Zwei Aussagen des Verteidigungsministers zu Guttenberg am Montag auf der inzwischen fast berühmten Wahlkampfveranstaltung der CDU zum Kommunalwahlkampf (!) in Hessen sind bemerkenswert: Zum einen erklärt er seinen dauerhaften Verzicht, den Doktortitel zu führen. Und zum anderen »gestand« er einen »Blödsinn« geschrieben zu haben.
Der »Blödsinn« wurde von der Universität in Bayreuth mit »summa cum laude« bewertet. Damit gibt er der Universität und seinem Doktorvater noch nachträglich einen Tritt. Und auch die zahlreichen plagiierten Autoren werden indirekt beleidigt, denn allzu viel Eigenanteil soll die Doktorarbeit ja nicht aufweisen.
Wie ein ertappter Ladendieb nun glaubt, mit der Rückgabe der gestohlenen Produkte die Angelegenheit erledigen zu können und einer Strafverfolgung zu entkommen, so gibt zu Guttenberg nun den Doktortitel »dauerhaft« zurück. Was bei 14jährigen, die eine Tube Haargel haben mitgehen lassen noch gerade akzeptabel ist, verbietet sich jedoch bei einem Minister gleich zweifach: Erstens wußte der Mann genau, was er tut. Und zweitens beweist er damit erneut, wie marginal seine Kenntnisse über den wissenschaftlichen Betrieb sind. Tatsächlich kann man nämlich keinen Doktortitel zurückgeben oder ablegen. Man bekommt ihn zuerkannt – oder auch aberkannt.
Es ist schon erstaunlich wie schnell die ansonsten ach so kritischen Journalisten bereit sind, sich von dieser nassforschen Aktion einwickeln zu lassen. In nahezu allen Medien war am Dienstag zu lesen, zu Guttenberg habe auf seinen Doktortitel »verzichtet« (FAZ, Welt, Focus, Handelsblatt, usw.). Als Meldung ist dies natürlich korrekt. Aber ohne die Erläuterung, dass dies gar nicht möglich ist, wird aus der Meldung genau das, was der Minister wollte: ein unhinterfragbarer Tatbestand. Dabei wäre es gerade wichtig, die Unvereinbarkeit dieses Verzichts mit den universitären Regeln herauszustellen, weil dies nicht allen per se bekannt sein dürfte.
Stattdessen wird der »Verzicht« nun in allen Talkrunden als normatives Faktum dargestellt – und diskutiert. Dass die Bundeskanzlerin als Vorsitzende der »Bildungsrepublik Deutschland« hier mitspielt – obwohl sie es besser weiß – ist nicht nur keine Entschuldigung, sondern Teil dieses blamablen Schmierentheaters. Vorläufiger, trauriger Höhepunkt: Führende Unionspolitiker versuchen, den Verzicht als Tugend umzudeuten. Indem jedoch in den Medien der Verzicht des Doktortitels als satisfaktionsfähige Reaktion diskutiert (auch kontrovers diskutiert) wird, geht man dem Minister schon auf den Leim. Da hilft auch das trotzige Bekenntnis der Universität Bayreuth, man sei alleiniger Verfahrensführer, nicht weiter: Wenn die Journalisten dies nicht entsprechend einordnen, sondern nur als Statement unkommentiert abfilmen, entsteht der Eindruck, hier fuchtelten autistische Elfenbeintürmer mit einem stumpfen Säbel.
Tatsächlich offenbarte schon der am Wochenende angekündigte vorübergehende der Verzicht auf das Führen des Doktortitels ein »neofeudales« Verständnis nicht nur des Wissenschaftsbetriebs. Wenn nun die Bundeskanzlerin dieses Verständnis übernimmt, sind wir nicht mehr weit von einem autokratischen Machtverständnis, indem die politische Klasse sich gegen Regeln und Vorschriften immunisieren kann. Machtpolitisch mag Merkels Festhalten an zu Guttenberg geboten sein. Auf Dauer ist ein solches Goutieren nach Gutsherrenart ein fatales Zeichen. Es wäre notwendig, dass die Journalisten hierauf hinweisen. Ich habe gestern nur auf tagesschau.de in einem Dossier einen eindeutigen Hinweis darauf gefunden, dass der Verzicht nicht möglich ist. Im klassischen Massenmedium – dem Fernsehen – kam dies nicht oder höchstens nur in einem Halbsatz vor. Damit arbeiten die Journalisten dem Abschreiber in die Hände. Ein schändliches Versagen.
Doch,...
ein Verzicht auf einen verliehenen Titel ist grundsätzlich möglich, aber natürlich nicht deswegen, weil man Schaden für die eigene Person durch eigene Schuld abzuwenden versucht. Auch kann er darauf verzichten, mit seinem Doktorgrad angesprochen zu werden. Nur kann er so einer Untersuchung des Zustandekommens seiner Doktorarbeit nicht entgehen.
@Carsten
Ich habe mich auf den Text bei tagesschau.de verlassen, der sich mit Aussagen von Bekannten deckte:
Kann man seinen Doktorgrad selber ablegen?
Nein, das ist nicht möglich. Dem Träger den Doktorgrad absprechen kann nur diejenige Einrichtung, die ihn ursprünglich verliehen hat. Tut sie das nicht, bleibt er bestehen und kann vom Träger nicht einfach so abgelegt werden, auch nicht übergangsweise. Es gibt hauptsächlich zwei mögliche Gründe, den Doktorgrad zu entziehen: wissenschaftliches Fehlverhalten, etwa durch Fälschungen und Plagiate, oder wenn der Gradträger schwer straffällig geworden ist.
Den akademischen Grad kann man nicht zurückgeben. Man kann lediglich darauf verzichten, den »Titel« zu führen. Aber auch das ist eben falsch, weil der Doktor kein »Titel« ist.
