Die In­sze­nie­rung der Ka­ta­stro­phe

Seit mehr als fünf Wo­chen strömt aus di­ver­sen Stel­len ei­ner ha­va­rier­ten BP-Bohr­in­sel oh­ne Un­ter­lass Öl in den Golf von Me­xi­ko. Die Zah­len über die täg­li­che Men­ge Öl, die un­ge­hin­dert ins Meer fließt, va­ri­ie­ren er­heb­lich – man hört von 700 to/Tag bis zu 14.000 to/Tag. Die öko­lo­gi­sche Ka­ta­stro­phe wird noch ver­stärkt durch den Ein­satz öl­bin­den­der Che­mi­ka­li­en, die als gif­tig ein­ge­schätzt wer­den. Sie bin­den das Öl je­doch so, dass es da­nach nicht mehr sicht­bar ist – der op­ti­sche Ein­druck scheint hier sehr wich­tig.

Screenshot Livestream von BP
Screen­shot Live­stream von BP


Der Image­scha­den von BP ist enorm, zu­mal die Hilf­lo­sig­keit of­fen­sicht­lich ist. Man hat­te früh Fo­ren ein­ge­rich­tet, in de­nen Vor­schlä­ge für die Ab­dich­tung des Lecks / der Lecka­gen er­be­ten wur­den. Das ist kein gu­tes Zei­chen.

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Nach­rich­ten nach Guts­her­ren­art

Am 22.03.2010 wur­de die Ver­haf­tung von Jörg Ka­chelm­ann ge­mel­det. Er wird der Ver­ge­wal­ti­gung ver­däch­tigt, was er be­strei­tet. Al­le Me­di­en be­rich­ten von dem Er­eig­nis; ei­ni­ge er­ei­fern sich in vor­aus­ei­len­dem Rich­ter­spie­len (nicht nur die üb­li­chen Ver­däch­ti­gen der Volks­ver­dum­mungs­agen­tur ‘Bild’). Auch das ZDF be­rich­tet in ih­rer »heute«-Sendung um 19 Uhr über die Ver­haf­tung und er­wähnt aus­drück­lich, dass Ka­chelm­ann die Vor­wür­fe be­strei­tet.

Al­le Me­di­en? Nein, »ta­ges­schau« und »ta­ges­the­men« der ARD schwei­gen da­zu. Ka­chelm­anns Fir­ma »Me­teo­me­dia« pro­du­ziert für die ARD ei­ni­ge Wet­ter­sen­dun­gen, u. a. in den »ta­ges­the­men« (in der »ta­ges­schau« wird die Vor­her­sa­ge des Deut­schen Wet­ter­dien­stes ge­zeigt; ein müh­sam aus­ge­han­del­ter Kom­pro­miss zwi­schen den wi­der­strei­ten­den An­bie­tern). Ist das der Grund? Im­mer­hin nimmt der »Er­ste Chef­re­dak­teur« von »ARD-ak­tu­ell«, Dr. Kai Gniff­ke, im »tagesschau«-Blog noch am glei­chen Tag Stel­lung zur Nicht­be­richt­erstat­tung und be­strei­tet das. Als Be­grün­dung für das Schwei­gen in den von ihm be­treu­ten Nach­rich­ten­sen­dun­gen be­müht er un­ter an­de­rem die Fol­gen, falls sich der Ver­dacht als falsch her­aus­stel­len soll­te:

    Aber was, wenn sich Ka­chelm­anns Un­schuld her­aus­stellt? Dann ma­chen wir ei­ne sau­be­re Mel­dung, dass der gan­ze Me­di­en­zau­ber halt nur ein klit­ze­klei­ner Irr­tum war. Da­bei kann nach der heu­ti­gen Be­richt­erstat­tung der Wet­ter­kund­ler doch jetzt schon ein­packen.

