt es sol­che Fi­gu­ren, aber in kei­ner kön­nen sie so non­cha­lant Kar­rie­re ma­chen wie in der CSU. Zwei Ta­ge nach dem Rück­tritt wird be­reits über ein Come­back von Karl Theo­dor zu Gut­ten­berg spe­ku­liert. In Wahr­heit droht der Bun­des­re­pu­blik kei­ne Ber­lus­co­ni­sie­rung. Es droht et­was Schlim­me­res: Dass die Ma­xi­me der CSU all­ge­mein­gül­tig für die Po­li­tik in Deutsch­land wer­den. Dass aus Deutsch­land ir­gend­wann ein Frei­her­ren­staat wird.

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Zwei Mar­gi­na­li­en...
    Wie wär’s statt mit »Frei­her­ren« mit »Her­ren­rei­ter«? Muss­te ich zu­min­dest dran den­ken. (Die da­mals mit die­sem Wort Be­dach­ten gel­ten sämt­lich als in­te­gre der so ruhm­rei­chen CDU-Hi­sto­rie: Ich re­de von Dr­eg­ger und Kon­sor­ten...)

    Und das Wort »Ehe­bre­cher« soll­ten Sie auch durch­ge­stri­chen raus­neh­men – das setzt für mich bei al­ler Be­rech­ti­gung auch schril­le­rer Tö­ne in ei­ner Po­le­mik ei­nen fal­schen, ei­nen de­nun­zia­to­ri­schen Ak­zent (fast eher auf der Ebe­ne des Be­zeich­ne­ten – und über des­sen ba­va­risch-schlitz­oh­ri­ge ver­meint­li­che Cle­ver­ness braucht man, glau­be ich, wirk­lich nicht mehr zu dis­ku­tie­ren)

  2. Pro­por­tio­nal zur Mit­glie­der­stär­ke dürf­te die CSU noch skan­dal­träch­ti­ger sein als die CDU. (Und man er­in­ne­re sich an Mer­kels Re­ak­ti­on zum Eh­ren­vor­sit­zen­den Kohl.) Viel­leicht ist nur die Sta­si-Lin­ke in der Sum­me noch ver­dor­be­ner.

    Den zwei­ten Punkt über­neh­me ich.

    Gut, von Ih­nen wie­der zu hö­ren.

  3. Man ist ver­sucht, hier das SED-Lied aus sta­li­ni­sti­scher Zeit zu zi­tie­ren:
    Die Par­tei, die Par­tei, die hat im­mer Recht!
    Nur passt der Lied­text im wei­te­ren Ver­lauf lei­der nicht, denn dort geht es um das Ge­gen­teil des­sen was wir bei der CSU er­le­ben...
    —>
    Denn wer kämpft für das Recht,
    Der hat im­mer recht.
    Ge­gen Lü­ge und Aus­beu­te­rei.
    Der das Le­ben be­lei­digt,
    Ist dumm oder schlecht.