Mo­ni­ka Ma­ron: Bon­nie Pro­pel­ler

Monika Maron: Bonnie Propeller

Mo­ni­ka Ma­ron:
Bon­nie Pro­pel­ler

Der Hund »Mo­mo« der 79jährigen, al­lein­le­ben­den Ich-Er­zäh­le­rin in Mo­ni­ka Ma­rons neue­ster Er­zäh­lung »Bon­nie Pro­pel­ler« ist ver­stor­ben (be­zie­hungs­wei­se: er wur­de ein­ge­schlä­fert). Da ein Le­ben oh­ne Hund für sie viel­leicht mög­lich, aber nicht er­stre­bens­wert ist, zu­mal wenn ein Hund den Tag der schrift­stel­le­risch tä­ti­gen Er­zäh­le­rin bes­ser struk­tu­riert, sucht sie ei­nen neu­en Ge­fähr­ten. Fün­dig wird sie bei ei­nem Ver­ein, der Hun­de aus Ost­eu­ro­pa her­an­holt. War­um die­se Pro­ve­ni­enz bleibt im Dun­keln. Im­mer­hin sieht der Hund auf dem Vi­deo pas­sa­bel aus. Dies­mal soll es kein Rü­de sein, son­dern ei­ne Hün­din. Ganz ein­fach ist der Kauf al­ler­dings nicht. Man muss ei­nen Fra­ge­bo­gen aus­fül­len, ob man über­haupt in der La­ge ist, ei­nen Hund art­ge­recht zu hal­ten und am En­de gibt es noch ein Ge­spräch. Ei­nen klei­nen Feh­ler macht die Er­zäh­le­rin, als sie ihr Ge­burts­jahr irr­tüm­lich, wie sie be­tont, zehn Jah­re jün­ger macht. Wer weiß, ob sie sonst den Hund be­kom­men hät­te.

Die »Lie­fe­rung« er­folgt un­ter kon­spi­ra­ti­ven und kom­pli­zier­ten Um­stän­den. Zu­nächst muss sie, in Ber­lin le­bend, früh mor­gens auf ei­nem Park­platz in Mün­chen sein. Als sie an­kommt, stellt sich her­aus, dass der Wa­gen ei­ne Pan­ne hat­te. Ein paar Wo­chen spä­ter klappt dann die Über­ga­be; dies­mal in Ber­lin, um 5 Uhr mor­gens.

Die Ent­täu­schung ist groß: »Pro­pel­ler«, so heißt sie, ist häss­lich, hat »zwei ka­mel­höcker­ähn­li­che Hüft­pol­ster, al­les über­wu­chert von ei­nem grau­schwar­zen, stump­fen Fell« und ist ver­narbt von ei­ner Ope­ra­ti­on. Ein un­för­mi­ges, dackel­ähn­li­ches Fell­ge­bil­de. Das Vi­deo war ge­schönt. Sie wägt ab, will den Hund zu­rück­ge­ben, be­hält ihn dann doch, gibt ihm den Na­men »Bon­nie« und be­ginnt sanft mit der Ab­rich­tung, wo­bei er sich als über­ra­schend ge­leh­rig zeigt. Der Na­me »Pro­pel­ler« fin­det auch ei­ne Auf­klä­rung in des­sen Freu­den­tau­mel-Vol­ten. Nach Di­ät und dem Ge­lin­gen ein­fa­cher Er­zie­hungs­maß­nah­men möch­te sie ihn nicht mehr mis­sen. »Bon­nie war nied­lich. Nied­lich, rüh­rend und ängst­lich.«

Da ist die lau­ni­ge Er­zäh­lung auch schon fast zu En­de. Und man ist dank­bar. Dank­bar vor al­lem da­für, dass Ma­ron nicht wie in ih­rem miss­glück­ten Buch »Mu­nin oder Cha­os im Kopf« das Tier (ei­nen Ra­ben) spre­chen lässt, wel­ches über die Un­zu­läng­lich­kei­ten der Men­schen her­um­schwa­dro­niert. Dank­bar da­für, dass der Hund Hund blei­ben darf.

Es ist ver­mut­lich die­se Harm­lo­sig­keit, die auch stö­ren kann. Zum Bei­spiel Wieb­ke Porombka, die es nicht fas­sen kann, dass da ei­ne »um­strit­te­ne« Au­torin (das At­tri­but wird ver­ge­ben wie ein Brand­zei­chen und wer es ein­mal trägt, be­kommt es nicht mehr los), die »we­gen neu­rech­ter Po­si­tio­nen« vom Fi­scher-Ver­lag vor die Tür ge­setzt wur­de, der­ar­ti­ges schrei­ben kann.