Es ent­wickel­te sich ei­ne durch­aus kon­tro­ver­se Dis­kus­si­on (man muss wis­sen, dass die Kom­men­ta­re im »tagesschau«-Blog »mo­de­riert« wer­den). Gniff­ke sah sich ge­nö­tigt, zwei Ta­ge spä­ter noch ei­nen Bei­trag zu ver­fas­sen – ob­wohl die Zahl der Be­für­wor­ter sei­ner Po­si­ti­on leicht über­wog. Da­bei ging er in die Of­fen­si­ve und for­mu­lier­te ei­nen für »ta­ges­schau«- und »tagesthemen«-Zuschauer neu­en jour­na­li­sti­schen An­satz:

    Ge­gen­über ge­stern hat sich aus mei­ner Sicht qua­li­ta­tiv nichts ge­än­dert. Der Ver­dacht ei­ner Ver­ge­wal­ti­gung be­steht wei­ter. In­so­fern gilt mei­ne Ar­gu­men­ta­ti­on von ge­stern auch heu­te. Nun ha­ben Kom­men­ta­to­ren im Blog ein­ge­wandt, wir hät­ten vor sechs Jah­ren auch über den Fall Tür­ck be­rich­tet. Stimmt, wir hat­ten ei­ne Mel­dung, und zwar über die An­kla­ge­er­he­bung. Das hat ei­ne an­de­re ju­ri­sti­sche Qua­li­tät. Das ist der Maß­stab, der für uns heu­te noch gilt wie 2004.

Gniff­ke er­klärt non­cha­lant ei­ne An­kla­ge­er­he­bung als Kri­te­ri­um für die Be­richt­erstat­tung in den Nach­rich­ten­sen­dun­gen der ARD. So weit, so gut, könn­te man sa­gen. Wer’s an­ders möch­te, kann ja die an­de­ren Sen­dun­gen an­schau­en.

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Die Un­fä­hig­keit, zu goog­len (2)

Ste­fan Win­ter­bau­er schaut ja ein biss­chen trau­rig auf dem Fo­to. Er hat auch ei­nen Ar­ti­kel ge­schrie­ben, der trau­rig ist. Trau­rig für Jour­na­li­sten.

Win­ter­bau­er schreibt für Mee­dia, des­sen Chef Ge­org Alt­rog­ge bei Ste­fan Nig­ge­mei­er für die Be­richt­erstat­tung über ei­nen ver­meint­li­chen Be­trug ei­nes Jour­na­li­sten stark kri­ti­siert wur­de. Alt­rog­ge hat nun et­was ge­macht, was sel­ten ist, er hat sich in die Dis­kus­si­on bei Nig­ge­mei­er ein­ge­bracht. So weit, so gut.

Ir­gend­wann ver­lief die Dis­kus­si­on je­doch nicht mehr so, wie sich je­mand wie Alt­rog­ge das of­fen­sicht­lich vor­stellt. Er stell­te dann ir­gend­wann die »Grund­satz­fra­ge«, die sehr ger­ne her­vor­ge­holt wird, wenn die Ar­gu­men­te brü­chig wer­den: nach der An­ony­mi­tät der Kom­men­ta­to­ren. Er schrieb dem Kom­men­ta­tor »treets« am 31.03.10 um 23.07 Uhr:

»Von Ih­nen wür­de ich mir wün­schen, dass Sie bei Ste­fan Nig­ge­mei­er wie bei Mee­dia un­ter Ih­rem Klar­na­men kom­men­tie­ren wür­den. Wenn ei­ner sich so wie Sie ann­onym [sic!] der­art aus dem Fen­ster lehnt, ist das lei­der nur fei­ge.«

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Leer­stel­le Gy­si?