Tatsächlich wird von der Hochschule ein »Doktorgrad« oder »Hochschulgrad« verliehen, was den Promovierten zum Führen des betreffenden Grades berechtigt. »Doktortitel« oder »Akademischer Titel« ist aber halt der im Sprachgebrauch eingebürgerte Begriff, deswegen muss er sinngemäß nicht falsch sein. Auf einen erworbenen Hochschulgrad verzichten kann man natürlich sowenig wie auf ein Abitur (oder jeden anderen Schulabschluss) – wie auch ein Abitur nachträglich aberkannt werden kann, wenn sich im nachhinein Unregelmäßigkeiten beim Erwerb herausstellen.
[EDIT: 2011-02-23 19:07]
Für mich bleibt er Dr.
Dr. zu Unrecht G.
Der Artikel drückt es aber ganz richtig aus. Jetzt ist er der Arme, der so hart behandelt wird.
Worauf er wirklich verzichten könnte, wer sein Ministerposten...
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Aber was soll’s. Wir haben auch einen Plagiator. Der ist jetzt EU-Kommissar. Eigentlich ist das genauso schlimm. Und der ist auch noch ein arrogantes A.....
@steppenhund
Die Verteidigungslinie des Verteidungsministers ist eindeutig: Der »Verzicht« soll das universitäre Verfahren überflüssig machen. Das wird auf den Nimmerleinstag verschoben werden (dafür wird er schon sorgen). In vier Wochen spricht niemand mehr davon.
Ich war ursprünglich gegen Rücktritt, aber das Ausmaß des Abschreibens ist wohl derart groß, dass keine andere Wahl bleibt.
(Natürlich gibt es Kräfte, die das ausgerechnet jetzt auf den Tisch gebracht haben, um die Bundeswehr-Reform zu kippen. Daran besteht für mich keinen Zweifel. Ich bin nur überrascht, wie dumm er sich angestellt hat. Alleine dafür müsste er zurücktreten.)
Zeitdruck & Vergessen
Der Präsident der Bayreuther Uni sprach ja schon davon, keinen zeitlichen Druck auf die Kommission ausüben zu wollen...
@Jürgen Lübeck
Mal sehen, wer da dran bleibt...
Votum einer Minderheit
Wieder einmal ist mir klar geworden, auch in dieser Frage mit der Minderheit in diesem land zu votieren. Das gemeine Volk und die gemeinen Medien scheren sich einen Dreck um die akademischen Spielregeln. (Zu anderen Zeiten werden gemeinsam Studienabbrecher als Helden des Alltags gefeiert.) Und jetzt hat ein Liebling des Boulevards sich mit dieser Verachtung für akademische Bildung gemein gemacht. Schulterklopfen allerorten. Guttenberg wird politisch gestärkt aus dieser betrügerischen Affäre hervorgehen, so meine Prognose. Das passt zu einem Land auf dem Weg in »italienische Verhältnisse«.
Auf einen einsamen Rufer in einem Groß-Medium – Faz-Herausgeber Kohler – sei noch hingewiesen
Charakterschwäche
Mir ist klar, dass wer heutzutage ein Minimum an charakterlicher Eignung von Führungskräften verlangt, sofort als moralinsaurer Naivdepp dasteht. Ich erwarte jedoch vom politischen Personal dasselbe, was ich von jede/r verlange, die/der Verantwortung für andere trägt, nämlich: verantwortliches Handeln, was nichts anderes bedeutet, als die Konsequenzen des eigenen Handelns selbst zu übernehmen. Das ist bei Guttenberg und in seinen Kreise unüblich. Daher verdienen sie und er keinerlei Respekt. Von verschiedenen Menschen, die persönlich mit ihm Umgang hatten, weiß ich (und wer die Presse aufmerksam verfolgt und zwischen den Zeilen liest, kann es auch wissen), dass er als Vorgesetzter keinerlei Vertrauen genießt, da bekannt ist, wie er sofort jeden fallen lässt, sobald es für ihn ungemütlich wird. Verantwortung wird stets »nach unten« abgeschoben. Und alle anderen sind für den »Unten« .
Da bin ich froh, dass ich mir den moralischen Dünkel leisten kann. Ich stamme aus bester Arbeiter-Familie. Wir betrügen nicht um unseres Vorteils willen, wir stehen zu unseren Fehlern und nehmen Strafen an, wenn wir sie verdient haben. Wir sind anständige Leut´ und legen Wert drauf. Die Guttenbergs dieser Welt fassen wir ohne Handschuhe nicht an.
#9
Das ist bei Guttenberg und in seinen Kreise unüblich.
Ein Konservativer würde vielleicht antworten, dass das aber nicht immer so war und dass zu Guttenberg genau das nicht ist: Einer aus diesem Kreis.
Übrigens halte ich Handeln um des eigenen Vorteils willen nicht grundsätzlich für verwerflich, es kommt nur darauf an, wie (ob) es die Mitmenschen trifft.
Die Familie zu Guttenberg hat durchaus ehrenwerte Männer und Frauen in ihren Reihen. Man sollte aufpassen, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.
Auch wenn die Sache noch nicht abgeschlossen ist, im Prinzip hatte zu Guttenberg zwei Alternativen neben der, die er gerade gewählte hat: Zuzugeben, dass er bewusst getäuscht hat oder Ghostwriter für ihn gearbeitet haben. Beides wäre noch peinlicher – er ging den Weg des geringsten Widerstands, der ihm auch noch das größte Maß an Ansehen erhält. Wir werden sehen ob er recht behält.
Offen gestanden hatte ich von ihm mehr erwartet als seine eigene Arbeit als »Blödsinn«, quasi als Jugendsünde, zu apostrophieren. Mindestens so etwas wie eine Erklärung (Übertragungsfehler in den Dokumenten, o. ä.). Das »Blödsinn« ist derart schnöselig, als handele es sich um eine verkorkste Mathematik-Arbeit.
