Ijo­ma Man­gold: Der in­ne­re Stamm­tisch

Ijoma Mangold: Der innere Stammtisch
Ijo­ma Man­gold:
Der in­ne­re Stamm­tisch

Ijo­ma Man­gold wird im näch­sten Jahr 50, ist Feuil­le­to­nist (seit ei­ni­gen Jah­ren in meh­re­ren Funk­tio­nen bei der »Zeit« be­schäf­tigt) und Li­te­ra­tur­kri­ti­ker und man muss ihm da­her ei­nen ho­hen Sen­si­bi­li­täts­grad für Spra­che un­ter­stel­len. So ist der Ti­tel sei­nes neu­en Bu­ches wohl be­wusst as­so­zia­tiv: »Der in­ne­re Stamm­tisch« er­in­nert an die längst dä­mo­ni­sier­te Vo­ka­bel vom »in­ne­ren Reichs­par­tei­tag«, die im Jahr 2010 ei­ner deut­schen Sport­re­por­te­rin fast zum Ver­häng­nis ge­wor­den wä­re.

Da­bei schreibt er ei­gent­lich nur Ta­ge­buch, und zwar vom 19. Sep­tem­ber 2019 bis zum 13. April 2020. Be­ginn und En­de schei­nen je­weils oh­ne be­son­de­ren An­lass zu sein. Am An­fang wird das Ta­ge­buch zu ei­ner Art in­ne­ren Mo­no­log er­klärt (was es ja per se im­mer ist). Aber hier geht es fast im­mer um po­li­ti­sche Stel­lung­nah­men und – Ach­tung: der Au­tor mag das Wort nicht – Re­fle­xio­nen über ge­sell­schaft­li­che und po­li­ti­sche Ent­wick­lun­gen. Pri­va­tes bleibt weit­ge­hend aus­ge­spart; das in­tim­ste Er­leb­nis ist die Ent­täu­schung, als er mit ei­nem Oh­ren­stäb­chen nicht den er­hoff­ten Schmutz aus sei­nem Ge­hör­gang her­auspuh­len kann.

Es be­ginnt so­fort mit Fri­day-for-Fu­ture. In ei­ner Ki­ta be­rei­tet man sich, wie er hört, auf ei­ne FFF-De­mo ge­naue­stens vor und kauft vor­her noch grü­ne Kla­mot­ten für die Kin­der, da­mit al­les stil­echt ist. Man­gold sel­ber outet sich als »äs­the­ti­scher Gre­ta-Fan« (»ihr Ge­sicht ist schön wie das ei­ner from­men Jung­frau«) und es ist ihm gleich, dass ihm dies als Zy­nis­mus aus­ge­legt wer­den kann. Ir­gend­wann wird er noch deut­li­cher und macht sich zum »öko­tau­ben, miso­gy­nen, al­ten, wei­ßen Gre­ta-Ha­ter«. Ge­schenkt, ich ha­be ver­stan­den.

Na­tür­lich zwei­felt Man­gold den Kli­ma­wan­del und die Not­wen­dig­keit von Maß­nah­men, die­sem ent­ge­gen­zu­wir­ken, nicht an. Aber er kul­ti­viert eben auch bei die­sem The­ma, was er als ei­ne Art Le­bens­ma­xi­me (oder, wenn man es ne­ga­tiv sieht, als Krank­heit) de­fi­niert: sei­nen Trotz. So­bald in ei­nem Raum Ei­nig­keit be­steht, ist er es, der spon­tan mit ei­ner Ge­gen­mei­nung ein­greift. So auch hier, denn »der selbst­ge­rech­te Ge­wiss­heits­ton, zu dem das The­ma ein­lädt, trig­gert« ihn ähn­lich wie die Bi­got­te­rie der ver­meint­li­chen Öko-Mu­ster­schü­ler (was zu lau­ni­gen Aus­füh­run­gen über die Kir­chen-Heu­che­lei­en der Ver­gan­gen­heit führt).

Was die No­ta­te in­ter­es­sant macht: Es we­der ein Da­ge­gen­sein, um da­ge­gen zu sein – aber auch nicht das Ge­gen­teil. Man­gold wägt tat­säch­lich ab – nicht im­mer un­be­dingt mit der not­wen­di­gen Kon­se­quenz, aber das macht ge­ra­de die Mi­schung aus Leich­tig­keit, Hoch­mut und Klug­heit (ich hät­te fast ge­schrie­ben: Charme – aber man soll nicht über­trei­ben) vie­ler Ein­tra­gun­gen aus.

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Gruß vom Sand­korn

Jetzt erst durch ei­nen Hin­weis ent­deckt: Be­fragt über die Sinn­haf­tig­keit des Li­te­ra­tur­kri­ti­kers re­agier­te Ijo­ma Man­gold mit ei­nem häss­li­chen, aber gleich­zei­tig er­hel­len Wort: »Die Stär­ke ei­ner Zei­tung sei ih­re Se­lek­ti­ons­au­to­ri­tät. Das Netz hin­ge­gen sei die Wü­ste der Se­lek­ti­on, in der es nur Sand gä­be«, so fasst Wolf­gang Ti­scher von literaturcafe.de Man­golds Äu­ße­rung zu­sam­men. (Als Aus­nah­me sieht ...

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De­mut und Wut

Preis­ver­ga­be. Und ei­ni­ge un­we­sent­li­che Be­mer­kun­gen.

Hart­näckig wei­ger­te sich der neue Ju­ry­vor­sit­zen­de Burk­hard Spin­nen ein Pau­schal­ur­teil über den ak­tu­el­len »Jahr­gang« beim Bach­mann­preis 2008 ab­zu­ge­ben. Das kön­ne man nicht, so Spin­nen, wenn über­haupt müs­se man zehn, fünf­zehn Jah­re ab­war­ten; es sei­en ja schliess­lich kei­ne Wein­jahr­gän­ge.

Spin­nen stiehlt sich da aus ei­nem Ur­teil her­aus. Das über­rascht nur vor­der­grün­dig. Wür­de er zu­ge­ben, dass das Ni­veau schwach war, kri­ti­siert er auch im­pli­zit die Ju­ro­ren und auch sich sel­ber. Die Ju­ry aber – die­sen Ein­druck be­kam man sehr schnell – ist ziem­lich kri­tik­re­si­stent.

Hin­ter der jo­via­len Fas­sa­de des Mo­de­ra­tors Die­ter Moor (der mit sei­ner zwang­haf­ten Ge­sprächs­füh­rungs­rhe­to­rik nicht nur stör­te, son­dern auch ge­le­gent­lich in un­zu­läs­si­ger Wei­se in den Wett­be­werb ein­griff) schlum­mer­ten die längst aus­ge­tüf­tel­ten Be­wer­tungs­fall­bei­le bei­spiels­wei­se des Wich­tig­tu­ers Ijo­ma Man­gold, der teil­wei­se voll­kom­men ver­wirr­ten (und text­un­si­che­ren) Ur­su­la März und ei­nes fast zwang­haft den Clown ge­ben­den Klaus Nüch­tern.

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