Die Kri­se in der Ukrai­ne, die Rol­le der EU und das Po­si­ti­ons­pa­pier der Ne­os

Der Aus­gangs­punkt: Das Un­be­ha­gen mit Po­li­tik und Be­richt­erstat­tung

Es wä­re falsch zu be­haup­ten, dass die Me­di­en oder die Po­li­tik, die als ei­ne sol­che En­ti­tät gar nicht exi­stie­ren, in ih­rer Ge­samt­heit ein schwarz-wei­ßes Bild ge­zeich­net hät­ten und es noch im­mer tun, aber in der Brei­te der Be­richt­erstat­tung, in dem was man so hört, dem das auch der po­li­tisch we­nig In­ter­es­sier­te mit­be­kommt, tritt es deut­lich zu Ta­ge: Das Schwar­ze, das ist Russ­land oder per­so­na­li­siert: Pu­tin.

Die­ses Bild, das vie­le Bür­ger zu­min­dest ih­rem Ge­fühl nach für falsch hal­ten, be­darf der Kor­rek­tur, aber nicht im Sin­ne ei­ner Um­fär­bung, der Far­be Weiß, son­dern in der Wahl an­de­ren Dar­stel­lung, ei­ner in Grau­stu­fen: Aus­ge­wo­gen­heit statt zwei­er­lei Maß.

Wei­ter­le­sen ...

Hes­sen und Ham­burg

In den näch­sten Wo­chen wer­den die po­li­ti­schen Ge­sprächs­sen­dun­gen in Ra­dio und Fern­se­hen nur ein The­ma ha­ben: Wer wird zu­künf­tig im Bund re­gie­ren? Ei­nen Vor­ge­schmack auf den Tsu­na­mi des Ge­schnat­ters ver­meint­li­cher Ex­per­ten hat man in den letz­ten Ta­gen schon be­kom­men. Ich er­spa­re mir die Auf­zäh­lung der üb­li­chen Ver­däch­ti­gen.

Da wer­den ve­ri­ta­ble Ge­gen­ar­gu­men­te für die Gro­ße Ko­ali­ti­on auf­ge­bracht. Man kann die­se Phra­sen al­le­samt in das Reich der Fa­bel ver­wei­sen. Es gibt kei­ne an­de­re Mög­lich­keit als die Ko­ali­ti­on zwi­schen CDU/CSU und SPD. Man kann sei­ne Le­bens­zeit bes­ser ver­brin­gen, als der Kaf­fee­satz­le­se­rei un­ter­be­schäf­tig­ter Me­di­en­ver­tre­ter an­zu­schlie­ßen. Was im­mer in den ach so schö­nen Plan­spie­len der Dis­ku­tan­ten aus­ge­blen­det wird: Die Si­tua­ti­on im Bun­des­rat.

Wei­ter­le­sen ...

Mer­kels schmut­zi­ger Coup

Es exi­stiert schon lan­ge, bricht im­mer wie­der auf. Jetzt ist es wie­der da, das Trau­ma der SPD. Es ist das Trau­ma der Un­zu­ver­läs­sig­keit, der man­geln­den, feh­len­den Staats­treue. Be­trach­tet man nur ein­mal die Ent­wick­lung nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Mit unglaub­licher Frech­heit ge­lang es den re­stau­ra­ti­ven und kon­ser­va­ti­ven po­li­ti­schen Kräf­ten in der neu­en Bund­e­re­pu­blik die SPD als Kom­mu­ni­sten, min­de­stens je­doch Staats­fein­de hin­zu­stel­len. Dass es die SPD-Ab­ge­ord­ne­ten wa­ren, die den Er­mäch­ti­gungs­ge­set­zen der Na­zis nicht zu­ge­stimmt hat­ten – das wur­de ver­ges­sen. Die SPD als ver­kapp­te Kom­mu­ni­sten – Goeb­bels’ Pro­pa­gan­da mo­bi­li­sier­te im­mer noch. »Kei­ne Ex­pe­ri­men­te« warn­te man im Wahl­kampf 1957 – es gab nie wie­der ei­nen grö­ße­ren Sieg der CDU/CSU. Mit der so­zi­al-li­be­ra­len Ko­ali­ti­on 1969 und dem Macht­ver­lust fand man sich nicht so oh­ne Wei­te­res ab. Wil­ly Brandt wur­de durch sei­ne so­ge­nann­te Ost­po­li­tik wie­der ein­mal zum va­ter­lands­lo­sen Ge­sel­len de­nun­ziert, nach­dem er be­reits in den 50er Jah­ren ob sei­nes Exils von Ade­nau­er dif­fa­miert wur­de. Und das ein ehe­ma­li­ger Kom­mu­nist wie Her­bert Weh­ner ge­läu­tert sein könn­te, das trau­ten die­je­ni­gen, die ein christ­li­ches At­tri­but in ih­rem Par­tei­na­men führ­ten, nur ih­ren ei­ge­nen ehe­ma­li­gen NSDAP-Mit­glie­dern und Mit­läu­fern zu.