Da der Freiherr darauf verzichtet hatte das lästige zweite Staatsexamen abzulegen, ist er nicht mal dazu berechtigt als Rechtsanwalt zu arbeiten. Das zeigt doch deutlich, dass das Studium nur eine als nötig erachtete Durchgangsposition zu höheren Weihen darstellte. Wenn die Zeit (oder Befähigung) für das zweite Staatsexamen fehlte, drängt sich förmlich auf, dass die Doktorarbeit nur ein Tarnmäntelchen sein sollte, der mit möglichst wenig Aufwand den Makel verdecken sollte. Wie wenig Aufwand Guttenberg selbst geleistet hat, wäre jetzt festzustellen. Zu dieser Posse passt der, von der FAZ zerlegte, Lebenslauf. Am erschreckendsten dabei finde ich die vermeintliche Akzeptanz der Bevölkerung. Oder ist dies auch nur kolportiert?
#14 – Volljurist
Ich glaube nicht, dass dies nur kolportiert ist. zG gilt als Politiker der Tat,d er alte Zöpfe abschneidet und handelt, wo andere nur reden. Darin liegt auch der Grund, dass ihm das Plagiat »verzeiht«. ‘Das doofe Getue der Großkopferten’ interessiert den Normalbürger nicht. Man denke an Leute wie Strauß, die mit ihrem archaisch-rüden Rechts- und Politikverständnis auch immer populär blieben.
#5
»(Natürlich gibt es Kräfte, die das ausgerechnet jetzt auf den Tisch gebracht haben, um die Bundeswehr-Reform zu kippen. Daran besteht für mich keinen Zweifel.(...)«)
Diese Bemerkung verstehe ich nicht. Im Gegensatz zu Guttenbergs Doktorarbeit wird doch die Bundeswehrreform überhaupt nicht öffentlich diskutiert. Auch Sie gehen offenbar von dem stillschweigenden Konsens aus, dass es sich bei der Reform um eine gute Sache handelt. Das aber ist sie ganz und gar nicht, was die Abschaffung oder »Aussetzung« der Wehrpflicht betrifft. Ich will mich einmal selbst zitieren:
»Die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg war nur mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen durch das Konstrukt des Bürgers in Uniform. Der wehrpflichtige Soldat sollte nicht einem Kadavergehorsam unterworfen sein, wie er in der Wehrmacht gefordert war, sondern nach dem Prinzip der Inneren Führung immer auch seinem Gewissen verantwortlich sein. Befehle, die offen gegen die Gesetze der Menschlichkeit und des Völkerrechts verstoßen, durfte er mit Recht verweigern. Der Wehrpflichtige kam aus der Zivilgesellschaft und kehrte wieder dorthin zurück. Damit war ein Band geschaffen, mit dem sichergestellt war, dass sich die Armee nicht zum Staat im Staate entwickelt und sich von unseren Grundwerten entfernt. Dieses Band wird durch die Abschaffung der Wehrpflicht zerschnitten. Warum?
Man kann Wehrpflichtige nicht in grundgesetzwidrige Angriffskriege schicken, die reinen Wirtschaftsinteressen dienen. Unter den Wehrpflichtigen waren und sind Söhne aus der besseren Gesellschaft, gut ausgebildet und manierlich. Solche wertvollen jungen Menschen kann man nicht unwidersprochen in Wirtschaftskriegen verheizen. Wer wird aber ihren Platz einnehmen in einer Söldnerarmee? Junge Männer ohne berufliche Perspektive, junge Männer aus der Unterschicht, deren Bindung an unsere Gesellschaft nur schwach entwickelt ist, weil man ihnen schon in der Schule gezeigt hat, dass sie nicht gebraucht werden. Junge Männer, deren Werte aus den Actionfilmen des Privatfernsehens stammen und denen man in Shows wie Dschungelcamp oder DSDS vorführt, dass Häme und Bosheit ein gesellschaftlich akzeptables Verhalten ist. Sie werden demnächst angeführt von einem Verteidigungsminister mit der Werthaltung eines Raubritters, von einem Heuchler und Blender, der lügt und betrügt, wenn es seinen Zwecken nutzt. Da mag man sich nicht ausdenken, was geschieht, wenn die Bundeswehr einmal im Inneren eingesetzt wird, wie manche Politiker schon jetzt fordern.«
http://trithemius.twoday.net/stories/april-april-ich-hab-bloedsinn-gemacht/
#16 – @Trithemius
Die meisten Länder haben »Söldnerarmeen«, auch »Söldnerpolizisten« oder ähnliches. Das sind Zuordnungen, die nicht weiterführend sind.
Die Aussetzung und de-facto-Abschaffung der Wehrpflicht ist logisch, weil so etwas wie Wehrgerechtigkeit schon lange nicht mehr existiert. Eine Grundwehrdienstzeit von sechs Monaten ist lächerlich.
Der »Staatsbürger in Uniform« war zu weiten Teilen ein Adenauer-Konstrukt, um bei der SPD Vorbehalte zu zerstören, dass die neue Bundeswehr zur neuen Wehrmacht wird. Tatsächlich ist eine Armee auf Befehl und Gehorsam aufgebaut. Bis in die 80er Jahre hinein konnte man sich mit dem »Staatsbürger in Uniform« noch wunderbar camouflieren, weil es Antipoden gab. Das brach dann ’89 zusammen. (BTW: Dem »Staatsbürger in Uniform« war es untersagt in ebenjener Uniform an politischen Veranstaltungen teilzunehmen und/oder politische, öffentliche Statements zu äußern.)
Die Bundeswehrreform von KTzG wird ziemlich stark bekämpft – und zwar innerhalb der Bundeswehr, die auch beträchtliche Stelleneinbußen zu verkraften hätte. Das ist zugegeben weit entfernt von einer gesellschaftspolitischen Diskussion, aber dass es Kabale im Bundeswehrhaus gibt, ist außer Zweifel. Dumm genug, diese Angriffsfläche zu bieten.
