Flo­ri­an L. Ar­nold: Die Zeit so still

Florian L. Arnold: Die Zeit so still

Flo­ri­an L. Ar­nold:
Die Zeit so still

Al­le sind ein­ge­schlos­sen. Die Tü­ren be­kommt man nicht mehr auf. Al­le zwei Ta­ge gibt es Le­bens­mit­tel­ra­tio­nen bzw. das, was man als Le­bens­mit­tel de­kla­riert. Der Grund ist ein ma­ro­die­ren­des To­des­vi­rus. Die zwei­te, drit­te, wer­weiß­wie­viel­te Wel­le. Da ist von der »gro­ßen In­ter­nie­rung« die Re­de, dem Kon­trol­lie­ren, den Vi­deo­ka­me­ras. Durch­sa­gen pras­seln in den öf­fent­li­chen Raum, »Er­mah­nung und Er­mun­te­rung«, »Schlag­wor­tha­gel, Phra­sen­don­ner«, »re­den, re­den, re­den, bis das Un­faß­li­che zer­lö­chert wird von der Ba­na­li­tät«. Men­schen in ih­ren Woh­nun­gen, »lie­gend, ste­hend, war­tend«, »mit nie­mand mehr ver­bun­den«. Wie auch die­ser zu­nächst na­men­lo­se Mann, einst pri­vi­le­giert, da er in die Er­for­schung der Ein­däm­mung des Vi­rus ein­ge­bun­den war. Aber er konn­te die Zahl der To­ten nicht be­gren­zen, konn­te sich im »Ba­by­lon der Sprach­ver­wir­rung« nicht durch­set­zen, ge­noss kurz den Hass des Pri­vi­le­gier­ten bis er dann »ver­schwand oder ver­losch oder man ver­gaß ihn«. Er wuss­te früh, »dass es kei­nen Schutz gab«.

Das ist das Set­ting in Flo­ri­an L. Ar­nolds No­vel­le »Die Zeit so still«, die En­de No­vem­ber letz­ten Jah­res im Mi­ra­bi­lis-Ver­lag er­schien. Na­tür­lich er­in­nert das al­les an die Ge­gen­wart bzw. an das, was viel­leicht noch kom­men könn­te: aus­ge­stor­be­ne Städ­te, Men­schen, die nur noch exi­stie­ren, aber nicht mehr le­ben, je­der für sich ein­zeln, denn Kon­tak­te sind ver­bo­ten, ge­nau so wie das Ver­las­sen des Hau­ses, was streng über­wacht und hart sank­tio­niert wird. Die Er­zäh­lung ins­be­son­de­re zu Be­ginn schockiert, weil sie die Ge­gen­wart in ei­ne weit zu­rück­lie­gen­de Ver­gan­gen­heit legt. Wer ge­nau liest und es sich er­rech­net, kommt auf un­ge­fähr drei­ßig Jah­re. Es könn­te al­so ei­ne Pro­jek­ti­on aus dem Jahr 2050 sein. Die Zei­ten, dass Sci­ence-Fic­tion uto­pisch war, sind längst vor­bei. Es gibt fast nur noch Dys­to­pien. Und die­se hier geht zu­nächst an die Nie­ren. Aber das bleibt das Pro­blem des Le­sers; der Au­tor flüch­tet sich nicht in die na­he­lie­gen­den Alar­mis­men.

Den gan­zen Bei­trag »Pa­ra­dies vor dem Ap­fel« hier bei Glanz und Elend wei­ter­le­sen