Wei­ter­le­sen ...

Hans-Pe­ter Schwarz: Hel­mut Kohl – Ei­ne po­li­ti­sche Bio­gra­phie

Hans-Peter Schwarz: Helmut Kohl - Eine politische Biographie
Hans-Pe­ter Schwarz: Hel­mut Kohl – Ei­ne po­li­ti­sche Bio­gra­phie

Mit »Em­pa­thie und zu­gleich kri­ti­scher Di­stanz« ha­be sich der Bio­graph sei­nem Sub­jekt zu nä­hern, so Hans-Pe­ter Schwarz im Epi­log sei­ner po­li­ti­schen Bio­gra­phie über Hel­mut Kohl. Der Le­ser hat dann be­reits 940 eng ge­druck­te Sei­ten (zzgl. rd. 90 Sei­ten An­no­ta­tio­nen) hin­ter sich ge­bracht. Schwarz’ Buch, das die Bereit­schaft, sich auf das po­li­ti­sche Le­ben Hel­mut Kohls en dé­tail ein­zu­las­sen, von sei­nem Le­ser mit ei­ner kon­se­quen­ten Ra­di­ka­li­tät ab­for­dert, liegt ei­nem zu die­sem Zeit­punkt wie ein Kloß im Ma­gen, ob­wohl es doch zu­nächst ein be­kömm­li­ches Ge­richt mit al­len­falls ge­le­gent­lich über­flüs­si­ger De­ko­ra­ti­on zu wer­den schien.

Da­bei sind die Vor­aus­set­zun­gen ide­al. Hans-Pe­ter Schwarz, der als »der« Ade­nau­er-Bio­graph gilt, ba­siert auf ei­ner um­fang­rei­chen, kom­ple­xen Quel­len­la­ge. So konn­ten Sit­zungs­pro­to­kol­le ein­ge­se­hen wer­den. Das Ar­chiv für Christ­lich-De­mo­kra­ti­sche Po­li­tik der Kon­rad Ade­nau­er-Stif­tung und das Pen­dant der Hanns-Sei­del-Stif­tung der CSU in Mün­chen stan­den zur Ver­fü­gung. Aus dem Un­ter­neh­mens­ar­chiv der Axel Sprin­ger AG wird zi­tiert. Am wich­tig­sten: 250 Schlüssel­dokumente zur Au­ßen- und Eu­ro­pa­po­li­tik aus dem Ar­chiv des Bun­des­kanz­ler­am­tes wur­den für Schwarz frei­ge­ge­ben, was die Kanz­ler­schaft Kohls zwi­schen 1982 und 1998 be­leuch­tet und zum Teil über­ra­schen­de Ein­blicke ge­währt. Schwarz führ­te Ge­sprä­che mit rund vier­zig po­li­ti­schen Weg­be­glei­tern (um nur ei­ni­ge zu nen­nen: Kurt Bie­den­kopf, Hei­ner Geiß­ler, Hans-Diet­rich Gen­scher, Klaus Kin­kel, Vol­ker Rü­he, Bern­hard Vo­gel, Walt­her Leis­ler Kiep), zi­tiert zum Teil aus de­ren Ta­ge­bü­chern (oft un­ver­öf­fent­lich­tes Ma­te­ri­al) und auch ge­le­gent­li­che Mit­tei­lun­gen Kohls an den Au­tor wer­den im An­mer­kungs­ap­pa­rat ver­merkt. Oft kom­bi­niert Schwarz die­se In­for­ma­tio­nen mit den zahl­reich ver­füg­ba­ren Me­moi­ren und Er­in­ne­rungs­bü­chern der da­ma­li­gen Prot­ago­ni­sten. All dies er­zeugt bis­wei­len ei­ne er­staun­li­che Echt­zeit­stim­mung, die den Le­ser in den be­sten Mo­men­ten di­rekt an die Kon­fe­renz­ti­sche führt. Man er­fährt wie Kohl vor­prescht, nach­gibt, ba­lan­ciert, an­ti­cham­briert, tak­tiert aber auch tobt und los­pol­tert. So ent­steht zu­wei­len ein multi­perspektivisches Bild aus rund 50 Jah­ren bun­des­deut­scher und eu­ro­päi­scher Po­li­tik.

