Fuß­ball­spra­che – einst und jetzt

Ei­ne ernst­ge­mein­te Re­por­ter­po­le­mik – Ger­ne auch als Bin­­go-Vor­­la­­ge Re­por­ter EINST Re­por­ter HEUTE Das hat es noch nie ge­ge­ben… …schreibt Ge­schich­te! Heim­vor­teil! Wie kommt man mit dem Druck des Heim­spiels zu­recht? Wie sieht die Tak­tik des Geg­ners aus? Was schrei­ben wir auf die Ka­pi­täns­bin­de? Was bringt der neue Spie­ler für das Team? Wel­che Wer­te ver­tritt er? ...

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Spre­chen Sie die mal an

Bei ei­ner Li­te­ra­tur-Ver­an­stal­tung in ei­ner Buch­hand­lung im Frie­de­nau­er Dich­ter­vier­tel sprach die Re­fe­ren­tin – ei­ne be­rühm­te Pro­fes­so­rin üb­ri­gens – so rhe­to­risch bril­lant wie un­ter­halt­sam über Tho­mas Mann und sei­ne Fa­mi­lie und er­wähn­te da­bei ei­nen Zi­geu­ner auf dem gel­ben Wa­gen. Das Pu­bli­kum be­stand ganz über­wie­gend aus jun­gen und we­ni­ger jun­gen Se­nio­rin­nen und Se­nio­ren be­sten, alt­ein­ge­ses­se­nen West­ber­li­ner Bildungsbürger­tums, so­wie Stu­die­ren­den der Li­te­ra­tur­wis­sen­schaf­ten, und et­li­che schie­nen ein­an­der zu ken­nen. Man war ein­ge­la­den und auf­ge­for­dert, nach dem Vor­trag zu dis­ku­tie­ren und Fra­gen zu stel­len. Ich frag­te nach dem »Zi­geu­ner«, er­fuhr, dass es sich um ein Zi­tat von Tho­mas Mann hand­le und er­wi­der­te, dass es schön ge­we­sen wä­re, wenn sie das Zi­tat kennt­lich ge­macht hät­te, weil der Be­griff »Zi­geu­ner« pro­ble­ma­tisch sei, wor­auf die Pro­fes­so­rin sich so­fort der näch­sten Wort­mel­dung zu­wand­te, die ein an­de­res The­ma be­traf.

Hin­ter­her schenk­te der Buch­händ­ler Wein aus, und ei­ne je­ner bil­dungs­bür­ger­li­chen jun­gen Se­nio­rin­nen pro­ste­te mir zu mit den Wor­ten, sie sei froh, dass ich das Zi­geu­ner-Zi­tat an­ge­spro­chen hät­te, denn das Zi­tat sei falsch. In Wahr­heit sei der Wa­gen grün und nicht gelb! Das kön­ne man nach­le­sen, sie wis­se es be­stimmt. Wir nipp­ten am Wein, sie trank wei­ßen, ich ro­ten. Auch dies sei si­cher ein in­ter­es­san­ter Aspekt, gab ich zu, je­doch sei es mir um et­was an­de­res ge­gan­gen, näm­lich um den Be­griff »Zi­geu­ner«, der … und wur­de un­ter­bro­chen da­mit, dass der Wa­gen aber wirk­lich grün …

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Eu­phe­mis­men in der Po­li­tik – (V.) Mo­gel­packung

An­drea Nah­les ist (noch?) Ge­ne­ral­se­kre­tä­rin der SPD. Ein Job, der zu Fron­tal­op­po­si­ti­on zum je­wei­li­gen po­li­ti­schen Geg­ner fast ver­pflich­tet. Die neu­en Vor­schlä­ge zur Zuschuss­rente nennt Frau Nah­les nun ei­ne Mo­gel­packung. Wer ein biss­chen das po­li­ti­sche Trei­ben ver­folgt, stellt fest, dass Frau Nah­les die­sen Be­griff nicht zum er­sten Mal ver­wen­det. Ei­ne (viel­leicht noch nicht ein­mal voll­stän­di­ge) Aus­wahl:

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Phra­seo­lo­gi­sche Be­trach­tun­gen über di­ver­se Äng­ste

