Auf der Landkarte war mir ein Shinto-Schrein aufgefallen, er sollte sich am Ende einer langen, schnurgerade westwärts führenden Straße befinden, das letzte Stück auf der Karte nur noch strichliert, was immer das heißen mochte. Ein Fußweg, ein Pfad? Ein Wegerl?
In altvertrauter Arroganz vergaß ich, die Karte mitzunehmen, und freute mich auch noch darüber. Erstens glaubte ich mir den Weg genau eingeprägt zu haben, zweitens will ich mich schon ein Leben lang in der Kunst des Verirrens üben. Nach meiner Einschätzung und Erinnerung mußte der Fahrweg von der Uferstraße eines mir gut bekannten Stausees abgehen, unweit von dem Spielplatz, den ich mit meiner Tochter manchmal aufsuchte, als sie noch klein war und weiter drüben am Turnunterricht einer betagten ehemaligen Spitzensportlerin teilnahm. Vor einem Kulturzentrum war eine Informationstafel, die Wanderwege vorschlug: 1,2 Kilometer lang der eine, 2,2 der andere, lächerliche Strecken für einen erfahrenen Pilger wie mich, außerdem kannte ich die Gegend jenseits von den Seen wie meine Westentasche. Die andere Seite, wo die Berghänge steil anstiegen, kannte ich kaum.

Auf der abzweigenden Straße stieß ich nach kurzem auf eine Absperrung, dort ließ ich mein Fahrrad stehen. Gelbes, mannshohes Schilfgras eroberte von den Rändern her die Fahrbahn; Fahrzeuge kamen hier sehr selten durch. Nach einer Weile fiel mir ein Schild in die Augen, das die Strecke als Parcours für Waldläufer auswies. Wenig später kam mir ein Mann entgegen, ohne Sportkleidung, auch kein Wanderer, keiner wie ich. Wahrscheinlich hatte er bei den Wasserreservoirs zu tun gehabt, die weiter oben im Wald verborgen waren; große, zylinderförmige Behälter die der Versorgung der ganzen Ortschaft hier dienten. In der Kurve, die an dem Areal vorbeiführte, spürte ich es schon: Hier war etwas passiert, der Berg – nicht zerbrochen, aber sicher beschädigt. Baumstämme lagen herum, sie waren zusammen mit Felsbrocken das Tal heruntergekommen, wo nur noch ein schmaler, steiler Weg bergan führte, wenn es denn ein Weg war; wahrscheinlich nicht, nur ein Abweg; nach einer Weile drehte ich um. Als die Wasserzylinder unter mir auftauchten, bemerkte ich, daß die Straße in die andere Richtung zeigte. Ich stieg über Baumstämme, trat näher und sah jetzt auch schon die Schlucht, die die Wassermassen gerissen hatten, sah die dünne schwärzliche Asphaltdecke, darunter hellbraune Erde. Die Lawine war in der weitgezogenen Kurve abgegangen, die die Straße einst hier beschrieben hatte, indem sie sich an das Gelände angeschmiegt hatte; jetzt war sie unpassierbar, die andere Seite dreißig, vierzig Meter entfernt.