Ma­ri­an­ne Birth­ler, die Bun­des­be­auf­trag­te für die Sta­si-Un­ter­la­gen, hat­te im ZDF am 22. Mai 2008 (laut Spie­gel On­line) in Be­zug auf ein Tref­fen zwi­schen Gre­gor Gy­si und sei­nem Man­dan­ten Ro­bert Ha­ve­mann ge­sagt: In die­sem Fall ist wil­lent­lich und wis­sent­lich an die Sta­si be­rich­tet wor­den, und zwar von Gre­gor Gy­si über Ro­bert Ha­ve­mann.

Gre­gor Gy­si hat­te ge­gen die Wei­ter­ver­brei­tung die­ser Äu­ße­rung ge­klagt und vor dem LG Ham­burg recht be­kom­men. Das ZDF ging in Be­ru­fung und un­ter­lag jetzt er­neut. In­ter­es­sant ist die Be­grün­dung. Es geht schein­bar gar nicht dar­um, ob Birth­lers Aus­sa­ge rich­tig ist oder falsch. Laut OLG darf die Äu­ße­rung Birth­lers nur nicht in der Art und Wei­se, wie dies er­folg­te, wie­der­ge­ge­ben wer­den. Das ZDF schreibt zur Ur­teils­be­grün­dung auf sei­ner Web­sei­te: »Nach Auf­fas­sung des Ge­richts hät­te das ZDF je­doch Gy­si kon­kre­ter zu den Äu­ße­run­gen Birth­lers be­fra­gen und Gy­sis Ver­tei­di­gungs­ar­gu­men­te aus­führ­li­cher dar­stel­len müs­sen.«

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Der Hin­ter­welt­ler und die Igno­ranz

    Tat­säch­lich war es viel­leicht noch zu kei­ner Zeit we­ni­ger schwie­rig als heu­te zu Wir­kung und Gel­tung zu ge­lan­gen; und ge­ra­de weil es so leicht ist zu »wir­ken«, scheint es un­mög­lich zu wir­ken.

    Von je­der Pla­kat­säu­le droht ein neu­er, be­son­de­rer Welt­um­sturz, schrei­en Ent­hül­lun­gen, locken frisch ent­deck­te Di­men­sio­nen. Die Fol­ge ist, daß sich nie­mand mehr dar­über auf­regt; au­ßer den Leu­ten na­tür­lich, die von ih­rer Auf­re­gung le­ben.

    Wir sind über­füt­tert mit Ge­dan­ken.*

Ist das die Kla­ge ei­nes gut be­zahl­ten Re­dak­teurs ei­nes (so­ge­nann­ten) Qua­li­täts­me­di­ums, der sei­ne Mei­nungs­füh­rer­schaft durch neue, ob­sku­re Kräf­te un­ter­mi­niert sieht? Oder ein­fach nur ei­ne Fest­stel­lung ei­nes des­il­lu­sio­nier­ten Blog­gers, der das sou­ve­rä­ne Ig­norieren durch die eta­blier­ten Me­di­en sträf­lich un­ter­schätzt hat­te und trotz al­ler An­stren­gun­gen sei­ne re­gel­mä­ßi­gen Be­su­cher pro­blem­los in ei­nem Mit­tel­klas­se­wa­gen un­ter­brin­gen könn­te? Und mit­ten­drin der seuf­zen­de Le­ser, Zu­schau­er, Zu­hö­rer: Wir hin­ge­gen stöh­nen un­ter der Last von [...] Mei­nun­gen, von de­nen je­de ein­zel­ne nicht Un­recht hat und die doch we­der ein­zeln, noch mit­sam­men das Ge­fühl der Wahr­heit ge­ben. Es scheint, wir sind mit­ten im ak­tu­el­len Über­for­de­rungs-Kla­ge­dis­kurs à la »Payback«.