#17
»Die meisten Länder haben ‘Söldnerarmeen’ «, behaupten Sie, aber werfen Sie mal einen Blick auf diese Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Wehrpflicht
Selbst die jüngere Vergangenheit zeigt, dass Berufsarmeen immer ein Risiko für Staaten sind, denn sie sind eben leichter zu instrumentaliseren als Wehrpflichtarmeen. http://de.wikipedia.org/wiki/Putsch
»Im Jahr 2008 gab es nach Angaben der Nicht-Regierungsorganisation Freedom House 119 parlamentarische Demokratien. Das entsprach knapp 62 Prozent aller Staaten weltweit.« (Bundeszentrale für politische Bildung). In 38 Prozent der Staaten weltweit herrschen demnach diktaorische Verhältnisse, und ihre Macht stützen die Diktatoren selbstverständlich auf die Armee, wenn nicht sogar die Armee selbst an der Macht ist. Ich gebe zu, dass viele Demokratien in der EU die Wehrpflicht inzwischen abgeschafft oder ausgesetzt haben, aber für uns gilt das Grundgesetz und das sieht eine Wehrpflichtarmee vor.
Es war auch nicht die SPD allein, die sich gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik gestellt hat, sondern es gab in der Bevölkerung großen Widerstand. Das Prinzip der Inneren Führung, das Sie hier so nassforsch wie alles andere vom Tisch wischen, ist eine Errungenschaft, die weit über Befehl und Gehorsam hinausgeht. Sie ist auch kein Adenauerkonstrukt, sondern wurde maßgeblich von Graf Baudissin gestaltet. http://de.wikipedia.org/wiki/Innere_F%C3%BChrung
Sie haben eigentlich keines meiner Argumente im Kommentar oben widerlegt, sondern schlicht behauptet. Da erübrigt sich jede Diskussion.
#18
Naja, dass der Tschad, Niger oder Mali Wehrpflichtarmeen haben, ist nicht unbedingt ein Argument. Nach Vietnam haben die USA – eine stark interventionalistische Armee – die Wehrpflicht abgeschafft. Tatsächlich kann man Wehrpflicht als ein Zeichen einer eher bürgerverbundenen Armee sehen. Bzw. umgekehrt: Aggressive Armeen sind eher Berufsarmeen.
Die »innere Führung« der Bundeswehr habe ich tatsächlich nicht als etwas Besonderes erlebt, außer dass sie bei Vorgesetzten damals zu gewissen Unsicherheiten führte. So trug dann »mein« Zugführer nach dem 25 km-Marsch insgesamt sechs Rucksäcke, da er nicht riskieren wollte, dass die Soldaten längere gesundheitliche Schäden monierten. Das ist natürlich ein Fortschritt.
Auf den Punkt Wehrgerechtigkeit sind Sie nicht eingegangen. Das Grundgesetz ist änderbar – so, wie es geändert wurde, um die Armee einzuführen, so kann es nun geändert werden, um die Wehrpflicht, die nur noch auf dem Papier besteht, auszusetzen oder abzuschaffen. Letzteres wäre ehrlicher. Ihre Rubrizierung der »grundgesetzwidrigen Kriege« ist nichts als Krawallrhetorik – auf so etwas gehe ich in der Tat nicht ein. Wenn Sie das meinen, dann klagen Sie doch.
Tatsächlich wollte ich die Bundeswehrreform gar nicht diskutieren, sondern es geht um die mediale Behandlung des Themas des Verzichts eines Doktortitels.
@Krawallrhetorik
Dem harmlosesten Bußgeld wegen Schnellfahrens muss ein zweifelsfrei bewiesener Sachverhalt zugrunde liegen, damit es vor dem Grundgesetz Bestand hat. Eine bloße Vermutung reicht nicht hin.
Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan fußt nicht auf belastbarer Faktenlage, sondern folgt lediglich bislang unbewiesenen Annahmen. Maßregelung ohne vorangegangene schlüssige Beweisführung kann niemals rechtsstaatliches Vorgehen darstellen. Ich sehe daher nicht den geringsten argumentativen Halt für Ihre Einschätzung, den Ausdruck »grundgesetzwidrige Kriege« mit »Krawallrhetorik« gleichsetzen zu können.
»Wenn Sie das meinen, dann klagen Sie doch.« damit bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan als dem Grundgesetz nicht widersprechend erachten. Einen Nachweis dafür können Sie aus oben genannten Gründen nicht führen, das wissen Sie natürlich. Die »Krawallrhetorik« macht sich das Leben an dieser Stelle gar zu einfach.
[EDIT: 2011-02-23 23:27]
@hans1962 – Insinuationen
Mit »Krawallrhetorik« bezeichne ich ein Verfahren, anderen Argumentationslosigkeit vorzuwerfen und selber in Statements mit Attributen und Adjektiven Behauptungen aufzustellen. Dass ich den Afghanistan-Einsatz als vereinbar mit dem Grundgesetz sehe, ist eine dieser Form von Unterstellungen, die durch nichts zu belegen ist. Tatsächlich hat das BVerfG mehrfach über Auslandseinsätze der Bundeswehr entschieden (und die Verfahrensabwicklungen hierzu). Sogar der sogenannte Tornado-Einsatz wurde nicht grundsätzlich delegitimiert. Daher ist die Apostrophierung »grundgesetzwidrige Kriege« für mich ein wohlfeiler Allgemeinplatz.
Den vermutlich lupenreinsten »grundgesetzwidrigen« Krieg, den Deutschland geführt hat, war der 1996 gegen Jugoslawien. Hier bestanden übrigens durchaus auch ernstzunehmende völkerrechtliche Einwände, dass dieser Einsatz gegen den 2+4‑Vertrag verstösst. Zumal auch die UN nicht legitimiert hatte.
[EDIT: 2011-02-24 08:55]
@Metepsilonema und Gregor Keuschnig – #10 / #11
Ich schrieb ja auch »betrügen um des eigenen Vorteils willen«, das ist was anderes, als die eigenen Interessen redlich zu vertreten.
»in seinen Kreisen« – Guttenberg war in seiner politischen Laufbahn immer ein Rechter und kein Konservativer. Das ist ein Unterschied, den ich wichtig finde. Es gibt eine Menge Konservativer, die ich sehr achte, auch in meinem näheren Umfeld. »Rechte« dagegen müssen auf meinen Respekt verzichten (was ihnen zweifellos nichts ausmacht.)