Na­tür­lich ist das mit den »neu­rech­ten Po­si­tio­nen« ei­ne ve­ri­ta­ble Lü­ge. Der Ex-Ver­lag hat nie sol­ches ver­lau­ten las­sen. Aber Porombka ist frei­lich an­der­wei­tig fün­dig ge­wor­den, fin­det das Wort »Co­ro­na-Re­gime« und schon steht fest: Ma­ron ist bö­se und da­mit muss die­se Ge­schich­te auch bö­se sein. Am En­de be­sucht die Er­zäh­le­rin (die mit der Au­torin gleich­ge­setzt wird – aber das sind nur De­tails) noch ih­re Freun­din in Dres­den und das ist (so wird ver­mu­tet) die bö­se Su­san­ne Da­gen, die einst Ma­rons Es­say­band ver­legt und über ein du­bio­ses Ver­triebs­werk her­aus­ge­ge­ben hat­te. Das ist dann so­zu­sa­gen dop­pelt plus bö­se.

Bei die­sem glü­hen­dem Ei­fer er­kennt man na­tür­lich nicht den hu­mo­ri­sti­schen Kon­text des »Corona-Regime«-Wortes. Und es ist wirk­lich ei­ne Un­ver­schämt­heit von Frau Ma­ron, dass sie die Kri­ti­ke­rin nicht ge­fragt hat­te, ob sie die Dresd­ner Buch­händ­le­rin be­su­chen und ihr ei­ne »ex­pli­zit freund­schaft­li­che Ge­ste« zu­kom­men las­sen darf.

Am En­de er­kennt Porombka ei­ne »deut­li­che Schlag­sei­te«. Und tat­säch­lich, ich ent­decke sie auch, die­se Schlag­sei­te: Es ist der in­tel­lek­tu­el­le Of­fen­ba­rungs­eid ei­ner Kri­ti­ke­rin, die aus ei­ner harm­lo­sen, eher et­was un­ter­kom­ple­xen Er­zäh­lung ein pein­li­ches Ge­sin­nungs­thea­ter her­auf­be­schwört, um sich sel­ber in wel­ches Licht auch im­mer zu set­zen. Bon­nie Pro­pel­ler, der »Rü­din«, wie sie von der Ver­fas­se­rin ge­nannt wird, dürf­te es egal sein. Das Tier ist zu be­nei­den.

4 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Nun, der Le­ser sucht im­mer die in­ter­sub­jek­ti­ve Zo­ne auf; das ist psy­cho­lo­gisch ein­wand­frei. Aber was die pa­ra­no­iden Kri­ti­ker über­se­hen, ist das Be­ob­ach­ter-Axi­om drit­ten Gra­des: Ich se­he, wie DU je­man­den be­ob­ach­test.
    Gar nicht schwer: je­der kann in die­sen Pseu­do-Kri­ti­ken er­ken­nen, dass der Be­ob­ach­ter Num­mer Zwei pa­ra­no­id und ver­fol­gungs­wü­tig ist. Die­se Dis­po­si­ti­on nennt man Res­sen­ti­ment. Ei­gent­lich schließt sich der Vo­ka­bel­kreis hier sehr schnell: Um­strit­ten-Sein heißt, es gibt vie­le Men­schen mit dem­sel­ben Res­sen­ti­ment (Ma­ron ge­gen­über), ...und »ich« ge­hö­re ei­gent­lich auch da­zu, aber ich will mal so tun, als ob es nicht so wä­re...
    Kom­plex, ge­wiss. Aber im­mer noch nied­rig, so­gar sehr nied­rig. Kann es sein, dass es vie­le Men­schen gibt, die hin­ter ih­rem (wie auch im­mer ge­ar­te­ten) Kunst­in­ter­es­se ih­re schlech­ten Ma­nie­ren ver­stecken?!
    Ich wünsch­te, ich hät­te mehr Men­schen­kennt­nis. Halt, nein! Lie­ber doch nicht...

  2. Ich hat­te das letz­te Mal Tex­te vor Mo­ni­ka Ma­ron in der ZEIT ge­le­sen, ih­ren Brief­wech­sel mit Jo­seph von West­pha­len.
    Der Kom­men­tar die­ser Da­me vom Ra­dio macht mir die Au­torin Mo­ni­ka Ma­ron nun sehr sym­pa­thisch. Ich werd’ sie al­so le­sen (was ich zu­vor nicht vor­hat­te), die Hun­de­ge­schich­te.
    Die­se Ra­dio-Da­me zeigt deut­lich das Ru­del­ver­hal­ten vie­ler »Lin­ker« (sie­he den Ar­ti­kel vom Da­nisch heu­te auf sei­nem Blog, über ‘Amyg­da­la und Her­den­ver­hal­ten’)