Es gibt Buch­ti­tel, die im Lau­fe der Zeit im­mer wie­der pa­ra­phra­siert, va­ri­iert, par­odiert und ka­ri­kiert wer­den und so­mit von der Sen­tenz zur Re­dens­art ge­wor­den sind (oder umge­kehrt) wie Jo­han­nes Ma­rio Sim­mels »Es muß nicht im­mer Ka­vi­ar sein« oder Hein­rich Bölls »Die ver­lo­re­ne Eh­re der Ka­tha­ri­na Blum« (hier gibt es noch mehr Bei­spie­le). Zweifel­los ge­hört »Die Angst des Tor­manns beim Elf­me­ter« da­zu. Da­bei han­delt es sich um ei­ne Er­zäh­lung von Pe­ter Hand­ke aus dem Jahr 1970 (und zwei Jah­re spä­ter von Wim Wen­ders ver­filmt wur­de). Die Tat­sa­che, dass Nicht­le­sern die­ses Büch­leins die Be­deu­tung des Ti­tels nicht deut­lich wer­den kann (Ti­ta­ne wie Oli­ver Kahn fin­den es »ko­misch«, dass ein Tor­wart Angst vor [sic!] vor ei­nem Elf­me­ter ha­ben soll, ist doch längst Kon­sens, dass ein Tor­wart im­mer nur zum Hel­den wer­den kann – so­fern er den Ball hält), hält sie nicht vor Inspira­tionen der Ver­ball­hor­nun­gen ab.

Beim ge­nau­en Hin­se­hen zeigt sich, dass die mei­sten Va­ria­tio­nen nicht der In­ten­ti­on des Hand­ke-Ti­tels ent­spre­chen. Kon­ge­ni­al und eng an der »Vor­la­ge« sind Schöp­fun­gen wie »Die Angst der Tor­frau beim Elf­me­ter« und »Die Angst des Ro­bo­ters beim Elf­me­ter«. Auch in »Die Angst der Schä­fer bei der Lam­mung« wird die Gleich­zei­tig­keit von Angst und Er­eig­nis deut­lich.

Pa­ra­phra­siert wird der Ti­tel je­doch fast im­mer falsch

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Eu­phe­mis­men in der Po­li­tik – (IV.) Der Hin­ter­bänk­ler

Ih­re Haupt­sai­son ist das Som­mer­loch. Dann be­tre­ten sie für ei­ni­ge Wo­chen die Büh­ne und er­rei­chen je­ne Auf­merk­sam­keit, die sie sonst nicht be­kom­men. Sie ma­chen manch­mal ganz skur­ri­le Vor­schlä­ge. Und jetzt, da die Gro­ßen und Mäch­ti­gen auf Ur­laub wei­len, hört man ih­nen zu.

Ge­meint ist der Hin­ter­bänk­ler (sel­te­ner: die Hin­ter­bänk­le­rin). Es ist ganz leicht, sich über sie zu amü­sie­ren. Jour­na­li­sten ma­chen das sehr ger­ne. Erst ver­schaf­fen sie ih­nen (end­lich ein­mal) ei­nen ge­wis­sen Raum – um sich dann dar­über lä­cher­lich zu ma­chen. Man kennt das ja mit dem Hoch- und Run­ter­schrei­ben. Der Hin­ter­bänk­ler durch­lebt die­se Pha­sen in sechs Wo­chen. An­de­re Po­li­ti­ker brau­chen da­für Jah­re.

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Die drei Wulffs

Chri­sti­an Wulff spricht frei, oh­ne Un­ter­la­gen. Viel­leicht ist es des­halb ein biss­chen un­fair, sei­ne Wor­te der­art zu ge­wich­ten, wie man dies bei an­de­ren Tex­ten ma­chen soll. Aber das gest­ri­ge In­ter­view des Bun­des­prä­si­den­ten zeigt auch un­ter Be­rück­sich­ti­gung die­ser be­son­de­ren Si­tua­ti­on das Ver­ständ­nis Wulffs zum Amt und zur Po­li­tik an.

Zu­nächst be­ginnt Wulff in der »Ich«-Form. Be­zeich­nend ist da­bei, dass er auf die Fra­ge nach ei­nem Rück­tritt über sei­ne »gro­sse Un­ter­stüt­zung« re­det (»ich hatte…grosse Un­ter­stüt­zung«). Es ist dann fast schon frech, wie er das Amt im Op­fer­ge­stus als Pflicht in­stru­men­ta­li­siert: »ich neh­me mei­ne Ver­ant­wor­tung ger­ne wahr«. Da­bei wird durch den Ein­schub »ger­ne« die Pflicht re­la­ti­viert, um dem dro­hen­den Ein­wand, dass er sich frei­wil­lig in das Amt ha­be wäh­len las­sen, vor­aus­ei­lend zu be­geg­nen. Je­der Kell­ner wird auf ein sol­ches »ger­ne« ge­schult, wenn ein Gast ei­nen Wunsch äu­ßert.