Ich wollte keineswegs die Guttenbergsche Familie insgesamt diskreditiert darstellen. (Das war missverständlich ausgedrückt.) Mir ging es – typisch Kleinbürgertum und Arbeiter – nur um die Kleinfamilie: auf meinen Vater und meine Mutter kann ich uneingeschränkt stolz sein, weil sie sich an den von ihnen vertretenen Maßstäben immer selbst messen lassen. Glaube kaum, dass Guttenbergs Kinder das auf ihren Vater sein können.
#22
Danke für die Info. Mich würde interessieren, an welcher Stelle zG ein »Rechter« sein soll.
@MelusineB – #22
Ja, das stimmt, aber selbst wenn der eigene Vorteil gegen andere redlich (also offen) verfolgt wird, ist das nicht unbedingt »schön« – den eigenen Vorteil verfolgen, wo Rücksichtnahme das zulässt, so hatte ich es im Sinn.
Unverhofft kommt oft: Uni Bayreuth entzieht Guttenberg den Doktortitel. Damit ist die Angelegenheit schnell erledigt. Und in zwei Monaten redet niemand mehr davon.
@Gregor
Das ging aber erstaunlich schnell! Gut so. Und Glück für zu Guttenberg, dass man sich darauf beschränkt, die absichtliche Täuschung nicht nachzuweisen.
Allerdings sträuben sich meine Haare, wenn Merkel da richtig zitiert wurde:
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Entscheidung der Universität als richtig und logisch. Sie liege »auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat. Sie macht daher Sinn.« Das Votum zeige, dass zu Guttenberg mit seiner Selbsteinschätzung richtig liege. Der Minister sei durch die Uni-Entscheidung in seinem Amt nicht geschwächt.
Ja, ja, bald wachsen bei uns auch Bananen. Eine Frechheit ist das.
Bananen
Und es – das Merkelsche Zitat – ist ein Tritt gegen den demokratischen Rechtsstaat.
#10 – @Metepsilonema
Handeln um des eigenen (persönlichen) Vorteils willen ist dort verwerflich, wo immer es im politischen Amt geschieht – nicht tolerierbar.
#29 – @hans1962
Ich hatte vorhin nicht die Politik im Sinn, aber gibt es nicht auch dort einen Graubereich? Kann man jemand vorhalten, dass er auch um seiner selbst Willen ein Amt anstrebt und nicht nur aus Selbstlosigkeit?
#30 – @Metepsilonema
Es geht mir exakt darum, dass im politischen Amt persönliche Vorteilnahme zum Beispiel durch Schwindel oder Betrug aus ethischen Gründen als verpönt gelten muss. Wenn es dennoch geschieht und aufgedeckt wird, ist das ausreichend Anlass, einen Rücktritt aus allen politischen Funktionen zu fordern.
Dass es nun nicht wenige Menschen (einschließlich der Kanzlerin) gibt, die meinen, ein Verteidigungsminister müsse doch keine wissenschaftliche Qualifikationen mitbringen, um sein Amt gut auszuüben, macht mich betroffen. Diese Leute steigen ohne mit der Wimper zu zucken über eine Leiche, um sich ihrem Tagesgeschäft zuzuwenden.
Fraktionsdruck: die angebliche Erbärmlichkeit
Ich denke, es wird immer noch politisch viel zu naiv gedacht. Deshalb habe ich mich eben »» dort zu Guttenbergs scheinbarer Erbärmlichkeit geäußert. Es ist eine unrealistische Vorstellung, daß der Mann noch irgend etwas sagt, das nicht ins Kalkül der Partei gehört. Was wir zu sehen und zu hören bekommen, ist mitnichten er, sondern es ist die Fiktion dessen, was die Partei will, daß er jetzt sei. Den Unfragen nach hat das großen Erfolg, ist also – machtpolitisch betrachtet – die genau richtige Strategie. Wenn zumal meine und auch Keuschnigs Ahnung zutreffen, daß Guttenberg ein Ghostwriter, der Fehler macht, kalkuliert zugespielt worden ist, wäre damit auch erreicht, ihn restlos zurück auf Linie zu bringen.
#31 – @hans1962
Zunächst einmal ist es Fakt, dass man keinen akademischen Grad braucht, um ein Ministeramt zu erhalten. Ein ehemaliger deutscher Verteidigungsminister war (unter anderem) Maurer. Da hat auch niemand nachgefragt, ob die Mauern, die er errichtet hatte (falls jemals überhaupt), umgefallen sind.
Es ist auch ziemlich sicher, dass KTzG das Amt nicht wegen des Doktors bekommen hat – seine Qualifikationen lagen sicherlich auf anderem Gebiet.
Die Vorteilsnahme, die ihm angelastet wird, ist VOR seiner Ministerzeit anzusiedeln. Er soll als Bundestagsabgeordneter den akademischen Dienst des Bundestages eingespannt haben. Das ist nichts ungewöhnliches; diese Leute schreiben vermutlich 80% aller Reden direkt oder indirekt. Die Vorteilsnahme besteht darin, dass er diese Erkenntnisse in seine Doktorarbeit übernommen hat – und zwar ohne diese kenntlich zu machen.
Die Empörung, die Sie und andere nun umtreibt, besteht nun darin, dass die Kanzlerin die Umstände rund um die Doktorarbeit von denen der Amtsführung trennt. Sie sagen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Die Kanzlerin sagt: Das ist Schnee von gestern.
Es gab schon wesentlich grössere Deformationen moralischer Art, die keinerlei Auswirkungen auf die Karriere eines Politikers hatten: Seehofer (Ehebrecher), Wiesheu (alkoholisierter Autofahrer mit einem Toten) – um nur einige zu nennen. Die Parteispenden-FDPler nenne ich mal nicht. Auch Willy Brandt war charakterlich nicht einwandfrei – aber ein zumindest teilweise hervorragender Bundeskanzler (nicht zuletzt durch seine Mitarbeiter im Umfeld).