Wei­ter­le­sen ...

Der un­se­riö­se Car­sten Schnei­der

Car­sten Schnei­der ist der haus­halts­po­li­ti­sche Spre­cher der SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on. Er sagt oft et­was, weil er oft ge­fragt wird. So rich­tig ha­be ich sei­ne Pseu­do-Op­po­si­ti­on, was die Grie­chen­land-/Eu­ro-Ak­ti­vi­tä­ten der Re­gie­rung Mer­kel an­geht, nicht ver­stan­den, denn im­mer wenn so­ge­nann­te Hilfs­pa­ke­te zur Ab­stim­mung stan­den, stimm­te Schnei­der zu. Grün­de mag es da­für ge­nug ge­ge­ben ha­ben; ich sah sie nicht. Des­halb ist Car­sten Schnei­der für mich kein Op­po­si­ti­ons­ab­ge­ord­ne­ter mehr ge­we­sen. Dass, was er sag­te, war ei­ne Kri­tik jen­seits ei­nes tat­säch­lich an­de­ren Po­li­tik­ent­wurfs; all­zu oft nur ri­tua­li­sier­te Ge­gen­re­de.

Am Mitt­woch früh horch­te ich je­doch auf. Schnei­der sag­te in ei­nem In­ter­view im Du­del­sen­der WDR2: »Ei­ne Ent­schei­dung zu Grie­chen­land ist in die­ser Wo­che nicht vor­stell­bar.« Der Zeit­druck, den die Bun­des­re­gie­rung auf­baue, ver­hin­de­re ei­ne sorg­fäl­ti­ge Ent­schei­dung. Er sei auch gar nicht not­wen­dig. Schnei­der be­kann­te, dass er sich nicht in ein, zwei Ta­gen für oder ge­gen die Be­schlüs­se ent­schei­den kön­ne.

Wei­ter­le­sen ...

Wil­fried Schar­nagl: Bay­ern kann es auch al­lein

Wilfried Scharnagl: Bayern kann es auch allein
Wil­fried Schar­nagl:
Bay­ern kann es auch al­lein

Ir­gend­wie ge­hör­te Wil­fried Schar­nagl schon im­mer da­zu. Ich war nur über­rascht, als ich in den 70er Jah­ren er­fuhr, er sei »Jour­na­list«. Un­ter ei­nem Jour­na­li­sten stell­te ich mir ei­nen we­nig­stens for­mal dia­lek­ti­schen, of­fe­nen Geist vor. Ein Irr­tum, der mir ab und zu auch heu­te noch un­ter­läuft, mich aber längst nicht mehr der­art kons­terniert wie da­mals. Zwar muss man auch Journa­listen ih­re ei­ge­ne Mei­nung, ihr ei­ge­nes Welt­bild, zu­ge­ste­hen. Aber wie kann je­mand der­art se­lek­tiv und par­tei­isch sein und sich gleich­zei­tig noch auf der Kar­te des Jour­na­li­sten fah­ren? Da Schar­nagl auf der po­li­ti­schen Sei­te stand, die ich ri­go­ros ab­lehn­te, kam mir die Ver­zerrung noch viel deut­li­cher vor. Aber wer sich der­art zum Sprach­rohr, zum Blind­ver­ste­her sei­nes Men­tors, al­so Franz Jo­sef Strauß, mach­te, ver­spiel­te jeg­li­che Glaub­wür­dig­keit.