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Das un­wür­di­ge Count-Up

Als im Lau­fe des heu­ti­gen Vor­mit­tags (27. Fe­bru­ar 2010) die Mel­dun­gen über das schreck­li­che Erd­be­ben vor der Kü­ste Chi­les auf­ka­men, wur­de dies na­tür­lich auch Ge­gen­stand di­ver­ser Me­di­en. Das bei die­sen Ge­le­gen­hei­ten er­bärm­li­che und wür­de­lo­se »Count-Up« be­gann fast so­fort: Trotz un­si­cher­ster Nach­rich­ten­la­ge wer­den im­mer wie­der sinn­lo­se Zah­len von To­des­op­fern wei­ter­ge­mel­det.

Es be­gann mit ver­meint­lich 16 Op­fern, die auch bei SWR1 ge­mel­det wur­den. Die Geo­gra­phie­kennt­nis­se des Re­dak­teurs wa­ren je­doch eher be­schei­den, wie man se­hen kann:

SWR1

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Kun­dus und Var­va­rin – Mit zwei­er­lei Maß

In der (me­dia­len) Öf­fent­lich­keit ist es Kon­sens: Die Hin­ter­blie­be­nen des An­griffs auf die bei­den Tank­zü­ge in der Nä­he von Kun­dus in der Nacht vom 3. auf den 4. Sep­tem­ber 2009 müs­sen ent­schä­digt wer­den. Die Ein­hel­lig­keit ver­blüfft. Aber das An­docken an die Scha­den­er­satz­for­de­run­gen re­ak­ti­viert die gu­te, al­te bun­des­re­pu­bli­ka­ni­sche Tu­gend wie­der: Man löst un­an­ge­neh­me Fra­gen am be­sten mit Geld. Der An­walt der Hin­ter­blie­be­nen, Ka­rim Po­pal, be­harrt dar­auf, di­rekt mit der Bun­des­re­gie­rung in Ver­hand­lun­gen zu tre­ten; er ver­traut der af­gha­ni­schen Re­gie­rung nicht und be­fürch­tet, das Geld ver­sickert in der Kor­rup­ti­on. Die­se Be­fürch­tung ist nach­voll­zieh­bar.

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Dex­ter Fil­kins: Der ewi­ge Krieg

Dexter Filkins: Der ewige Krieg
Dex­ter Fil­kins: Der ewi­ge Krieg

Dex­ter Fil­kins, 1961 ge­bo­ren, kam zum er­sten Mal als Kor­re­spon­dent der Los An­ge­les Times im April 1998 nach Af­gha­ni­stan und be­rich­te­te von dort re­gel­mä­ßig bis zum Som­mer 2000. Kurz nach den An­schlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001, die er in New York er­leb­te, ging er nach Af­gha­ni­stan zu­rück und blieb dort bis En­de 2002. Von März 2003 bis Au­gust 2006 leb­te Fil­kins im Irak und be­rich­te­te von dort für die New York Times aus de­ren Bag­da­der Bü­ro. »Der ewi­ge Krieg«, ein in den USA viel­fach prä­mier­tes Buch, ver­spricht, so der Un­ter­ti­tel, »In­nen­an­sich­ten aus dem ‘Kampf ge­gen den Ter­ror’ «.

Wie­der ein­mal ein ir­re­füh­ren­der und ef­fekt­ha­sche­ri­scher Un­ter­ti­tel. Er ist in dop­pel­ter Hin­sicht ir­re­füh­rend. Zu­nächst exi­stiert er im US-ame­ri­ka­ni­schen Ori­gi­nal gar nicht – das Buch heißt dort ein­fach nur »The Fo­re­ver War«. Zum an­de­ren sug­ge­riert man durch den Ge­brauch der Vo­ka­bel »Kampf ge­gen den Ter­ror« (der zu­dem noch ei­ne fal­sche, ver­harm­lo­sen­de Über­tra­gung des »War on [against] terror[ism]« dar­stellt) ei­ne min­de­stens teil­wei­se in­tro­spek­ti­ve Ana­ly­se über ei­ne rei­ne Schil­de­rung des ei­gent­li­chen Krie­ges hin­aus.

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