Das macht das alles nicht besser. Aber es hilft vielleicht, die Sache ein bisschen einzuordnen.
@ANH – #32
Ich stimme Ihnen zu, wobei die Insinuation, zG agiere nur als eine Art Marionette der Partei/Fraktion vielleicht ein bisschen zu kühn ist. Ich glaube schon, dass der Impuls zum Weitermachen von ihm und seiner Eitelkeit ausgeht. Wenn Sie die verbale Rhetorik von ihm hören und betrachten (!) ist da eine Menge Willen zu spüren.
Nach wie vor halte ich Fraktionsdruck für eine Ausrede charakterloser Politiker. Damit sage ich nicht, dass es ihn nicht gibt (wie Gruppendruck). Aber ich lasse ihn nicht gelten.
#33 – @Gregor Keuschnig
»Sie sagen: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.« meinen Sie, verstehen Sie. Gleichzeitig sprechen Sie mir damit ab, dass mich Fragen allgemeiner Staatsethik »umtreiben«, leidenschaftlich interessieren könnten. Das ist wahrhaft kühn von Ihnen.
#35 – @hans1962
Ihre Interpretationen sind ebenfalls kühn.
Nur zur Info. Sie schreiben:
Dass es nun nicht wenige Menschen (einschließlich der Kanzlerin) gibt, die meinen, ein Verteidigungsminister müsse doch keine wissenschaftliche Qualifikationen mitbringen, um sein Amt gut auszuüben, macht mich betroffen.
Ich schreibe:
Zunächst einmal ist es Fakt, dass man keinen akademischen Grad braucht, um ein Ministeramt zu erhalten
Sie schreiben:
Es geht mir exakt darum, dass im politischen Amt persönliche Vorteilnahme zum Beispiel durch Schwindel oder Betrug aus ethischen Gründen als verpönt gelten muss. Wenn es dennoch geschieht und aufgedeckt wird, ist das ausreichend Anlass, einen Rücktritt aus allen politischen Funktionen zu fordern.
Ich antworte:
Die Vorteilsnahme, die ihm angelastet wird, ist VOR seiner Ministerzeit anzusiedeln.
Das hat – mit Verlaub – mit staatsethischen Betrachtungen zunächst einmal nichts zu tun. Außer, dass es eine Tatsache ist, dass die persönliche Vorteilsnahme in einem Amt sanktioniert wird (hierzu gibt es zahlreiche Beispiele – Bonusmeilen, etc). Hiervon kann jedoch im vorliegenden Fall augenscheinlich nicht die Rede sein. Es geht maximal um Vorteilsnahme als Bundestagsabgeordneter.
Die Empörung richtet sich also mehr dahingehend, dass zG damals betrogen und gelogen hat und dies als Grund ausreichen soll, ihm die Eignung für das Amt abzusprechen. Diese Frage ist tatsächlich erörterungswert und daher hatte ich andere Beispiele angefügt, wo dies anders (d.h . FÜR den »Angeklagten«) entschieden wurde.
Wenn alle Politiker, die in ihrem Lebenslauf gelogen und betrogen haben aus dem Parlament entfernt würden – wäre das Haus vermutlich leer. Und zwar sowohl in Deutschland als auch in den USA, Grossbritannien, usw. Das ist – um dem Schluss vorzubeugen – KEINE Rechtfertigung dafür. Man sollte nur genau überlegen, welche Maßstäbe man anlegt.
Um die Sache abzuschließen – und allem vorzubeugen: Ja, ich war bis Freitag/Samstag der Meinung, KTzG kann bleiben. Nach der Rede in Kelkheim und dem frechen Umgehen mit dem »Verzicht« bin ich der Meinung, dass er als Minister zurücktreten bzw. eine Auszeit nehmen sollte. Das will – und kann er vermutlich nicht. Diese Form des Strebertums tut mir dann fast schon wieder leid.
#36 – @Gregor Keuschnig
abgeschlossen.
einverstanden.
Machtpolitisch mag Merkels Festhalten an zu Guttenberg geboten sein. Auf Dauer ist ein solches Goutieren nach Gutsherrenart ein fatales Zeichen. Nicht erst auf Dauer, nein, es ist eine moralische Bankrotterklärung: Zum höheren Zwecke späterer Würde darf man tunlichst jedes Mittel einsetzen – nur nicht erwischen lassen. Und wenn, dann mache man auf Vorbild und gestehe lächelnd „Fehler“ ein.
#38
Ich bin ein bißchen vorsichtig mit der »moralischen Bankrotterklärung«. Um die Beispiele von oben noch einmal aufzunehmen und zu ergänzen:
Seehofer – Ehebrecher
Wiesheu – Betrunken am Steuer mit Todesfolge
Lambsdorff – Parteispendenaffäre
Kohl – Parteispendenaffäre (erst nachträglich herausgekommen)
Schäuble – wissentlich gelogen
Brandt – Ehebruch
Die Liste ließe sich nach einigem Überlegen beliebig erweitern. Das sind alles keine »direkten« Verfehlungen im Amt, sondern offenbaren mehr oder weniger große charakterliche Defizite.
Um es zynisch zu sagen: Was erwartet man da noch?
Ich erwarte wirklich nichts angesichts der scheinbar immer noch hohen Zustimmung aus der Bevölkerung für den Herrn Kriegsminister...
#40
Diese Zustimmung ist in der Tat interessant. Meine These:
Er wird als ein Mann der Tat und der klaren Worte wahrgenommen. Er nannte den Afghanistan-Einsatz »Krieg«. Er lavierte nicht bei dem Haushaltssparen herum (wie ALLE anderen Minister vorher), sondern machte Vorschläge. Diese Taten, die man Aktionsimus nennen kann oder einfach nur Opportunismus, kommen trotzdem an. Das ewige Herumgerede haben die Leute satt. – Dem gegenüber stehen die Fußnotenfetischisten, die »Sesselpupser«. Wagners »Bild«-Kommentar war sinngemäss, der Doktortitel solle ihm am A***** vorbeigehen. Das sehen viele so.
