
Als die Geschichte beginnt, ist August Engelhardt auf einem Schiff die dünnen Beine übereinanderschlagend und einige imaginäre Krümel mit dem Handrücken von seinem Gewand wischend grimmig über die Reling auf das ölige, glatte Meer schauend. Man ist am Anfang des 20. Jahrhunderts und der Ort, der angepeilt wird, heißt Herbertshöhe. Deutschland hat Kolonien.
August Engelhardt hat es tatsächlich gegeben. Einigen gilt er als »erster Aussteiger«. Die Einschätzungen differier(t)en zwischen Visionär und Spinner; Tendenz zum letzteren. Engelhardt war nach »Deutsch-Neuguinea« aufgebrochen, erstand dort eine Kokosnussplantage (mit diebischem Vergnügen wird erzählt, wie er bereits beim Kauf übers Ohr gehauen wird), gründete einen »Sonnenorden« und pflegte seinen »Kokovorismus«, d. h. eine Art Kult um die ausschließliche Ernährung durch die Kokosnuss. Er tat dies meist splitternackt, wobei die Inselbewohner diese Zivilisationslosigkeit des Migranten zwar schockierte, von ihnen aber großzügig toleriert wurde. Leider hatte Engelhardt überhaupt kein merkantiles Talent (was forsch als Kapitalismuskritik umgearbeitet werden konnte), plagte sich zusehends mit leprösen Schwären, wurde am Ende wahnsinnig und starb dann kurz nach dem Ersten Weltkrieg. So weit, so gut. Aber es geht – wie fast immer – nicht nur um Fakten, es geht um Literatur. So dichtet Kracht seinem Roman-Personal einiges an, verquirlt es mit tatsächlich Geschehenem und etlichen Anekdötchen und das in einer manieriert-barocken Sprache, einer Mischung aus Elfriede-Jelinek-Duktus und »Prospero’s Books« von Peter Greenaway mit einer Prise Robinson-Crusoe-Abenteurertum (man beachte die Personalie Makeli, Engelhardts »Freitag«, der am Schluss dann Faust II und Ibsens »Gespenster« in deutscher Sprache vorgetragen zu würdigen weiß). Abgerundet wird dies mit einem schönen Umschlag im Tim-und-Struppi-Look (und irgendwie an Michael Ondaatjes neuem Buch erinnernd).