Mit Strauß’ Tod 1988 ließ Schar­nagls me­dia­le Prä­senz nach. Sein Ein­fluss als Strippen­zieher im Hin­ter­grund dürf­te je­doch län­ge­re Zeit noch er­heb­lich ge­we­sen sein. Auf Strauß folg­te »Ami­go« Streibl als baye­ri­scher Minister­präsident. Da­nach dann der »Sau­ber­mann« Stoi­ber, der in ei­nem heu­te noch nicht ein­mal an­satz­wei­se auf­be­rei­te­ten CSU-in­ter­nen Putsch 2007 zum Rück­tritt ge­zwun­gen wur­de. 2001, zwei Jah­re nach­dem Stoi­ber Mi­ni­ster­prä­si­dent ge­wor­den war, hat­te Schar­nagl sei­nen Po­sten beim »Bayern­kurier« ge­räumt. Aber noch heu­te nimmt er an Sit­zun­gen der ober­sten CSU-Par­tei­­­gre­mi­en teil. Er ist Mit­glied des Vor­stands der Hanns-Sei­del-Stif­tung. Und ge­le­gent­lich darf er in sei­nem im­mer noch pol­tern­den Stil in ei­ner der zahl­rei­chen Talk­shows exo­ti­sche Po­si­tio­nen ein­neh­men.

Wei­ter­le­sen ...

Der heim­li­che Prä­si­dent

Ge­set­ze auf ih­re Ver­fas­sungs­taug­lich­keit zu über­prü­fen, ist seit vie­len Jah­ren fast zur Rou­ti­ne ge­wor­den. Längst gilt das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt als die letzt­be­grün­den­de In­stanz un­ter an­de­rem für Da­ten­schüt­zer, Bür­ger­recht­ler, Ver­fas­sungs­in­ter­pre­ten und Par­la­men­ta­ri­er. Ins­be­son­de­re Ge­set­ze und Richt­li­ni­en, die mit­tel- oder un­mit­tel­bar mit der EU zu tun ha­ben, lan­den re­gel­mä­ßig in Karls­ru­he (man fragt sich zu­wei­len, wann ei­gent­lich Pe­ter Gau­wei­ler mal nicht ge­klagt hat). Fast im­mer en­den die Ver­hand­lun­gen in mehr oder min­der star­ke Rüf­fel für die Ge­setz­ge­bung. Schlam­pig ge­ar­bei­tet, Fri­sten ver­strei­chen las­sen, un­ge­nau for­mu­liert, In­sti­tu­tio­nen über­gan­gen – die Li­ste lie­ße sich noch be­lie­big er­wei­tern. Die Ur­tei­le sind in der Re­gel po­pu­lär, weil sie dem Emp­fin­den vie­ler Bür­ger ent­spre­chen.

Wei­ter­le­sen ...

Holm Sund­haussen: Ju­go­sla­wi­en und sei­ne Nach­fol­ge­staa­ten 1943–2011

Am En­de sei­nes Bu­ches über »Ju­go­sla­wi­en und sei­ne Nach­fol­ge­staa­ten 1943–2011« knüpft Holm Sund­haussen, Pro­fes­sor für Süd­ost­eu­ro­päi­sche Ge­schich­te an der Frei­en Uni­ver­si­tät Ber­lin und Co-Di­­rek­tor des Ber­li­ner Kol­legs für ver­glei­chen­de Ge­schich­te Eu­ro­pas, an sei­ne Be­mer­kung vom An­fang an: Nicht »die Ge­schich­te« ist es, die sich wie­der­holt. Der Mensch wie­der­holt sich. Dies sei die wich­tig­ste Leh­re, die ...

Wei­ter­le­sen ...