Nicht zu vergessen: Er wird hochgeschrieben vom Boulevard und taugt als Glamourstar. Kritik an ihm perl zur Zeit nicht nur ab, sondern ist Drachenblut.
Der Gipfel der Unverschämtheit ist tatsächlich dieser Merkelsatz. Dies zeigt aber, wie unverzichtbar der Mann im Kabinett der Profillosen ist. Lieber ein angekratztes Profil als gar keines – zumal die Kratzer nicht gegen ihn gewendet sind.
Sich hierüber aufzuregen ist zwecklos: Demokratie wie wir sie verstehen lebt von den Entscheidungen der Masse. Dies hat Konsequenzen. Hierüber muss man sich klar sein. Immer.
Ja, darüber muss man sich klar sein – vor allem auch über die unerträgliche Leichtigkeit diese Masse medial manipulieren zu können...
@Gregor K.: »Es ist auch ziemlich sicher, dass KTzG das Amt nicht wegen des Doktors bekommen hat – seine Qualifikationen lagen sicherlich auf anderem Gebiet.«
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Achwas?! Worin denn?
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Er ist ein klassischer Apparatschik mit entsprechendem Netzwerk und Fraktionseinbindung, hat ein gutes Auftreten und ist ziemlich intelligent.
#15
Mittlerweile bin ich mir nicht mehr sicher. Die Indizien, dass an der angeblichen Beliebtheit des Ministers geschraubt wird, nehmen zu. Kein Beweis, aber der eklatante Unterschied zwischen allen Online-Umfragen zu den medialen Verlautbarungen fällt auf. Selbst bei der Bild ist der Unterschied zwischen den publizierten Zahlen und der eigenen Umfrage fast gegenläufig. Reine Intuition, aber ich glaube die Sache riecht.
#45 – Volljurist
Ich glaube, das kommt darauf, wie man fragt. Online- oder Telefonumfragen haben ja keinen Wert. Wenn Sie die tagesschau.de-Umfrage-Ergebnisse vergleichen, merken Sie seh roft, wie unterschiedlich dies zu einer repräsentativen Umfrage ist. Das war auch in der Causa Sarrazin besonders auffällig.
Ich hatte meinen Kommentar übrigens vor dem Spiegelartikel geschrieben. Sonst hätte ich mir das gespart.
Entschuldigung, aber Der Spiegel ist doch nicht mehr allzu weit von Bild entfernt, oder? Der einzige Unterschied besteht (noch) darin, dass man immerhin noch erwähnt, dass die Zeitungsumfragen nicht repräsentativ sind, die Infratest-Umfrage jedoch schon (obwohl...naja). Insofern ist doch das Geblubber im Artikel lächerlich.
Fakt scheint zu sein: Es gibt eine Diskrepanz zwischen »online«-Menschen und der repräsentativen Auswahl.
#44
So ein Titel ist doch ein Zeichen von Kompetenz. Wer einen hat wird als ehrgeizig und intelligent gesehen. Guttenberg hatte weder als Wirtschaftsminister noch als Verteidigungsminister Ahnung von der jeweiligen Materie. Aber er hatte gutes Aussehen, Eloquenz und einen akademischen Titel.
@Tobias Kraus #49
Die meisten Minister haben wenig bis keine Ahnung von der Materie. Wir hatten diese Diskussion schon einmal auf diesem Blog. Ein Minister ist in der Regel ein Verwalter; die Kompetenz ist zumeist erst in der zweiten Reihe.
@Tobias Kraus #49
Minister tragen dafür die politische Verantwortung – das ist m.E. vor allem dann nicht einfach, wenn Fehler in der zweiten Reihe oder an anderer Stelle gemacht werden, dann muss er trotzdem den Kopf hinhalten.
Lügner, Betrüger, Hochstapler – all das durfte man Guttenberg im Bundestag vor versammeltem Plenum ungerügt nennen, aber als man ihm Absicht unterstellte, da wurde sein Ton drohend: Es gäbe ja auch den Tatbestand der üblen Nachrede...
Wieder nur Geschwätz, denn niemals würde er sich mit seinem zusammenkopierten Machwerk vor ein ordentliches Gericht wagen, weil dann seine Verharmlosungsstrategie von „unbeabsichtigten Fehlern“ sofort wie ein Kartenhaus zusammenstürzte. Also reden wir diesem dreisten Schaumschläger ruhig weiter übel nach. Nie wird er uns verklagen.
Der Einwurf von zG, sich den Vorsatz zu verbeten, ist Unsinn. Lüge impliziert ja Vorsatz und Absicht. Ein Lügner handelt ja vorsätzlich.
#27
Ja, ja, bald wachsen bei uns auch Bananen. Eine Frechheit ist das.
Contenance, meine Herren(;
Nein, im Ernst. Ihre Aufregung ehrt Sie: Es scheint mehr Moral in diesem Kommentarbaum, als im gesamten Bundeskabinett. Aber so wie ich jetzt ueber jenes laestere und Sie ueber den Spiegel (obwohl Sie doch Spiegel Online meinten – aber ob diese Unterscheidung noch angebracht?) und die breite Masse (ANH: WirsinddasVolk), so ueberfaellt mich doch Tristesse. Was wollen wir damit noch beweisen? (Alte Distinktionsreflexe?)