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»Kaum ei­nen Hauch...«

In den letz­ten an­dert­halb Jah­ren soll es zu 18 Tref­fen zwi­schen Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel und dem fran­zö­si­schen Staats­prä­si­den­ten Sar­ko­zy ge­kom­men sein. Mal wa­ren die bei­den zu zweit, mal bei Tref­fen der Re­gie­rungs­chefs ent­we­der der EU, oder der der G20 oder auch al­ler zu­sam­men. Die Grün­de sind hin­läng­lich be­kannt: Eu­ro­pa be­fin­det sich in ei­ner ve­ri­ta­blen Banken‑, Finanz‑, Staats‑, Schul­den- und/oder Wirt­schafts­kri­se. Da­bei wer­den die­se Tref­fen längst nicht mehr als sol­che be­zeich­net. Nein. Es sind »Gip­fel« oder, dop­pel­deu­tig, »Gip­fel­tref­fen« (als trä­fen sich dort Gip­fel).

Da­bei lohnt es sich über die Be­deu­tung ei­nes Gip­fels nach­zu­den­ken. Laut Du­den ist der Gip­fel die »höch­ste Spit­ze ei­nes [steil em­por­ra­gen­den, ho­hen] Ber­ges« bzw. »höch­stes denk­ba­res, er­reich­ba­res Maß von et­was; das Äu­ßer­ste; Hö­he­punkt«. Als drit­te Be­deu­tung wird schließ­lich der »Po­li­tik­jar­gon« be­müht. Denn ur­sprüng­lich war ein »Gip­fel­tref­fen« ein au­ßer­ge­wöhn­li­ches Er­eig­nis: Staats- und Re­gie­rungs­chefs oder an­de­re her­aus­ge­ho­be­ne Per­sön­lich­kei­ten tra­fen sich zu be­son­de­ren Ge­le­gen­hei­ten. Nicht mehr und nicht we­ni­ger.

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Brow­ser, Harm­schar, Zer­ve­lat­wurst

Kluge, 25. Ausgabe
Klu­ge, 25. Aus­ga­be

Wer kennt sie nicht, die­se Zei­ten der Le­se­un­lust, ei­ner Mi­schung aus Über­druß, Me­lan­cho­lie und Träg­heit. Ei­ne Art Mi­kro-Burn-Out (um im Duk­tus der Zeit zu re­den). Wie schön ist es dann, für ei­ne kur­ze Zeit in Ab­schwei­fun­gen und Ver­zettelungen zu fal­len, die nicht mit dem An­schau­en der Über­tragung des Fuß­ball­spiels zwi­schen dem VfL Bo­chum und En­er­gie Cott­bus oder dem Ver­fol­gen ei­ner Do­ku-Soap auf RTL tot­ge­schla­gen wird. Wie rei­ni­gend die­se Lee­re, die­ser Mo­ment, in dem plötz­lich al­les ver­blasst und das vor­mals Wich­ti­ge nach hin­ten ge­scho­ben wird. Die­ses Phä­no­men wird in der ak­tu­el­len Dis­kus­si­on um die Ge­fah­ren, die das In­ter­net mit sich bringt (bzw. mit sich zu brin­gen scheint) zu­meist als Ab­len­kung und Un­kon­zen­triert­heit be­schrieben. Kul­tur­kri­ti­sche Be­trach­tun­gen brand­mar­ken die­ses »Her­um­sur­fen« im Netz, die­ses von ei­nem Link zum an­de­ren Link her­um­klicken. Da­bei gibt es ei­nen sehr schö­nen Aus­druck hier­für, der fest in der ana­lo­gen Zeit ver­haf­tet scheint: Man kommt vom Hölz­chen aufs Stöck­chen.

Die Lust­lo­sig­keit, ei­ner Sa­che – war­um auch im­mer – strin­gent zu fol­gen ist po­si­tiv aus­ge­drückt die Lust, sich ein­fach ein­mal wie­der neu über­ra­schen zu las­sen. Hier­für brau­che ich nicht un­be­dingt das In­ter­net (eher im Ge­gen­teil: zu oft lan­det man doch wie­der auf das Alt­be­kann­te oder im Feuil­le­ton der FAZ) oder di­ver­se Ap­pa­ra­te mit oder oh­ne an­ge­bis­se­nes Obst. Es gibt ein Buch, in das ich mich manch­mal sehr ger­ne fal­len­las­se. Ein Buch, das man zu­nächst bei­läu­fig zur Hand nimmt um et­was nach­zu­schla­gen – und sich dann in ihm lust­voll ver­liert. Ich re­de vom Ety­mo­lo­gi­schen Wör­ter­buch der deut­schen Spra­che, dem »Klu­ge«.

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