An der Wende in der Meinung, die bei Ihnen und auch bei ANH eingesetzt hat, kam ich auch nicht vorbei. Worueber ich mir aber noch nicht so schluessig bin, ist wie ich Merkels Verhalten oder den nicht erfolgten Ruecktritt bewerten soll. Sie verhalten sich wohl nach (Macht-)Kalkuel. Er gibt nur immer soviel zu, wie er sich gerade gezwungen sieht, sie opfert ihn nicht, solange er noch zu halten ist. (Dass oeffentlich nur so ein halbgares Gestaendnis zu stande kommt, finde ich nicht so ueberraschend, menschlich irgendwie sogar nachvollziehbar, wer koennte schon in den Spiegel blicken und sagen: Ja, ich bin ein Luegner – da waere auch vielleicht der Vergleich mit dem Fall Jan H. Schoen interessant, den ein Kommentator bei ANH anstellte, dieser hat ja bis zu Ende daran festgehalten, dass seine Experimente durchgefuehrt worden seien – erbaermlich ja, moralisch verwerflich ja – nein, das »menschlich« kann ich doch nicht anfuegen, ich kenne ihn ja nur spaerlich aus oeffentlichen Dokumenten)
Was mir zugesetzt hat war das folgende Zitat:
»Seine eigene Dissertation – Schwarz promoviert über europäisches Verfassungsrecht – will der 26-Jährige daher ohne jegliche Plagiats-indizien fertigstellen.«
Ist das also das der Zustand der oeffentlichen Moral? »Man darf sich nicht erwischen lassen.«
@Phorkyas – #54
Dass Urteile zu Dissertationen längst persönlichen oder gesellschaftlichen Sympathien oder Antipathien unterliegen können, dürfte wohl bekannt sein. Ob nun – wie es anfangs hieß – zG in der Bibliografie statt den jeweiligen Verlagsort nur den Verlag angegeben hat – ok: Formal war/ist das falsch, aber letztlich unerheblich. Auch kann man es verzeihen, wenn ein oder zwei Stellen nicht korrekt zitiert worden wären. Ob darüber ein Minister fallen muss – ich weiß es nicht und halte (und hielt) es auch für reichlich übertrieben.
Zwei Aspekte stimmten dann merkwürdig. Zunächst der nassforsche Umgang mit der Sache, die im Teilgeständnis mündete, den Doktortitel »vorübergehend« zurückzugeben. Abgesehen davon, dass dies gar nicht möglich ist, offenbart sich dahinter aber eine gravierende Veränderung der Bewertung der lage. hatte es ein paar Tage vorher noch geheißen, es sei »abstrus« wird nun »vorübergehend« verzichtet. Dies bedeutet: Es ist etwas dran. Der andere Punkt ist, dass zG auch den akademischen Dienst des Bundestages verwendet haben soll. Für jemanden, der plagiieren will, bietet sich das wunderbar an, weil ein Beweis sehr schwer zu führen ist.
Inzwischen ist ja von einem indirekten Sponsoring der Universität durch ein Unternehmen die Rede, in dem zG damals Befugnisse hatte. Es stinkt also immer mehr.
Der Link zu dem Menschen, der es schon gewußt hat, ist sehr interessant. Auch der Ratschlag des Doktorvaters spricht Bände: » ‘Er verwies auf die politische Brisanz – und riet mir, erst einmal einen wissenschaftlichen Text zu veröffentlichen.’ « Was für lächerliche Figuren da in den Universitäten hocken – Duckmäuser und Angsthasen.
Was nun? »Distinktionsreflexe« schreiben Sie – und damit recht. die Empörung ist natürlich auch reinigend: Die Guttenberg-Gegner haben endlich einen Beleg für ihre Gegnerschaft. die Befürworter wittern eine Kampagne und trennen den moralischen Menschen und den Politiker. Und hierin liegt dann die Brisanz dieses Vorgangs – unabhängig davon, wieviel vom lebenslauf des Freiherren stimmt: Wie weit können/müssen wir moralische und charakterliche Defizite bei Politikern akzeptieren?
#55
D’accord. Guttenbergs Erklaerungen haben bei mir gerade auch diesen Stimmungswandel ausgeloest. Wie kann er ein Plagiat als ‘Bloedsinn’ abtun (Sie hatten sich ja schon zurecht darueber aufgeregt). Das ist doch kein Dumme-Jungen-Streich.
Und wenn in der Tat akademische Dienst des Bundestages auch noch missbraucht worden ist, spaetestens dann ist ja auch die Verbindung zum Politiischen gegeben. – Zeit und FAZ nehmen ihn ja ordentlich unter Beschuss, und das ist auch gut so! (Moralhygiene des oeffentlichen Raumes? – fehlte nur noch dass die Bildzeitung haertere Strafen forderte)
Wie weit können/müssen wir moralische und charakterliche Defizite bei Politikern akzeptieren?
Solange es sein Amt nicht beruehrt, meine ich, koennte man sehr viel Toleranz ueben. Was z.B. in Schlafzimmern eines Politikers passiert, Privatsache... Aber es gibt schnell Graubereiche. Althaus z.B., den Sie Ihrer Liste noch hinzufuegen koennten – wuerde ich das noch akzeptieren wollen? – Ich finde das schwierig, muesste mich vielleicht auch wegen meiner eigenen politischen Coleur als befangen erklaeren. Ich moechte nicht ueber diese Leute richten,.. sie selbst muessen irgendwann noch in den Spiegel schauen koennen... aber natuerlich darf man ihnen nicht alles durchgehen lassen, muss es geaechtet und sanktioniert werden. Sonst kommt es zu dieser fatalen Einstellung: Die machen doch eh was sie wollen. Zu: Na, ist doch eh alles so korrupt und kaputt da ist doch eh schon alles egal. Nein, das duerfen wir nicht zulassen.
(Aber Saetze lassen sich dann finden, da wird einem ja anders:
von Althaus z.B. »Das Gutachten ergebe, »dass ich Schuld trage. Das belastet mich. Ich trage schwer daran«.« http://www.zeit.de/online/2009/17/althaus-pk-meldung#comments – Vielleicht sollte jemand einmal eine Dissertation dazu verfassen: »Falschheit im oeffentlichen Raum – Was Politikersprache verdeckend entbirgt« oder so..)
@Gregor – #55
Was für lächerliche Figuren da in den Universitäten hocken – Duckmäuser und Angsthasen.
Wäre es nicht fast schon naiv das Gegenteil anzunehmen (mir kommen Universitäten bisweilen so vor als wären sie nichts anderes als Ansammlungen seltsamster Menschen)?
@Steppenhund
Für mich bleibt er Dr.
Dr. zu Unrecht G.
Dr. interruptus zu Guttenberg